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Achtes Kapitel

Am Vormittag des letzten Maitages saß Bischof Heinrich im Empfangsgemach des bischöflichen Palastes zu Basel an einem Tisch, auf dem eine Kanne mit Wein und zwei Pokale standen. Vor ihm in einem großen Holzsessel hatte der Wolf von Wartenberg Platz genommen, angetan mit prächtiger, reichgestickter Kleidung.

Soeben tat er einen mächtigen Zug von dem goldgelben Wein, setzte den Pokal fast geleert auf den Tisch, lehnte sich bequem in den Sessel zurück und sagte: »So es Euch denn genehm, hochwürdigster Herr, so lasset uns mit unseren Verhandlungen beginnen. Mich will bedünken, daß wir nimmer allzulange Zeit zu unseren Vorbereitungen haben. Will Euch nicht verhehlen, daß der Habsburger neuerdings wieder Boten zu mir gesandt hat, hab' sie aber auch nicht angenommen. Da ich Euch zugesagt hatte, mit Euch zu gehen, so lasset uns allererst verhandeln.«

Der Bischof hatte den Grafen ausreden lassen, ohne eine Miene zu verziehen; nur seine Hand spielte aufgeregt mit dem Fuße seines Pokales. Er wußte genau, gewährte er des Wartenbergers Forderungen nicht, so zog dieser dem Habsburger zu Hilfe, und sie hatten alsdann einen schlimmen Feind drüben. Was aber würde er fordern? Ein Geringes wohl nicht!

Jetzt sah er auf und begegnete dem stechenden, schwarzen Auge seines Gastes, das forschend auf ihm ruhte.

»Ihr wisset, Graf Wolf«, entgegnete er, »daß mir viel an Eurer Hilfe gelegen ist; nimmer hätte ich sonsten zu Euch gesandt. Saget mir denn nur Eure Bedingungen, unter denen Ihr der Unsere werden wollet.«

»Weiß wohl, daß Euch nimmer um mich selbsten zu tun ist, hochwürdigster Herr«, sprach Wolf von Wartenberg spöttisch. »Ihr braucht meine Mannen, nicht mich! Maßen diese aber nimmer ohne mich gehen, müßt Ihr mich mit in den Kauf nehmen. So ist's, nicht wahr?« Er lachte auf. »Sagt ja, Herr Bischof, lasset uns ein ehrlich Spiel treiben! Ich wär' desgleichen nimmer zu Euch gekommen, so ich nicht hoffen würde, hier mehr zu gewinnen, denn bei dem Habsburger; sehet, ich bin offen, vielleicht zu offen, doch – es schadet nichts.«

Ein feines Lächeln umspielte Herrn Heinrichs Lippen. »Ihr habt recht, Graf Wolf; nur daß ich solches alles Euch nicht mit so derben Worten sage als Ihr mir! Doch, wie dem auch sei, wir verstehen uns also! Von innerer Verbindung zwischen unserer Sache und Euch ist keine Rede, ebensowenig als solches der Fall wäre zwischen Euch und dem Habsburger, so Ihr mit dem gemeine Sache machtet. Und nun stellet Eure Bedingungen.«

»Zuerst, Herr Bischof«, begann der Graf, »war's mir um Euer Stück Land zu tun, so am Rhein, dem Wartenberg gegenüber, gelegen ist. Das wollt' ich zu eigen haben, – doch meine Gesinnung hat sich geändert. Ihr wisset, ich bin noch unbeweibet, hab' auch bis dahin keine Lust verspürt, Weibervolk auf meinem Horst zu sehen. Glaub', daß seit dem Tode meiner Mutter kein weiblich Wesen den Wartenberg durchschritten, außer der Schaffnerin mit ihren beiden Mägden und der Burgkatz! Anjetzo aber gelüstet es mich, ein Ehgemahl zu besitzen. Vermeine, der Wartenberg würd' wohnlicher werden, so wieder ein hold, jung Wesen dort als Burgfrau waltete, – – und Ihr, hochwürdigster Herr, sollt mir dazu verhelfen. Ich werb' bei Euch um Elisabeth von Rötteln, Eure Schwestertochter.«

Schon als der Graf seine Auseinandersetzung begann, flog blitzschnell dem Bischof die Erinnerung an das Hochzeitsmahl durch den Kopf; auch er hatte des Grafen Blicke damals gesehen, und es wurde ihm heiß und kalt dabei. Als er nun wirklich Elisabeths Namen hörte, wallte es hoch in ihm auf; er verspürte die allergrößte Lust, den Unverschämten höchsteigenhändig hinauszuwerfen, – – aber er verstand sich zu beherrschen, seine Züge wurden vielleicht nur noch eherner.

»Und die Hand der Gräfin Elisabeth soll mithin der Preis sein für Eure Hilfe?« fragte er.

»Sie soll es sein«, entgegnete der Wartenberger kurz.

Da erhob sich der geistliche Herr, richtete sich in seiner ganzen imponierenden Größe auf, verschränkte die Arme und sagte mit schneidender Stimme, die Augen durchbohrend auf sein Gegenüber gerichtet: »Seit wann handelt man hierzulande mit Menschen gleich einer Ware, die dem Meistbietenden zugeschlagen wird? Mir ist nichts darüber bekannt! So Ihr solches aber vermeinet habt, seid Ihr in einem schweren Irrtum begriffen, Herr Graf, den ich Eurer Unkenntnis mit den Verhältnissen zugute halten will, obgleich mich solches wundernähme, da Ihr hierorts geboren und großgezogen seid! Vernehmet, Gräfin Elisabeth von Rötteln ist mir nimmer feil, auch nicht für Eure Hilfe. Das Land hätt' ich Euch gegeben, das Weib nimmer!«

Da hielt sich der Wartenberger nicht mehr. Er sprang auf und schrie mit wutbebender Stimme: »Nun denn, Herr Bischof, so vernehmt Ihr hingegen, daß meine Mannen mir nimmer feil sind für Euch! Dienst gegen Dienst! Noch heute geht mein Bote gen Habsburg, dem Grafen meine Zusage zu bringen. Doch wissen sollt Ihr eines, der Wartenberger weiß sich zu rächen! Rötteln wird fallen, Herr Bischof, muß fallen; all meine Kraft soll diesem Ziel gelten! Und dann trage ich Elisabeth auf diesen Armen in meine Burg; – sie muß mein werden, Herr Bischof, sie muß und sie wird! Alsdann sollt Ihr unseren Herzensbund segnen, – hei, das wird eine lustige Hochzeit werden.« Er war mit wenigen Schritten am Fenster und lehnte sich weit hinaus, um seine furchtbare Aufregung ein wenig zu bemeistern.

Der Bischof stützte die Hand auf den Tisch; er war bleich vor innerer Erregung, aber keine Muskel zuckte in seinem Antlitz. So vergingen etliche Minuten; da sprach der hohe Herr eisig: »Ich dächte, unsere Unterredung sei beendet. Meine Zeit ist zu Ende, Herr Graf.«

bild: Franz Stassen

Der Wartenberger fuhr herum und trat einen Schritt auf ihn zu. Gespannt schaute ihm Herr Heinrich ins Gesicht, auf dem ein seltsam Gemisch von Zorn, Enttäuschung, ja fast Unruhe lag. »Hochwürdigster Herr«, sagte er ruhiger, »'s wär' doch eine Torheit, so wir beide in solchem Zorn voneinandergehen sollten.«

»Wer ist im Zorn, Ihr oder ich?« warf Herr Heinrich dazwischen und richtete einen flammenden Blick auf den Grafen, daß dieser die Augen senkte.

Doch er ließ die Frage unbeachtet und fuhr fort: »Wir begehren beide Dinge, so uns von Nutzen oder Wert sind, Ihr meiner Mannen, ich eines Weibes. Zu unseren Absichten seid Ihr und ich vonnöten. Warum, so frag' ich Euch, wollen wir einander nicht einen Dienst erweisen? Hochwürden, ich tät' noch mehr als Euch helfen, so Elisabeth mein würde! Nun will ich davon absehen, sie von Euch zu fordern; nur bitten will ich Euch, überbringt meine Werbung, und so Ihr dabei für mich reden wolltet, würd' ich es Euch wahrlich danken! Wollt Ihr das wenigstens tun?«

Erstaunt hatte Herr Heinrich zugehört; nun antwortete er rasch nach kurzem Besinnen: »Da Ihr diesen Weg einschlaget, Graf Wolf, ist's etwas anderes. Eure Werbung will ich der Gräfin übermitteln; ob ich aber für Euch reden werde, ist mir ungewiß. Ihr fühlet wohl selbst, solches kann ich Euch nach dem soeben Geschehenen nicht versprechen. Wie dann aber, so die Gräfin Euch nicht annimmt?«

»Alsdann reden wir weiter von der Sache, Herr Bischof«, erwiderte er ausweichend mit finster gerunzelter Stirn; »wann erhalte ich Euren Bescheid?«

»Da müßt Ihr mir kurze Frist geben«, sagte Herr Heinrich gelassen, »ich hoffe, Ihr erhaltet bald Nachricht.«

»Es ist gut, ich werde warten! Und nun lebt wohl, hochwürdigster Herr, es ist Euch und mir anjetzo nur angenehm, so wir diese Unterredung beenden und voneinandergehen.« Er ergriff seinen leichten Helm und stülpte ihn auf.

»Gehabt Euch wohl«, grüßte Herr Heinrich kühl.

Als sich die Tür hinter dem Grafen geschlossen, sank der würdige Herr hoch aufatmend in einen Sessel. »Mögen die Heiligen uns vor diesem Manne in Gnaden bewahren«, sagte er, sich bekreuzigend. »Der ist gleich schlimm als Freund oder Feind! Und der wagt es, die Hand nach unserer Waldblume auszustrecken! Glaub's wohl, daß sie es ihm angetan hat, – mir grauset bei dem Gedanken, sie in seinen Armen zu sehen! Heilige Mutter Gottes, beschütze sie gnädiglich vor diesem Wüterich!«

Er sprang auf und durchmaß das Gemach mit schnellen Schritten. »Was wird Walter dazu sagen, so ich es ihm mitteile? Noch heute soll er es wissen.«

Er schellte und befahl dem Diener, sofort zu satteln, gen Rötteln zu reiten und die drei Grafen zu einer Beratung um die fünfte Stunde des Nachmittags in den Palast zu bitten. –

Um den schweren eichenen Tisch in des Bischofs Arbeitszimmer standen vier Sessel, und in zwei mächtigen Weinkannen funkelte roter Burgunder. Unruhig schritt Herr Heinrich auf und ab, als zur festgesetzten Zeit die Tür aufsprang und Walter, gefolgt von seinen Brüdern, eintrat.

Der Bischof begrüßte sie herzlich; als sie Platz genommen, schickte er den Diener hinaus, der die Pokale füllen wollte, und übertrug dieses Lutold.

»Auf gute Verrichtung der heutigen Geschäfte«, sagte Walter, den Humpen erhebend, und tat einen tiefen Zug. Die anderen folgten ihm darin.

»Euer Wein ist gut, Herr Ohm«, sagte Otto absetzend. »Und nun laßt hören, was es Neues gibt, nach Eurer Miene ist's nicht gerade Gutes! Schauet aus wie ein Jäger, so ihm ein alt Weib den Weg frühmorgens gekreuzt hat.«

»Du magst recht haben! Ernst ist die Sache, und es gilt wohl zu überlegen, maßen viel auf dem Spiel steht. Lasset uns auch nicht allsogleich heute Beschluß fassen, zumal die Angelegenheit noch jemand in den Händen hat.«

»Beim heiligen Antonius von Padua, Ohm, Ihr redet gleich einem Wahrsagerweib geheimnisvoll und rätselhaft«, rief Walter. »Je eher wir hören, um was es sich handelt, je besser.«

»Nun, so höret! Am heutigen Vormittag war der Wartenberger hier, mir seine Bedingungen zu sagen.«

»Nun, und?« fragte Lutold gespannt.

»Die Hand Elisabeths«, sagte der Bischof kurz.

Einen Augenblick herrschte Totenstille; Otto hielt in maßlosem Staunen den Pokal in der Hand, den er eben zum Trinken erhoben hatte; Lutold lehnte sich zurück und brach in schallendes Gelächter aus, Walter aber rief aufspringend: »Ist der Kerl von Sinnen oder behext?«

»Keins von beiden«, entgegnete der Bischof ernst. Und wortgetreu gab er die Unterredung vom Morgen den Brüdern wieder. Als er seine erste Antwort auf Graf Wolfs Bedingungen wiederholte, nickte Walter sehr beifällig; Otto aber fragte: »Und er blieb daraufhin?«

»Höret weiter«, erwiderte der Bischof und teilte ihnen nun auch das Ende der Unterredung mit. »Da sehet ihr«, schloß er endlich, »daß in dieser Angelegenheit noch jemand mitzureden hat, Elisabeth nämlich. Ihrem Entschluß müssen wir uns fügen.«

»Ihrem Entschluß?« rief Otto mit finster zusammengezogenen Brauen, »vermeinet Ihr im Ernst, Herr Ohm, wir werden ihr solch Ansinnen mitteilen? Von mir aus erfährt sie's nimmer, ihrer Antwort bin ich auch so sicher.«

»So mein' ich gleich also«, sprach Walter mit dröhnender Stimme. »Ohm Heinrich, unsere Waldblume ist nimmer für den Räuber gewachsen, so soll sie auch nicht erfahren, daß er gewagt hat, die Hand nach ihr auszustrecken. Hab' ich's Euch nicht gesagt, Ohm«, rief er mit ausbrechendem Zorn, »vom Wolf kommt nichts Gutes, hütet Euch? Sagt' ich's Euch nicht, ich traue dem Kerl mit den unheimlichen Augen nicht, mir ahnt Böses von ihm? Aber nein, Ihr mußtet darauf bestehen, ihn noch einmal zu bitten, brachtet ihn mir sogar auf den Hals, – da sehet nun, welchen Brei Ihr eingerühret habt! Wir helfen Euch nimmer beim Ausessen; sehet zu, wie Ihr allein fertig mit ihm werdet! Unsere Schwester bekommt der Wolf nicht.«

»Ruhig Blut, Walter«, mahnte Lutold. »So er sagt, Elisabeth habe es ihm angetan, finde ich es auch begreiflich, so er ihrer begehret, – ich und du täten gleich also«, fügte er mit halbem Lächeln hinzu. »Still«, sprach er weiter, als Walter auffahren wollte, »laß mich ausreden. So ich den Ohm recht verstand, hat er zuletzt nur gebeten, die Werbung zu überbringen, ohne eine Bedingung daran zu knüpfen.«

Der Bischof nickte.

»Nun«, fuhr Lutold fort, »da eine solche Bitte kein Unrecht ist, so vermeine ich, unser hochwürdigster Ohm tat kein Unrecht, ihm solches zu versprechen, doch nun muß er auch halten, was er zugesagt hat. Auch mir wär's, gleich euch, das liebste, so unser Schwesterlein erst nichts von des Wartenbergers Werbung erführe, doch würden wir als Männer von Ehre und Recht handeln, so wir dem Ohm wehrten, mit Elisabeth zu reden? Wie ihre Antwort ausfallen wird, wissen wir alle genau, also mag sie es auch wissen.«

Einen Augenblick schwiegen alle, dann sagte Otto finster: »Es ist leider zu wahr, was du sagtest«, – und Walter sprach grimmig, seinen dunklen, kurzen Bart zausend: »Ja, hast recht! Hast verstanden, gut zu reden; man kann nichts dawider sagen. Hätt'st Priester werden sollen; die verstehen's, durch Reden alles zu machen.«

»Sagte ich zuviel?« fuhr Lutold auf.

»Nein, nein«, beschwichtigte Otto. »Um der Heiligen willen, keine Zwietracht zwischen uns wegen dieses Mannes! 's ist wahr, wir dürfen Elisabeth nichts verschweigen, unsere Ehre würde sonsten Schaden nehmen.«

»So ist's, Lutold«, sprach Walter und bot seinem Bruder die Hand. »Schlag ein, Kleiner, kein Ärger unter uns durch den Kerl! 's wär' dann soweit in Ordnung, Ohm«, wandte er sich zu dem Bischof, »doch sei es Euch überlassen, unserer Schwester solchen höchst ehrenwerten Antrag zu übermitteln. Ich will nichts damit zu tun haben! Wann kommt Ihr?«

»In drei Tagen, und gedenke, einen Tag auf Rötteln zu bleiben«, antwortete Herr Heinrich. »Dann mag Elisabeth entscheiden.«

Sie erhoben sich zum Abschied.

Beim Hinausgehen drückte der Bischof seinem jüngsten Neffen warm die Hand und sagte lächelnd: »Walters Natur ist uns hinreichend bekannt, lieber zufahren und mit dem Schwert dreinschlagen, als weise und ruhig überlegen und besprechen. Man muß eben mit seinem Wesen rechnen. Otto ist anders und du noch viel mehr, Lutold. Hab' Dank für deine Worte! Solche Leute als du kann die heilige Kirche gut brauchen, und sie können viel in ihr wirken.«

Lutold sah plötzlich vor sich ein hold Gesicht, auf dem ein ganzer Frühlingszauber ausgegossen lag, mit blauen, klaren Kinderaugen und dunkelblonden Locken, – – sein Herz schlug hoch auf beim Gedanken an dieses Antlitz, – fast wie abwehrend erhob er die Hand und entgegnete schnell: »Um der Heiligen willen, Herr Ohm, nimmer käme mir solch Gedanke! Ich tauge nicht für den Kirchenstand; der Ritterstand ist mir tausendmal lieber!«

»Ruhig, ruhig«, lächelte der Bischof. »Nimmer käme mir der Gedanke, dich zu etwas zu bereden, wozu du keine Lust verspürst! Aber 's geht im Leben oft wunderlich zu! Ich dachte auch einst so wie du, und doch wurd' es anders! So dich einmal ein Überdruß des jetzt so gepriesenen Standes anwandelt, so du weltmüde wirst, so denk' meiner Worte und komm, die Kirche nimmt dich freudig auf! Und Ehre und Ansehen gibt sie in Fülle dem, der ihr treu und recht dienet.«

Im Hofe stiegen die Herren zu Pferde. »Auf Wiedersehen«, scholl es herüber und hinüber, – man ging in gutem Einvernehmen auseinander.


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