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IV

Rückkehr in die Heimat. Ruppin. Übersiedlung nach Berlin.
Verheiratung (1861). Reisen. Briefe aus Stockholm
(Von 1857 bis 1874)

1857, wie bereits kurz erwähnt, verließ W. Gentz Frankreich, um nun dauernd in die Heimat zurückzukehren. Aber er blieb, wie jeder Künstler das muß, in intimer Fühlung mit Paris, und so mag denn, eh ich in nachstehendem über die zweite Hälfte seines Lebens und Schaffens berichte, zunächst das noch eine Stelle hier finden, was er – aus aller Chronologie herausgerissen und anknüpfend an die gelegentlichen Begegnungen einer späteren Zeit – über die französischen Maler überhaupt insonderheit über ihren naiven Chauvinismus, also mehr über die Menschen als über die Künstler, und schließlich auch noch über die neueste Pariser Kunstrichtung geschrieben hat.

»... Ich war allezeit«, so schreibt er, »sehr gern in Paris und stand, was ich immer wieder und wieder betonen muß, mit den französischen Künstlern auf dem besten Fuße, wennschon ihnen ihre ›Superiorität‹ über uns, und zwar nicht bloß für den Moment, sondern für alle Zeiten, unverbrüchlich feststand. Sie waren darin ganz naiv. Der Gedanke, daß sie von anderen überflügelt werden könnten, ist ihnen bis diese Stunde fremd geblieben. Und so ist es denn auch ein charakteristischer Zug jedes Franzosen, ohne weiteres anzunehmen, daß seine Nation von einer andern nicht besiegt werden könne. Davon ein Beispiel. Als ich Gleyre im Jahre 1868 das letztemal sprach, lud ich ihn ein, mich in Berlin zu besuchen, ich wolle bei der Gelegenheit sein Führer durch die Museen wie auch durch die Museen in Dresden usw. sein. ›Ich nehme es an‹, sagte er, ›doch zuvor müssen wir mit den Deutschen uns messen.‹ Die Wut gegen uns datierte schon vom österreichischen Kriege her. ›Aber‹, erwiderte ich ihm, ›Sie sind ja gar kein Franzose, Sie sind ja ein Schweizer; was geht Sie diese Rivalität an?‹ – ›Schweizer hin ich, aber durch meinen langen Aufenthalt in Paris mit den Franzosen identifiziert.‹ – ›Nun wohl, dann kann ich Ihnen nur erwidern, daß Sie einen Krieg mit uns nicht herbeiwünschen sollten; denn Sie werden, wie die Österreicher, zermalmt werden.‹ – ›Das glaube ich nun freilich nicht. Sollten wir aber geschlagen werden, so würden wir‹ (setzte er lachend hinzu) ›unsern Napoleon wenigstens loswerden.‹

Und hier lasse ich«, so fährt Gentz in seinen Aufzeichnungen fort, »gleich noch einen zweiten anekdotischen Zug folgen, der angetan ist, den Chauvinismus der Franzosen und das Hochmaß ihrer gekränkten Eitelkeit in voller Beleuchtung zu zeigen.

Ich hatte Léon Bonnat, der gegenwärtig als größter Portraitmaler der Franzosen gilt, schon 1846 in Madrid bei seinen Eltern kennengelernt. Er war damals erst vierzehnjährig, und ich zeichnete sein Portrait. Später, als er seine Studien in Italien vollendet und besonders, wie er mir sagte, die deutschen Künstler dort schätzengelernt hatte, traf ich ihn bei Robert-Fleury wieder. Ebenso (1878) auf der Pariser Weltausstellung, auf der ich Kommissar für Deutschland war. Ich führte ihn in unsere Abteilung, wo er sich besonders begeistert über Lenbachs Döllinger-Portrait aussprach. Auch Menzels und von Gebhardts Bilder wurden von ihm bewundert. Er riet mir aber ab, meinen Sohn nach Paris zum Studium zu schicken, weil er zwar väterlich für ihn sorgen wolle, leider aber nicht die Macht habe, ihn vor etwaigen Insulten von seiten seiner Mitschüler zu schützen.

Das war 1878. Ich bin auch später noch zum Besuch der Jahresausstellungen nach Paris gereist und war immer enthusiasmiert von dem, was ich sah. Heute haben sich ganz andere Richtungen geltend gemacht als zu meiner Zeit. Wie in der Literatur die Zolas, so haben auch die Maler das Bedürfnis gefühlt, ›qu'on descende dans la rue‹, wie sie sich ausdrücken. Ich muß bekennen, daß viel Wahres darin liegt; man darf nur nicht behaupten, daß das alleinige Gebiet der Kunst ›auf der Straße zu finden sei‹.«

Hiermit schließen W. Gentz' auf Paris und das Pariser Kunstleben Bezug habende Betrachtungen ab; was sich sonst noch in seinen Aufzeichnungen findet, berührt andere Punkte.

 

Wilhelm Gentz war nun also wieder daheim und scheint, ehe er sich durch Hauskauf völlig seßhaft machte, seinen Aufenthalt zwischen Berlin und seiner Vaterstadt Ruppin geteilt zu haben. Das war von 1857 bis 1861. In Ruppin, an das ihn ein ausgesprochener Familiensinn und im besondern die herzlichste Liebe zu dem klugen und eigenartigen Vater kettete, war er mannigfach mit Ausschmückung all der Bauten beschäftigt, die sein Bruder Alexander damals in Stadt und Umgegend entstehen ließ. Einiges davon (so zum Beispiel die Wandbilder in der Gentzschen Stadtwohnung) hat mir immer besonders gut gefallen. In Berlin, das selbstverständlich sein Hauptquartier blieb, bewohnte er vorläufig mietsweise das in der Feilnerstraße gelegene »Feilnersche Haus«.

Von 1861 ab stabilisierte sich sein Leben immer mehr. In ebendiesem Jahre verheiratete er sich mit Fräulein Ida von Damitz, Tochter des Kreisbaumeisters von Damitz, aus welcher Ehe ihm in den zwei folgenden Jahren, 1862 und 1863, ein Sohn Ismael und eine Tochter Mirjam geboren wurden. Ismael, auf den sich das malerische Talent des Vaters vererbt hatte, zeigte schon früh eine hervorragende Begabung für das Charakteristische in der Kunst, und mehrere gute Portraits, darunter eine Serie bekannter Berliner Persönlichkeiten: Werner Siemens, Lothar Bucher, Minister Friedberg, Du Bois-Reymond, Frau von Großheim, Fanny Lewald, Paul Meyerheim, Max Klinger, Amberg, Max Klein, Saltzmann, Geheimer Rat von Bergmann, Geheimer Rat Dr. Tobold, Bleibtreu, Albert Hertel, Gussow, Rangabé, Reichstagsmitglied von Benda, Professor Vogel u. a. m., rühren von ihm her. Mirjam verheiratete sich 1883 oder 1884 mit dem Rittergutsbesitzer von Lambrecht-Benda auf Breitenfelde, Sohn des Reichstagsmitgliedes von Benda auf Rudow bei Berlin. Vom Bildhauer Klein existiert eine hervorragend gelungene Büste von ihr.

Im Jahre seiner Verheiratung (1861) kaufte W. Gentz auch das bis dahin nur mietsweise von ihm bewohnte, noch aus der Schinkel-Zeit herrührende »Feilnersche Haus«, das damals noch vieles aus den Tagen seines alten Glanzes enthielt, darunter, um nur ein Beispiel zu geben, einen Konzert- oder Musiksaal, der, als Jenny Lind im Jahre 1842 darin zu singen versprochen hatte, der bessern Akustik halber mit kostbarem Ahornholz ausgelegt wurde. Diese Paneelierung ist später mit in die Hildebrandtstraße 5, wohin W. Gentz im Jahre 1869 von der Feilnerstraße her übersiedelte, hinübergewandert, nachdem das ganze Haus mehr oder weniger orientalisiert oder ägyptisiert und mit Skizzen und Bildern, zu nicht geringem Teil von Freunden und Bekannten, geschmückt worden war. Auf dies Haus und seine Einrichtung komme ich weiterhin zurück.

 

Fleiß und Schaffenslust, die W. Gentz von frühauf ausgezeichnet hatten, blieben dieselben in Berlin wie während der nun zurückliegenden Pariser Tage, und eine lange Reihe von Arbeiten, etwa sechzig an der Zahl, entstand in der Epoche von 1857 bis 1874. Ich beschränke mich darauf, die Hauptarbeiten hier aufzuzählen, zugleich unter Angabe, wohin sie kamen, und ähnlicher kurzer Notizen.

1858. Eine Sakkieh (Schöpfradmühle) an den Ufern des Nil. – In Berlin und Wien ausgestellt. Befindet sich in einem Museum in Amerika.

1860. Sklaventransport durch die Wüste. – Schon in Paris begonnen; 1860 in Berlin vollendet. Befindet sich im Museum zu Stettin.
Widder und Sphinx in der Thebaïde. – Noch im Besitz von W. Gentz; eine besondere Zierde seines Salons.
Rast einer Karawane in der Wüste. – Befindet sich in Triest.

1861. Volk vor einer Moschee in Kairo. – In der großen deutschen Ausstellung zu Köln ausgestellt und vom Kunstverein in Wien angekauft.

1862. Lager der großen Mekka-Karawane in der Wüste. – Befindet sich in Bedford in England.

1863. Pelikane; Erinnerung aus Nubien. – Erhielt die goldene Medaille auf der großen internationalen Ausstellung in Wien.
Die Heilige Nacht. Transparentbild für die Weihnachtsausstellung der Berliner Akademie.
Zwei Araberscheiks im Gebet vor ihren Zelten. – In sechs Tagen gemalt. Im Besitz des Städtischen Museums zu Stettin.

1864. Beduinenlager. – Vom russischen Gesandten in Paris angekauft.

1865. Ankunft einer Karawane in Kairo. – Vom Berliner Kunstverein gekauft; jetzt in Amerika.
Promenade eines Harems. – In Amerika.
Markt in Kairo. – In Amerika.

1866. Arabische Stammsagen nach Rückert. – Für Geheimrat Ravené in Moabit an die Wand gemalt.
Lagerleben von Beduinen bei Suez. – Für Kommerzienrat Hoffbauer in Potsdam gemalt.

1867. Mekka-Pilger; Gebet in der Wüste. – Befindet sich in Amerika.

1868. Ein Märchenerzähler bei Kairo. – Besitzer Herr Siemens in Berlin.
Abend am Nil. – Derselbe Besitzer.

1869. Flamingojäger. Zelte; vorn ein Beduine auf einem Kamel. – Miniaturbild; nur anderthalb Zoll im Quadrat.
Darbringung im Tempel. Transparentbild für die Weihnachtsausstellung der Berliner Akademie.

1870. Totenfest bei Kairo. – Befindet sich in der Dresdener Bildergalerie.

1871. Schlangenbeschwörer in Oberägypten. – Befindet sich in Moskau.

1872. Begegnung zweier Karawanen. Früher in der Galerie Strousberg; jetzt bei A. von Hansemann.

1873. Vor dem Tempel von Ipsambul.
Ägyptische Altertums- und Raritätenhändler.

Zu den hier aufgezählten Arbeiten gesellen sich aus der Epoche von 1857 bis 1874 verhältnismäßig viele Portraits: Ch. Fr. Gentz (der Vater), Frau Wilh. Gentz (geborne von Damitz), Frau von Damitz (Schwiegermutter), Kämmerer Gustav Hagen, Frau Schumann, General von Tümpling und verschiedene Portraits von Persönlichkeiten in Gentzrode. Bemerkenswert ist, wie viele der Gentzschen Bilder, darunter mehrere, die vorstehend nicht genannt sind, nach Amerika gingen.

 


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