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Tamsel

Hoch ragt aus schattigen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor.
Chamisso

I

Tamsel ist ein reiches, schön gelegenes Dorf, etwa eine Wegstunde nordöstlich von Küstrin. Waldhügel, deren gewundene Linien mutmaßlich das alte Bett der Warthe bezeichnen, schließen es von Norden her ein, während nach Süden hin die Landschaft offen liegt und die Flußarme in allerlei Windungen sich durch das Bruchland ziehen.

Die Küstriner hängen mit einer Art Begeisterung an Tamsel, und bei bloßer Namensnennung überfliegt ein Lächeln ihre Züge, nicht unähnlich jener stillen Heiterkeit, mit der echte Berliner, soweit es deren noch gibt, den Namen »Charlottenburg« auszusprechen pflegen. Hier wie dort mischt sich kein Stolz über Historisches in dieses Lächeln; es ist vielmehr nur der Ausdruck eines plötzlich wiederbelebten Wohlgefallens, einer freundlichen Rückerinnerung an Park und Schloß, an Wasserpartien und Feuerwerke, an allerlei bunte Landschaftsbilder überhaupt, die bei dem freundlichen Klange noch einmal an dem inneren Auge vorüberziehen.

Und doch ist Tamsel ein historischer Name, wie Charlottenburg ein solcher ist. Er hat selbst eine Vorgeschichte. Wir verweilen aber nicht bei dieser und versuchen nicht festzustellen, wann die Templer in seinen Besitz kamen und wann sie diesen ihren Besitz an den Johanniterorden abtraten. Wir übergehen die Jahrhunderte, wo abwechselnd der Küstriner Markgraf und der Sonnenburger Heermeister hier Landeshoheit übten, und beginnen mit verhältnismäßig neuer Zeit, mit Hans Adam von Schöning, der, nach einem ruhmvollen Türkenzuge, wenigstens vorübergehend in die Stille seines väterlichen Tamsels zurückkehrte und das bis dahin aller Wahrscheinlichkeit nach wenig wertvolle Gut in einen prächtigen Landsitz umzuschaffen begann.

Hans Adam von Schöning, bei dessen tatenreichem Leben wir weiterhin länger und eingehender zu verweilen haben werden, machte Tamsel im wesentlichen zu dem, was es jetzt ist, und wenn Um- und Neubauten auch dem Schloß und Park von damals eine nach außen hin veränderte Gestalt gegeben haben, so ist doch in seiner inneren Einrichtung und Ausschmückung gerade noch genug vorhanden, um uns ein Bild von dem Reichtum zu geben, der hier damals zusammenfloß, als ob es eigens darauf angekommen wäre, einen Sitz märkischer Schlichtheit in einen Sitz voll fürstlicher Pracht umzuwandeln. Griechische Handwerker, die Hans Adam von seinem Siegeszuge mit heimbrachte, füllten das rasch emporwachsende Schloß mit Reliefbildern und Skulpturen, und alle Hallen und Säle trugen Stuckornamente, die bis in unsere Tage hinein die Bewunderung der Fremden zu sein pflegten. Alle Zimmer waren paneeliert, die Wände der Galerie aber glänzten bis hoch hinauf im Schmuck einer kostbaren Holzbekleidung, in deren Tafelwerk die großen, goldumrahmten Bilder kunstvoll eingelassen waren. Unter diesen Bildern befanden sich vor allem die lebensgroßen Portraits Hans Adams und seiner Gemahlin: sie unter Blumen, von ihren Kindern umspielt, er zu Roß, den Feldmarschallsstab in der Rechten und die Füße bis hoch hinauf in scharlachrote Gamaschen gesteckt. Und vieles von dieser Pracht ist dem Schlosse bis diesen Tag erhalten geblieben. Noch hängen Jagd- und Blumenstücke von der Hand niederländischer Meister in den halb erleuchteten Korridoren; noch blitzen die Boiserien der Gemäldegalerie wie in alter Zeit, und die Scharlachgamaschen des Feldmarschalls mahnen noch immer an den Sturm auf Ofen, wo knietief im Blute gewatet wurde. Nur die Stuckornamente, die pausbäckigen Engel, die in die Tuba bliesen, und Mars und Minerva, die aufhorchten, als hätten sie solche Klänge nie vernommen, nur diese Deckenreliefs erfreuen das Auge nicht länger. Wegen ihrer Fährlichkeit von Fries und Decke losgelöst, teilten sie das Schicksal des großen Schöningschen Wappensteins, der früher die Front des Schlosses krönte und seitdem, herabgenommen und beiseite gestellt nur selten noch ein Auge findet, das sich durch ihn an alte Zeit und alten Ruhm erinnern läßt.

Uns aber erinnert er daran, und so erzählen wir zunächst die Geschichte Hans Adams, des Erbauers des Schlosses.


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