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Zimmer.
Theodor, Gratiana.
Gratiana: Du kömmst verdrüßlicher nach Hause stets,
Laß uns geduldig unsre Armut tragen,
So sind wir doch der schlimmsten Not erlöst,
Daß mit dem Gram nicht dieser Grimm uns quält.
Theodor: Wie kann man anders? Soll ich dazu lächeln,
Daß meine Not mit meinem Alter wächst?
Daß jeder Tag der Mittel mehr uns raubt?
Verachtung, Mangel vor uns, in der Ferne
Das grimmige Gespenst des Hungertodes.
Gratiana: Wenn wir das Silberbecken und die Kanne,
Die uns nichts nützen, doch verkaufen wollten,
Man könnte manchen Monat davon leben.
Theodor: Es ist das letzte Stück, das letzte, Frau,
Mit meinem Wappen und mein einzger Trost,
Wenn es so blank zu mir herüberblickt.
Gratiana: Der Wünsche hab ich all mich nun entschlagen,
Seitdem wir keine Magd mehr halten können,
Ich selbst gehn muß im Finstern Wasser schöpfen,
Am Markt einkaufen unser spärlich Mahl,
Am Feuer stehn, und Töpf und Teller scheuern,
Die Wäsche tun, und noch dazu vor allen
Nachbarn, mich meiner Müh und Arbeit schämen,
Als wenn der Müßiggang was Edles wäre,
Da kommt das Silber wie ein Feind mir vor,
Der mich verlacht und höhnisch nach mir deutet,
Wenn Sonnenschein das Glänzen zu mir spiegelt.
Theodor: Das sind doch Vorurteile, liebe Frau;
Wir wollen mit dem Lauf der Welt uns trösten,
Auch andern geht es schlecht, Graf Nimian
Ist trotz des Hochmuts bald in unsrer Lage,
Was sein war, hat er alles schon verkauft.
Gratiana: Das tröstet nicht, daß andre elend sind.
Theodor: Der fremde Graf ist mir vorher begegnet:
Das nenn ich doch noch leben, was der treibt;
Den größten Palast hat er sich gekauft,
Ihn so möbliert, wie's selbst kein König kann,
Die schönsten Hengste reitet er und wechselt
Mit Rappen, Schimmeln oder seinem Goldfuchs,
Arabisch sind die meisten und das Zeug,
Die Sättel, Decken, Zäum, das glänzt von Gold:
Dann zieht er wieder auf die Falkenjagd,
Kleid't sich des Tages drei- bis viermal um,
Und immer prächtger, köstlicher als erst.
Er hat den König und die Königin
Beschenkt, wie kaum der Mogul es vermag,
Die größten Perlen aus dem Orient,
Die reinsten Diamanten. Unser Herr
Erzeigt ihm drum auch solche Gnad und Freundschaft,
Damit er nur nicht aus dem Lande zieht;
Jetzt hat er ihm Gemälde noch versprochen,
Die von Venedig erst erwartet werden.
Ja, solcher Mann weiß doch, warum er Luft
Und Atem in sich zieht, der kann einst ruhig
Dem Tod entgegensehn, er hat gelebt.
Gratiana: Wenn ich den Sohn noch einmal wiedersähe,
Tät ich Verzicht auf jedes andre Glück.
Theodor: Nur, nota bene, nicht als Bettelmann,
Daß man sich seiner auch noch schämen müßte.
Ja, könnt er so mit zwei, drei Pferden kommen,
Und brächt uns wohl ein Kapitälchen mit,
Daß wir nur eins der kleinsten Güter lösten,
Dann wär er mir erwünscht, mein Vatersegen
Sollt ihm dann nicht entstehn: doch neue Armut
Mit ihm ins Haus, wär Elend über Elend. –
Wer klopft denn da? Herein! Nur immer 'rein!
Fortunat tritt herein.
Theodor: Ei was! mein Allergnädigster! In aller Welt
Wie kommen wir zur unverhofften Ehre?
Fortunat: Schon lange wünscht ich kennen euch zu lernen,
Da ich des Guten viel von euch gehört,
Und zürne mir, daß ich nicht früher schon
Um eure Freundschaft und Vertraun gebeten.
Gratiana: Setzt Euch, mein gnädger Graf; hol doch den Sessel
Dort aus der Kammer für den gnädgen Herrn.
Fortunat: Ich will euch keine Störung machen, Freunde,
Ich hoffe wohl, wir bleiben uns nicht fremd.
Und wenn ich wüßte, daß ihr mir verzieht,
Setzt ich mich gern mit euch zum stillen Mahl
An diesen kleinen Tisch; sehr überdrüssig
Bin ich des Lärms, der tobenden Gesellschaft,
Des Glanzes dort am Hof, des leeren Prunks.
Theodor: Mein Gott – Herr Graf – ich weiß nicht, was ich rede;
Hilf mir doch aus, Frau! Du! Wie stehst du da?
Gratiana: Wollt Ihr uns nicht beschämen? Unsrer spotten?
Ihr seht die Armut, die sich nicht verstecken,
Nicht leugnen läßt.
Fortunat: Mein Spott wär arge Sünde;
Wenn ihr mich ehren wollt, vertrauet mir.
Theodor: Recht so! Mach keine Umständ, Frau! Nicht quengeln!
Der Herr befiehlt's! der Herr mag denn auch essen
Was wir ihm bieten können; schmeckt's ihm nicht,
Wird er nicht satt, ist's seine eigne Schuld!
Hol Licht! setz dreist das kleine Stümpfchen auf!
Bring dann die irdnen Schüsseln, wenig drin,
Den Wasserkrug, das kleine Spitzglas Wein,
Das grobe Deckzeug voller Fleck und Löcher;
Die Freudentränen stürzen mir ins Auge,
Daß es in dieser Welt noch Herren gibt,
Die wegsehn über jed alfanzig Wesen,
Den Edelmann trotzdem zu finden wissen,
Und sich mit ihm zum leeren Tische setzen.
Gratiana: Nun ist geschehn, was Ihr befohlen habt.
Theodor: Ich glaube gar, du flennst aus Jammersinn.
Ja Weiber bleiben Weiber, gnädger Herr,
Sie kann es nun und nimmermehr verschmerzen,
Daß es bei uns hoch herging ehemals.
Fortunat: Doch eh ich mich zu Tische niedersetze,
Erlaubt vorher die Hände mir zu waschen.
Theodor: Und mir erlaubt das Becken Euch zu halten.
Nimm, Frau, die Gießkanne. Nun, siehst du wohl,
Daß unser Silber noch zu Ehren kommt?
Wie gut, daß wir das alte Zeug behielten!
Gratiana: Hier trocknet Euch, Herr Graf, an diesem Tuch.
Fortunat fällt nieder: Und keiner kennt mich? Euren Fortunat?
Mein Vater! Mutter! Gebt mir euren Segen.
Theodor: Herr Gott! – Was Teufel! – Ei, Herr Graf! da fällt
Die Kanne ihm mein Seel auf seinen Kopf –
Der Schreck – ist's wahr? seid Ihr mein alter Sohn?
Gratiana: Kein Traum wär's nur? Ach nein! ach nein! er ist's!
Ich kenn ihn wieder! Ja er ist's! Mein Herz
Ward umgewandt, sowie er zu uns trat.
Fortunat: Ja, liebste Eltern, teure Pfleger, nehmt,
O nehmt mich an das Herz nach langer Zeit!
Nun bin ich wieder da, nun bleib ich hier!
Liebt ihr mich noch? Habt ihr mir auch vergeben?
Theodor: Heidi! Kommt, Leute, nehmt das ganze Haus,
Und schmeißt es mir hinaus zur Stubentür!
So mußt es kommen? O mein lieber Sohn,
Ja du steigst wie ein Paradies herab,
So wie das Himmelreich mit allen Thronen
Und Cherubim und Glanz und Lichtverklärung!
Das hätt ich nicht in dir gesucht! Und nicht
Im Grafen dich! – Nimm Becken auf und Kanne,
Die bleiben uns zum ewgen Angedenken,
Auf Kind und Kindeskind, dabei erzählt man
Den Staunenden die Wundergeschicht. O Sohn!
Oft phantasiert ich mir in Abendstunden,
Wie du einst reich und vornehm trätst herein,
Doch so hat's nie mein frechster Traum gewagt.
Gratiana: Laß meine Liebe, meine heißen Tränen
Nun auch zu Worte kommen – ach! mein Sohn –
Ich kann nicht sagen, was ich wollte – nein –
Mir steigt das ganze Herz zum Hals hinauf –
Nicht bloß um meine Sehnsucht mir zu stillen,
Kehrst du zurück – auch namenloses Elend
Und Spott, und Druck, und Gram von uns zu nehmen.
Fortunat: Vergebt mir nur, geliebte, liebe Eltern,
Daß ich so lang in fremder Welt gezögert,
Die Sünde fühl ich jetzt recht schwer im Herzen.
Theodor: Hättst früher kommen können, das ist wahr;
Allein was tut's? Nun fängt das Leben an,
Vorher war ich im ungebornen Stand!
Vergib mir nur von damals jenen Schlag
Du liebes Kind, als du aus hohem Geiste
Die Worte mir prophetisch vorgesagt,
Daß ich dir einst das Becken halten würde:
Sieh, du hast Wort gehalten, das ist brav,
Und wie ein Mann den Vorsatz durchgeführt.
Leopold kömmt herein.
Fortunat: Du hast, mein Leopold, hieherbestellt
Die Leute all, wie ich dir aufgetragen?
Leopold: Genau wie Ihr es mir befohlen habt.
Fortunat: Der würdge Mann, die teure Frau, mein Freund,
Sind meine lang entbehrten lieben Eltern.
Leopold: Erlaubt, daß ich Verehrung euch bezeige.
Fortunat: Mein Vater, hört ein wenig diesen Mann,
Er wird Euch sagen, was Ihr habt zu tun.
Theodor und Leopold sprechen leise beiseit.
Graf Nimian tritt herein.
Nimian: Mein edler Graf, seltsamerweise führt
Man mich hieher, um wieder Euch zu sehn.
Fortunat: Ich dank Euch herzlich für die freundliche
Einwilligung zu meinem schönsten Glück,
Gleich wollen wir vom Leibgedinge sprechen.
Nimian: Man sagte mir zugleich, ich würde hier
Den Käufer meiner Güter kennenlernen,
Nun muß ich fast vermuten, daß Ihr's seid.
Fortunat: Nicht eigentlich, bald wird Euch alles klar.
Theodor tritt vor:
Herr Graf, ich weiß nicht, ob Ihr mich noch kennt,
Sonst waren wir so ziemlich gute Freunde,
Allein seitdem ist mächtig viel geschehn,
Und mit der Zeit muß auch der Mensch sich wandeln.
Nimian: Herr Theodor – ich möchte glauben – fragen –
Theodor: Durch sonderbar Geschick ist mir gelungen,
Daß ich der Käufer Eurer Güter bin.
Nimian: Wie? Ihr? Ich träume, oder Ihr.
Theodor: Nein, keiner,
Hier ist der Kaufkontrakt, hier Quittungen
Bezahlter Summen von den Gläubigern,
Und hier, mein alter Freund, empfangt von mir
Mit meinem besten Wunsch das Eigentum
In Eure Hand zurück, und wenn Ihr glaubt,
Mir eingen Dank schuldig dafür zu sein,
So laßt uns wieder Freunde sein, wie sonst.
Nimian: Die Welt geht rund mit mir! ich bin besessen,
Im Wahnsinn, liege wohl in Fieberhitze
Und träume diese Phantasien mir vor!
Nein, hier sind die Papiere, alles richtig,
Da steht der Alte, dort der junge Mann,
Ich schäme mich der Tränen länger nicht –
Laßt Euch umarmen, alter Theodor,
Verzeiht, daß ich so lang als armer Sünder
Als hoffärtiger Narr unchristlich war;
O wie beschämt Ihr mich durch solche Großmut.
Frau Gratiana, liebe teure Frau,
Die mir so manches Mahl mit Lust bereitet,
Vergönnt mir wieder so wie sonst den Kuß;
Und mein Gemahl, die Gräfin hoch Marfisa,
Soll sich, sie soll vor Euch sich demütgen
Bis in den Staub.
Gratiana: Nicht das, mein lieber Freund,
Sei alles doch vergeben und vergessen.
Nimian: Doch wie war Euch in Eurer Armut möglich,
Die großen Summen für mich aufzutreiben?
Theodor: In meiner Armut? Steht nicht hier mein Peru,
Mein Ophir, mein Golkonda leiblich da?
Mein Fortunat, mein Sohn, durch den wir nun,
So wie ich höre, auch verschwägert werden?
Nimian: So seid Ihr Fortunat, mein teurer Sohn?
Fortunat: Nicht anders, glücklich, daß in meine Hand
Der Himmel es gelegt, Euch so zu dienen,
Wofür Ihr mich beseligt; Euer Sohn,
Mein alter Freund, wird seines Bannes los,
In Eure Arme kehren, würdger Erbe
Der väterlichen Güter.
Valerio, Felix und Diener kommen.
Valerio: Hieher bring ich
Was mir ist aufgetragen: laß herein
Die Leute kommen, Sohn, mit Schmuck, mit Kleidern,
Mit Goldstoff, Perlen und Juwelen all!
Herr Graf, wie Ihr befohlen, ist geschehn.
Fortunat: Mein teurer Vater, herzgeliebte Mutter,
Ich feire heut mein schönstes Lebensfest,
Daß ich euch wiederfand, daß mir als Braut
Die Tochter dieses edlen Grafen wird;
Hier bringen meine Diener Schmuck und Kleider,
Folgt ihnen dort ins Zimmer, legt sie an,
Um würdig vor dem König zu erscheinen,
Der auch auf heute unser Gast wird sein.
Theodor: Noch einen Kuß, du bist ein Kaiser, du!
Er und Gratiana gehn mit den Dienern in das Nebenzimmer.
Valerio: Der gnädge Theodor, Dero Herr Vater?
Fortunat: Ja, alter Mann. Nun, Felix, alter Freund,
Wie stehst du so verzückt? Kennst du mich nicht?
Felix: Ich wag es nicht, ich weiß nicht, was ich denke.
Fortunat: Als wir zu London schieden, dacht ich nicht,
Daß wir uns so einst wiedersehen würden.
Felix: Und ich noch wenger, das kann ich beschwören.
Wie gnädig, daß Ihr meiner noch gedenkt.
Musik, die Türen nach der Straße öffnen sich, auf der Straße erscheint ein großer Zug mit vielen Fackeln, der sich nach dem Hause bewegt, die Braut wird von dem Könige und der Königin geführt, viele geschmückte Herrn und Damen folgen; in demselben Augenblicke treten Theodor und Gratiana sehr reich gekleidet wieder aus dem Nebenzimmer.
Fortunat: Des Königs und der Köngin Majestät
Gehn uns mit meiner teuern Braut entgegen,
Laßt uns nicht säumen, Vater, Mutter, Graf.
Theodor: Entgegen! Schnell! – Valerio, seht, ja seht,
Mein guter Mann, das kommt dabei heraus,
Wenn man so wie mein Sohn auf Reisen geht.
Sie begeben sich hinaus. Man sieht in der Ferne den König Fortunat umarmen; dieser stellt seine Eltern vor, welche niederknien wollen, der König umarmt sie ebenfalls; Fortunat schließt sich der Braut und den Eltern an, unter einem lauten fröhlichen Marsche verläßt der Zug die Bühne.
Valerio: Nicht immer ist's der Fall, wenn ich dran denke,
In welchem Zustand du, mein Felix, mir
Als armer Sünder her von London kamst.
Komm nun hinüber in des Grafen Palast,
Wir sollen mit die Einrichtung besorgen.
Der hat's getroffen, ganz als sagte man:
So möcht ich's haben! und so hat er's nun.
Sie gehn ab.