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In Säckingen, der kleinen Stadt am Rhein, ging es sehr lustig zu. Zwar lag viel Kriegsvolk in der Stadt und außen herum; aber die Einwohner standen zu dem Habsburger Grafen und waren dieserhalb seine Söldner und Mannen gut Freund mit ihnen.
Zuerst, als der Graf mit seinem Heer erschienen war, hatten die Leute bange Sorge getragen, ob er nicht trotz aller Freundschaft ein harter Kriegsherr sein werde; – – dazumalen gab's in der Kirche des heiligen Fridolin so viel Andächtige und Bittende, daß sie kaum Platz für alle bot; sie war stets überfüllt, und gar viele Gelübde wurden dem heiligen Fridolin getan, dessen Reste in dem großen Sarg in der Kirche ruhten.
Der liebe Heilige hatte bis anhero stets der Stadt Bestes gewollt und den Einwohnern viel Gutes getan; so stand zu hoffen, daß er auch fernerhin treulich seines Amtes als Schutzpatron walten würde.
Hätte er alle dicken Wachskerzen bekommen, so ihm allein von der Minderzahl der Beter gelobt worden waren, – seine Kirche hätte Vorrat auf mehr denn fünfzig Jahre gehabt! – ohne all der anderen Gelöbnisse zu denken, als da sind heilige Geräte, Meßgewänder, Decken und anderes mehr, so die Vielbegüterten der Stadt getan hatten. Als der Graf von Habsburg aber wirklich da war und sich gar nicht als rauher Kriegsherr und Oberster der Stadt, vielmehr als ihr Beschützer und Freund erzeigte, da waren die Kerzen mitsamt allem anderen vergessen, – die Einwohner lebten in Saus und Braus mit den Rittern und ihren Mannen.
In den Sälen der Reichen schmausten die Grafen und Herren und liebäugelten mit den Frauen und Jungfrauen auf feinere und gröbere Weise, ... in den Räumen der Dienerschaft saßen die Knechte und Mannen und taten's den Herren nach und war ein toll und lustig Leben in der Stadt.
So ging's etliche Zeit, bis eines Tages das Gerücht die Stadt durchlief, der heilige Fridolin hätte stark in seinem Sarge geklopft und damit seinen Unwillen über die Bewohner kundgetan. Darob lachten die einen, die anderen schüttelten die Köpfe und meinten, »'s wird eine Ratte gewesen sein, so hinter dem Sarg zu Boden fiel und gepoltert hat«, – noch andere beschwichtigten ihr aufgeschrecktes Gewissen und gelobten eine neue Wachskerze, wenn die erste, die sie noch stiften wollten, abgebrannt sein würde, ... und alles blieb beim alten.
Ja, es wurde sogar noch schlimmer, so berichtet die Chronik der Stadt Kolmar aus jener Zeit. Nach und nach fanden die Bewohner der Stadt Gefallen an den Streifzügen der Ritter in die Umgegend; sie taten mit, zuerst nur vereinzelt, dann ihrer mehr, endlich begleiteten sie jedesmal die Herren und machten reiche Beutezüge auf Kosten der armen Landbewohner.
Darob erneutes starkes Pochen des heiligen Fridolin in seinem Sarge. Diesmal horchten nur noch wenige auf, als man davon erzählte, und die Warnung schlug an taube Ohren.
So war der Sommer dieses Jahres herangekommen.
Der Graf saß fest in Säckingen, nachdem er von Rötteln gekommen war. Er schmiedete Pläne, – seine Ritter raubten, die Einwohner halfen, – so verging allen die Zeit.
Da sprach Rudolf eines Tages: »Genug der Müßiggängerei; ich will euch Arbeit geben. Jene Brücke dort«, – er wies auf eine steinerne, die unweit der Stadt über den Rhein führt, »brecht ab, sie ist mir hinderlich.«
»Herr, warum«, fragte einer der Umstehenden, »sie ist gut und fest, auch besonders der Stadt wert, dieweil der heilige Fridolin sie, da er hier lebte, selbsten erbaut hat.«
»Solches hat hierbei nichts zu sagen«, entgegnete Rudolf kurz.
Da wurde die Brücke abgebrochen. Kurz vorher klopfte der heilige Fridolin noch einmal, noch stärker als vorher, – diesmal ganz vergeblich. Niemand achtete mehr darauf.
Das war Ende Juli geschehen.
Am 10. August 1272, wenige Tage vor Rudolfs beabsichtigtem neuen Aufbruch gegen Rötteln, schlug in der Vormittagstunde plötzlich eine helle Flamme aus einem Hause empor. Das Feuer fand gute Nahrung; die Sommerhitze hatte alles ausgedörrt, rasch griff es um sich. Bald standen etliche Häuser in Brand ... schreiend und ratlos liefen ihre Bewohner umher ... manche konnten nur das Notwendigste retten, andere nichts. Alles wurde aufgeboten, dem wütenden Element Einhalt zu tun, ... Knappen und Knechte, Ritter und Mannen waren tätig, umsonst, es fraß immer weiter.
Mit verhängten Zügeln sprengte ein Eilbote nach Badenweiler, wohin Rudolf von Habsburg mit einer kleinen Schar geritten war, um dort mit dem Grafen von Badenweiler zu beraten. Der Bote sollte ihm Kunde bringen von dem Unglück und ihn zurückrufen, da jede Hilfe nötig war.
Einem Flammenmeer war die Stadt gleich, und wie eine schwarze Wolke lag der Rauch über ihr. Von Basel aus hatte man den Rauch aufsteigen sehen. In Haufen standen die Leute und fragten und schauten, da kam um die Mittagszeit die Kunde: Säckingen brennt!
Im Augenblick war auch des Bischofs Plan fertig. »Zu Pferde und hinaus«, tönte der Befehl, – und noch war keine Stunde verflossen seit dem Eintreffen der Kunde, da war er an der Spitze einer erlesenen Schar auf dem Weg nach der Stadt.
Betäubend wie ein Donnerschlag wirkte die Nachricht »der Bischof kommt« auf die verstörten Einwohner. Eilig versuchte der Graf von Krick, ein Befehlshaber Rudolfs, Leute zu sammeln, – da war Heinrich auch schon heran und stürzte sich mit seiner Schar auf ihn.
Ein blutig Ringen begann; aber die Verwirrung durch den plötzlichen Überfall und durch das immer wütender um sich greifende Feuer war zu groß. Auch glaubten sie, des Bischofs ganze Heermacht aus Basel sei angerückt, – sie selbst aber waren nicht gesammelt zum Streit, zum größten Teil auch nur wenig bewaffnet, – da wichen des Grafen Mannen.
Die Bischöflichen jagten ihnen nach, kehrten aber auf Befehl ihres Herrn, der selbst der Anführer war, um und wurden nun auch mit leichter Mühe des Ortes Herr. Sie rissen die steinernen Mauern ein, zerstörten die noch stehenden Häuser und raubten und plünderten nach Herzenslust. Was noch in der allgemeinen Verwirrung daran dachte, sich ihnen entgegenzustellen, wurde niedergemacht, und so verlor der Graf von Habsburg an diesem Tag viele gute Kräfte.
Mit Beute reich beladen, machten sich die Bischöflichen auf den Heimweg. Als sie fort waren, traf Rudolf auf dem Kampfplatz ein. Er knirschte vor Wut, als er übersah, daß nur ein kleiner Teil Bischöflicher seine Mannen in die Flucht geschlagen hatte. Aber an eine Verfolgung war nicht zu denken, – und so kam Herr Heinrich mit seiner Schar am Abend jubelnd nach Basel zurück.
Blutigrot war die ganze Nacht hindurch der Himmel über Säckingen. Am Abend dieses zweiten Tages war die liebliche Stadt ein Schutt- und Aschehaufen, unter dem es noch tagelang weiter glühte. Rudolf von Habsburg stand am anderen Ufer des Rheins. Düster blickte er bald auf den Trümmerhaufen, bald nach den Bergen jenseits des Rheins, wo ein Teil seiner Leute beschäftigt war, die gestern im Kampf Gefallenen zu bestatten.
Die Kirche allein war stehengeblieben und vier Häuser neben ihr. Wie durch ein Wunder war sie erhalten inmitten der schrecklichen Feuersbrunst. Wie das Feuer entstanden, vermochte niemand zu sagen. Einige wollten behaupten, es hätte ruchlose Bubenhand angelegt, die Kolmarer Chronik nennt es »ein Strafgericht Gottes über die Stadt, da die Zügellosigkeit der Einwohner gar zu groß geworden«.
Aber »ein Unglück kommt selten allein«, das mußte Rudolf von Habsburg reichlich in diesen Tagen erfahren.
Alle seinen Mannen hatten Befehl erhalten, den Leuten der Stadt beizustehen, die Trümmer und Schutthaufen zu beseitigen, Holzbaracken zu errichten und auf jede Weise das Elend zu verringern zu helfen. Da regten sich tausend fleißige Hände, mit Lust und Eifer war jeder bei der Arbeit.
Zehn Tage nach der Feuersbrunst saß Rudolf in seinem Zelt und hatte einen Plan vor sich, nach dessen Umrissen die Stadt neu erbaut werden sollte. Er war ganz darin vertieft, als sein Knappe den Sohn seines Verwalters der Burg Ottmarsheim hereinführte. Der Jüngling bat um Entsatz, da die Neuenburger die Burg seit Wochen belagerten und allbereits der Hunger dort eingekehrt sei.
»Pfeift der Wind aus dem Loch«, fuhr Rudolf auf, ließ einen Teil seiner Leute satteln und gen Ottmarsheim jagen. Aber da sie am Spätnachmittag ankamen, fanden sie von der Burg nur noch rauchgeschwärzte Mauern und hatten nichts zu tun als die Gefallenen zu bestatten.
Am nächsten Tage wurde ein Mann zu Rudolf gebracht, den die Neuenburger bei der Erstürmung der Burg gefangen hatten. Er war genau so verstümmelt, wie Rudolf die Gefangenen von Neuenburg einst verstümmelt hatte, und berichtete, daß die Neuenburger dem Grafen sagen ließen, daß, so er diese Kunde erhielt, seine Burg Froschbach, nahe Bangenheim, auch gewesen wäre!
Schäumend vor Wut jagte Rudolf selbst mit mehreren hundert Mann hin; – aber da sie ankamen, war vom Feind nichts mehr zu sehen, – sie konnten ebenfalls nur die Gefallenen bestatten; Froschbach selbst war ein Trümmerhaufen.
Da tat Rudolf einen fürchterlichen Schwur, sich blutig am Bischof von Basel, dem Helfershelfer der Städte, zu rächen. Er schwur, heimzuzahlen, was an seinen Burgen zerstört worden war, und aus den bisherigen Streitereien blutigen Ernst zu machen.
Hatte er aber gemeint, den Bischof zu überraschen, so war er im Irrtum gewesen. Der Bischof empfing ihn wohlgerüstet. Am Abend des 24. August jedoch gelang es Rudolf, in die Vorstadt zum heiligen Kreuz einzufallen; sie lag außerhalb der hohen Stadtmauer, und die äußerste Ringmauer war noch nicht gezogen. Die habsburgischen Söldner durchstreiften raubend, mordend und plündernd die Straßen, und als sie abzogen, war die Vorstadt zum Kreuz ein wogendes Flammenmeer. Der rote Schein verbreitete sich weithin am Himmel und mischte sich mit den bleichen, ersten Morgenstrahlen.
Am 25. August des Abends war die Kreuzvorstadt ein glühender Trümmerhaufen, unter dem es noch immer weiterbrannte, und ab und zu schlug lodernd eine Flamme hoch empor. Der Graf von Habsburg aber hatte sich zurückgezogen.