Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Fünfte Szene

Palast.

König. Reymund.

König: Und wird er kommen?

Reymund: Er hat es versprochen, wollte sich aber nur ungern dazu verstehn.

König: Welche Hoffnungen schöpft Ihr?

Reymund: Mein König, der Mensch hat ganz das Wesen eines gemeinen Marktschreiers, indes wohnt die Kunst oft in niedrigen Hütten und verschmäht den edlen Wohnsitz; sein äußeres Gebäude verrät keinen edlen Gast, aber freilich liebt die Weisheit zuweilen das Inkognito.

Dietrich draußen: Ich muß hinein, ich bin an des Königs Majestät von meinem Herrn abgeschickt, und kein Mensch soll mich zurückhalten.

König: Was ist das für ein Geschrei?

Dietrich tritt herein.

Dietrich: Da wär ich, furchtbarster Herr König, die Leute draußen haben wenig Zeremoniell, daß sie unsereins nicht durchlassen wollen.

König: Welche Erscheinung! Welche Tracht! Was willst du?

Dietrich: Mein Herr, der Doktor ist draußen, und will vorgelassen werden.

König: So geht ihm geschwind entgegen, mein Freund, laßt ihn schwören, dann unterrichtet ihn von dem Zustand der Krankheit, und führt ihn herein. Reymund geht ab. – Wie? Einen Narren hält dein Herr, wie die gemeinen Quacksalber?

Dietrich: Ja, er will es nicht anders. Er sagt, so gehörte sich's, so brauchten die Doktoren nicht selbst die Narren zu spielen, und seine Einrichtung sei eine gute alte Sitte, da hat er mich dazu genommen – und ich – ach, du lieber Himmel – ich –

König: Warum weinst du?

Dietrich: Mir gehn immer die Augen über, daß ich soll den lustigen Patron vorstellen; ich war dazu nicht geboren, Majestät, mein Schicksal war ein besseres, da ich noch die Ehre hatte, Eu'r Majestät einen Becher vorzusetzen, als ich beim Herrn Andalosia in Diensten war. – Seitdem – weinend ach! habe ich große und sonderbare Schicksale erlebt – ich war indes – doch, davon hat mich mein jetziger Herr, der berühmte Doktor, kuriert – nun muß ich mit Pritsche und Jacke drunten auf dem Markt Späße machen, indessen der große Laborant seine Medikamente präpariert – und, habe ich nicht genug Leute herbeigelockt, lachen sie nicht brav und kaufen tüchtig, bin ich nicht witzig und spaßhaft gewesen – o Majestät, so gibt es nachher gewichtige Schläge – und, wie kann man wohl zu allen Zeiten schalkhaft und scherzhaft sein? – Und noch dazu, da mich immer eine Gänsehaut überläuft, sowie ich nur seine Nase gewahr werde.

König: Du dauerst mich.

Dietrich: Bedanke mich der hohen Ehre. – Mein einziger Trost ist, daß ich auch wohl bald das Kurieren von ihm weghaben werde.

König: Du?

Dietrich: Ja, es ist gar nicht schwer. Heut schickt' er mich zu meinem vorigen Herrn, dem Herrn Theodor, der doch die großen Hörner hatte, ach! Ihre Majestät, es war ein respektabler Anblick – er saß damit in seinem Großvaterstuhl, als wenn er die ganze Welt regieren wollte – Nun gut! mein Herr Großnase hatte mir nur vier Pillen, wie die Brotkügelchen, mitgegeben, die verschluckte mein Bel zu Babel, da tat's ihm einen Ruck im Gehirn, krack! und das Geweih rappelte herunter, so nett, als wenn einer im Kegelspiel alle neune wirft. Es scheint, wie es Fieber- und Gichtdoktoren gibt, so ist der ein rechter ausgelernter Horndoktor; er hat die Kunst wohl in Paris gelernt.

König: Gewiß?

Dietrich: Es fehlt ihm gar nicht; eins, zwei, drei schießen sie herunter, daß es nur eine Lust ist: ich hab's an mir selbst erlebt.

Reymund tritt mit Andalosia ein.

Andalosia: O Majesté, leg mir tänigst unter zu Dero Füß, daß die große Gnad und Herablassung hab', sich unterdes mit meine Narr' zu entretenir. – Du, Arlequin, geh indes auf mein Théâtre, amüsier mein Publikum, und verkauf von die kostbare Essenz und Arcana, bis ich hinkomme.

Dietrich: Majestät, da haben wir's! Wie ich gesagt habe. Geht ab.

König: Euer Narr, Herr Doktor, hat, ohne es zu wollen, mir Trost eingesprochen, denn er erzählte mir, daß der sonderbare Fall, den Ihr jetzt kennt, Euch schon vorgekommen ist, und daß Ihr sichre und schleunige Hülfe dagegen wißt.

Andalosia: Wollen hoffe, erhabene Majesté, hoffe; die Sache, oder die maladie mit die cornes ist gar schiedlich unter – so sein etlich, die sitzen locker, hänge nicht mit Gemüt und entrailles zusammen, andre sein versteckt, eingehakt tief tief im inner Mécanisme des Leibes und Seele, wachse auch wohl nach, wenn mit Flächlichobrigkeit kuriert werde, oder von Stümper, die mein' corne sei corne – ja, votre serviteur, messieurs! da steckt die Knote, ist grosse Unterschied zwischen Horn von Büffel und Hirsch und Bock und Unicorne. Denn ich muß habe die Ehre, Majesté zu sagen, mein System ist nicht der System von meine Herren Kollege, die spreche meist wie blinde Huhn von die Farbe. Ich weiß nicht, ob Majesté sich genug interessier für Système de la nature, um mein Doktrin zu folge, und mich nicht zu finde ennuyant.

Reymund: Gewiß nicht, denn Seine Majestät ergötzt sich selbst an der Chemie und deren Geheimnissen, und laboriert fleißig mit mir.

Andalosia: Ah! tant mieux, an die Gelehrte ist gut predige. Ich sage so: nix ist in die ganze Natur, was nicht entstünde aus die Moral; verstehn Sie mir: es ist alles eins mit die Moral, was wir gewöhnlich den Physique nennen. Kann ich an ein Mensch Fehler und Laster abgewöhne, schaffe ich ihm Krankheit aus dem Leibe, und wieder, kann ich sein Leib ein Gebrechen, ein Schaden wegkuriere, wird auch der Seele ausgebessert. Par exemple, es war vor einige Jahre, als der Duc d'Orléans kriegte geschenkt aus der Niederland ein Monstrum, war ein sogenannt Meerwunder, ein wilde Mensch, in der See gefangen, hatte Schuppen am Leibe und auch espèce von Floßfeder, konnte natürlich nicht spreck, war brutal und ohne Manier. Ich weiß nicht, ob Sire schon Umgang und connoissance mit einem Meerwunder gehabt hat.

König: Niemalen.

Andalosia: Schade, c'est bien intéressant sich zu versetzen in der Seele von einem solchen Kreatur. Gut also: Monseigneur le Duc d'Orléans erzeigt sie mir die Gnade, zu sein von meine Freunde, läßt sie mich invitier zu sich, wie mein gut monstre mit seine Fischschuppe in die Stube auf und ab promenier. Ich sehe ihm an, fühle ihm an seine Puls; nu, der schlägt à la manière von die wüste See; seh an seine Blick, daß sich aus die Machine noch was machen läßt. Fragt mir der Erzog, ob sei der Bestie zu kurier, oder zu Menschen zu mache. Je réponds: Monseigneur, es sein nicht bloß der Sache, daß es dem Monsieur sauvage fehle an der éducation et manières, die Hauptsache sein die Schuppe und Floßfeder, kriegen wir ihm die aus das Leib, kriege wir auch die Meergedanke aus seine Kop. Sire, was wollen Ihr sagen? Ich nehme mein Meerwunder in die Lehr, purgier ihm, laß Ader, er muß Essenz und erweichende Mittel nehme, die alle gegen die See-éducation und, wie sag ich, Fischeität (vous comprene!) arbeite, in sechs Wochen, le voilà, ist er fertig, keine Schupp und keine Floßfeder an ihm zu sehn, und wenn man's wollt aufwiege mit Gold, wie ich ihm präsentier; er wird in eine andre Habit getan, wird nun an ein Philosophe gegeben und maintenant, Sire, ist derselbe im Gefolg des Duc d'Orléans, als eine von seine Freund, spricht Politik, ist galant, nimmt Tabak und macht Schulde, als wie ein homme comme il faut. Was sagen zu solcher Kur, Sire?

König: Ich bin erstaunt.

Andalosia: So, um auf mein vorigen propos zu kommen, will ich sagen, ist es immer eine ganz andre Sache, wovon solche Hornen herkömmlich sein, dann sie sein qualités der Seele, eine vis occulta, die in das Körperlichkeit seine Visite macht, weil sie zu stark überhand genommen, und Harmonie gestört hat. Majesté hat meine kleine Hanswurst gesehn, hatte sie gekriegt von Stehle und Schelmerei, war leicht kuriert, auch Monsieur Theodosius der Große hier vom Hofe, seine Horn waren vom Übermaß von Grobheit und Mangel an éducation und galanterie, die saßen auch nicht fest; und wenn nun, wie ich hoffe, bei gnädiger Princesse auch aus kleine Unart erwachsen sind, wolle wir sie bald wieder herunterschaffe.

Margarethe kömmt.

Margarethe: Die gnädige Prinzessin ist jetzt wach, und bittet den Herrn Doktor hereinzukommen.

Andalosia: Ist vielleicht die Kammerfrau von die gnädige princesse?

Reymund: Ja, Herr Doktor.

Andalosia: Ah, mon enfant, alte Person, komm du mal her! Liebst du deine princesse, bist du ihr fidèle und kannst tun was um ihr? –

Margarethe: Ach, Herr Doktor, wenn ich sie mit meinem Leben, mit meinem Blute wiederherstellen könnte, es sollte mir nichts zu teuer sein.

Andalosia: Bon, das trifft sich gut, du kannst etwas Solides zu ihre Beste ausrichten. Es ist vor alle Ding notwendig, daß über die Horn (wie sag ich?) ein Futteral, ein Paar Strümpfe oder Hosen gezogen werde, die sie immer warm halte, um sie zu erweiche, das muß nu sein von eine Kreatur, das viel um die Prinzeß gewesen, und das die Prinzeß liebt, sonst nutzt es nichts, bitte also ihre Majesté, sie wolle die gute Alte gleich lass' massakrier, um von ihre Fell die chaussure zu machen.

Margarethe: Das fehlte noch, Herr Quacksalber! Seht doch! Mein Fell! Ihr mögt mir der Rechte sein! Mein Fell! Nein, so ist es nicht gewettet, Herr Marktschreier.

Andalosia: Also will sich nicht aufopfern für Freundin? Fi donc! Wie beschämt Euch Oreste et Pylade, Damon et Pythias, in der alt Fabel und Mythologie. Hat die Prinzeß keine Katz, oder Hund, oder so was, das sie viel um sich gehabt und geliebt?

Margarethe: Den Affen, den Narziß müßten wir nehmen, den liebt sie am meisten.

Andalosia: Bon, da Ihr das gute Werk nicht tun wollt, so sei es denn die Aff, kommt beides auf eins hinaus. Laßt gleich die Sache machen, alte lieblos Person.

Margarethe: Der Scharfrichter fehlte hier noch mit seinem ebräischen Kauderwelsch. Ab.

König: Wollen wir meine Tochter besuchen?

Andalosia: Steh zu Befehl: bin begierig, die Kranke zu sehn.

Gehn ab.

 


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