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Im Frühjahr des Jahres 1273 geschah etwas, was die Augen der beiden feindlichen Gegner für kurze Zeit voneinander und auf einen dritten Punkt richtete, den Wartenberg nämlich. Dort saß der Wolf hinter seinen Mauern, feind dem Bischof, und dem Habsburger nichts Gutes gönnend. Er unternahm auf eigene Hand Streifzüge bald da, bald dort, machte Beute von den Landleuten, beunruhigte sie bald mehr denn die Kriegsleute, und wenn sich Reisende gar allein trotz der gefährlichen Zeit auf dem Wege befanden und dieser sie just beim Wartenberg vorbeiführte, so konnten sie darauf rechnen, den Mannen des Grafen zu begegnen, die ihnen abnahmen, was sie bei sich führten. Setzte sich mal einer zur Wehr, so verschwand er für immer – – die Burgverliese des Schlosses hörten manchen Seufzer aushauchen.
So hatte er es eine geraume Zeit getrieben. Jetzt, Anfang Mai, war er soweit gegangen, bis dicht an das bischöfliche Lager unter Herrn von der Homburg zu streichen und dessen Leute zu belästigen. Der sandte diese Kunde an den Bischof und ließ ihm sagen: »Dem Wartenberg muß das Handwerk gelegt werden, maßen seine Frechheit zu groß wird. Mit etlichen handfesten Mannen ziehe ich gegen ihn.«
Otto von Rötteln war gerade zu Besuch im bischöflichen Palast, als diese Botschaft eintraf. »Da zieh' ich mit«, rief er mit donnernder Stimme, »nun ist die Gelegenheit gekommen, heimzuzahlen. Jetzo, mein Wölflein, will ich gutmachen, was du an uns versehen hast. Sagt dem edlen Herrn von der Homburg«, rief er dem Boten zu, »er solle warten, bis ich komme, ich wollt' ihm helfen bei seinem Vorhaben.«
Auch der Bischof nickte mit gefurchter Stirn. »Ziehet hin und wetzt die Scharte aus; er soll nicht vermeinen, der Frechling, er könne mit uns tun nach seinem Belieben, übergib inzwischen Lutold die Bewachung von Rötteln.«
Otto sattelte sogleich auf, ritt zurück, und schon der kommende Morgen fand ihn mit einer Schar seiner tapferen Leute auf dem Wege zum Lager des Homburgers.
Nun ging's zusammen gegen den Wartenberg.
Der Graf lachte, da er sie kommen sah; aber da er Otto von Rötteln an der Spitze erblickte, verging ihm das Lachen, und er ballte die Faust. »Nunmehr wird's ernst, nun sei gar vorsichtig, Wolf«, murmelte er, »mit dem Röttler ist nimmer zu spaßen. Aber wart«, fuhr er mit einem grimmigen Fluch fort, »ich will Euch heimzahlen, daß Ihr meiner so gering achtetet, da ich der Verlobte Eurer Schwester war! Einer von uns darf nur leben bleiben – du oder ich.«
Die Belagerer waren herangekommen mit Wurfmaschinen und Geschossen, und die Berennung der Burg begann. Aber es schien, als ob die starken Mauern von Eisen wären ... alle Bemühungen waren fruchtlos, und am fünften Tage waren die Tore noch so unversehrt wie am ersten. Der Wartenberger lachte höhnisch, als er sah, wie die beiden Führer, der Röttler Graf und der Homburger Herr, beratend am Morgen des sechsten Tages beieinanderstanden. Aber urplötzlich kam ihm ein Gedanke, er riß einem seiner Mannen den Bogen von der Schulter ... und legte den Pfeil auf die Sehne ... »er steht ohne Schild, meint vielleicht, auf solche Entfernung sicher zu sein, ich will ihm zeigen, daß der Wolf zu zielen versteht. Nun sei achtsam, Otto, es gilt.«
Otto hatte es nicht gemerkt, aber der lange Friedung, der in der Nähe seines Herrn stand, hatte den Vorgang auf der Mauer beobachtet. »Herr, bückt Euch, er schießt«, schrie er auf, – Otto machte bei dem Aufschrei eine Wendung mit dem Kopfe zu Friedung hin – – zischend flog der Pfeil an seinem Ohr vorüber, der ihn sonst unfehlbar getroffen hätte.
Jetzt seinen Bogen herunterreißend, zielen und schießen war das Werk eines Augenblickes – keiner vermochte später zu sagen, wie schnell es gegangen war – und drüben verschwand der Wartenberger von der Mauer. »Der saß«, rief Otto, »und der, so ihn empfing, steht alsobald nicht auf! Hab' Dank, Friedung, du rettetest mein Leben. Wer war der Schuft dort oben? Ich konnte ihn in der Eile nicht erkennen.«
»Der Graf von Wartenberg selbsten, Herr«, sprach Friedung.
»Der Wolf«, fuhr Otto auf, »hei, nunmehr kann er verspüren, daß mit einem Röttler schlecht Kirschen essen ist! Nun, Wölflein, der Denkzettel war gut.«
»Glück zu, Otto«, rief der Homburger, »solches war ein Meisterschuß!« Er schüttelte dem Freund die Hand, dann aber rief er: »Nun auf, und die Burg aufs neue berannt! Vielleicht ist's heute leichter, ihrer Herr zu werden, da der Graf tot oder wund ist.«
Aufs neue sollte der Angriff beginnen, – da erschien auf der Mauer ein Mann mit weißem Tuch. Er winkte, und Otto sandte Friedung hin, zu fragen, was er wolle.
»Stellt euren Ansturm ein«, rief er hinab, »unser Herr liegt im Sterben. So er dahin ist, wollen wir weiter reden.«
Der Homburger Herr gebot halt. Um die Mittagsstunde rasselte die Zugbrücke nieder, das Tor ging auf, ein Knappe ritt heraus. Er kam direkt auf den Feind zu und begehrte die beiden Anführer zu sprechen.
Man führte ihn zu Otto und dem Homburger.
»Unser Herr ist gestorben, ohne noch ein Wort geredet zu haben«, begann er finster. »Wir aber sind des Kampfes um die Burg müde und wollen unser Leben erhalten. Unser Ansinnen geht dahin: die Burg sei euer, uns freier Abzug.«
»Soll euch werden«, sprach Otto, und der Homburger fügte bei: »Euer Ansinnen ist richtig; doch begehret ihr dort oben nimmer des Kriegsdienstes unter anderem Herrn?«
Der Bote schüttelte den Kopf. »Hab' mit den übrigen nichts dergleichen geredet.«
»So tut's«, sprach der Homburger, »unser gnädigster Herr, der Bischof von Basel, kann tapfere Männer brauchen, – und er zahlt gut.«
Da ging ein verständnisvoll Leuchten über des Mannes Gesicht. »Ich will's den anderen sagen«, sprach er und ritt zurück.
Am Nachmittag öffnete sich das Tor weit; vier Knappen trugen ihrer toten Herrn hinaus, stark bewaffnet folgten die übrigen Mannen, zweihundert an der Zahl. Schweigend sahen die Bischöflichen dem Abzug zu. Als der Zug in die Nähe des Lagers kam, trat Otto zu der Leiche und schaute den stolzen Feind lange an. Noch steckte der Pfeil in der Todeswunde; mitten in den Hals war er gegangen.
»Herr, gönnt dem Toten Ruhe auf dem Friedhof zu Muttenz, alsdann wollen wir zum Bischof, unsere Dienste anbieten«, sprachen die Mannen.
»Wir kämpfen mit Lebenden, nicht mit Toten, bestattet ihn«, sprach Otto stolz und wandte sich ab.
Sie zogen weiter hinab zum Dorf, oben aber stürmten die Bischöflichen in die Burg, plünderten und warfen einen Feuerbrand in die Gemächer. Als Wolf von Wartenberg unten sein kühles Grab fand, schlugen aus seinem festen Besitz die ersten Flammen empor. Bald stand das ganze Raubnest im Feuer, dem Bischof in Basel durch seinen Schein eher meldend als der abgesandte Bote, daß viel Schuld und Schande gesühnt worden sei. Am Abend kamen die Mannen des Wartenbergers nach Basel unter Führung etlicher wehrhafter Männer von der Homburg, und gern ließ der Bischof sie in seine Dienste treten, denn sie waren als tapfer und kühn bekannt. Durch das Gemäuer des Wartenbergers aber zog der Frühlingswind und verjagte die Rauchwolken, die über den geschwärzten Mauern lagerten und unter denen das Feuer noch tagelang glühte.