Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Zehnte Szene

Gefängnis.

Fortunat gefesselt, der Kerkermeister.

Fortunat: Und alle sind hingerichtet?

Kerkermeister: Alle drei, die um den schnöden Mord gewußt haben. Morgen kommt an Euch die Reihe, macht Euch nur gefaßt.

Fortunat: Himmel, da ich unschuldig bin?

Kerkermeister: Das müssen die Richter besser verstehn; mitgefangen, mitgehangen. Und was ist es denn nun so Großes? Bester, in dem Stübchen hier, seit ich Kerkermeister bin, haben gewiß schon etliche hundert arme Sünder gesessen, und keiner ist mit dem Leben davongekommen. Jeder meint freilich, es sei ganz was Apartes, weil's ihn selbst betrifft, und nur einmal in seinem Leben; je nun, das ist menschlich; aber für unsereins, der das Ding von einem allgemeinen Standpunkt ansieht, ist es recht was Ordinäres und Langweiliges. Es hängen sich alle Arten von Gesichtern und alle Temperamente so frisch weg, daß es beinah lächerlich wird, da noch lamentieren zu wollen. Jeder sollte sagen: o den Weg sind wohl ganz andre Leute als du gegangen! und bedenken, wie wenig die Welt an ihm verliert, so fänden sich alle leichter drin; aber, wenn vom Leben die Rede ist, weiß der Teufel, so ist das ein Umsichgreifen, ein Herumschnappen, ein Festhalten, ein Balgen darum, einer den andern wegstoßen wollen und allein nur in den Teich Bethesda kriechen, daß man wirklich die Kerle schon bloß dieses verfluchten Egoismus wegen hängen sollte.

Fortunat: Ihr fallt mir zur Last.

Kerkermeister: Ei! seht doch einmal, wie impertinent! Nun, nun, morgen hat es mit allen diesen naseweisen Einfällen ein Ende, und wenn Ihr dann auf der Leiter steht, werdet Ihr denken: Ach fiele mir doch der gute, liebe Mann noch so ein Säkulum auf die angenehme Art zur Last! Denkt an mich, das fällt Euch ein, Ihr junge Blume des Feldes, deren Haupt morgen zusammengeschnürt wird, um unter das übrige Grummt der Wiese zum Aufspeisen des großen Rindviehs, Verwesung, getan zu werden. Geht ab.

Fortunat: So also wird mein Lebenslauf beschlossen?
Gewaltsam? Schimpflich? Als ein Missetäter?
O Rupert! du mein wahrer, einziger Freund,
Was folgt ich lieber deiner Weisung nicht,
Als jetzt so schmählich endgen müssen hier?
Nun sind die Träume alle weggeflogen,
Die mich wohl sonst umgaukelten mit Lust,
Erwacht bin ich, und Tod und wahres Leben
Verschmilzt so schnell in einen Augenblick.

Ein Richter kömmt mit dem Kerkermeister.

Richter: Entschließt den jungen Menschen seiner Fesseln!

Fortunat: Ist mir der letzte Augenblick erschienen?

Richter: Frei bist du, Jüngling, in der Todesstunde
Erneuerten noch alle das Bekenntnis,
Daß du nichts um den schnöden Mord gewußt:
Benutze diese Dunkelheit der Nacht,
Die Wache wird dich aus der Stadt begleiten,
Entfliehe schnell und schaue nicht zurück;
Denn so in blinder Wut ist Volk und Pöbel,
Sie rissen dich in Stücke, trotz den Richtern,
Würdst du am Tag und offen freigesprochen.

Fortunat: Ich danke Euch und meinen guten Sternen.

Beide ab.

Kerkermeister: Seinen Sternen? Und mir kein Wort? Er hat hier weder Sonne, Mond noch Sterne gesehn, aber ich habe ihn Tag und Nacht unterhalten und getröstet: und jenen dankt er, und mich sieht er nicht von der Seite an? Ich bleibe dabei, es wird nichts aus dem Menschengeschlechte, verlorne Saat, schießt höchstens ins Kraut, keine Frucht, kein Genuß dran, und wenn eins einmal recht lieblich und anmutig aussieht, hat's grade die meisten Würmer im Kopf. In der Hand läßt er mir nichts als sein altes Violoncell hier, auf dem er die ganze Zeit geklimpert hat. Geht ab.

 


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