Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Zweite Szene

Kleine Hütte.

Wasmuth, Helena, Isidore.

Helena: So gibt es keine Hülfe, keinen Rat und Trost mehr?

Wasmuth: Unser Elend wächst von Tage zu Tage; nun haben uns die hartherzigen Menschen auch noch unser Handwerkszeug genommen: das nächste ist Verhungern.

Helena: Alle Kleider sind verkauft, wir dürfen uns vor niemand mehr sehn lassen.

Isidore: Liebste Eltern – o Vater, weint nur nicht – ich will arbeiten, ich will alles tun: ihr habt mich so lange ernährt und geliebt, es ist nicht zu viel, wenn ich mein Leben für euch hingebe.

Wasmuth: Kind, du mein Trost, du meine wohlgeratene Tochter, daß ich dich so muß vergehn sehn in blühender Jugend! daß du als eine Elende in die weite wüste Welt hinausgestoßen wirst, und nach meinem Tode vielleicht ein Bösewicht – Kind, versprich mir, wie Gott dich auch prüfen mag, der Tugend getreu zu bleiben.

Isidore: Vater, ich werde immer daran denken, daß ich Euer Kind bin.

Wasmuth: Sieh, liebes Herz, wenn der gute Alexis nur nicht ebenso arm wäre, wie wir, der mit seinem Handwerk schon seine alte blinde Mutter ernähren muß –

Helena: Daran ist ja nicht zu denken, das hieße ja nur Elend auf Elend bauen.

Abel tritt herein.

Abel: Nun, ihr armes Volk, wie geht's? Noch immer so großmäulig? Noch immer so viel großtuige Tugend und moralische Herrlichkeit in euren Lumpen?

Wasmuth: Was wollt Ihr immer wieder in unserm Hause? Wir haben Euch einmal und vielmal die Meinung gesagt.

Abel: Ich komme darum nicht, ich weiß, daß ihr auf vornehmere Freiwerber wartet, auf Leute, denen auch die blanken Ellenbogen so durch die Jacke glänzen. Ich bin heut mit einem Auftrage von jemand hergeschickt, der euch weiter gar nicht kennt.

Helena: Was sollen die vielen Flausen? Kommt zur Sache.

Abel: Ihr verdient's nicht, ihr Gesindel, was ich für euch tue; indes, was hat man anders als Undank vom Menschengeschlecht?

Wasmuth: Macht's kurz und gut, Herr Abel, denn Euer freundschaftlicher, herablassender und höflicher Ton fällt mir herzlich zur Last.

Abel: Also denn: in meinem Gasthofe ist ein fremder reicher Mann mit einem großen Gefolge eingekehrt, dem Patron muß ein Überfluß von Barmherzigkeit den Magen drücken, denn er hat mir den Auftrag gegeben, ihm ein armes Mädchen vorzuschlagen, die er anständig und reichlich ausstatten will. Da bin ich nun gleich auf euch gefallen, ich habe dem Wurmdoktor euren Namen genannt, und er wünscht, das Kind morgen früh zu sprechen. Wenn ihr sie also in der achten oder neunten Stunde zu ihm schicken wollt, so will er selbst das Nötige mit ihr verabreden, ich glaube aber, er wird die Bedingung dabei machen, daß die Jungfer Isidore mich heiraten soll, weil er sein Geld auch nicht geradezu wird wegwerfen wollen.

Wasmuth: Nun hab ich's genug, nun sucht die Tür, armselger Mensch! Also den Kuppler macht Ihr auch schon? Mein Kind soll ich einem fremden, nichtsnutzigen reichen Menschen nur so aufs Zimmer schicken? Und Ihr habt die Frechheit, das einem Vater selber zu sagen? Meint er's ehrlich, so kann er hieher kommen, sich erkundigen, sehn; aber solche Leute gibt's in unsrer Welt nicht, darum packt Euch!

Abel: Ich bin schon fort. Ich habe nie Leute gesehn, die so ihr Glück mit Händen und Füßen von sich stoßen. Geht ab.

Helena: Du hast dich wieder geärgert, lieber Alter, und bist doch vielleicht allzu mißtrauisch.

Wasmuth: Lehre mich die Welt und Menschen nicht kennen! das wäre ja wie aus alten Märchen und Wundergeschichten, daß es wieder Leute gäbe, die in der Welt herumreisten, um Notleidende glücklich zu machen. Kommt hinein, wir haben heut nur Brot und Wasser, aber wir können uns sagen, daß wir ehrlich sind; ist morgen die Not noch größer, so muß der himmlische Vater sorgen.

Sie gehn.

 


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