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Das Schloß

In seinen Umfassungsmauern ist es noch das, was vom Feldmarschall von Schöning gebaut wurde; von seiner innern Einrichtung ebenso hat sich das Treppenhaus und der Ahnensaal erhalten. Im ganzen aber darf es, namentlich nach Beseitigung des gotischen Daches, das vor etwa vierzig Jahren durch ein Flachdach ersetzt wurde, als ein Neubau gelten.

Das Schloß ist reich an Bildern und Skulpturen aller Art; wir verweilen jedoch nur bei den historisch interessantesten, wie sie sich im Billardzimmer und im Ahnensaal vorfinden.

 

Im Billardzimmer.

1. Portrait Friedrichs des Großen. (Kniestück.) Vorzügliches Bild, wenn nicht von Pesne selbst herrührend, so doch wahrscheinlich unter seiner Leitung gemalt. Es erinnert wenigstens in Ton und Auffassung an andere Friedrichs-Portraits dieses Meisters. Der König ist auf diesem Bilde etwa dreißig Jahr alt, in weißgepudertem, natürlichem Haar. Um das noch volle Kinn herum bemerkt man einen bläulichen Bartton. Neben ihm liegt ein Hermelinmantel und ein mit Lorbeer geschmückter Helm. Er trägt einen eleganten blauen Rock mit rotem Futter und Goldbrokatbesatz, weiße Ärmel, die sich unter den kurzen Hockärmeln präsentieren, den Stern und das Orangeband des Schwarzen Adlerordens, Küraß und Schärpe.

2. Portrait des Prinzen Heinrich. Der Prinz in Generalsuniform, die Ärmelaufschläge von Tigerfell. Neben ihm der Plan der Schlacht bei Freiberg; im Hintergrunde die Schlacht selbst.

3. Das Schloß zu Cölln an der Spree im Jahre 1602. Höchst interessantes Bild; fünf Fuß hoch, sechs Fuß breit; der Name des Malers nicht bekannt. Es ist die der Breiten und Brüderstraße zugekehrte Front, und kaum irgend etwas erinnert an die Schloßfaçade, wie sie jetzt dem Auge sich darbietet. Der Bau ist noch durchaus mittelalterlich, mit gotischen Giebeln. In der Mitte der Façade und in Höhe des ersten Stocks bemerkt man einen eigentümlich geformten, kunstreich gegliederten Balkon, während sich in Höhe des Erdgeschosses, an der ganzen Front hin, eine Kolonnade, nach Art der noch jetzt existierenden Stechbahn, hinzieht. Diese Kolonnade ist von rötlichem Stein. Der Rest des Bildes zeigt einen grauen Ton. – König Friedrich Wilhelm IV., als er bei seinem Besuche in Tamsel (etwa 1845) dies Bild sah, nahm das größte Interesse daran und ließ eine Kopie anfertigen, die sich gegenwärtig im Berliner Schlosse befindet. Das Original wurde während der dreißiger Jahre nur durch einen glücklichen Zufall vom Untergange gerettet; man fand es verstaubt, geschwärzt, zerrissen auf einem Bodengelaß.

 

Im Ahnensaal.

Unter den verschiedenen Portraits, die sich hier vorfinden, sind die folgenden die wichtigsten:

1. Hans Adam von Schöning, der Türkenbesieger. Großes Bild, neun Fuß hoch, zehn Fuß breit. Hans Adam sitzt zu Pferde und trägt einen gelbledernen Waffenrock, rote Gamaschen, eine kurze braune Perücke, Dreimaster mit weißen Straußenfedern und Galanteriedegen. Die rote Satteldecke ist reich mit Gold und Silber gestickt.

2. Die Gemahlin Hans Adams von Schöning. Das Pendant zum vorigen, also ebenso groß. – Die Feldmarschallin ist noch jung, mit weißgepuderten Locken und Perlen darin. Sie trägt ein weißes Atlaskleid mit Goldstickerei; ebensolche Schuhe. Vier Kinder spielen um sie her, ein fünftes ruht auf ihrem Schoß. Das älteste der Kinder, ein junges Mädchen, ist im Dianakostüm, ein Windspiel ihr zur Seite; ein andres Kind trägt ein Füllhorn, ein drittes spielt mit einem Lamm; dazwischen Windspiele und Bologneserhündchen. Links in der Ecke des Bildes Genien mit Kränzen und Palmen. Im Hintergrunde Schloß Tamsel vor 1686.

3., 4., 5. Drei Bilder des Generals von Wreech, des Gemahls der schönen Luise Eleonore.

6. und 7. Die Bilder des Ministers von Brandt (wahrscheinlich des bekannten Eusebius von Brandt) und seiner Gemahlin.

8. Frau von Wreech (Luise Eleonore). Kniestück. Sie ist hier achtundzwanzig bis dreißig Jahr alt, also ein Bild, das noch zu Lebzeiten ihres Gemahls gemalt wurde. Sehr hübsch, frisch, üppig, die Augen voll Leben und Klugheit. Sie trägt ein weißes Brokatkleid, mit natürlichen Blumen aufgesteckt, dazu eine hellblaue, silber- oder weißgestickte Überjacke; Granatblumen im weißgepuderten, natürlichen Haar und Perlenohrgehänge.

9. Frau von Wreech als Witwe; achtunddreißig bis vierzig Jahr alt; halbe Figur. Sie trägt ein schwarzes Kleid und über dem schönen Nacken einen weißen, durchsichtigen Tüllkragen, mit einer kleinen Halskrause daran. Die schwarze Schnebbe der Witwenhaube geht bis tief in die Stirn; an der Haube hängt der schwarze Witwenschleier.

10. Frau von Wreech (drittes Portrait). Brustbild, lebensgroß. Sie ist hier etwa vierzig bis einundvierzig Jahr alt. Es scheint um die Zeit gemalt zu sein, wo sie die Witwentrauer ablegte. Sie trägt ein ausgeschnittenes weißes Atlaskleid, kurze Ärmel, breite Fall-Unterärmel, eine Halskrause (trotz des tief ausgeschnittnen Kleides) und eine schwarze Samtjacke mit buntem Futter über die Schulter geworfen. In der Hand hält sie eine Tabatière. Das Ganze macht einen sehr angenehmen Eindruck: eine vornehme, zugleich anspruchslos-hausmütterliche Dame, noch hübsch, aber ohne besondere Schönheit. – An Kunstwert ist ihr zweites Portrait, im Witwenkleide, das beste. Auch tritt sie einem hier am meisten als »schöne Frau« entgegen. An dieser Stelle sei übrigens noch der Frau Karschin, der bekannten Dichterin, erwähnt, die jahrelang zu Frau von Wreech in freundschaftlichen Beziehungen stand. Die Karschin war längere Zeit in Tamsel zu Besuch. Im Tamsler Archiv befinden sich verschiedene Gedichte der Karschin, an Frau von Wreech gerichtet und Briefe (gewöhnlich in Versen), die beide Damen wechselten. Leider bot sich mir nur Gelegenheit, diese Papiere zu lesen, nicht, sie zu benutzen. Sie geben ein vortreffliches Zeitbild.

11. Generalfeldmarschall Graf Kurt von Schwerin. Derselbe, der bei Prag fiel. Kniestück. Sehr gutes Bild, lebensvoll. Der Gesichtsausdruck freundlich, klug, fest und schlicht. Er ist in voller Rüstung, mehr Ritter als Kürassier, und trägt über der linken Schulter, als bloße Drapierung, einen Purpur-Sammetüberwurf, auf dem der Schwarze Adlerorden sichtbar ist.

Dieses Bild, das sich früher im Besitze des Generals Kurd von Schöning in Potsdam befand, kam auf folgende Weise nach Tamsel.

General Kurd von Schöning hatte bei seinen gelegentlichen Besuchen in Tamsel nie versäumt, seines Ahnherrn Hans Adam von Schönings Bild (den Reiter mit den blutroten Gamaschen) mit lebhaftestem Interesse zu betrachten, und Graf Hermann Schwerin nahm deshalb Veranlassung, eine Kopie des großen Bildes anfertigen und diese dem General von Schöning überreichen zu lassen. Ein Schwerin also hatte einem Schöning das Bildnis seines berühmten Ahnherrn zum Geschenk gemacht. Jahre vergingen, und General von Schöning starb. Bei Öffnung seines Testaments fand man in demselben folgendes: »§ 12. Das Bild vom Generalfeldmarschall Grafen Schwerin erhält der liebenswürdige, edle Herr Graf Schwerin auf Tamsel. Nur wenn derselbe eher als ich das Zeitliche segnen sollte, erhält es das Schloß von Tamsel in Anerkennung der treubewahrten Alt-Schöningschen Erinnerungen über und unter der Erde.«

So kam das Bild nach Tamsel. Ein Schöning hatte nunmehr einem Schwerin das Bildnis des berühmtesten Schwerinschen Ahnherrn als Gegengeschenk überreicht.

 

Ich habe geglaubt, bei Aufzählung alles dessen, was Tamsel einerseits an Erinnerungen, andrerseits an Kunstschätzen bietet, ausführlicher verweilen zu sollen, weil diesem schönen Landsitze, durch länger als ein Jahrhundert hin, die Rolle zufiel, nicht nur ein historischer Schauplatz, sondern auch eine Pflegestätte für die Künste zu sein. Wir haben Stätten in unsrer Provinz, die, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, glänzender debütiert oder vorübergehend ein intensiveres Leben geführt haben, aber was dem Ruhme Tamsels an Intensität abgehen mag, das ersetzt er durch Dauer, durch ein konsequentes Sich-auf-dem-Niveau-Halten. Es gibt märkische Schlösser, aus denen berühmtere Feldherrn als Feldmarschall von Schöning, schönere Frauen als Frau von Wreech und glänzendere Poeten als Graf Ludwig Wreech oder Graf Hermann Schwerin hervorgegangen sind, aber es gibt keinen Landsitz, der, wie Tamsel, durch sechs Generationen hin, in bewußter Ausübung und Pflege jeglicher Kunst sich immer gleichgeblieben wäre.

Schloß Rheinsberg, mit dem es überhaupt vieles gemeinsam hat, steht ihm hierin am nächsten, da die Zeit seiner Blüte siebzig Jahre umfaßt. Alle übrigen Schlösser aber, die hierlandes den schönen Künsten ihr gastliches Tor öffneten, sahen die Muse nur zeitweilig in ihren Mauern. Sie kam und ging. Tegel: die Humboldts; Blumberg: Canitz; Wiepersdorf: Achim von Arnim; Nennhausen: Fouqué; Madlitz und Ziebingen: Tieck – alle hatten ihre Zeit, und die literarische Bedeutung dessen, was in ihnen geboren wurde, ging weit über das hinaus, was Tamsel hervorbrachte. Aber dilettantisch, wie alles sein mochte, was der schöne neumärkische Herrensitz entstehen sah, klein, wie das Feuer war, es losch nie aus. Der Besitz wechselte vielfach und ging durch Erbschaft auf immer neue Namen über, jeder folgende jedoch empfand sich stets als Erbe gewisser Traditionen, und die Schönings, die Wreechs, die Dönhoffs, die Schwerins, wie verschieden sonst auch, sie zeigten sich einig in gefälliger Pflege der Kunst.

Und um dieser Eigentümlichkeit Tamsels gerecht zu werden, bedurfte es einer ins einzelne gehenden Aufzählung des reichen Materials, das sich daselbst in Schloß und Park und Kirche zusammenfindet.


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