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Palast.
Erleuchteter Saal. Große Versammlung am Hofe, die Königin, Agrippina, Lady Herbert, Lady Dorothea und viele Damen in Reifröcken, Schnürbrüsten, hohen Frisuren: der König, Herbert, der Hofmarschall, Reymund und viele Vornehme in der altfranzösischen Tracht, mit hohen Frisuren: Herzog Olivarez und Graf Limosin in gewöhnlicher Kleidung. Viele sitzen und spielen, andre genießen Erfrischungen, welche Diener umhergeben. Gespräche, Begrüßungen.
König und Herzog Olivarez treten vor.
König: Mein teurer Herzog von Olivarez,
Ihr seht hier um Euch meines Hofes Blüte,
Und wenn an diesem vollen Firmament
Mein Kind nicht Strahlen so wie ehmals wirft,
Wenn Ihr, was Euch der Ruf in Spanien sagte,
Hier Lügen strafen möchtet, so erwägt
Daß schon seit lange Gram, Melancholie,
Der Schönheit Wurm, an ihrem Herzen nagt,
Den wir auf keine Weise heilen können.
Olivarez: Wenn mir Natur für Schönheit Augen gab,
So scheint mir, was ich immer hoffen mochte,
Von ihrer holden Gegenwart verdunkelt:
Nur muß der ungewohnte Sinn vom Staunen
Ob dieser neuen wunderbaren Tracht,
Den Locken, Poschen, Schminke, Pflästerchen,
Und aufgesteiftem Haar, sich erst erholen.
König: Ihr habt vielleicht nicht unrecht; wichtge Gründe,
Politische wie physikalische,
Ja selbst moralische Ansichten sind's,
Die uns zu dieser Kleidertracht vermocht.
Olivarez: Doch weiß ich so viel leider nur zu sagen,
Daß weder meines Herren Majestät,
Noch unsrer Kastilianer Ritterschaft,
Kein Grande dulden würde, seine Königin
In dieser schroffen Pracht verhöhnt zu sehn.
König: Wie's Euer König will und Landessitte.
Er wendet sich auf der andern Seite zu Limosin.
Ihr steht verwundert, Graf: was werdet Ihr
Von dieser neuen Tracht nach Zypern melden?
Limosin: Nur mein Entzücken, denn es dünkt mich wahrlich
Ein Feenreich hier aufgetan zu sehn,
Das Würdige erscheint als Majestät,
Das Schöne ist mit Zauberglanz umkleidet;
O daß mein junger König plötzlich hier
In Mitte der Gestalten wandelte,
Für hohen Stil den offnen Sinn zu bilden.
König: Ihr sprecht als feiner Mann; ich danke sehr
Dem Könige der Euch hiehergesandt,
So freundliche Bekanntschaft mir zu gönnen.
Limosin: Mein höchstes Glück, wenn mich die Majestät
Des allverehrten Herrn begnadgen will.
Der König geht zu Agrippina.
Olivarez tritt zu Limosin:
Ich weiß nicht, Graf, wie dies Gespensterwesen
Mag Eurem Sinn entsprechen, doch wenn ich
Die Augen hier auf dieses Schauspiel werfe,
Und diesen wilden Fratzen hier begegne,
So frag ich mich: ob ich in Bedlam bin?
Limosin: Gar recht, mein edler Herzog, ohne Schauder
Kann keiner hier das Ungetüm betrachten,
Der nicht in diesem Norden eingeboren
Und schon gewöhnt ist dieser Kunstformierung.
Olivarez: Ein Scheusal ist in der Figur die Fürstin.
Limosin: Es scheint, Meerungeheuer und Seedrachen
Hat man kopieren wollen, wie sie schwimmt
In diesem eckgen ausgereckten Kasten.
Olivarez: Und dieses Haar.
Limosin: Wie ein Kometenschweif.
Olivarez: Eh sinke England in den Meeresgrund,
Eh ich von hier solch Abenteuer führe.
Hofmarschall tritt zu ihnen:
Irrt nicht mein Blick, so seid ihr unzufrieden,
Es ist vielleicht, ihr Herrn, des Schauspiels Neue,
Was euch zuwider ist und anfangs quält.
Limosin: Ich wüßte nicht zu sagen –
Olivarez: Ja, Herr Marschall.
Hofmarschall: Der Staat, die Kirche, Sitte, Kunst, Gesellschaft,
Das alles ist nur dadurch möglich worden,
Daß wir uns allgemach von des Naturstands
Ursprünglichkeit entfernten mehr und mehr;
Noch liegt vor uns ein unbekanntes Ziel,
Wo dann vollendet hoch die Menschheit thront.
Ihr müßt gestehn, daß keiner wagen würde,
Wenn er nicht frech und ohne Scham und Sitte,
Den Hof in seiner Nacktheit zu besuchen:
Wie Scham die erste Tugend unsers Wesens,
So hat man sich mit Recht verwundern müssen,
Daß wir bisher ganz sorglos, dreisten Mutes,
Die Form des Menschen nur umkleideten,
Und jeder Schritt, Bewegen, Sitzen, Stehn,
Uns daran mahnte, daß wir Menschen sind;
Doch jetzt hat unsre Kunst erlangt, den Menschen
So zu verkleiden, daß man ihn nicht kennt,
Er sieht fast jedem Wesen ähnlicher
Als sich: das ist es, was wir haben wollten.
Reymund tritt zu ihnen:
Ja, man darf hoffen, daß auf Politik,
Philosophie und alle Wissenschaften
Nun das Gefühl der Züchtigkeit wird wirken,
Hauptsächlich doch auf Kunst und Poesie;
Es wird das Ideal uns näher treten,
Und zwar das wahre, kein erlogenes,
Kein schamlos Bild des alten Griechenlands,
Nein, strenger Zucht entsprossen, die Natur
Von sich entwöhnt, sich selbst ein Wunder-Rätsel.
Olivarez: Viel Glück zu dieser stattlichen Bemühung.
Limosin: Das sag ich auch, scharmant ist die Idee.
Theodor tritt ein, in demselben Kostüm wie die übrigen, mit übermäßig hoher Frisur.
Limosin: Wer ist der hohe wunderliche Mann?
Hofmarschall: Herr Theodor, ein Favorit des Königs,
Der Sohn Lord Herberts.
Theodor: Guten Abend, Freund;
Gelt, wir gefallen, so neu ausgemünzt?
Was heut doch von den ausgeweißten Köpfen
Der Saal viel heller als gewöhnlich scheint. –
Bon soir, Papa: – ich lege meine Dienste
Der königlichen Majestät zu Füßen.
Ha, Lady Dorothea, seid gegrüßt;
Seht mal den Spanier an, der steht am Pfeiler
So starr und maulverbissen, daß es scheint
Er muß der Decke Wölbung tragen helfen:
Der Zyprier sieht doch nach etwas aus. –
Ah, apropos, Ihr da aus Zypern, Herr,
Hat sich der Mauskopf Andalosia
Nicht wieder sehen lassen?
Limosin: Ganz verschollen
Ist er, mein armer Neffe; freilich wohl
War auch sein Lebenswandel nicht der beste.
Theodor: So? Euer Neffe? Wie kommt nun ein Mann,
Vernünftig wie Ihr seid und wohlgezogen,
Im Umgang angenehm, auch wohlgebildet,
In aller Welt dazu, solch wildes Kraut,
Solch Gänseköpfchen zum Neveu zu haben?
König zu Herbert:
Ich seh's Euch an, daß Ihr schon wieder zürnt.
Herbert: Ja, wie er naht, wie er den Mund nur öffnet,
So zittr' ich schon, den Aberwitz zu hören.
Ich geh, mein hoher Herr, mir ist nicht wohl,
Vielleicht hab ich zum letztenmal gesehn
Eu'r huldreich Angesicht, mein Alter drückt,
Mit manchem Gram vereint, mich schwer zu Boden.
König: Mein Freund, wir sehn uns oft noch fröhlich wieder.
Schlaft wohl, und schonet, bitt ich, Eure Schwäche.
Herbert ab.
Limosin: Wie ich mich freue, kennen Euch zu lernen,
Kann ich nicht sagen; glaubt, ich bin nicht jung,
Doch hab ich kaum im Leben wen gefunden,
Mit dem 's Sympathisieren sich verlohnte.
Theodor: Geht's mir denn besser, Schatz? Das sag ich ja,
Für unsereins ist's nur 'ne Hundewelt:
Ich suche Freundschaft; aber wie? Gesellen,
Gelbschnäbel, Klugsichdünker, Obenaus,
Glattzungen, Schmeichler, die polierten Herrn
Mit Bildung, Allerweltsvortrefflichkeit,
Sind mir ein klarer Abscheu, Greul und Graun.
Allein ein simpler, sanfter Biedermann,
Ein schlichter, grader, ehrlichstiller Sinn,
Das ist, wonach mein Herz schon lange hungert.
Limosin: Mir aus der Seele, Liebster, ganz gesprochen,
Laßt Euch umarmen, teurer, edler Freund.
Theodor: Recht gern, nur nicht an die Frisur gestoßen.
Umarmen sich.
Eine Dame: Hat man nichts Neues in der Stadt gehört?
Junger Herr: Vom Herren Leibarzt Seiner Majestät
Hab ich was fast Unglaubliches erfahren;
Es trug sich zu, daß auf den Markt ein Karrn
Ward hergeführt – wer, denkt Ihr, saß darauf?
Und ward für Geld gezeigt? Ein Satyr war's,
Mit großen Gemsenhörnern auf dem Kopf.
König: Mein Lieber, das Gespräch ist unanständig,
Ich bitte, habt Regard für meine Tochter.
Königin: Bewahrt dergleichen auf für Euresgleichen.
Agrippina: Der junge Mann scheint wenig noch am Hofe
Gelebt, Gesellschaft, gute, nicht gesehn
Zu haben.
Reymund: Nein, er weiß noch nicht zu wählen.
Lady Herbert: Die Jugend –
Theodor: Ei, ja wohl, ein trauriger
Und miserabeler Diskurs. Von Hörnern!
Was geht das uns an? Sehr indelikat.
Doch freilich hab ich selbst den Kerl gesehn,
Und auch die Kur, die noch viel wunderbarer.
König: Die Kur? Erzählt uns doch davon ein wenig;
Das heißt: daß er die Hörner auch verlor?
Theodor: Es kam ein roter, langgenaster Mensch,
Sah aus wie Teufelsbannerei und Hölle,
Ein dummer Scharlatan, kurz ein Franzos,
Der gab dem Vieh nur zwei, drei Pillen ein,
Ganz kleine Kügelchen, nicht wert der Rede;
Kaum hat mein Graf von Horn sie eingeschluckt,
Fällt ihm, mein Seel, das Hörnerpaar vom Kopf,
Wie überreife Birnen oder Äpfel;
Er schüttelt nur ein bißchen, runter rasseln s'
Wie dürres Laub, und saßen vorher fest,
Sechs Pferde hätten sie nicht ausgezogen.
König: Sehr sonderbar; und wo blieb dieser Arzt?
Theodor: Er wohnt im Wirtshaus dort zum Elefanten.
Reymund: Wir haben eine Zeit erlebt, wo manch
Geheimnis der Natur sich offenbart.
König: Kommt her, mein Reymund, tretet hier beiseit.
Erkundigt Euch doch nach dem fremden Arzt;
Geht selbst zu ihm, erforscht und prüft sein Wissen,
Welch Glück, wenn er in unsrer Not uns hülfe.
Königin: Was für ein Auflauf?
Hofdame: Es zerbricht ein Leuchter.
Lady Dorothea: Verzeiht mir, gnädge Königin, ich erschrak,
Und sprang so schnell vom Spieltisch auf, denn plötzlich
Fiel glühend Wachs und drauf ein Licht der Krone
Auf Kleid und Hände mir, Herr Theodor
Hat oben dort den Leuchter angestoßen.
Hofmarschall zu Theodor:
Mein Herr, des Königs Majestät vermerkt
Mit einiger Ungnad den Ungestüm,
Auch Eure übermäßig aufgetürmte
Der Etikett entwachsene Frisur,
Ihr habt mit ihr, wie, das begreift man nicht,
Die schöne Krone von Kristall zerschlagen.
Sitzt nieder, denn ich habe hier das Maß
Eurer Frisur, wir drücken sie herunter,
Daß sie sich dem Gebote fügen lernt.
Theodor: Es geht nicht, Herr Hofmarschall; pur unmöglich.
Hofmarschall: Die leichtste Sache von der Welt, ich nehme
Die Hand und drücke Haar und Puder so –
Was, Satan! Ei! behüt' mich Sankt Antonius!
Herr Theodor, Ihr habt zwei große Hörner.
König: Wie? Hörner?
Agrippina: Weh mir! Weh!
Königin: Mein armes Kind!
O Hülfe! Schnell! Sie fällt in Ohnmacht hin
Vor diesem grausen Anblick.
König: Weh und weh!
Ha! Kammerdiener! Kammerfrauen! bringt
Die Unglückselge in ihr Schlafgemach.
Ab mit den übrigen. Großes Getümmel.
Hofmarschall: Was soll man denken? Als ich die Prinzessin
In meinen Armen fing, da riß mir was
Hier das Jabot von Kanten ganz in Stücke.
War's Schmuck? War's eine Nadel? Sonderbar!
Und unser Theodor? – Wo blieb er denn?
Limosin: Als wenn der Kopf ihm brennte, lief er fort.
Bei alledem ein wunderbarer Hof.
Olivarez: Ich reise ab, mir widert alles hier.
Alle gehn ab.