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Das Kriegsgericht zu Köpenick
Über dies Kriegsgericht und das durch dasselbe gefällte Urteil finden sich infolge regelmäßiger und oft ausschließlicher Benutzung der als Quelle dienenden Memoiren des Freiherrn von Pöllnitz und der Markgräfin von Bayreuth Diese Memoiren der Markgräfin sind nichtsdestoweniger, wie nicht genug anerkannt werden kann, von einem unschätzbaren Wert. Im einzelnen haben sie beständig unrecht, im ganzen haben sie beständig recht. Handelt es sich darum, ob etwas an diesem oder jenem Tage geschah, soll über Personen und Namen Endgültiges festgestellt werden, so lassen sie einen im Stich. Mitunter auch dann noch, wenn sie Selbsterlebtes erzählen. Aber das Gesamtbild, vor allem die Stimmung jener Tage, ist in unübertrefflicher Weise wiedergegeben. Selbst die Charakteristik der Personen – einige wenige ausgenommen, wo der Groll über erlittene Unbill ihr Urteil trübte – halte ich im wesentlichen für zutreffend. Wenn es heißt daß sie den König zu streng beurteilt habe, so ist das nur halb richtig. Das Große, was unzweifelhaft in ihm steckte, können wir leicht bewundern; seiner Umgebung aber, die vor ihm zitterte, war es mindestens schwer gemacht, dies Große jeden Augenblick gegenwärtig zu haben. immer noch Irrtümer verbreitet, die den Ergebnissen einer strengeren historischen Forschung bis diesen Tag getrotzt haben. Es wird nötig sein, die betreffenden irrtümlichen Stellen aus den Memoiren der beiden Vorgenannten zunächst zu zitieren. So schreibt die Markgräfin: »Dönhoff und Linger stimmten für Pardon, aber die anderen, um dem Könige zu Willen zu sein, verurteilten den Kronprinzen und Katte zur Enthauptung.« Und in Übereinstimmung damit heißt es bei Pöllnitz: »Weder der Kronprinz noch Katte waren persönlich zugegen. Nichtsdestoweniger wurden sie von dem Kriegsgerichte gerichtet und verurteilt, den Kopf zu verlieren.« Diese beiden Stellen sind in unzählige volkstümliche Geschichts- und Nachschlagebücher übergegangen, während umgekehrt das Wort »Tod« von seiten des Kriegsgerichts nicht gesprochen worden ist. Die dasselbe bildenden oder, richtiger, die innerhalb desselben den Ausschlag gebenden Männer fällten vielmehr über den Kronprinzen, »weil er jenseits ihrer Kompetenz läge«, gar kein Urteil und verurteilten Katte zu lebenslänglicher Festungsstrafe. Dies ist kurz das Tatsächliche.
Foerster und Preuß, unter Benutzung reicher und zuverlässigerer Quellen, haben in ihren epochemachenden Werken die Dinge so gegeben, wie sie realiter liegen; aber auch ihnen scheint ein voller Einblick in die Details des Verfahrens gefehlt zu haben, und erst eine verhältnismäßig sehr neue Veröffentlichung (1861) ermöglicht einen solchen Einblick. Diese Veröffentlichung führt den Titel: »Vollständige Protokolle des Köpenicker Kriegsgerichts« und wurde durch Professor Danneil, den Vorstand des in der Propstei zu Salzwedel befindlichen Schulenburgschen Familienarchivs, veranstaltet. In einem kurzen Vorworte gibt der Herausgeber (Danneil) zunächst Auskunft darüber, wie dieser Protokollenschatz in das ihm unterstellte Familienarchiv gelangte. Einfach dadurch, daß ein Schulenburg, und zwar der Generallieutenant Achaz von der Schulenburg, der Vorsitzende des Köpenicker Kriegsgerichts war. »Alle diese Protokolle«, heißt es dann weiter, »finden sich in Abschrift vor. Die Originale wurden dem König überreicht. Sämtliche Abschriften sind sehr sorgfältig und sicherlich auf Veranlassung des Generallieutenants von der Schulenburg selbst angefertigt worden. Ihre Orthographie, weil man sich an die Originale hielt, weicht hier und dort untereinander ab. Die von diesen Verhandlungen bisher allein bekannt gewordene Cabinetsordre vom 1. November 1730 (in der der König das nicht auf Tod lautende Urteil des Kriegsgerichts umstößt, um es seinerseits zu verschärfen) stimmt mit dem Abdruck derselben bei Preuß bis auf wenige unwesentliche Punkte überein.«
Soweit Professor Danneil. Seiner wichtigen Veröffentlichung entnehme ich nunmehr das unmittelbar Folgende. Zunächst einige Daten, die, namentlich auch, was die abweichenden Zahlenangaben betrifft, auf Zuverlässigkeit Anspruch haben.
Unterm 22. Oktober wurde das Kriegsgericht von seiten des Königs ernannt. Es bestand aus fünfzehn Offizieren, die sich in fünf Ranggruppen sonderten.
Und zwar:
Generalmajor von Schwerin
Generalmajor von Dönhoff Generalmajor von Linger Oberst von Derschau
Oberstlieutenant von Weyher
Major von Einsiedel
Capitain von Itzenplitz
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Am 27. Oktober traten diese fünfzehn Offiziere, aber zunächst noch in Gruppen gesondert, zu einer Vorberatung zusammen, um fünf schriftliche Separatvota abzugeben. Daran schloß sich als sechstes Separatvotum das des Vorsitzenden Achaz von der Schulenburg.
Der 28. war der Tag des eigentlichen Kriegsgerichts, an dem das Endurteil gefällt werden sollte und auch wirklich gefällt wurde. Dies Urteil in seiner ganzen weitgedehnten Motivierung hier zu bringen, verbietet der Raum, weshalb ich mich auf Wiedergabe des vorerwähnten Achaz von der Schulenburgschen Separatvotums beschränke. Dieses Separatvotum deckt sich inhaltlich mit dem kriegsgerichtlichen Spruch und mag deshalb in Vertretung desselben hier seine Stelle finden. Es lautete:
»Nach fleißiger und genauer Erwägung sämmtlicher dem General-Kriegs-Gericht vorgelegenen Akten finde ich, Praeses dieses Gerichtes, nach meinem Gewissen und abgestatteten Eyde mich verbunden
1. Was den Cron-Printzen betrifft, denen sämmtlichen dahin gehenden Votis beyzufallen, daß deßelben jetzige Sache nach ihren Umständen von einem Krieges-Recht nicht gesprochen werden könne, sondern Sr. K. M. zu überlassen sey, welchergestalt Sie deßen wiederholte wehmüthige Reu-Bezeugung, submission und Bitte als König und Vater in Gnaden anzusehen geruhen mögten.
2. So viel den Hans Hermann Katten anlanget, muß ich denjenigen Votis beistimmen, welche ewigen Vestungs-Arrest erkannt haben, Allermaaßen desselben sonst böser Raht und Anschläge, auch seine dem Cron-Printzen zur Flucht so offt versprochene und abgeredete Hülffe dennoch zu keinem Effect und Würcklichkeit gelanget. Aus meiner gesunden Vernunfft aber und vor mich ich nicht anders begreifen kann, als daß auch in denen größten Verbrechen ein sonderbahrer Unterschied zwischen wirklicher Vollziehung der vorgenommenen bösen That und zwischen denen dazu allererst genommenen Mesures seyn müsse, und eine Lebens Straffe zwar bey jener, nicht aber bey diesen stattfinden könne. Und da es in diesem Falle noch zu keiner wirklichen Desertion gekommen, so kann ich nach meinem besten Wißen und Gewißen, auch dem theuer geleisteten Richter-Eyde gemäß, den Katten mit keiner Lebens-Straffe, sondern mit ewigem Gefängniß zu belegen mich entschließen.«
Am selbigen, spätestens an dem darauffolgenden Tage wurde das Urteil – wahrscheinlich unter Beischluß der Separatvota – dem zu Schloß Wusterhausen in finsterer Ungeduld wartenden König eingehändigt. Er war nicht befriedigt und sandte folgende Bemerkung zurück: »Sie sollen Recht sprechen und nit mit dem Flederwisch darübergehen. Das Kriegsgericht soll wieder zusammenkommen und anders sprechen.«
Auf der Rückseite des Blattes stand von der Hand des Königs: »5. Buch Mose, Kap. 17, Vers 8 bis 12. Zweites Buch Samuelis, Kap. 18, Vers 10 bis 12. Zweites Buch Chronika, Kap. 19, Vers 5 bis 7.« Im 5. Buch Moses heißt es an der Hauptstelle: »Und du sollst dich halten nach dem Gesetz, das sie dich lehren, und nach dem Recht, das sie dir sagen, daß du von demselben nicht abweichest, weder zur Rechten noch zur Linken.«
Aber alle diese Mahnungen zu größerer Strenge waren vergeblich. Das Kriegsgericht blieb bei seinem Spruch, und Achaz von der Schulenburg, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender, antwortete unterm 31. Oktober: »Nachdem er nochmals reiflich erwogen und wohl überleget, finde er sich in seinem Gewissen überzeuget, daß es dabei bleiben müsse und solches zu ändern ohne Verletzung seines Gewissens nicht geschehen könne noch in seinem Vermögen stehe.«
Worauf nun, de dato Wusterhausen am 1. November 1730, jener königliche Machtspruch erfolgte, der den durch Kriegsgericht lediglich zu lebenslänglicher Festungshaft verurteilten Katte mit dem Tode bestrafte. Unter Fortlassung einiger weniger, die drei mitangeklagten Lieutenants von Keith, von Spaën und von Ingersleben Von Keith, wie schon in einer früheren Anmerkung hervorgehoben, war durch das Kriegsgericht zum Strang, von Spaën zu Kassation, von Ingersleben zu sechsmonatiger Festungshaft verurteilt worden. Da von Keith bereits flüchtig geworden war, ward er »in effigie« gehenkt. betreffenden Sätze, lautete diese berühmt gewordene » Cabinetsordre« wie folgt:
»Se. Königliche Majestät in Preußen, Unser allergnädigster König und Herr, haben das Denenselben eingesandte Kriegesrecht durchlesen, und sind mit demselben in allen Stücken sehr wohl zufrieden.« (Folgt die Zustimmung zu dem über die Lieutenants von Keith, von Spaën und von Ingersleben gefällten Urteile.)
»Was aber den Lieutenant v. Katt und dessen Verbrechen, auch die vom Kriegsrecht deshalb gefällte Sentenz anlanget, so sind S. K. M. zwar nicht gewohnt, die Kriegsrechte zu schärfen, sondern vielmehr, wo es möglich, zu mindern, dieser Katt aber ist nicht nur in meinen Diensten Offizier bey der Armee, sondern auch bey der Garde Gens D'Armes, und da bey der ganzen Armee meine Offiziers mir getreu und hold sein müssen, so muß solches um so mehr geschehen von den Offiziers von solchen Regimentern, indem bey solchen ein großer Unterschied ist, denn Sie immediatement Sr. Königl. Majestät und Dero Königlichem Hause attachirt seyn, um Schaden und Nachtheil zu verhüten, vermöge eines Eides.
Da aber dieser Katt mit der künftigen Sonne tramiret, zur Desertion mit fremden Ministern und Gesandten allemal durch einander gestecket, und er nicht davor gesetzet worden, mit dem Kronprinzen zu complottiren, au contraire es Sr. Königlichen Majestät und dem Herrn General-Feldmarschall v. Natzmer hätte angeben sollen, so wüßten S. K. M. nicht, was vor kahle Raisons das Kriegsrecht genommen, und ihm das Leben nicht abgesprochen hätten. S. K. M. werden auf die Art sich auf keinen Offizier noch Diener, die in Eid und Pflicht stehen, verlassen können. Denn solche Sachen, die einmal in der Welt geschehen, können öfters geschehen. Es würden aber dann alle Thäter den Prätext nehmen, wie es Katten wäre ergangen, und weil der so leicht und gut durchgekommen wäre, ihnen desgleichen geschehen müßte. S. K. M. seynd in Dero Jugend auch durch die Schule geloffen, und haben das lateinische Sprüchwort gelernet: Fiat Justitia et pereat mundus! Also wollen Sie hiermit, und zwar von Rechtswegen, daß der Katte, ob er schon nach denen Rechten verdient gehabt, wegen des begangenen Crimen Laesae Majestatis mit glühenden Zangen gerissen und aufgehenket zu werden, Er dennoch nur, in Consideration seiner Familie, mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden solle. Wenn das Kriegsrecht dem Katten die Sentence publicirt, soll ihm gesagt werden, daß es Sr. K. M. leid thäte, es wäre aber besser, daß er stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme.
F. Wilhelm.«