Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Vierte Szene

Palast.

König. Reymund.

Reymund: Ein stiller Sinn, ein frommes Gemüt, das sind die Gaben, die jenem großen Werke unentbehrlich sind. Glaubt mir, daß Andacht, Fasten und Gebet, hauptsächlich aber Mangel an Begierde das meiste tun müssen; denn solange wir irdisch sind, gehorchen uns die Geister der Erde nicht, noch weniger aber steigen andre aus den feinen Elementen der Luft und des Feuers, um unsre Befehle zu vernehmen und auszurichten, darum muß der Mensch vorerst frei sein, um andern Geistern die Dankbarkeit auflegen zu können.

König: Alles recht gut und schön, Reymund, und ich gebe mir auch Mühe, alles so auszurichten, wie Ihr es mir sagt, ich esse, ich trinke weniger, ich ziehe mir vom Schlafe ab, ich hüte mich vor Zorn und jedem ungeziemenden Wort, ich sammle meine Gedanken und denke mehr als sonst an den Urheber der Welt: insoweit scheint mir alles zu gelingen, nur eins, das Ihr fordert, kommt mir unmöglich, ja widersprechend vor.

Reymund: Und was wäre das, erhabner Herr?

König: Ich soll, wie Ihr ausdrücklich verlangt, keine Begier, keinen Wunsch nach dem Golde haben, und doch sinnen wir Tag und Nacht darauf, wie wir welches hervorbringen wollen, und wenn ich so in den Ofen blase und mich abäschere, wenn ich den gekrönten Löwen, und den Drachen, und alle die Verwandlungen mit unverwandtem Auge betrachte, wenn ich wachend und schlafend davon träume, wie ich endlich den Stein der Weisen finden will, so verlangt Ihr, ich soll gar kein Verlangen nach dem Golde haben.

Reymund: Gewiß, kein Verlangen nach dem Golde, insofern es Gold ist, aber wohl ist ein Verlangen nach dem Golde erlaubt, ja sogar hülfstätig beim Werke, insofern Gold das Kennzeichen ist, daß wir endlich den Geist wie die Materie bezwungen haben, es soll uns nichts, als ein geschmückter glänzender Herold sein, der uns aus der Unterwelt die Botschaft bringt, daß sie sich mit allen ihren Mächten unserm Geist und Herzen unterwirft. Könnt Ihr das Gold aber nicht als Gold verachten, so wird Euch die Eroberung jener heimlichen, wunderlichen Reiche unmöglich fallen.

König: Das sind spitzfindige, verwickelte Sachen: ich soll wünschen und nicht wünschen, verlangen und nicht verlangen, Gold lieben und verachten. Das Ding, sieht man, hat ein überstudierter Gelehrter ersonnen. Doch still jetzt davon, da kommt mein ungläubiger Leibarzt.

Reymund: Dieser ist ganz mit seiner sogenannten Vernunft in der terrestrischen Region befangen.

König: Richtig, eine Art von Gnome, oder Kobold, so sieht er auch aus, der untersetzte Mensch.

Der Leibarzt tritt herein.

Leibarzt: Wie hat mein gnädiger König geruht? – Dero Puls, wenn ich bitten darf – ei! ei! wie hastig! wie unzusammenhängend! wie stoßend!

König: Nun, Doktor, was gibt's? Doch keine schlimme Krankheit unterwegs?

Leibarzt: Nichts als eine hartnäckige und sehr verderbliche Obstruktion, der Stein der Weisen ist zu unverdaulich, der Herr Reymund ist die Materia peccans, die abgeführt werden müßte.

Reymund: Nein, mein Herr Doktor, die Ignoranz ist es! Purgiertet Ihr diese auf allen Wegen, so würdet Ihr nachher andächtig und überrascht an Euer Haupt fühlen und ausrufen: Wetter! Da drinne denkt etwas! seid still da drauß, ihr Leute, daß ich zuhören kann!

Leibarzt: Ein solcher Schwärmer, ein dreimal gesichteter Phantast will vom Denken sprechen? Wie dürft Ihr, Verkehrter, das heilige Wort nur in den Mund nehmen? Aber Ihr denkt Euch nichts beim Denken; ja, da liegt der Hund begraben! Ihr denkt Ihr denkt, aber es ist nichts dahinter, abergläubisch seid Ihr mit Haut und Haar, und mit Überschnappen wird das Lied zu Ende gehn: denkt an mich, Miserabler!

König: Still! Still! Ruhig, meine Freunde. Reymund –

Reymund: Was? Ich dächte mir nichts beim Denken? Und er, Majestät, er hat nichts als leere Formeln im Gehirn, uralte, abgeklaubte Phrasen, die er unter anderm Wegwurf von Melonenschalen, Rübenabputz und ausgekochten Knochen im Kehricht gefunden hat, und wie ein armer verwaister Hund darüber hergefallen ist, um sie von neuem auszusaugen.

König: Lieber, Er weiß nichts vom Hermes Trismegistus und den Verwandlungen.

Leibarzt: So? Also könnte die Vernunft wohl verkocht, ausgesogen und abgenutzt werden? Und der zweite, der eine Idee vom ersten aufnähme, fände schon den Saft und das Mark nicht mehr darin, bloß weil jener schon an ihr gedacht? O seh Eure Majestät doch nur aus dieser kleinen Probe den ungesichteten Schwengel. Das kommt davon, wenn ein Schwachkopf immer beim Feuer steht und pustet, und sich den Verstand aus dem Gehirn herausbraten läßt, um in der Retorte die gekrönte Jungfrau zu attrappieren.

König: Doktor, ich bitt Euch –

Reymund: Ha, ha, ha! Gekrönte Jungfrau! Da höre die Majestät, wie der Unwissende – ha, ha, ha! sie mit dem gekrönten Löwen verwechselt. Mir wird übel in Gesellschaft solches verschimmelten Phantasten.

Leibarzt: Ich kann schon den Geruch von dieser Mystik nicht ausstehn, bärbeißige Unvernunft!

Beide ab.

Theodor kömmt.

Theodor: Mein König, Majestät die Königin läßt bitten und ersuchen, an ihren Hof zu kommen, alles ist versammelt, und ein junger Fremder ist da, ein Graf aus Zypern, der sehr hoch spielt, hoch spricht, hoch springt, hoch denkt und hoch windbeutelt, er ist, wie alle sagen, ein merkwürdiges Phänomen.

König: Ich gehe, suche nachher Reymund auf, und bestelle mir ihn für heute abend in mein Kabinett. Ab.

Theodor: Herr Reymund ins Kabinett? Der Kerl muß hexen können, wenn auch kein Gold machen, daß er den König so bezaubert hat. Geht ab.

 


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