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Siebentes Kapitel

Aus dem Tagebuch des Paters.

Am 12. Mai.

Barmherziger Gott, ist es denn zu fassen, daß über Nacht der Todesengel seine Fittiche so rasch ausbreiten konnte da, wo eben noch lauter Festfreude war? Und doch, – es ist so!

Die ersten Morgenstrahlen treffen mich just eben, – sie beleuchten auch das stille Antlitz unserer von allen geliebten Burgfrau Edelgundis, die unten in der Kapelle aufgebahrt lieget!

Gestern, da Ruhe in die Burg eingekehret war, machte ich mich auf den Weg zu Antonius. Noch hatte ich nicht die Hälfte des Weges hinter mir, als ein reitender Bote mich einholte, der mich zurückrief. Ich nahm sein Roß und jagte zur Burg. Gräfin Edelgundis lag im Fieber, das wir schon erloschen wähnten, – es hat noch einmal seine Hand ausgestreckt!

Bleich vor Angst kam mir Elisabeth entgegen, da ich zum Lager der Gräfin trat, – ach, auch ohne den Ausspruch des Arztes, der um weniges später kam, wußte ich, wie es stand! Hab' zuviel davon unten im Dorf sehen müssen!

Elisabeth wankte, da sie des Arztes Achselzucken sah, – da faßte ich schnell ihre Hand und flüsterte ihr zu: Gott leget uns eine Last auf, aber er hilft uns auch! Dankbar sah sie mich an; still setzte sie sich ans Lager, und ich blieb neben ihr stehen.

Niemand sprach; auch draußen im Zwinger waren alle Geräusche verstummt. In der neunten Abendstunde ging eine Veränderung im Antlitz der Gräfin vor. Ich beugte mich über sie; sie schlug die Augen auf und begehrte mit schwacher Stimme die letzte Ölung. Kaum vernehmbar fügte sie hinzu: »Ich weiß, ich sterbe. Durch die Gnade des Allmächtigen und Erlösung des Hochgelobten will ich selig werden. Ich hoffe auf nichts anderes. Es war kein leichter Weg, so ich zu gehen hatte; doch ich lernte mich beugen unter Gottes Hand. Kommt Ihr einstmals gen Einsiedeln zurück, so grüßt Pater Hieronymus von mir und sagt ihm solches.«

Nur ich hatte ihre Worte verstehen können; jetzt schwieg sie erschöpft. Rasch bereitete ich die heilige Handlung vor, ich sah, es eilte damit. Noch war die Mitternacht nicht vorüber, als Edelgundis den letzten Atemzug tat, ohne noch einmal gesprochen zu haben. Nur auf Elisabeth hatte ihr Blick noch zuletzt mit unendlicher Liebe geruht.

Gräfin Odalsinde und ich führten sie hinaus. »Heilige Jungfrau, nimm sie mir nicht«, flüsterte die junge Frau bebend, »laß mich nicht noch verlassener werden, denn ich es anjetzo schon bin!« Mir gaben die Worte einen tiefen Blick in diese Frauenseele, – armes Weib, hier kann nur der Höchste helfen!

Sie hat Elisabeth in ihr Gemach geführt, – Herr, stärke du sie beide und die anderen, die schier fassungslos auf die Leiche blickten. – Und was wird Hieronymus sagen?

 

Am 13.

Heute fand die Beisetzung unten auf dem kleinen Friedhof statt. Alle, die vor kaum drei Tagen hier waren, um die Hochzeit feiern zu helfen, gaben unserer Burgherrin heute das letzte Geleit. Elisabeth war nicht zu bewegen gewesen, in der Burg zu bleiben, so sehr wir sie darum baten. Auf Graf Walter und Lutold gestützt, stand sie mit an der Gruft. Mein Herz war tief bewegt; in kurzen, innigen Worten segnete ich die teure Leiche ein; der Hügel schloß sich, und wir verließen still den Ort, den Endpunkt aller Erdenpilger! – Wohl dem, der da ruhet im Glauben an den Auferstandenen!

 

Am Abend des gleichen Tages.

Über der Burg herrscht Ruhe; still ist's draußen und drinnen. Mich aber beweget ein Erlebnis mehr, denn die Beisetzung heute am Nachmittag.

Beim Nachtmahl fehlte Elisabeth. Man glaubte sie in ihrem Gemach; mich aber trieb eine innere Unruhe hinunter in den Garten. In jener versteckten Laube fand ich sie, den Kopf auf den Arm gelegt, zitternd in tränenlosem Schluchzen. Ich setzte mich zu ihr; sie war nicht erstaunt, mich zu sehen, es war, als müsse es so sein! Mild und tröstend sprach ich ihr zu; nach und nach wurde sie ruhiger. Dann sprach sie sich in tiefem Weh über den Tod der edlen Mutter aus und fügte hinzu: »O Pater Rubertus, gleich einem schwarzen Schleier liegt es mir über der ganzen Welt; eine lähmende Angst vor der Zukunft hat mich gefaßt, mir ist, als sei der Tod der Mutter nur der Anfang einer entsetzlich schweren Zeit.«

Wie hilflos umklammerte sie meinen Arm; das süße Gesicht sah in unbeschreiblicher Angst zu mir auf, also, daß auch mich schier die Angst mitbefiel.

Was tun! Ich tat das Einzige, so hier möglich und gut war: ich nahm ihre beiden Hände in meine Linke, legte die Rechte auf ihr Haupt und betete! Wie lang, was, ich weiß es kaum; ich brachte alle ihre Not, alles, was sie bewegte, dem Allmächtigen dar, und ganz allmählich ward sie ruhiger.

Sie hob den Kopf und sah mich dankbar an. »Was Gott in seinen Händen hat, wird immer gut, sagtet Ihr mir einst, Pater Rubertus; solches will ich immer mehr fassen und glauben, ich will mich seinen Händen ganz überlassen!«

»Tut es, Herrin«, sagte ich leise. Sie stand auf; fürsichtig nahm ich ihre Hand und leitete sie hinauf. Ich blieb noch im Zwinger, setzte mich auf die Mauer und schaute in den Wald – ich bin aber auch jetzt noch erreget, daß ich bebe – –

*

Mit einem wehmütigen Lächeln schob Elisabeth Odalsinde bei dem Frühmahl am anderen Morgen auf den leeren Platz ihrer Mutter. Später bat sie: »Komm mit in den Garten, Oda, so du nichts Besonderes zu tun hast.«

Odalsinde nickte und wandte sich an ihren jüngsten Schwager: »Würdet Ihr, Lutold, wohl mein Schwesterlein auf einem Ritte begleiten? Ich möchte gerne, daß sie sich im Tal ein wenig umschaut.«

Ein froher Ausdruck flog über Lutolds Antlitz; bereitwillig erhob er sich, und als Elisabeth mit Odalsinde zum Burggarten hinabstieg, ritten die beiden jugendschönen Menschenkinder ins Wiesetal hinunter. Otto und Walter waren allein geblieben.

Mit finster zusammengezogenen Brauen schaute der erstere vor sich hin, indessen Walter, Ellos schwarzen Kopf mechanisch streichelnd, nachdenklich zum Fenster hinausblickte.

»Otto«, brach er plötzlich das Schweigen, »'s ist allerlei Kunde von dem Habsburger zu mir gedrungen, so mir nicht paßt. Balthasar hinterbrachte mir's.«

»Wer ist dieser Balthasar?« fragte Otto zerstreut.

»Heiliger Nepomuk«, sagte Waller erstaunt, »ich glaub wahrhaftig, du kennst den Mann nicht, den ich unserem Vogt als Gehilfen beigegeben hab'! Ihm nahm das Fieber als erstes Opfer vor etlichen Wochen die Braut – uns jetzt die Mutter –«

Er sprang auf und durchmaß mit schnellen Schritten das Gemach. Vor Otto stehenbleibend, legte er beide Hände auf seine Schultern: »Es nutzt nichts, Bruder, unser Grübeln hat keinen Wert! Das Leben beut in der Gegenwart gar große Schwierigkeiten, und es stellt Anforderungen an uns, denen wir nur begegnen können, wenn wir alle Kraft zusammennehmen.«

Otto nickte. »Du hast recht, ob's auch schwer ist! Was sagte Balthasar?«

»Der Habsburger soll in geheimer Verbindung mit dem Wartenberger stehen.«

»Was?« fuhr Otto auf.

»Balthasar begegnete gestern abend auf dem Wege von Schopfheim hierwärts einigen Reisigen«, berichtete Walter. »Sie hielten ihn an und fragten ihn aus, ob er von der Gegend sei und ihnen angeben könne, ob die Freudentage in Rötteln allbereits ein Ende hätten. Auf seine Frage, warum sie solches zu wissen begehrten, haben sie gelacht, und der eine sagte: »Dieweil wir dann den Wartenberger Herrn zu Hause treffen, zu dem uns unser Herr, der Habsburger Graf, gesandt hat.«

»Fürsichtige und gewitzigte Boten«, lächelte Otto.

Auch um Walters Lippen zuckte es. »Seine Rede trug ihm von seinem Gefährten etliche Püffe ein; rasch zogen sie weiter. Der Balthasar aber brachte mir solche Kunde heute früh.«

»Dem Wartenberger trau' der Teufel; er ist ein Fuchs«, sprach Otto unmutig.

»Ich will gen Basel und versuchen, dem Bischof die Augen zu öffnen«, entgegnete Walter. »Er hält sie beide mit Bedacht geschlossen, bloß, um die Mannen des Wolf zu haben. Wird ihm noch Kopfweh genug machen. Reitest du mit?«

»Ja«, erwiderte Otto gepreßt, »ich bin lieber draußen, denn daheim!«

*

Aus dem Tagebuch des Paters.

Am 27. Mai.

So ich noch kein Tagebuch begonnen hätte zu schreiben, täte ich es heute; – – ist mir doch, als ob mein Herz nimmermehr allein tragen könne, was es beweget! Und so es auch nur still weiß Papier ist, ich kann mich doch aussprechen.

's war im Winter, als sie mich herriefen als Burgpriester, anjetzo gehet der Wonnemond zur Neige, und doch, wieviel lieget für mich in dieser kurzen Spanne Zeit – –

Elisabeth! Du warest die erste, so mir begegnete, da ich in den Burghof einritt, und noch heute weiß ich, wie mein Herz erbebete beim Anblick deiner lichten Schönheit! Waldblume, – also benennen sie dich hier, – gäbe es einen passenderen Namen für dich? Wie eine Waldblume, von wonnigem Zauber umwoben, süß und rein, also bist du hier auf einsamer Höhe erblühet .... wert, einen Königspalast zu zieren, – und verschmähest nicht, ins Haus der Armen Licht und Freude zu bringen! Ist's da ein Wunder, daß ich mich wohlfühlte in deiner Nähe, – – daß ich sie suchte, wo ich konnte?

Pater Hieronymus, deiner Warnung vor schönen Frauenaugen dachte ich nimmer, und nun ich ihrer heut gedenke, ist es – zu spät!

Wie es begann, ich weiß es nicht, könnt' auch nimmer sagen, wann, – aber solches ist ja auch gleichgültig; genug, daß die Liebe zur Waldblume mein ganzes Herz erfüllet!

Und solches schreibe ich, ich, dem die Kutte den Leib umschließt, – der die Tonsur auf dem Haupte traget, – – der nur erfüllet sein soll von heiliger Gottesminne!

Oft rang ich in mancher bangen, dunklen Nacht um Klarheit und Licht, ob solch irdische Liebe mir Sünde sei, – – alsdann hätt' ich sie mit Gewalt von mir getrieben, selbst so es mein Leben gekostet hätte! Aber, o Dank dem Höchsten, sie ist mir keine Sünde; mir ist Licht darüber geworden! Kann ich doch ruhig ihrer in meinen Gebeten denken, ja, ist doch gerade dann meiner Seele am wohlsten, so ich alles Leid, allen Schmerz meinem Gott gesaget habe.

Wie bitter war der Kampf, da ich plötzlich sah, was Elisabeth mir sei. Wie schwer war's mir, den Versucher zurückzuweisen, da er mich locken wollte zurück ins weltliche Leben, um ihrer begehren zu können! Aber so ich auch wirklich Dispens bekäme und wieder weltlich würde, könnte alsdann Gottes Segen den Eidbrüchigen begleiten? – Nein, o nein, ich will treu und fest meinem Gelübde bleiben, – ich will, .... ahnest du, Elisabeth, was mich solch »ich will« kostet? ....

Wie oft treibet es mich, ihr meine große Liebe zu zeigen, sei es auch nur durch einen Blick! Ich bin bis anjetzo standhaft geblieben, blieb für sie der Priester, der freundlich und milde sprach, ohne sich zu verraten, – – werde ich es immer können?

Barmherziger, gib mir Kraft; ich bin doch auch nur ein schwacher Mensch!

 

Am 28.

Es war heut ein Regentag. Grau hingen die Wolken hernieder, grauer Nebel ruhte gleich einem dichten Flor auf den Bergen, und ein kalter Wind wehte.

Mir ist, als läge es auch gleich einem Nebelflor über Rötteln. Sonst, so solch ein Tag kam, saßen wir wohl beisammen unten in der Halle am Kamin, oder auch im Wohngemach der Schloßfrau. Traut und heimisch war's an solchen Abenden, und wenn der Wind heulte, so rückte man alsdann dichter zusammen. Da sprach man wohl von allerlei, von Vergangenheit und Zukunft, manch heiter Wort flog hin und her, aber auch manch ernst Ding wurde beraten, – sind doch die Zeiten ernst und schwer!

Wie ist das heut so ganz anders! Graf Otto ist mit Walter zusammen zum Homburger jenseits des Rheines geritten; sie kehren wohl erst morgen heim. Lutold blieb in der Halle nach dem Nachtmahl, er schlägt die Laute und singt mit halblauter Stimme ein Minnelied der Gräfin Ursula. Die junge Herrin Odalsinde wollte mit Elisabeth ins Wohngemach gehen, – da fühlte ich mich überflüssig und ging hinauf – – es bat mich auch niemand, zu bleiben. Sie, die sonst am Abend so gern uns alle um sich sah, sie ruhet seit zwei Wochen in der Erde. Ihr ist wohl! Sie ging gerne! Aber ihr Hingang hat eine schmerzliche Lücke gelassen.

Pater Hieronymus, was wirst du sagen, so du diese Todeskunde erfährst? Ich hab' es längst gemerkt, daß sich ein unsichtbar Band von unserem stillen Kloster zu dieser stolzen Burg ziehen mußte. Damals schon wollt' es mir verwunderlich erscheinen, da ich meinem ernsten Freund mitteilte, sie wollten mich nach Rötteln haben, und die Wirkung sah, so solche Kunde auf ihn machte. Noch mehr ahnte ich's, als ich mit der Verblichenen im Wohngemach vor dem Kamin saß und sie mir von der nahen Hochzeit ihres Sohnes sprach. Gewißheit wurde mir an ihrem Sterbelager, da sie mir den letzten Gruß auftrug. – Was mag's gewesen sein zwischen beiden? – Er ist auch einmal draußen in der Welt gewesen als Priester, solches war aber lang, lang bevor ich ins Kloster kam. Er sprach nie von jener Zeit, – da muß es gewesen sein. Also kennt er die Macht von Frauenaugen; er wird mich verstehen, wenn ich heimkehre und ihm alles sage.

Gleich nach der Hochzeit des Grafen Otto wollt' ich zum Grafen Walter gehn und ihm sagen, daß ich zurück möcht. Da kam der schnelle Tod der Herrin, und ich schwieg bisher. Ob mich hier nur einer vermissen wird, so ich gehe? Glaub's nimmer! Die Ritter haben alle Hände voll mit Rüstungen zu tun, und Elisabeth hat ihre Base und Schwägerin hier; sie braucht mich nicht! Hab' gehofft, ihr in dieser Zeit des öfteren etwas sagen zu dürfen aus dem wahren, echten Gotteswort, so mein Trost und Heil geworden, – es blieb beim Hoffen! Früher hab' ich es je und dann tun können, – ob es wohl in ihrem Herzen Wurzel geschlagen hat? Allmächtiger, du weißt es!

 

Am 30. Mai.

Ich bleibe; ich kehre nicht nach Einsiedeln zurück, zum wenigsten jetzt noch nicht. Ich war heut schon am Vormittag gen Sankt Chrischona zum Pater Antonius gegangen. Dem sagt' ich von meinem Vorhaben, doch verschwieg ich ihm den Grund. Ob er ihn dennoch gemerkt hat oder geahnt? Er sah mich lange schweigend und fragend an; dann sagte er langsam: »Geh, sobald du meinest, du seiest nicht notwendig oder es sei besser für dich. So du aber merkest, man braucht deiner, so vertraue dem Höchsten und bleibe.« Also Antonius. Am Nachmittag, die Sonne ging schon zur Rüste, kehrte ich heim. Das Nachtmahl ließ ich mir heraufbringen, später ging ich zur Halle hinunter, vermeinend, ich würde dort die Ritter finden und könnt' mein Anliegen vorbringen. Es war aber niemand da; so setzte ich mich in einen Stuhl und hing meinen Gedanken nach.

Nach kurzer Zeit ging leise die Tür – ich schrak zusammen, Elisabeth war eingetreten. Sie blieb stehen und schaute mich an. »Störte ich Euch, Herr Pater?« fragte sie; ich schüttelte den Kopf; da kam sie näher und setzte sich. Wieder traf mich ihr Blick, – es mochte sie wunderlich bedünken, daß ich so gar nichts sagte. Ich konnte aber nicht, hatte nur krampfhaft ein Stück der Kutte in meine Hand geschlossen.

Elisabeth war blaß; die lichten, klaren Augen schienen müde zu blicken, ein Hauch stiller Trauer lag über ihr. Endlich brach ich das Schweigen. »Ich hatte gehofft, Euren Bruder, Graf Walter, hier zu finden, Herrin; hätte gern über eine mir wichtige Sache mit ihm geredet.«

»Er ist gen Basel und kommt spät heim, Herr Pater«, antwortete sie mir. »Doch so Ihr mir vertrauen wollt, so könnt' ich es ihm heute noch vermelden; ich gedenke seiner zu warten.«

Da sagt' ich ohne Umschweif: »Ich möcht' heim gen Einsiedeln und wollt' solches mit ihm bereden.« Tat ich recht, es so ohne weiteres zu sagen? Fast wollt' es mich gereuen, da ich ihren entsetzten Blick sah.

Sie preßte die Hände zusammen und rief: »Pater Rubertus, fort wollt Ihr, fort von uns? O saget, was tat man Euch, daß Ihr solches begehret; fühlt Ihr Euch hier nicht mehr wohl, was ist's, daß Ihr fort wollt?«

Angstvoll hingen ihre Augen an mir, – und ich durft' ihr nicht die Wahrheit sagen! O der Bitterkeit, so man anders reden und sich benehmen muß, denn man fühlt und möchte!

Ich schwieg zuerst, dann sagt' ich leise: »Hab' gemeint, man brauche mich anjetzo nicht mehr so notwendig denn ehedem! Da Eure Frau Mutter entschlafen ist und die edlen Grafen gar so viel mit ihren Verwahrungen und Rüstungen zu tun haben, bleibet ihnen wenig Zeit, ihres Seelenheiles zu denken. Auch, Herrin, sehnete ich mich nach unseres Klosters stillem Frieden.«

Da legte sie die Hände ineinander und antwortete tieftraurig: »O Pater Rubertus, Euch nicht mehr so notwendig brauchen denn ehedem! Viel, viel notwendiger noch denn sonsten! Wie lange schon sehnete ich mich danach, mit Euch zu reden, es ist ja gar so traurig anjetzo hier oben, wie eine Wolke ruhet's ob Rötteln, so viel Herzeleid wohnet hier! Nun wollt auch Ihr noch fort, kann's Euch ja kaum verargen – – und doch – –«

Sie barg ihr Antlitz in den Händen und weinte. Ich schwieg zuerst, maßen ich fühlte, so ich jetzt reden würde, wär' es anders, denn ich durfte und sollte! Endlich aber hab' ich ihr gesaget, so auch nur einem mein Bleiben ein Segen wär' und ich solches wüßte, ich bliebe gewiß! Da ließ sie die Hände sinken, schaute mich mit den feuchten Augen an und bat: »O so bleibet und redet fürs erste nimmer vom Weggehen, ich bitt' Euch, Pater Rubertus!« Und ich versprach zu bleiben – –

Als ich mich endlich erhob, um zu gehen, dankte sie mir in innigen Worten und sagte: »Und Ihr redet nimmer vom Gehen, Pater Rubertus, nimmer? Ich darf Walter nichts bestellen?«

Da hab' ich ihre Hand ergriffen, ihr noch einmal gesagt, ich bleibe, – – hab's aber nicht ändern können, und ihr einen Kuß auf die Hand gedrückt, ehe ich ging.

Und ich weiß doch so genau, daß ich nimmer zum rechten Frieden kommen werde, solang' ich in ihrer Nähe bin!

Mein Gott, lehr' mich recht entsagen, lehr' mich, wie ich in dir volles Genüge finden kann.


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