Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Neunte Szene

Zimmer.

Lady Sand, Alice.

Lady Sand: Nicht sprechen will sich meine Freundin lassen
Und keinen Trost in ihren Schmerzen hören?
Ich find es recht, daß sie sich vor der Welt,
Vor eitler Neugier und Geschwätz verschließt,
Doch so die Freundin von sich abzuweisen,
Die Trän um Träne mit ihr treu vergießt,
Heißt sündigen am Schönsten, Heiligsten.

Alice: Verzeih mir Eure Gnade, wenn ich tu
Wie meine Herrschaft ernstlich mir befohlen.

Lady Sand: So will ich gehn, doch leider nehm ich auch
Die herbe Überzeugung mit hinweg,
Daß Freundschaft nicht in dieser Welt gedeiht.

Lady Oldfield kommt in tiefer Trauer.

Lady Oldfield: Verweile denn, da nicht dein Herz erbangt
Die sterbende Verzweiflung anzuschaun
Im Totenbilde deiner weiland Freundin.

Lady Sand: O Liebste, weine nur! welch Trauerlos!

Lady Oldfield: Fast sind die Quellen meiner Augen trocken,
Mein Herz versteint, mein Sinn zerstückt, verwirrt,
Doch wenn ich mich von neuem werd entsinnen,
Daß ich einmal so liebenden Gemahl,
So treues Herz, so edlen Sinn besaß,
Daß ich so glücklich war an seiner Brust,
Dann rauf ich auch von neuem dieses Haar,
So wie anjetzt, dann gieß ich wieder Tränen,
Wie sie von neuem fließen, schlage stürmend
An diese Brust, und frage drin das Herz,
Ob es noch immer, immer leben kann?

Lady Sand: Nur nicht verzweifeln, nicht so wilden Gram,
Denn du zerstörst dich selbst in dieser Trauer.

Lady Oldfield: Und gibt es Schmerz, der dem Verlust zu groß,
Ein Weheschrein, das zu gewaltig wäre?
Verdiente nicht der Tote, was die Liebe
Aus vollster Macht zum Opfer bringen kann?
Und will ich leben? – Leben? – Was heißt leben?
Wie ich ihn liebte, lieb ich jetzt sein Grab,
Der Tod ist mir ein lieber Brautbewerber,
Willkommen also Schmerz, der mich zerstört!

Lady Sand: Geliebte Freundin, sollte denn kein Glück
Je mehr für dich auf dieser Erde blühn?
Ich liebte so wie du, verlor wie du,
Und trauerte, und wurde wieder glücklich.

Lady Oldfield: Beglückter Leichtsinn, den ich nimmer tadle,
Doch mir hat die Natur ihn nicht vergönnt.

Lady Sand: Vielleicht verkennst du nur im wilden Sturm
Der Leidenschaft dein eignes Herz, auch Leiden,
Geliebte, lassen sich erziehn wie Freuden;
Willst du der Trauer der Erinnrung leben,
Mußt du in deiner Klage mäßig sein,
Zu lauter, heftger Jammer bricht entzwei
Gewaltsam die Organe selbst des Schmerzes;
Entweder stirbt der Mensch, ein seltner Fall,
Wo nicht, vergißt er um so leichter nur.

Lady Oldfield: Du lästerst, ich verzeih, du liebtest nie.

Lady Sand: Auch ich ward plötzlich Witwe, so wie du,
Mein Mann war jung und liebenswert, wie hätt ich
Ihn nicht geliebt? Ich glaubte zu vergehn,
Doch sehnte sich nach einger Zeit mein Geist
Aus jenem finstern Kerker seiner Leiden,
Doch nicht um schönen Schmerzen zu entsagen.
Nur fühlt ich, wie mich alles bang entsetzte
Was mich umgab, ich sah nur Todsgestalten
Aus jedem Schrank und Sessel traurig grinsen:
Da stellt ich mir im Hause alles um,
Die Zimmer, wo ich ihn zumeist gesehn,
Vermied ich, rückte Stuhl und Tisch und Schrank,
Besonders in ein anderes Gemach
Versetzt ich mir mein Bett, und wie ich nun
Fast wie in einem neuen Hause lebte,
Gedacht ich still so manches Junggesellen,
Der sonst mich freundlich angelächelt hatte;
So kam es denn, daß mir das Leben wieder
Als Leben und als Freund entgegentrat,
Ich fühlte nun, welch zarte wahre Liebe
Mein jetzger Mann im Herzen zu mir trug,
Fand nach dem Trauerjahr ein neues Glück.

Lady Oldfield: Es blühe dir noch viele, viele Jahre,
Doch mir vergönne meine Todeslust.
Wie sich der Fromme dort im Heilgen Lande
Erfreut das Grab zu sehn, und jeden Stein
Mit Inbrunst küßt, weil er wie damals ruht,
So sei mir heilig, was er nur berührte,
Der Sessel bleibe stehn als wie für ihn,
In dem er nachmittags zu schlummern pflegte,
Papier und Feder liege, wie es liegt,
Jedwedes Buch sei aufgeschlagen immer,
Das er aus seiner Hand gelegt. Wie könnt ich,
Wie könnt ich, Freundin, deinem Worte folgen,
Und jenes Bett verrücken? Nein, ich glaubte
Von neuem ihn mit frecher Hand zu morden,
Die nur ein Tuch, ein Kissen stören wollte,
So wie es mir als Heiligtum da ruht.

Lady Sand: Ich billg' es nicht, doch muß ich dich bewundern.
Nur dieses noch: vergönne mir zuzeiten
Zu dir zu kommen, dich zu sehn, zu trösten.

Lady Oldfield: Dein Anblick, deine Liebe sei mein Trost,
Nicht irdsche Worte, Überredung nicht.
Jetzt geh ich, ewges Heil ihm zu erflehn.

Lady Sand: So frommem Tun will ich nicht störend sein.

Gehn ab.

 


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