Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Zweiter Akt

Erste Szene

Spaziergang.

Fortunat, Felix, die einander begegnen.

Fortunat ihn umarmend: Felix! Willkommen in London! Woher? Was machst du hier? Ei, wie muß ich zu der unverhofften Freude kommen?

Felix: Mein teurer Fortunat! Wie wohl tut einem der vaterländische Laut in fremder Gegend! Mir wäre es nie eingefallen, dich in London aufzusuchen.

Fortunat: Ich bin schon seit einigen Wochen hier, ich war seitdem in Flandern, doch bin ich hier in England vergnügter.

Felix: Seit acht Tagen bin ich und Antonio hier mit einem Schiffe eingelaufen, das mein Vater mit Ridolfo hatte ausrüsten helfen; wir sind schon wacker mit dem Verkaufen beschäftigt, und hoffen ein Ansehnliches zu gewinnen.

Fortunat: Wie gefällt es dir hier?

Felix: Unvergleichlich! ein lustiges, freies Leben, Mädchen und Weiber wie die Engel.

Fortunat: Ich will dich bekannt machen, wenn du noch fremd sein solltest, für Geld ist hier alles zu haben.

Felix: Am Gelde fehlt es mir gottlob nicht: und du?

Fortunat: Ha! ich bin jetzt reicher als daheim in unserm armseligen Zypern; ich bin nicht umsonst in die Welt hineingereist.

Felix: Laß uns den guten Antonio abholen, du weißt, er ist etwas blöde und kalmäusert so vor sich hin, den müssen wir aufmuntern.

Fortunat: Hier wird er schon aufleben müssen, denn mit Kopfhängen ist in der Welt nichts zu gewinnen; und dann will ich euch beide zu einem Engel, zu meiner Betty hinführen, da wirst du gestehn müssen, daß du bis jetzt noch keine Schönheit gesehn hast.

Felix: Komm, Liebster; oh! wenn das unsre Alten zu Hause wüßten!

Fortunat: Glaube nur, die moralischen Graubärte haben es in ihrer Jugend nicht besser gemacht.

Felix: Darum wissen sie auch so gut darüber zu predigen. Wir wollen es auch im Alter unsern Söhnen so beibringen.

Gehn ab.

Hieronymus und Andrea kommen.

Hieronymus: Ich kenn Euch wohl von sonst, mein guter Freund;
Ihr seid ja der Andrea Tigurtino
Und aus Florenz? nicht wahr?

Andrea:                                           Ganz recht, mein Herr.

Hieronymus: Und triebt Euch hier als lockrer Zeisig um,
Ihr spieltet, tanztet, sanget, hieltet Menscher,
Des Nachts in Rauferein und Saufgelagen,
Wie meist die jungen Fremden, die der Heimat
Entlaufen kaum, London zur Bühne machen
Der Tollheit und des Elends endlich; als
Hin alles, nichts von Haus mehr zu erwarten,
Da schlicht Ihr wie die Katz vom Taubenschlage,
Und ließt den Gläubigern das Nachsehn hier.

Andrea: Mein strenger alter Herr, seid nur so billig
Zu glauben, daß man sich auch bessern kann.

Hieronymus: Wie der verlorne Sohn, gewiß nicht früher:
Das ist das alte Lied, ich kenn es schon.
Allein was habt Ihr nun bei mir zu suchen?

Andrea: Setzt Euch hier nieder, hört mich ruhig an.

Hieronymus: Doch müßt Ihr kurz sein, denn mir mangelt Zeit.

Andrea: Ihr kennt doch wohl den Ritter Umfrevile?

Hieronymus: Der vor sechs Monden nach Italien ging?

Andrea: Derselbe, Euer edler, würdger Freund,
So nennt er sich, als ich ihn vor vier Wochen
Gesehen in Turin.

Hieronymus:               Und geht's ihm wohl?

Andrea: So schlecht, wie's nur dem Menschen gehen kann;
Auf Nachsuchung des Königes von Frankreich
Um schlechter Ursach willen, wie er sagt,
Sitzt er dort schwer gefangen; man verwehrt ihm
Zu schreiben, kaum daß ich ihn sehen durfte.
Nun fleht er Euch und andre Freunde an,
Aus seiner großen Not ihn zu erretten.

Hieronymus: Ich seh nicht, was ich für ihn könnte tun.

Andrea: Er meint, der Handel läßt mit Geld sich schlichten,
Daß seine Feind am Hofe zu Paris
Dergleichen nur erwarten; wenn Ihr ihm
Mit eingen tausend Kronen helfen wollt,
So will er Euch dreifach den Wert ersetzen;
Mir hat er auch sechshundert zugesagt,
Sowie er frei ist, und gab mir so viel
Nach London herzureisen, Euch zu sprechen.

Hieronymus: Aufrichtig, guter Herr, wie ich gern immer
Mich zeige, dieser Handel ist verwirrt;
Wer bürgt mir denn (Ihr nehmt mir das nicht übel)
Daß alles, was Ihr sagt, die strenge Wahrheit?

Andrea: So glaubt Ihr, daß ich lüge?

Hieronymus:                                       Ei, man lügt
Nicht eben immer gradezu, und findet
Doch Fußsteig, die nicht laufen wie die Straße;
Man kann ein Ding auf hundert Art erzählen,
Verschieden immer, und doch immer wahr,
Der Kluge nimmt davon so viel ihm nützt.

Andrea: Seht das Juwel im Ohrring und den Namen.

Hieronymus: Ich kenn's und glaub Euch jetzt; von Herzen gern
Möcht ich auch meinem alten Freunde dienen,
Und um so mehr, da viel bei zu gewinnen.
Doch scheint es mir, er müßte sich zuerst
An seinen König wenden, an den Hof.

Andrea: Er sagte mir, er habe viele Neider,
Auch habe man die Reise ihm verdacht,
Der König selbst sie nicht gebilligt, drum
Denkt er, daß Geld und gutes Wort, von Euch
Zur rechten Zeit, dem rechten Mann gesagt,
Genug vermög, in Freiheit ihn zu setzen.

Hieronymus: Wir Italiener sind hier nicht beliebt,
Das Volk nennt uns nur Wuchrer, Pfänderjuden,
Man kann sich als Lombarde nicht empfehlen;
Der Adel, der uns braucht, teilt die Gesinnung
Des Pöbels doch, man schmeichelt und beschimpft uns,
Wie Ebbe oder Flut es mit sich bringt:
Und dann aufs Ungewisse mich zu wagen,
Fernem Gewinn ein Kapital zu opfern –
Wohl zu verlieren – kann kein Freund verlangen;
Drum, Herr Andrea, macht Euch an den Hof,
Sollizitiert, sucht Protektion, schafft Bürgen,
Dann steht Euch mein Vermögen gern zu Dienste,
Denn ich bin auch kein Tor, redlichen Vorteil
Geradhin abzuweisen. Eigentlich
Ist es des Königs Sache; seht, dort kömmt
Der junge Ritter Herbert, sprecht mit dem,
Der gilt gar viel bei Seiner Majestät,
Adieu, mein Herr Andres, auf Wiedersehn. Ab.

Andrea: Rekommandier mich Euch, mein edler Herr. –
Das ist ja recht ein ausgemachter Jude;
Ich sehe schon, so treib ich es nicht durch,
Der kann da drauß in seinen Ketten sitzen,
Die Freundschaft hier verlanget Pfand und Bürgen.

Herbert kommt mit einem Diener.

Herbert: Du trafst ihn nicht? Wo kann er denn nur sein?

Diener: Die Lady sprach, er such Euch, edler Herr.

Andrea: Mein edler Herr und Ritter, hört mich an.

Herbert: Ist's ein Geschäft, so kommt ein andermal,
Ich bin anjetzt für Seine Majestät
In Eil und Sorg; die Hochzeit in Burgund,
Vermählung seiner königlichen Schwester,
Gibt alle Hände mir vollauf zu tun.
Da ist der Ritter!

Ritter Oldfield kommt.

Herbert:                     Ihr sollt gleich zum König.

Oldfield: Ich weiß es schon und will jetzt zu ihm eilen.

Herbert: Der König will den Schmuck Euch überliefern,
Dann könnt Ihr hoffentlich in kurzem reisen.

Oldfield: He! Peter! sage meiner Frau daheim,
Daß sie mich heut zum Essen nicht erwartet,
Wenn ich nicht da bin zur gesetzten Stunde.

Sie gehn.

Andrea: Das sieht gar mißlich aus mit meinen Wünschen,
Da ist auch keiner, der mich hören möchte,
Der ein' hat dies, der andre das zu tun.
Ich seh, der kann verrosten in Turin
In seiner Not, und ach! das schöne Geld,
Das ich in Händen schon zu haben glaubte,
Ist auch ein Traum. Man muß auf andres denken. Geht ab.

 


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