Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Gefängnis.

Fortunat in Fesseln.
So bin ich wieder meinem Tode nahe,
Und habe noch in keinem Augenblick
Des ganzen, langen Lebens klug gehandelt.
Warum, Verblendeter, erflehtest du
Von jener hohen Göttin Weisheit nicht?
Jetzt sag ich mir, ja jetzt, da es zu spät,
Daß es nur kindsche Unbesonnenheit,
Nur Vorwitz war und eitle Prahlerei,
Die Rosse anzufeilschen: waren keine
Sonst in der ganzen weiten Welt als diese?
Es brannte dir das ungewohnte Geld
In deiner Tasche; Pferde, Hunde, Jagd,
Bediente, Falken, war dein erstes Denken,
Noch ehe du den Hunger selbst gestillt,
Und reiztest drum die Willkür des Gewaltgen,
Der ohne Recht und Billigkeit dir droht,
Sich deines Schatzes zu bemeistern. Alles
Was ich besaß hat man mir abgenommen,
Den Dolch, das Gold und jenen Zaubersäckel;
Der einzge Trost ist nur, daß wenn ich sterbe,
Auch dieser keinem andern frommt, denn so
Verhieß die Gütge, daß er nur sich fülle
Solange ich, der Meingen einer lebt.
Vielleicht kann ich mein Leben noch erbetteln,
Wenn ich das Gold weggebe; doch kein Wort
Von jenem Zauber komm aus meinem Munde,
Wenn es die Gierigen nicht schon entdeckt.

Der Graf und der Richter treten ein, sie setzen sich, Schergen umher.

Richter: Tritt vor, Malefikant! Wie heißest du?

Fortunat: Weil Ihr es wissen wollet: Fortunat.

Richter: Der wahre Name eines Teufelsbanners,
Fortunatus ist Faustus gleichbedeutend,
Erinnr' ich mich aus der Grammatik noch.
Nur her, mein Faust, der Ihr es faustdick hinter
Den Ohren habt; wo seid Ihr denn geboren?

Fortunat: Auf einer Insel, die man Zypern nennt.

Richter: Hoho! Nur keinen dummen Spaß getrieben!
Mein Freund, Ihr wißt doch wohl, vor wem Ihr steht?
Herr Graf; aus Zypern sagt der Haselant;
Wir haben wohl zu Haus 'ne Zyperkatze,
Von Zypermenschen hab ich nie gehört.

Graf: Gleichviel woher er stammt, kommt jetzt zur Sache.

Richter: Sehr wahr! Gleichviel, mein Freund, woher Ihr stammt,
Will sagen abstammt, doch wo Ihr nun bald
Hinan Euch stammen sollt zum Galgenstamm,
Das ist die Sache, drum schnell raus damit:
Wer war der Herr, den Ihr zuletzt ermordet?

Fortunat: Unschuldig bin ich, habe nie gemordet.

Richter: O dummer Kerl, ei so gesteht's doch nur,
Wir wissen ja im voraus alles schon,
Drum laßt Euch in der Güte nur bereden;
Denn, Freund, wir haben hier, Ihr denkt's wohl nicht,
Gar liebe saubere Tortur-Anstalten,
Da schraubt und kneift und drückt und zieht man Euch
So lange, bis die Wahrheit wie ein Draht
Künstlich aus Euch herausgefördert ist.

Fortunat: Soll ich gestehn, was ich niemals beging?

Richter: Stellt Euch doch nicht so dumm, nehmt doch Vernunft an,
Laßt Euch still weg in Lieb und Güte hängen,
Und zwingt uns nicht zu harten Prozeduren.
Man hat da einen Dolch bei Euch gefunden.

Graf: Weist nach, wie solch ein Mensch, der arm nur scheint,
Fremd ist, weit her, zu den sechshundert Nobeln
Gekommen ist: doch könnt Ihr das nicht tun,
Nicht Bürgen stellen, Leute, die Euch kennen,
So seid Ihr auch ein Dieb, ein Räuber, Mörder.

Richter: Sehr schön gesagt! Nun, seht Ihr's noch nicht ein?
Mein Seel, das nenn ich einen harten Kopf!
Das heißt Vernunft recht in die Wüste predgen.

Fortunat: Mein gnädiger Herr Graf, gestrenger Herr,
Ich bin ein armer Edelmann aus Zypern,
Ich diente ehemals dem Graf in Flandern,
Reichlich beschenkt zog ich durch Frankreich hin,
Da nahmen Räuber Pferd mir und Vermögen,
Verarmt geriet ich in dies Waldgehege,
Verirrte mich und schmachtete drei Tage,
Als ich heraustrat fand ich diese Münzen,
Mit denen ich mich reich und vornehm dünkte,
Und so nach Flandern dachte hinzuziehn.

Graf: Verruchter Bösewicht! Du wagtest es
Mein Eigentum zu rauben? denn gewiß
Ist dir bewußt, daß alles, was im Zirk
Des Walds sich findet, mein mit Recht gehört?

Fortunat: Verzeiht, Gestrenger, der Unwissenheit,
Ich kannte nicht die Rechte dieses Banns.

Richter: Doch jetzo kennt Ihr sie und habt's gehört,
Und drum hilft nun auch kein Entschuldgen mehr.
Herr Graf, so gar entsetzlich, greulich schlimm,
Wie wir's erst dachten, scheint es nicht zu sein,
Drum mein ich, daß wir sonstens ihn verschonen,
Ich trage drum auf simples Hängen an.

Fortunat: Ich appellier in Demut an Eu'r Gnaden,
Ich seh es ein, verfallen ist mit Recht,
Was ich im Irrtum mein genannt, vergönnt
Arm wie ich war dies Land hier zu verlassen,
Und gebt mir nur das Meinige zurück.

Graf: Ich will mal gütger sein als du verdienst.
Dein Leben sei geschenkt; löst seine Ketten.

Fortunat: Mein ewger Dank dem edlen gnädgen Herrn.

Richter: Und hier ist auch das Deinge, wie du's nennst,
Ein alter Dolch, gut Käse mit zu schneiden,
Ein Lederbeutel, kostbar anzuschaun,
Vielleicht ein seltnes pretium affectionis
Vom Weibe eines bankerotten Täschners;
Nu, nu, sei nur nicht bang, nehm nichts heraus,
Man fühlt von außen schon, daß nichts da drin,
Gerade wie mit deinem leeren Kopf.

Fortunat: Die gnädige Gesinnung meines Herrn
Macht mich zum Vortrag neuer Bitte kühn:
Dem Wirte hier bin ich für meine Mahlzeit
Noch schuldig, und mir bleibt, Ihr wißt es – nichts –

Graf: Auch dies will ich für dich berichtigen.

Fortunat: Mein Leblang schließ ich Euch in mein Gebet. Geht ab.

Richter: So frißt solch fremd Gesindel sich doch immer
Auf andrer Leute Kosten durch das Land.

Alle gehn ab.

 


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