Felix Dahn
Julian der Abtrünnige
Felix Dahn

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Siebzehntes Kapitel

Die Fragen der Wissenschaft und des Glaubens wurden aber nun in den Gedanken des Herrschers in der letzten Zeit seines Aufenthalts zu Byzanz zurückgedrängt durch ganz andere Sorgen. Was ihn schon bald nach seinem Eintreffen in der Hauptstadt des Morgenlandes zumeist beschäftigte und was ihn nun allmählich nötigte, von dort aufzubrechen, das war der immer mehr unvermeidlich scheinende Perserkrieg.

Er berief nun seine Feldherren in seinen Palast zu Byzanz und forderte Jovian auf, vor diesem Kriegsrat den ihm längst übertragenen Bericht über die große Frage zu erstatten. »Denn«, sagte er bei Eröffnung der Beratung, »falls mir die Götter nicht gestatten, den Feldzug lebend zu vollenden, ist es mein Wille, daß Jovianus ihn zu Ende führe; er soll mein Nachfolger – auch hierin – sein. Beginne, Magister Militum.«

Nun berichtete Jovianus: »Ich erinnere kurz an die Vorgeschichte des bevorstehenden Feldzugs. Der König der Könige, ›der Genoß der Sterne‹ – wie er sich nennt –, Sapor, der Sohn des Hormisda, herrscht gewaltig schon viele Jahre über die unermeßlichen Länderstrecken dort im fernen Osten, die das alte Perserreich allmählich unterworfen oder zur Waffenhilfe gezwungen hat.

Dieser Herrscher ward gekrönt, noch bevor er geboren war. Als sein Vater gestorben, versicherten die Magier, das Kind, das seine Witwe demnächst gebären werde, sei ein Knabe, das hatten sie in den Sternen gelesen. Die Königin ward in vollem Herrscherstaat auf einem Purpurwagen, den zahme Löwen zogen, in die Mitte der Heeresversammlung gefahren; die Magier legten des Verstorbenen mit Perlen und Edelsteinen übersätes Diadem auf ihren Leib, und alle Satrapen und Feldherren und die Könige und Fürsten der unterworfenen Reiche und die vielen Zehntausende von Kriegern knieten nieder und leisteten ihrem noch ungeborenen Herrn den Schwur der Treue.

Und ein großer Herrscher ward Sapor! Fast noch ein Knabe, züchtigte und unterwarf er die räuberischen Araber der Wüste, an seiner Südgrenze, und eroberte bald darauf sein Nachbarland im Norden, Armenien, das Reich der Arsakiden, das uns lang ein treuer Bundesgenosse gewesen war. Nun wandte sich der Großkönig unmittelbar gegen unsere Grenzlande selbst. Von seiner stolzen Hauptstadt Ktesiphon am Euphrat bis vor die Tore von Antiochia trug er jahre-, jahrzehntelang seine Waffen! Vergebens versuchte Constantius, ihn zurückzudämmen; in neun blutigen Schlachten wurden die Legionen jedesmal geschlagen, am schwersten bei Singara, wo Constantius selbst sie befehligte! In einem maßlos hochmütigen Schreiben – in Purpurseide war es eingeschlagen und mit Goldtinte geschrieben – verlangte nun ›des Mondes und der Sonne Bruder‹ als Nachfolger des Darius Hystaspes alles römische Land in Asien und auch in Europa bis zum Flusse Strymon in Makedonien . . .«

»Warte«, unterbrach Julian zornig, »über den Tigris, über den Indus, bis an den Ganges will ich dich jagen, Großkönig der Prahler.«

»Aus besonderer Gnade wolle er sich jedoch mit der Abtretung von ganz Armenien und Mesopotamien begnügen. Das war doch auch Constantius zu stark. Aber alsbald erschien Sapor im Feld, an der Spitze von Hunderttausenden, gefolgt von zwanzig dienenden Königen des Morgenlandes. Er erstürmte unsere stärkste Feste in jenen Landen – Amida –, dann auch Singara und Bezabde, und führte fünf römische Legionen kriegsgefangen mit sich fort ins fernste Parthien. Vergebens rückte nun Constantius selbst heran, Bezabde wiederzugewinnen: Nach langer Belagerung mußte er schimpflich abziehn und bis Antiochia zurückweichen.

Nach diesen Erfolgen haben die Perser von ihren neu errungenen Gebieten aus nicht nur im Norden bis nach Bithynien gestreift, nein, selbst Antiochia, die üppige Hauptstadt Syriens, einmal überrascht und geplündert; ja im Süden haben sie ihre Parther-Rosse gegenüber von Byzanz in den Wassern der Propontis gebadet und gedroht, das nächstemal auf unsern eignen Schiffen überzusetzen und die Stadt des großen Constantinus zu erobern. Das ist der Stand der Dinge, den Constantius bei seinem Tod unserem Imperator hinterließ.«

»Er ist demütigend genug«, rief Julian. »Wohlan, wir zahlen's heim! Alexander hat gezeigt, wie weit auch in das Morgenland ein Heldenwille dringen mag. Wie? Aus dem fernsten Süden, aus Afrika von den Mauren, aus dem Norden von den Bosporanen, aus dem Morgenlande von Armeniern, Diven und Serer-Diven, ja aus Indien und aus der Insel Taprobane, die an dem äußersten Ostrande der Erde im Meere leuchten soll, wie ein Demant, sind Gesandte bei mir eingetroffen, dem Reich der Römer verehrungsvolle Grüße, mir reiche Geschenke darzubringen – und altrömische Provinzen sollen Jahr für Jahr von den parthischen Reitern durchflogen werden? Nein, bei Mars dem Rächer!

Zwar schickte Sapor auf die Nachricht, daß Constantius einen – andersgearteten – Nachfolger erhalten habe, eine Gesandtschaft, die Friedensverhandlungen anknüpfen sollte. Aber ich ließ diesem Erben des Cyrus und des Xerxes sagen, Gesandte und Briefe seien überflüssig, da ich demnächst selbst eintreffen werde in seinem Palast zu Ktesiphon.«

»Nun«, mäßigte Jovian, »ist Sapor im Wege des Vertrages dahin zu bringen . . .«

Aber heftig sprang Julianus auf: »Nein, Magister Militum! Nichts von Verträgen, nichts von Übereinkunft! Erst ein Sieg, ein glänzender, erst die volle Demütigung des Großsprechers; dann mag ihm – nach seinen Bitten um Frieden – gewährt werden, daß er unter Geiselstellung gelobe, unsere durch meine Siege vorgeschobene Grenze nie wieder zu verletzen! O meine Freunde! In meinem Alter hatte der Makedone schon Persien bezwungen; sollen Römer den Griechen nachstehen? Und nicht allzuweit möchte ich selbst zurückstehen hinter des Philippos Sohn! Wilde Alemannen und Franken haben wir geschlagen am Rhein; sollen wir nicht diese weichen Morgenlandleute bezwingen? Mir fehlt der Bukephalos und der Glaube, des Zeus Ammon Sohn zu sein. Aber unbesiegte Götter schweben auch um meinen Helm. ›Julianus Persicus Parthicus‹ – nicht übel würde es lauten, dünkt mich. Erhebt euch, Waffen-, bald wieder Siegesgenossen. Wehe dir, Asia, der Adler Roms fliegt gegen dich heran! Alle Götter, die bei Marathon und Salamis, am Granikus und zu Arbela die Scharen der Hellenen zum Siege geführt, sie werden auch mit uns sein.«

Mit allen gegen eine Stimme ward der Krieg gegen Persien beschlossen: Julians glühende Begeisterung riß alle mit fort. Nur Jovian hatte verlangt, vorher noch einmal den Weg der Verhandlung mit Sapor zu betreten. Er ward überstimmt; scheidend sprach er zu dem Imperator: »Ich wünsche dir Glück zu diesem, deinem ersten Sieg im Perserkrieg. Und Glück zu den weiteren! Du wirst es brauchen! Freund! Du weißt wohl kaum – ich hab es ausgerechnet –, wie weit der Weg nach Ktesiphon ist. Und der Rückweg wäre weiter als der Angriffsweg.«

»Es gibt für mich keinen Rückzug aus diesem Kriege.«

»Möge dies Wort kein Omen sein!«

 


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