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Es war ein köstlicher Julitag. Die Sonne neigte sich schon ein wenig dem Westen zu; die dunklen Tannen des Schwarzwaldes begannen längere Schatten in das liebliche Wiesetal hinabzuwerfen. Es war still, ganz still im weiten Kreise. Der milde Wind strich nur leise flüsternd durch die Kronen der Bäume des alten Schloßhofes und führte hin und wieder leichte Staubwolken mit sich von den Mauern her, die düster emporragten.
»Schloß Rötteln, einst so stolz und gefürchtet, jetzt einsam und verlassen, aber noch im Verfall großartig und schön, könnten deine Mauern reden!« So zog es durch meinen Sinn, als ich gedankenverloren auf die mächtigen Überreste einer längst vergangenen Zeit blickte. Stundenlang war ich umhergeschweift zwischen den rauchgeschwärzten Mauern, war hinaus zum Söller gestiegen, von wo der Blick trunken über eine Welt voll Wunder und Schönheit schweift, – – und hatte erschauernd in die Kerker hinabgeschaut, deren Tiefen sich gähnend vor mir auftaten.
Jetzt saß ich im alten Rittersaal, durch dessen gewölbte Fensteröffnungen man hinab ins Wiesetal und hinüber zu den Bergen blickt. Weit, weit zurück waren meine Gedanken gewandert, in jene Zeit, da das stolze Geschlecht der Grafen von Rötteln hier oben hauste. Ihr Ursprung verliert sich im Dunkel des siebten Jahrhunderts; um jene Zeit finden wir zuerst hier einen Herrn von Rötteln. Klein war die Burg auf der waldigen Höhe damals, aber sie wuchs mit dem Geschlecht in den nächsten Jahrhunderten und war zu einer berühmten Feste geworden, als die drei letzten Söhne des ritterlichen Geschlechtes über sie herrschten. Kraftvolle, männliche Gestalten waren es, und lieblich zwischen ihnen erblüht stand die Schwester, das holde Mägdlein, – – da, – was war das? – –
In meine Traumverlorenheit erklang ein seltsam Raunen, – ein Flüstern, – wie Waffen klirrte es leise, – wie Frauengewänder rauschte es um mich, die verwitterten Seitenwände des Saales verschwanden, – ein farbenprächtiges Bild entrollte sich vor mir in einem hohen, getäfelten Gemach – – ich sah sie daherkommen, stolze Männergestalten in kostbarer Rittergewandung, – in blinkenden Panzern, – in wallendem Priesterkleid! Auch manch holdes Frauenbild tauchte vor mir auf, – sie alle kamen näher, sie fingen an, leise zu flüstern und zu erzählen – – – – – – – – –
Ein schriller Pfiff ertönte, ich schrak zusammen. Aus dem nahen Haagen dampfte ein Eisenbahnzug Lörrach zu. Verschwunden war das Gemach, verschwunden die glänzende Gesellschaft; die Vergangenheit versank, die Gegenwart trat in ihre Rechte.
Es war inzwischen fast dunkel geworden, ein mattes Rot glänzte noch im Westen. Die Abendglocken erklangen gedämpft herauf zur alten Burg, deren Mauern drohend und finster emporragten.
Mich fröstelte; ich eilte heim.
Was ich aber in jenen Stunden in der Ruine dort oben sah und hörte, auch in Chroniken und alten Schriften und Urkunden nachmals fleißig erforschte, habe ich hier niedergeschrieben für dich, mein freundlicher Leser!
»Entreiße unser Geschlecht der Vergessenheit – auch unsere Zeit, auch wir hatten Helden, wie ihr und eure Zeit«, so flüsterten mit dringender Bitte mir Röttelns Geister an jenem Juliabend zu – – ich will versuchen es zu tun.