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Elftes Kapitel

Auf waldumstandener Höhe des Wülpisberges, nicht weit von der heutigen Stadt Brugg entfernt, thronte die Habichts- oder Habsburg. Sie war nicht groß und machtvoll wie manche andere Burg, aber trotzig schaute sie ins Land hinein; fest und dick waren ihre Mauern, und manch harter Kopf hatte sich schon daran eingerannt.

Hier häufte Rudolf, der mächtige Graf, mit Anna Gertrud, seiner Gemahlin, einer geborenen Gräfin von Hohenberg aus Schwaben, und seinen lieblichen Töchtern. Von hier aus beherrschte er sein weites Besitztum, sah überall selbst nach dem Rechten, wehrte den Händeln der Raubritter, wo er konnte, und schaffte den Unterdrückten Recht. Das hinderte ihn aber durchaus nicht, selbst den gewaltsamen Krieg gegen Heinrich, den Bischof von Basel, zu führen, um die höchste Machtstellung zu gewinnen.

Er war vor einiger Zeit zu seinem Stammsitz heimgekehrt und leitete nun von hier aus vorsichtig und mit großer Überlegung die Fäden der Rüstungen zu dem bevorstehenden, erneuten Kampf mit Herrn Heinrich.

Im Rittersaale seiner Veste tagte heute eine große Versammlung. Die Träger bekannter und bedeutender Namen saßen um die Tafel beisammen, und ernst war die Beratung, die sie führten.

Obenan, auf dem Ehrenplatz, saß Rudolf selbst. Er war eine große, schlanke Erscheinung, die aber von sehniger Kraft sprach. Sein Antlitz war blaß, seine Züge immer, so auch heute, tiefernst. Über der stark gebogenen Adlernase saßen ein paar Augen, aus denen eiserne Willenskraft sprach.

Ihm zur Seite hatte Berthold, der Abt von Sankt Gallen, seinen Platz, und an diese beiden schlossen sich in bunter Reihe die Grafen von Fürstenberg, Neuenburg, Badenweiler, die edlen Herren aus Schwyz, von der Insel Schwanau im Lowerzer See, aus Uri und Unterwalden und Walter von Klingen, einer von Rudolfs Getreuesten. Auch etliche der Ritter vom Stern waren da, die Edlen von Eptingen, Vitztum, von Neustein, von Ufheim, Kraff, und gerade dem Habsburger Grafen gegenüber saß der finstere Herr von Matzerell.

Vor jedem der Herren stand ein großer Humpen, und es war eine lebhafte Unterhaltung im Gange, bis endlich der Graf von Habsburg den Becher, aus dem er eben getrunken hatte, hart auf den Tisch setzte und mit tiefer Stimme, die durch den ganzen Saal drang, also begann: »Ihr wisset, hochedle Herren, liebe Freunde und gute Nachbarn, daß ich euch herlud, dieweil allerlei Wichtiges zu sagen und zu beraten sei. Die Zeit des Waffenstillstandes ist bald dahin; da gibt es noch viel zu rüsten, auch zu bedenken. Ich vermeinte, es sei am besten, so jeder von euch vorher wisse, wo er einzusetzen und anzugreifen habe, maßen alsdann jeder seine Rüstungen besser vorbereiten kann.«

»Ihr habt recht, Habsburger Graf«, antwortete Herr von Matzerell. »Nur bitt' ich Euch um eines, schließt von allen Euren andern Plänen uns, die Ritter vom Stern, aus, und führet uns nur gegen eine Stadt, gegen Basel selbsten. Dort wollen wir alsdann beweisen, daß man nicht so ohne weiteres edle Herren hinausweisen kann, und uns gelüftet, mit dem Herrn Bischof ein Wörtlein zu reden, bei dem ihm die Ohren klingen sollen.«

Ein flüchtig Lächeln glitt über das ernste Antlitz des Grafen, und er sprach: »Dafür ist gesorget. Doch fürs erste fehlet heute, wie ihr sehet, ein gar mächtiger Herr, dessen Hilfe mir wert gewesen wäre und die uns verloren ist, das ist der Wolf von Wartenberg.«

»Der Wolf, ja, wo ist er?« riefen mehrere Stimmen durcheinander, »wir vermißten ihn schon!«

»Er ist bischöflich geworden«, fuhr Rudolf fort, »und solches um den Preis der Hand der Gräfin Elisabeth von Rötteln.«

»Nun, schlecht ist sein Geschmack nicht«, lachte der Herr von Kraff.

Etliche aber fuhren zornig in die Höhe: »Das soll ihm mit dem Schwert heimgezahlt werden.«

»Ruhig Blut, ihr Herren«, mahnte der Abt von Sankt Gallen, »mit Zorn ist hier nichts ausgerichtet. Wir brauchen Taten, nicht Worte; hier gilt's zu handeln, so die Zeit da ist, nicht vorher das Schwert ziehen, dieweil es sonst, so man es braucht, aus der Scheide schon fort ist.«

»Herr Abt, Ihr werdet grob«, erhitzte sich der Herr von Ramstein. »Ihr vergesset, daß Ihr nicht Euresgleichen vor Euch sehet, da möchte man von viel Worten und wenig Taten reden, denn –«

»Genug der Zänkereien«, fuhr Graf Rudolf heftig dazwischen. »So ihr, die ihr Bundesgenossen seid, euch in Zank und Streit verrennt, was soll aus der gemeinsamen Sache werden? Höret jetzt, was ich euch allen kundzutun habe. Die Ritter vom Stern bleiben in meiner Nähe und gehen mit meinen Mannen; ich greife zuerst die Burg Tüfenstein an, die der Bischof sich durch Tauschhandel erworben. So wir ihrer habhaft geworden sind und sie geschleift haben, ziehen wir gen Säckingen, allwo wir Hauptlager beziehen. Wann wir gegen Basel ziehen, muß die Zeit lehren; auch haben wir vorher die Burg Werra im Werratal, die der Bischof neu hat erbauen lassen, zu nehmen. In dem Bärenfelser Herrn hat sie gar gute, freundnachbarliche Hilfe, dorthin braucht's Kräfte! Die Hauptmacht aber gilt Rötteln; da gehe ich selbst hin. Und Ihr, Herr von Ufheim, ziehet, so nichts anderes kommt, gegen den Wartenberg.«

»Und will dem Wartenberger heimzahlen, daß er uns um eines Weibes willen im Stich ließ«, rief der Ufheimer Herr.

Rudolf von Habsburg lächelte ein wenig und sagte: »Schaden könnt's nimmer, so ihm ein wenig die Krallen beschnitten würden!«

Der Abt von Sankt Gallen erhob sich, gebot den Knappen, alle Pokale zu füllen, nahm den seinen zur Hand und rief: »Nun, ihr Herren, Nagelprobe auf ein gut Gelingen unserer Pläne und siegreiche Beendigung des Krieges.«

»Recht so, Abt Berthold, auf den Sieg, und unser Führer, der Habsburger Graf, soll leben«, schrien alle durcheinander, – dann wurde es still, – und da sich die edlen Herren setzten, fand sich kein Tropfen des Trankes mehr in den Bechern, also daß die Knappen sich zu eilen hatten, sie neu zu füllen.

Bis spät in die Nacht hinein ging das Gelage; dann zogen noch zur Nachtzeit etliche der Herren von dannen, andere blieben bis zum Morgen; aber alle gingen mit erneuter Hingabe für ihren Führer.

*

Es war einige Wochen später.

Der Sommer war mit seiner Pracht ins Land gezogen; im Burggarten zu Rötteln dufteten die Rosen in herrlicher Fülle; auf dichtbelaubten Bäumen reifte die Kirsche, und der Wein im Weinberg neben dem Garten hatte große Trauben angesetzt.

Es war um die Abendzeit. Ein köstlicher Julitag ging seinem Ende entgegen; vom Schwarzwald kam ein erfrischender Wind. Auf einer Bank saßen Odalsinde und Elisabeth schweigend beieinander und schauten in den sinkenden Abend. In einem Seitengang wandelten Lutold und Ursula auf und nieder in lebhaftem Geplauder; Walter war in den Zwinger hinabgegangen, angeblich, um Befehle für den nächsten Tag zu geben, in Wirklichkeit aber, um mit Wilbold die Fertigstellung des unterirdischen Ganges zu besprechen, und Otto war nach Basel geritten.

Daran dachte Elisabeth, und tiefe Trauer überkam sie darüber, daß diese beiden Menschen, Otto, ihr Bruder, und Odalsinde, seine Gemahlin, sich so wenig verstanden. Das war allein der Grund, daß Otto so oft fort war, sie wußte es nur zu gut. Seit der Hochzeit war eine gewisse Ruhelosigkeit über ihn gekommen; finstere Falten begannen sich in sein Gesicht zu graben, – und Elisabeth hatte schon manchmal bittere Tränen darüber vergossen.

Und doch hätten diese beiden Menschen so gut zueinander passen können! Beide aus edlem Geschlecht, beide mit einem warmen, tiefen Gemüt begabt. Wie tief es bei Oda war, das wußte ja keiner besser wie Elisabeth, die es bei dem Tode der Mutter und in der nachfolgenden schweren Zeit reichlich erfahren hatte. War's nicht möglich, daß es doch noch einmal zwischen diesen beiden anders werden konnte?

Ich will es in Gottes Hände legen, dachte sie und faltete unwillkürlich die ihren; was er in seinen Händen hat, wird gut auf jeden Fall.

Welche Art Gedanken aber mochten Odalsinde bewegt haben? Sie mußten wohl ziemlich den gleichen Weg gegangen sein, denn ein bitterer Zug lag um ihren Mund, als sie jetzt das Antlitz Elisabeth zuwandte. Sie nahm ihre Hand und sagte: »Wie beklage ich es, daß du, gerade du, zu solch einem liebeleeren und kalten Leben dich hast entschließen können, Elisabeth, die du so ganz dazu angetan bist, zu beglücken und beglückt zu werden. Würdest du es kennen, wie ich es kennengelernt habe, keine Macht der Erde würde dich dazu bringen können, des bin ich sicher.«

»Just eben dachte ich deines traurigen Lebens, Oda – meiner dachte ich allerdings nicht dabei –, und mir fielen Worte ein, so mir unser Pater gesagt, da ich ihm einmal meine bangen Sorgen über eure Heirat sagte. Er sprach: ›Leget es in Gottes Hände; was er in seinen Händen hat, wird gut auf jeden Fall.‹ Das Wort hat mich schon oft getröstet. Oda, ich bin gewiß, es wird noch einmal anders werden.«

»Ja, anders, aber nur noch kälter«, sprach die Burgherrin düster, »wo keine Liebe ist, kann keine erzwungen werden.«

»Das ist wohl richtig«, entgegnete traurig Elisabeth, »aber du könntest den Höchsten anflehen, die Abneigung gegen deinen Gemahl dir zu nehmen; du könntest deine Augen mehr für seine guten Eigenschaften öffnen, und also würde es dir vielleicht gelingen, ihn weniger zu hassen.«

»Ich ihn hassen«, rief die schöne Frau mit hervorbrechender Leidenschaft und schlug die Hände vor das Gesicht, »o wenn ich es könnte, – – ich wollt's mit jedem Atemzug tun!«

»Oda, – – dann – dann liebst du deinen Gemahl«, sprach Elisabeth, fast bebend vor Überraschung.

»Sprich's nicht aus«, bat Oda hastig und lehnte das erglühende Antlitz an Elisabeths Schulter.

»Und doch ist's so«, sprach diese, und ein glückliches Lächeln verklärte ihr zartes Gesicht. »Oda, Oda, nun weiß ich gewiß, es wird alles gut! Er muß es ja erfahren, und wie könnte er anders, als dich in deiner strahlenden Schönheit wieder lieben, und dann – o dann wird doch noch wieder das Glück auf Rötteln einziehen.«

»Elisabeth, er darf es nicht erfahren, hörst du, er darf nicht«, rief Oda in höchster Erregung und preßte die schlanken Hände ineinander, »so ich wüßte, du verrietest mich mit einer Silbe, ich bliebe nicht eine Stunde länger hier oben! Er soll mich lieben lernen, ohne zu wissen, daß ihm mein Herz gehöret, – und so er es nicht lernet, will ich mein Leben lang kalt neben ihm hergehen.«

»Sei ruhig, du stolzes Herz«, antwortete die junge Gräfin liebevoll, »von mir soll er's denn nimmer erfahren. Aber Oda, versprich mir, eines zu tun, leg' deine Liebe und dein Leben in die Hände unseres hochgelobten Erlösers und bitte ihn, es gut zu machen.«

Die junge Burgherrin erwiderte nichts; aber ihr inniger Händedruck antwortete Elisabeth deutlich genug.

Es war kurz nach Mitternacht, als Oda im Wohngemach ihres Hauses, am Fenster sitzend, durch die Stille der Nacht Hufschlag unten im Tal hörte. Nicht lange nachher vernahm sie einen raschen Schritt auf dem Hof, an dem sie ihren Gemahl erkannte. Sie hörte ihn hinaufkommen, auch, wie sein Schritt zögernd wurde, als er sich dem Wohngemach näherte, in dem er den Lichtschein bemerkt haben mußte, – da öffnete sie kurz entschlossen die Tür und stand dem erstaunten Grafen gegenüber.

Sie hatte nach dem Gespräch mit Elisabeth gar wohl gefühlt, daß sie oft hätte anders handeln müssen, sie wußte gar wohl, daß sie mit ihrer Kälte ihn oft tief verletzt hatte. Nun drängte es sie, ihm heute noch freundlich zu begegnen.

»Odalsinde, ist etwas geschehen?« fragte er halb erstaunt, doch mehr erschreckt.

»Nein«, sprach sie, fast verlegen, »ich vermeinte nur, nach dem Abendritt an diesem heißen Tage würde Euch ein Labetrunk willkommen sein, und bereitete einen solchen. Wollt Ihr eintreten?«

Sie wies nach dem Tisch, auf dem ein Krug Wein und ein Becher stand.

Otto war zu erstaunt, um sogleich Worte zu finden; aber er trat ein und nahm am Tisch Platz. Eine Kerze erhellte notdürftig das behagliche Gemach; so sah er nicht die tiefe Röte, die Odalsindes Wangen färbte, während sie schweigend den Becher füllte und ihm darbot.

»Wollt Ihr ihn mir kredenzen?« fragte er hastig.

Sie trank ein wenig, und er nahm den Becher und leerte ihn mit einem Zuge. »Das tat gut«, sprach er und strich sich mit der Hand durch das volle Haar. »Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit, Odalsinde; der Ritt war ermüdend –«

»Mußtet Ihr ihn heute abend noch unternehmen?« fragte sie teilnehmend.

»Ich mußte nicht, nein«, entgegnete er, und seine Stirn zog sich zusammen, »ich wollte nur. – Waret Ihr im Garten?«

»Ja«, sagte sie, »und der Abend war so schön hier.«

»Ich wollt' ihn Euch nicht verkümmern, darum ritt ich«, sprach er schnell.

Odalsinde zuckte unmerklich zusammen, – – da war schon wieder die gefürchtete Kälte. »Solches fürchtete ich fast zu hören«, erwiderte sie beinahe herbe; »es ist bitter für mich, zu wissen, daß Euch meine Gegenwart so oft hinwegtreibt.«

»Odalsinde, nein, so war es nicht gemeint«, rief er, »ich hoffte, daß Ihr Euch des schönen Abends ergötzen würdet, und wollt' Euch nicht durch meine Gegenwart an Eure – –« wieder erschien die finstere Falte – »an die Fesseln erinnern.«

Sie schüttelte den Kopf und schwieg. Er sah ihr abgewandtes Gesicht, und er bereute, unfreundlich gewesen zu sein, da sie ihm so freundlich heute begegnet war. Er stand rasch auf und trat vor sie hin.

»Odalsinde, wär's Euch lieb, so ich weniger ritte? Wär's Euch lieb, so ich jeweilen bei Euch im Garten wäre oder hier im Wohngemach?«

Er sah nicht das Zucken um ihre Lippen; aber er mußte doch wohl ein leises Beben aus ihrer Stimme herausgemerkt haben, als sie stockend antwortete: »Mir – ich – – ich hätt' es wohl gern, aber Ihr müßtet Euch nur dazu zwingen – –«

»Nein, so Ihr freundlich seid, gleich heute, würd' ich mich nicht zwingen müssen; da wär' es mir eine Freude, jeweilen in Eurer Gesellschaft eine Stunde zu verleben, so Ihr es verstattet.«

Er ergriff ihre lose herabhängende Hand und wartete auf Antwort; aber sie schwieg.

»Darf ich zuweilen Euch Gesellschaft leisten?« fragte er, sich herabbeugend.

»Ja«, entgegnete sie, das schöne Antlitz zu ihm emporhebend und ihn frei anschauend, »kommt.«

»Habt Dank! Dank auch für diese halbe Stunde! Nun ruhet Euch; gute Nacht, Odalsinde.« Rasch schritt er hinaus.

Sie saß noch lange mit verschlungenen Händen, den Kopf darauf gebeugt, und ihre Seele schlug den Weg ein, den ihr Elisabeth gezeigt hatte, sie redete mit dem, der allen seinen Menschenkindern einen offenen Zugang zum Vaterherzen Gottes gebracht hatte.

Otto aber fand nicht die Ruhe, auf die er nach dem Ritt gehofft; er dachte der plötzlichen Änderung im Wesen seiner Gemahlin. Er hatte die Hoffnung längst aufgegeben, eine Verständigung herbeizuführen; nach dem heutigen Abend regte sie sich wieder, – – die Zukunft erschien ihm plötzlich nicht mehr so trostlos dunkel.

*

Aus dem Tagebuch des Paters.

Burg Rötteln, am 25. Juli.

Heute unternahm ich gleich nach dem Mittagsmahl einen Weg nach dem Chrischonaberge zu Antonius. Da ich aus dem Hause trat, sah ich Elisabeth auf der niederen Mauer sitzen, die Hände lässig gefaltet, mit weltfernem Blick. Wie weh tat mein Herz bei ihrem Anblick, wie zart und bleich ist meine Waldblume geworden! Aber ein Ausdruck stillen Friedens lag auf den reinen Zügen. Mochte sie merken, daß sie angeschaut wurde? Sie wandte den Kopf zu mir; da trat ich zu ihr und fragte sie, ob sie eine Botschaft für Antonius hätte.

»Keine«, sagte sie. »Erzählet ihm von meiner Verlobung, und so er fragt, ob ich glücklich sei, so saget ihm, ja, in Gott, und solches hätte ich durch Pater Rubertus gelernet!« Dann fügte sie noch hinzu: »Wie gern käm' ich mit Euch, wißt Ihr noch, wie einst?«

Elisabeth, das war kein gut Erinnern! Mich überkam's mit zwingender Gewalt; ich preßte ihre Hand an mein Gesicht und stürzte davon! Ob ich mich verriet – ich weiß nicht; ich bin auch nur ein Mensch!

Antonius schaute mich seltsam an, da ich ihm von Elisabeths Verlobung alles gesagt, auch ihre Botschaft ausgerichtet hatte. Er nickte ein paarmal, alsdann nahm er meine Hand und sagte langsam: »Mich will bedünken – es sei recht, daß es also kam. Der Allmächtige hält seine Augen offen über seinen Kindern Tag und Nacht, und Elisabeth ist sein Kind. So aber dieses nicht geschehen wäre, hättest du von Rötteln gehen müssen, Rubertus, – – weißt du das?«

Eine glühende Röte stieg in meinem Gesicht auf; ich entgegnete leise: »Ich wollt' auch gehen, damals schon, als Gräfin Edelgundis das Zeitliche segnete. Elisabeth selbsten bat mich zu bleiben, da sie des Zuspruchs nimmer entraten könne, – – und ich blieb. Nunmehr, da sie sich versprochen, mag sie wohl geglaubet haben, ich wolle gehen. Ist auch solches mein Vornehmen gewesen, doch hatte ich noch nicht darüber geredet. Nun hat sie aufs neue gebeten, ich solle bleiben – – – und ihren Ehebund einsegnen.«

»Wirst du solches können?« fragte Antonius zweifelnd.

»Ich hoffe«, sprach ich düster, »oder besser: ich muß, so ich mich nicht verraten will.«

Der Alte schüttelte nachdenklich das ehrwürdige Haupt.

»Es tut doch nimmer gut«, sagte er, »so ein Mönchlein der Mauern entledigt und in die Welt gesandt wird, zumal dann, wenn sein Weg ihn nicht zum Volk, sondern gleich in Schlösser führet. Dort ist der Boden glatt, und so alsdann einem unberührten Herzen ein Wesen begegnet gleich einer Waldblume, ist's nimmer zu verwundern, so das menschliche Herz sein Recht verlanget. Euer Abt in Einsiedeln hätt' sich dreimal besinnen sollen, ehe denn er dich fortließ. Doch der Allmächtige hilft dir hindurch, sintemalen du, mein Bruder, eine aufrichtige Seele bist.«

Ich konnt' ihm nur fest die Hand drücken und sagte nichts.

Wir schwiegen lange; endlich fragte Antonius: »Wie kam's, daß du geistlich wurdest? Erzähle mir's; doch so es dir leidvolle Erinnerungen weckt, so schweige.«

»Leidvolle Erinnerungen? Nein«, sprach ich sinnend. Zwar sind mir in letzter Zeit des öfteren die Gedanken gekommen, wie's doch vielleicht so anders gewesen wär', wenn mein Vater mich hätte den Ritterstand erwählen lassen. Aber alsbald hab' ich mir gesagt, daß ich dann nimmer der geistlichen Segnungen teilhaftig geworden wäre, nimmer das Heil in Christo erkannt hätte. Solches ist aber doch tausendmal besser, denn als Ritter große Taten tun – – oder sich ein irdisch Glück zu erringen!

Diese Gedanken sprach ich auch zu Antonio aus und erzählte ihm alsdann meine Geschichte. Dabei kam doch ein Weh über mich, daß mit mir mein Geschlecht ausstirbt und verlöscht, aber Antonius sprach: »Desto heller leuchtet es in der Ewigkeit und ist dort unvergessen, Rubertus!« Noch lange sprach er, gleich einem Vater, mild und weich mir zu; alsdann ging ich heim zur Burg, geleitet von seinem Segen.

O mein Gott, wären nur erst die nächsten Wochen dahin! Aber ich will stark sein und still!

 

Am 26.

Gestern am Abend saßen wir alle im Burggärtlein beisammen. Die Herren waren in Basel gewesen zu einer Unterredung mit dem Bischof; jetzt teilten sie uns einiges davon mit. Wohl nur noch kurze Zeit, und Graf Lutold ziehet gen Werra. Die beiden anderen Grafen halten Rötteln, Herr Hugh von Marschalke, der Bürgermeister von Basel, übernimmt die Verteidigung der Stadt, indes sein Sohn mit Lutold zieht.

Nachher sprachen wir von allerlei anderem; nur eines blieb unberührt, Elisabeths Fortgang von Rötteln.

Da wir in der zehnten Stunde einander gute Nacht wünschten, geschah etwas, so mich halb rührte, halb freute. Ich stand gegen Walter gewendet und merkte, wie ihm Gräfin Ursula die Hand schüchtern hinstreckte und leise sagte: »Gute Nacht.«

Walter hielt die schlanken Finger in seiner großen Hand fest und fragte leise: »Wolltet Ihr mir nicht einmal sagen: Gute Nacht, Walter?«

Einen Moment schwieg sie; dann hörte ich sie flüstern: »Gute Nacht, Walter.«

»Gute Nacht, Ursula!« erwiderte er; aber seine Stimme klang anders denn sonst – mild und weich ...

Walter! Walter!

Heute früh war Elisabeth bei Antonius. Gieselbert, der Knappe, mußte sie begleiten, – – wie gern hätte ich es getan ... aber nein, es ist besser so! Bleich war sie, da sie wiederkam, und sah mich zuweilen traurig an; ob Antonius ihr meine Geschichte erzählt hat? Mag sein, doch ist es schließlich auch gleich!


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