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Neustadt a. D.

Auf der langen Bohlenbrücke,
Drüber unsre Schritte dröhnen,
Wandeln wir mit heitrem Blicke
In die Stadt; kühl sind die Straßen,
Blank die Steine, kannst du's fassen?
Du betrittst sie ganz alleine.

Wer kennte nicht Neustadt? Aber wenn es einerseits zu den Städten gehört, von denen die Welt nur den Bahnhof kennt, so gehört es andererseits zu denen, die beständig verwechselt werden.

Uns gegenüber im Coupé sitzt eine blasse Dame von sechsunddreißig und mustert abwechselnd das Bahnhofstreiben und das Bahnhofsgebäude.

»Neustadt an der Dosse... Hier ist ja wohl eine Forstakademie?«

Der Angeredete, den ich meinen Lesern kurzweg als einen Onkel Bräsig der Neustädter Territorien vorstellen möchte, verbeugt sich artig und antwortet: »Nein, meine Gnädigste, die Forstakademie ist in Neustadt-Eberswalde.«

»Richtig. Ich meinte ein Irrenhaus.«

»Bitte um Entschuldigung, das ist auch in Neustadt-Eberswalde.«

»Aber ich dächte doch...«

»Ganz richtig, hier ist ein Gestüt

»Ein Gestüt?«

»Ja. Sehen Sie dort.«

»Aber mein Gott das ist ja eine Kirche.«

»Verzeihung, ich meine weiter links, dort, wo die Pappeln stehen.«

»Ah, so; dort.«

»Es gibt nämlich, wenn Sie sich dafür interessieren...«

»Oh, bitte.«

»... ein königliches und ein Landesgestüt, und durch Heranziehung arabischer...«

»Ah, so... Wie weit haben wir noch bis Wittenberge?«

 

Der Zug rasselt inzwischen weiter. Nur der Leser und ich sind ausgestiegen, um Neustadt, an dem wir zahllose Male vorübergefahren, endlich auch in der Nähe kennenzulernen. Ein anmutiger Spaziergang, bei sinkender Septembersonne, führt uns ihm entgegen. Unterwegs, von einer Brückenwölbung aus, erfreut uns der Blick über einen weiten Wiesengrund und die kanalartig regulierte Dosse. Fünf Minuten später haben wir die Stadt erreicht, eine einzige Straße, darauf rechtwinklig eine andere mündet. Da, wo sich beide berühren, erweitern sie sich und bilden einen Marktplatz, an dem die »Amtsfreiheit« und die Kirche gelegen sind. Am äußersten Ende der Längsstraße das Gestüt. Auf einen Besuch dieser berühmten Vorbereitungsstätte für unsere Kavalleriesiege verzichten wir und begnügen uns damit, unsere Aufmerksamkeit auf Stadt und Vorstadt und insonderheit auf die Geschichte beider zu richten.

Diese (wenigstens bis in die zweite Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts) ist in wenig Zeilen erzählt.

Burg oder Schloß Neustadt gehörte 1375, wie das Landbuch Kaiser Karls IV. ausweist, dem Lippold von Bredow. Später an die Ruppiner Grafen übergehend, war es zeitweilig den Quitzows, den Bredows, den Rohrs verpfändet, bis es, nach dem Erlöschen des gräflichen Hauses von Lindow-Ruppin (1524), dem Kurfürsten zufiel. Aber neue Pfandinhaber folgten, und erst 1584 kam es erb- und eigentümlich an Reimar von Winterfeldt. Die Winterfeldts besaßen es bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, an dessen Ende wir Neustadt plötzlich in eine Epoche berühmter historischer Namen eintreten sehen. Es waren dies:

Feldmarschall Graf Königsmarck von 1644 bis 1662;

Prinz Friedrich von Hessen-Homburg von 1662 bis 1694;

Eberhard von Danckelmann (nicht als Besitzer, aber als kurfürstlicher Amtshauptmann) von 1694 bis 1697.

Nach dieser Zeit hören die historischen Namen wieder auf, und »Amt Neustadt« wird ein kurfürstliches respektive königliches Amt wie andere mehr.

Aus der Graf Königsmarckschen Zeit ist wenig zu berichten. Der Graf hat mutmaßlich seine Neustädter Besitzungen nie gesehen, begnügte sich vielmehr damit, sie durch seinen Regimentsquartiermeister Liborius Eck in allerdings mustergiltiger Weise verwalten zu lassen. 1662 ging das Gut, wie schon vorstehend erwähnt, an den Hessen-Homburger Prinzen über, wodurch ein Zeitabschnitt eingeleitet wurde, bei dem wir eingehender zu verweilen haben werden.


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