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5. Gentzrode von 1881 bis jetzt

Um die Gläubiger in ihren Ansprüchen wenigstens bedingungsweise befriedigen zu können, war, gleich nach der Konkurserklärung,

der Tempelgarten von der Stadt,

die Torfstiche von der Deutschen Bank,

Gentzrode selbst von den Herren Albert Ebell und Oberamtmann Troll übernommen worden.

Nur mit den Schicksalen von Gentzrode haben wir uns in diesem Schlußkapitel zu beschäftigen.

Es war im September 1881, daß die vorgenannten Herren (Ebell und Troll), die beide Gläubiger, aber nicht Inhaber von Hypotheken waren, Gentzrode, das ungefähr eine Million gekostet hatte, kauften, und zwar für die Summe von 210 000 Mark. Sie hatten von vornherein nicht die Absicht, sich hier zu behaupten, sondern gingen lediglich in der Erwartung einer guten Finanzoperation vor, worin sie sich auch nicht getäuscht sahen. Eine nicht unbeträchtliche Summe floß ihnen aus der Realisierung des überreich ausgestatteten Inventars zu, welcher Inventar-Realisierung im Juli 1882, also nach kaum zehnmonatlichem Besitz, der Wiederverkauf von Gentzrode selbst folgte. Die Kaufsumme war auf 270 000 Mark gestiegen. Der diesmalige Käufer des Gutes war der zu Halle a. S. lebende Herr A. Wernicke, Fabrikant für Maschinen landwirtschaftlichen Betriebs, insonderheit für Zuckerfabriken. Es ist wahrscheinlich, daß sein Plan dahin ging, Gentzrode ganz auf Zuckerfabrikation hin umzugestalten. Er mußte sich aber bald von der Unmöglichkeit überzeugen – die Maschinen standen ihm zur Verfügung, aber der alte Dünensand der Kahlenberge, wieviel man auch aus ihm gemacht hatte, war doch kein Rübenland geworden. A. Wernicke hielt im übrigen das Gut in gutem Stande, war aber schließlich doch froh, es nach fünfjährigem Besitz, gegen Austausch, wieder veräußern zu können. Er übernahm das in der Provinz Posen gelegene Gut Konooko und trat dafür Gentzrode an den Besitzer obengenannten polnischen Gutes, Herrn Paul Hoepffner, ab. Konooko war bei diesem Tausch auf 500 000 Mark, Gentzrode auf 300 000 Mark berechnet worden, so daß Herr Paul Hoepffner noch einen Zuschlag von 200 000 Mark empfing.

Dies war im Januar 1887. Schon im Juni 1888 entäußerte sich Herr Paul Hoepffner seines Gentzroder Besitzes wieder und verkaufte denselben, und zwar für die Summe von 300 000 Mark, an den früheren bremensischen Konsul in Argentinien, Herrn F. W. Nordenholz. Dieser gedenkt das Gut zu halten und in dem Geiste weiterzuführen, der es vor grad einem Menschenalter ins Leben rief. Es soll aufhören, ein Spekulationsobjekt zu sein, sondern umgekehrt wieder ein Gegenstand des Pflanzens, der Passion, des landwirtschaftlichen Versuchs werden. Alles wie dereinst unter den Begründern, Gentz Vater und Sohn. Konsul Nordenholz will hier leben, nicht erwerben, er will entstehn sehn und sich des Entstehenden freun.

 

Und nun noch ein Schlußwort.

Der Reiz, den diese Gentzroder Schöpfung von Anfang hatte, wird ihr noch auf lange hin verbleiben, der Reiz, daß hier alles erst im Werden ist. Unsre Teilnahme haftet am Unfertigen. »Was wird sich bewähren, was nicht?«, »wie wird sich's entwickeln?« Das sind die Fragen, die, von alters her, uns an Menschen und Dingen am meisten interessiert haben. Die ganze landwirtschaftliche Welt unsrer Provinz verkehrt in Gentzrode oder fährt hier vor, um den in einen Eichwald umgewandelten Dünensand nach Art eines »interessanten Falls« zu studieren. Und vieles in der Tat ist hier zu lernen, auch seitens derer, die hier anderen Fragen nachsinnen als denen der Agrikultur. Eine neue Macht hat sich hier etabliert: das intelligente, dem Mittelalterlichen ab-, dem Fortschrittlichen zugewandte Bürgertum, das, aus Überlieferung und Vorurteil gelöst um dieser Welt willen lebt und das Glück im Besitz und in der Verklärung des Diesseitigen sucht.

Ob es erreicht werden wird? Es wird bejaht und bestritten. Aber wie immer auch die Antwort auf diese Frage lauten möge, wir haben uns zunächst einer natürlich fortschreitenden Entwicklung alles Lebenden um uns her zu freun, ungetrübt durch die Betrachtung, ob diese Fortentwicklung ein Schritt aufwärts zu höherem Dasein oder ein Schritt abwärts zu Tod und Auflösung ist. Das Wachsende, gut oder nicht gut, tritt an die Stelle des Fallenden, um über kurz oder lang selber ein Fallendes zu sein. Das ist ewiges Gesetz.

 


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