Ludwig Tieck
Fortunat
Ludwig Tieck

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Siebente Szene

Gefängnis.

Andalosia allein:
Wo bin ich? Wie bin ich hiehergekommen?
Ich seh mich zwischen diesen feuchten Wänden
Und finde mich und das Verständnis nicht.
Wer ist's, der mich verfolgt? Und, wenn ein Feind,
Warum nicht Tod, wie meinem Diener, dort?
Ein Irrtum? Oder Plan? Wozu? – –
Es wirft das Schicksal, glaub ich, mich hieher,
Das Dasein kärglich nur mit Nahrung fristend,
Der Stunden Wechsel nur an der Gedanken
Fortgang ermessend, um den Blick ins Innre
Des tief verdorbnen Herzens mir zu richten,
Daß ich hier lerne, was das Leben sei.
Wie hab ich meine Zeit, wie meinen Geist,
Wie allen Reichtum, den das Glück mir gönnte,
In sündenvoller Eitelkeit vergeudet!
Wem hat mein Dasein fruchtend wohlgetan?
War mein Erglänzen mehr als kalte Pracht
Des heitern Wintertages, der in Zacken
Gefrornen Eises blitzt in Baum und Strauch,
Liebäugelnd mit der starren toten Erde,
Indes ohnmächtger Mücken nichtger Schwarm
Im kalten Strahl ein kurzes Stündchen spielt,
Wie nachgeträumter Sommer? War der Landmann,
Des saurer Schweiß ihm seine Nahrung schuf,
Nicht besser, reicher, glücklicher als ich?
Dem Sohn vererbt er nur die kleine Summe,
Fleiß und Gerechtigkeit: auf den Besitz
Der eng gezognen Grenzen läßt der Himmel
Mit allen Segenskräften sich hernieder,
Und blüht Gesundheit aus der Enkel Glück.
Indessen ich, ein wesenlos Gespenst,
Umzieh wie nichtge schwache Frühlingsfäden,
Die jeder Windhauch wirft, und meine Gaben
Wie ungreifbarer Schaum des Golds zerflattern.
Und du, du wagtest es, mit wildem Sinn
Der Liebsten Bild mit Strenge zu verfolgen,
Verachtung ihr zu bieten, wie Apostel
Ihr Buße, Demut, Beßrung predigend?
Du dünktest dich mit reichem Geist geschmückt,
Und spieltest lusterfüllt das Abenteuer.
Und nun? – Gesteh es dir, du liebst sie noch:
Gesteh es dir, sie hätte dich geliebt,
Wärst du mit sehnsuchtsvollem, liebeschwangern
Gemüt und Herz entgegen ihr getreten.
Sie fühlte deine nichtge Eitelkeit –
Da setzte sie der Larve Larv entgegen –
Zwei Tote spielten die Lebendigen; –
Nun wär ich glücklich, hätt ich Glück verdient.
Die Kraft der Liebe, wenn sie würdig uns
Für ihren Dienst befunden, hätte wohl
Die Hindernisse all hinweggehoben.
Doch nun – da stehst du vor der nackten Mauer
Des Lebens, die sich weit und weiter dehnt,
Der Blick auf Gärten, auf die freie Landschaft
Dir stets gehemmt, und Angst an deiner Seite.

Barnabas tritt ein mit Brot und Wasser.

Andalosia: Da kommt mein stummer melancholscher Pfleger,
Die karge ungewohnte Nahrung reichend. –
Mein Freund, ermutge dich und laß mich los,
Du kennst mich nicht, doch sicher meinen Namen,
Man nennt mich nur den reichen Andalosia,
Begehre, was du willst, für deinen Dienst. –
Du schüttelst? Glaube mir, ich bin imstande,
Den kühnsten Traum im Lohn zu übertreffen,
Ein Landgut sei das deine; liebst du Gold,
Ein Regen soll dich strahlend überschütten.

Barnabas: Ich kenn Euch nicht; ja, hättet Ihr es bar,
Hier in der Hand – doch leicht verspricht der Mensch;
Seid Ihr erst draußen, lacht Ihr nur des Toren,
Der Euch geglaubt.

Andalosia:                     Geh mit nach meinem Hause.

Barnabas schüttelt den Kopf, geht und verschließt die Tür.

Andalosia: Ich darf in seiner Gegenwart des Säckels
Geheime Wunderkräfte nicht erproben,
Und doch vielleicht – welch Irrsal hält mich fest?
Er kehrt zurück – ich wag's auf Tod und Leben.

Limosin tritt herein.

Andalosia: Mein Oheim! Ach, ein teures Angesicht!
Ihr habt mich aufgefunden? Welche Treue!
Führt mich hinweg! Wer brachte mich hieher?
Wie freudig grüß ich nun das Licht des Tages.

Limosin: Mein guter, guter Neffe, armes Kind,
Was mußt du in der Zeit gelitten haben,
Denn du bist solches Lebens nicht gewohnt.

Andalosia: Laßt uns der dumpfen Kerkerluft entfliehn.

Limosin: Mein guter Sohn, das wird so schnell nicht gehn.

Andalosia: Wer darf sein frevelnd Spiel noch mit mir treiben,
Da Ihr mich fandet, es dem König meldet,
Wenn Euer Arm vielleicht nicht stark genug?

Limosin: Mit einem Wort, mein lieber guter Sohn,
Du bist bei mir in diesem Turm zu Gaste.

Andalosia: Bei Euch? Ich träume doch, ich rase nicht?

Limosin: Nein, junger Mensch; doch faßt Euch in Geduld –

Andalosia: Ihr, Oheim? Ist es möglich? Dürft Ihr's sagen?
Mir in die Augen blicken? Nicht verschlingt
Die Erd Euch, und kein Blitz fällt her vom Himmel?
Was wollt Ihr denn, was denn mit mir beginnen?

Limosin: Mein guter Ungestüm, du wirst sogleich
Befreit, erfüllst du, was ich von dir fordre.

Andalosia: So nennt es denn!

Limosin:                                     So harsch nicht, lieber Jüngling.
Gib mir, woher du dein Vermögen schöpfest.

Andalosia: Nun kenn ich Euch. Und wenn ich's Euch verweigre?

Limosin: Bleibst du in diesem Turm, bis Gott dich ruft.

Andalosia: Gemeiner Schurke! wagst du Gott zu nennen
Bei diesem Bubenstück?

Limosin:                                 Tobt Euch nur aus.

Andalosia: Und wenn ich Euch erfasse, Euch erwürge –

Limosin: Drauß stehn zwölf Knechte, wartend meines Winks,
Sie reißen dich in Stücke.

Andalosia:                               O der Arglist!
Verzeiht denn, Oheim, meinen raschen Sinn,
Ich seh, ich muß mich fügen, also wißt:
Mein Vater hat in seinem großen Hause
Im untersten der Keller einen Bronn,
Der ist voll Gold, den hat er mir gelassen;
Man schöpfe nun so viel, so oft man will,
Er bleibt gefüllt. Dies Wunder sei das Eure
Halb oder ganz, wie Ihr es wollt, drum kommt
Mit mir zur Stadt –

Limosin:                       Mein Freund, du möchtest wohl
Mit diesem plumpen Märchen Bauern täuschen,
Doch mich nicht, deinen Ohm. Ich kenn das Haus,
Von oben, unten, alle Gäng und Winkel.
Kind, sei gescheit, tu dir nicht selbst zu nah.

Andalosia: Ihr glaubt nicht, und ich spreche nun kein Wort.

Limosin: Du sagst mir nicht, wie es beschaffen?

Andalosia:                                                               Nein!

Limosin öffnet eine Tür nach innen:
Mein guter Sohn, besinne dich, ich bitte,
Dort stehn die Knechte, sieh, und auch daneben
Die Folterbank. Du hast doch selbst wohl neulich
Gesehn, wie man den Räuber inquirierte,
Daß seiner Glieder Bande fast zerrissen,
Bis er gestand? Was war damit gewonnen?
Bekenne du mein Freund mit ganzen Gliedern.

Andalosia: Ich schaudre, bin gefangen, seh es wohl.
Doch wenn ich mich entdeckt, so bin ich frei?

Limosin: Natürlich.

Andalosia:               Nun so scheid ich denn von dir
Du reiche Gabe, die das Glück mir gönnte.
Es muß sein – also sei's – es war ein Traum;
Bleibt mir doch Lebenskraft, Gesundheitsfülle. –
Seht, Oheim, dieser unscheinbare Säckel
Enthält, was nur die Habsucht wünschen mag.

Limosin: Reich her; weshalb ist er so wunderbar?

Andalosia: Faßt nur hinein, die Hand füllt sich mit Gold,
Und Ihr ermüdet, doch die Tasche nicht.

Limosin: Es ist – ja wahrlich, diesmal sprichst du wahr.

Andalosia: So lebt denn wohl.

Limosin:                                     Wohin, mein Sohn?

Andalosia:                                                                   Nach Hause.

Limosin: Mein guter, junger, unerfahrner Mensch,
Du siehst wohl ein, daß das mit Sicherheit
Und mit Vernunft unmöglich kann bestehn.
Herbei, ihr Knechte!
        Die Knechte treten mit Ketten herein.
                                    Drinnen schließt ihn fest,
Daß er kein Glied bewegen kann und regen,
Der Klotz ist da und auch die Bank von Stein!
Die Nahrung, lieber Freund, wirst du erhalten.

Andalosia: Nein, Bösewicht, Verruchter, nimmermehr –

Limosin: Führt ihn hinweg, ich bin des Redens müde.

Er geht, die Knechte schleppen Andalosia mit Gewalt nach dem innern Gemach.

 


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