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Gewölbe.
Limosin, Theodor.
Limosin: Ich bin nicht Eurer Meinung, Theodor,
Es ist gewagt, es wird vielleicht entdeckt –
Theodor: Und wenn er lebt, ist die Gefahr noch größer,
Ich kann nicht ruhig sein, solang er atmet.
Limosin: Tut was Ihr wollt, doch will ich nicht drum wissen.
Theodor: Von heut ist Euer Monat um, der Beutel
Verläßt Euch auf vier Wochen, kommt zu mir.
Limosin: Doch wenn ich was bedarf –
Theodor: Nun, das versteht sich,
Ihr habt mir ja auch freundlich mitgeteilt.
Limosin: Die meisten meiner Schulden sind bezahlt,
Doch dürfen wir viel Geld nicht blicken lassen,
Daß nicht der König etwa Argwohn faßt.
Theodor: Nun, nach und nach gewöhnt man sich die Leute.
Limosin: He! Barnabas!
Barnabas kömmt.
Limosin: Was macht Euer Gefangner?
Barnabas: Daß Gott erbarm, es geht mit ihm zu Ende.
Schwach ist er, ausgemergelt, und führt Reden –
Seht, so ein barscher Kerl ich bin, vielmals
Hab ich sein Elend schon beweinen müssen.
Limosin: Schließ auf den innern Raum, der Graf, mein Freund,
Will ihn besuchen. – Ich verlaß Euch jetzt. Geht ab.
Barnabas schließt auf, man sieht Andalosia in Ketten, blaß und abgezehrt auf der Steinbank sitzen; sein Haar und Bart ist verwildert, die Kleidung zerrissen.
Theodor: Ich will doch hören, was er sagen mag.
Andalosia: O Lichtstrahl! wirst du nimmer mich besuchen?
O Menschenantlitz, seh ich nie dich mehr?
Nicht mehr den feuchten Blick des Auges, Freundschaft
Und holde Lieb in seinem Glanze schwimmend?
Kann mich der König, alle, so vergessen?
O Bruder, warum kommst du nicht zu mir,
Und bringst das Wort der Freiheit und Erlösung?
Wie leicht ist's dir, im Abgrund mich zu finden.
Wie, bist du tot? Ein Opfer auch der Bosheit?
Da droben tobt und rast mein wildes Gold,
Kuppelt Verbrechen mit dem Laster, düngt
Die fette Bosheit und Verworfenheit,
Mordet der Jungfrau Tugend, hetzt die Freunde
Zu Gift und teuflischem Verrat: denn schnaubend
Sucht es, der Kette los, nach Beute gierig,
Trägt sie im Rachen hin in Höll und Tod;
Gebändigt nur, erzogen tut es wohl,
Doch unbewahrt erwacht der alte Blutdurst.
Indes verlassen, mit dem Tode ringend,
Mit Hunger kämpfend und von Durst gepeinigt,
Schlaflos, zermalmt, gequält von hundert Wunden,
Der vorge Eigner hier auf Steinen ruht,
Sein scheuer Knecht ihm nicht ein Lager Stroh,
Nicht einen Tropfen Weins den Gaum zu netzen,
In felsenharter Grausamkeit vergönnt.
Zu gräßlich rächst du es, du roter Sklav,
Zu wild, daß ich dich nicht bezähmen konnte. –
Und darf ich klagen? Sah ich wohl, geblendet,
Die Not der Millionen, meiner Brüder,
Die ohne Schuld im härtsten Elend büßen?
Ein Gottesbote konnt ich ihnen sein,
Mit einem Wink Durst, Hunger, Krankheit, Angst,
Vom Lager scheuchen, daß Hoffen, Freude, Glauben,
Auf Himmelsleitern ihnen niederstiegen.
Ich sah nur mich, der Eitelkeit Gespenster,
Sie flatterten mit irrem Flügelschlage
Um Haupt und Busen; lacht ich doch und scherzte –
Ja, schon als beßre Kraft in mir gerungen,
Sah ich nicht lüstern noch zur Königin,
Und spiegelte mich gern im Schmeichlertraum?
Und als die kindsche Dorothea mir
Entgegenlachte und den stumpfen Mann
Verhöhnte, winkt ich ihr nicht schadenfroh,
Mein schwaches Herz dem Schlamm gern untertauchend.
Theodor vortretend:
Wie geht's, mein Freund?
Andalosia: Ach, bester Theodor,
Kommt Ihr zu der trübseligen Behausung?
Mich zu erlösen? Helft mir aus den Mauern,
Daß ich in Gottes freier Luft doch sterbe:
Die Ketten haben Arm und Bein zerrieben,
Die Wunden schmerzen, alle Kraft ist hin.
Theodor: Nicht wahr? Ihr könntet nicht zu Rosse sitzen,
Die Lanze führen, springen, voltigieren;
Wenn Euch die Weiber jetzo sehen sollten,
So zeigten sie die Zähne nicht wie Affen,
Bewunderten nicht Eure bunte Jacke,
Am Hut die großen Federn? Ach, was ist
Der Mensch im Elend, losgelassen ganz
Vom Nichtigen, für ein erbärmlich Wesen!
Andalosia: Helft mir zur Freiheit, nachher scheltet mich.
Theodor: Ihr sollt ja können Zauberkünste treiben,
Euch durch die Luft auf viele Meilen schwingen;
Man munkelt ja, daß Ihr's gewesen seid,
Der uns die saubern Äpfel hat verkauft,
Ihr wart so fein und lustig als der Arzt –
Nun helft Euch doch! macht Euch durch Euern Witz
Von diesen paar armselgen Ketten los.
Ha! Barnabas!
Barnabas: Mein gnädger Herr.
Theodor: Mach 's Ende,
Erdroßl' ihn hier, er fängt mich an zu dauern.
Barnabas: Ich, mein Herr Graf? Nein, wär ich auch ein Mörder,
Wie ich es nicht bin, diesem Jammerbilde
Könnt ich die Hand nicht zur Gewalt erheben.
Ach, laßt ihn so hinscheiden und vergehn,
Wär er auch frei, er würde nimmer besser.
Theodor: Du Memme! wirf mir deine Schärpe her.
Barnabas: Da habt Ihr sie, und nehmt sie hin auf immer;
Sie soll an meinen Leib nie wieder kommen. Geht ab.
Andalosia! Das wollt Ihr tun, Herr Theodor? Wie, Ihr?
Theodor legt ihm die Schärpe um:
Hör, sieh mich nicht so an, verdammter Hund,
Ich werde rasend, drehst du so die Augen!
Fest – fester! – sieh, nun wirst du nicht die Blicke
Mehr bittend werfen – ja, er hat geendigt –
Nun ist mir wieder wohl: – sein Haupt verdeck ich
Mit dieser Binde – fordre nun den Beutel,
Und weit damit hinweg in alle Welt!
Weit! so vergeß ich dieses hagre Scheusal,
Bin frei, dann mag mich Graf und König suchen,
Ich lache ihrer! – Graf! Graf Limosin!
Limosin kommt herein.
Limosin: Ihr habt es –?
Theodor: Ja.
Limosin: Wär's ungeschehen.
Theodor: Schweigt!
Den Beutel her, mein Freund, den Zauberbeutel!
Limosin: Hier ist er.
Theodor faßt hinein, sieht ihn an:
Wie?
Limosin: Was meint Ihr?
Theodor: Ihr Halunke!
Ihr lumpger Schuft! Zum Henkersknecht, zum Mörder
War ich Euch gut genug, nun, nach der Tat
Habt Ihr die freche Stirn, mir diesen Quark,
Dies Leder herzuwerfen? Meint Ihr denn
Ich sei noch dummer, als der Blödsinn selbst?
Limosin: Herr Theodor, ich habe kaltes Blut,
Allein die Worte – zeigt den Beutel her –
Beim Himmel, bei dem Heiligsten beschwör ich,
Soeben schöpft ich noch das Gold heraus –
Und nun –
Theodor zieht:
Kein Wort, Ihr Schurke! dieser Degen
Soll Euch den Weg zur Hölle plötzlich zeigen,
Nun geht's in einem hin! –
Limosin: Zwar bin ich alt,
Doch ist mein Schwert so spitz und scharf wie deins!
Theodor: Tot! Tot! Du mußt von meiner Hand hier fallen.
Limosin zieht:
So gelt es denn, das wilde Spiel des Mords!
Sie fechten, draußen Getümmel.
König draußen:
Schlagt ein! brecht ein die Tür!
Die Tür wird aufgebrochen.
Es treten ein der König, Agrippina, Gefolge.
König: Ha! was ist das?
Wo ist mein Andalosia? Weh! zu spät!
Er ist ermordet. – Wer hat das getan?
Limosin auf Theodor zeigend:
Der Bösewicht. – Oh, ich bin hin!
Theodor: Ich war's,
Doch nach der Tat hat mich der Schuft betrogen. –
Ha! daß ein Lump, ein Katzenbuckelnder,
So ein bleichsüchtger, hagrer, lungenkranker –
Ich falle – sterbe – jener Säckel – falsch –
König: Werft sie hinaus, die toten Bösewichter! –
Die unten dort die Hölle strafen wird! –
Den edlen Jüngling nehmt, daß seinen Ahnen
Wir ihn gesellen, und an seinem Grabe
Ihn unsre Trauer ehre. – Ungern nehm ich
Zurück die Lehen dieser guten Brüder,
Die nach erloschnem Stamme mir verfallen.
Agrippina: Dies ist der Zaubersäckel, ich erkenn ihn:
Die Bösen haben selber sich gerichtet,
Denn nach der Brüder Tod starb seine Kraft,
Das hatten die Verräter nicht gewußt.
König: O warum kam der Knecht des fremden Mörders
Zu spät, vom Tode meinen Freund zu retten!
Mit Tränen kehren wir zur Stadt zurück:
So schnell erstirbt des Lebens Lust und Glück.
Alle gehn ab.