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Zweiundzwanzigstes Kapitel

In den letzten Tagen des April zog langsam ein kleiner Zug auf der Straße von Säckingen gen Basel zu. An der Spitze ritten etliche habsburgische Reiter, ein großer Wagen folgte, und den Schluß machten wieder Reisige.

Bequem auf weiche Polster und Decken gebettet, ruhte in dem Wagen Walter, der Burgherr von Rötteln, und neben ihm saß Ursula, sein Weib. Der Feldpriester hatte sie auf ihre Bitte gleich am ersten Tage im Lager mit Walter zusammengegeben im Beisein des Grafen von Habsburg und etlicher Ritter.

Walter hatte die Besinnung wieder erlangt; reden konnte er nicht; aber seine Blicke hatten nur an Ursula gehangen. Nach der heiligen Handlung war Rudolf an das Lager getreten und leise gesagt: »Ihr seid frei, Graf von Rötteln; als meinen Bruder will ich Euch pflegen und halten, bis Ihr hergestellt seid. Und so Ihr mit Eurer Gemahlin und Lutold, Eurem tapferen Bruder, einmal der Habsburg einen Besuch machen wollt, sollt' es mir eine Ehre sein, und liebere Gäste könnt' ich nimmer haben!«

Ursula überreichte er ein kostbar Geschmeide und sagte: »Gottes Segen über Euch, Gräfin von Rötteln! Nur ein solch tapfer Weib, als Ihr seid, konnte Walter brauchen, – Ihr seid einander würdig.«

Rudolf ließ es an nichts fehlen. Er hatte gleich nach der Eheschließung Walter mit der größten Vorsicht nach der Burg Werra bringen lassen, starke Besatzung unter dem Edlen von Neuenstein in die Burg gelegt, aber Befehl gegeben, nach Walters Heimkehr sie von Grund auf zu zerstören. Dann zog er fort, und nun folgten Wochen der schwersten Sorge für Ursula.

Walter hatte schwere Wunden am Kopf, an den Armen und Beinen davongetragen; die schlimmste Verletzung aber war ein Lanzenstoß in die Brust, der die Lunge gestreift hatte. Der Blutverlust brachte den starken Mann schier an den Tod, jetzt tat das hitzige Fieber noch das seine dazu. Fast verwunderte sich der Medikus jedesmal, daß Walter noch lebte.

Wochen waren also dahingegangen; nun kam der Tag der Entscheidung. Der Medikus wich nicht mehr von dem Lager. Endlich, am Abend des schrecklichen Tages, sank Walter in einen tiefen, ruhigen Schlaf, und der Arzt erklärte der Gräfin: »Gerettet!«

Solches war im Ausgang des Januar gewesen. Nur langsam, sehr, sehr langsam war alsdann die Genesung vorwärtsgeschritten. Erst jetzt, da die Luft mild und warm wehte, konnten sie den Heimweg antreten. Als sie von Werra fort waren, lohte dort die Flamme empor; die Habsburgischen schleiften die Burg von Grund auf und zogen ab zu ihrem Herrn und in neue Kämpfe.

Bleich und still lag Walter; seine Blicke schweiften müde über die bekannten Gegenden. Auf des Arztes Antlitz hatte ein ernster Ausdruck gelegen, da er die Wunde in der Brust vor der Abfahrt noch einmal genau geprüft hatte. Zwar war gerade sie schnell und gut geheilt, aber der weise Mann fand, schier zu gut und zu schnell! Doch sagte er nichts, und so waren sie abgefahren.

Auf halbem Wege kamen ihnen Otto und Lutold entgegen mit etlichen ihrer Mannen. Es war ein unbeschreiblich Wiedersehen zwischen den Brüdern! Keiner von ihnen konnte reden, ob er gleich wollte – aber die Augen redeten mehr als Worte. Sie lohnten die Habsburger reich ab und ritten schweigend neben dem Wagen her.

Walters Blick suchte Lutold, er erkannte in dem ernsten Mann kaum noch seinen einst so lebensfrohen Bruder, – er sah mit ansteigender Sorge und Bangigkeit die grauen Haare an den Schläfen.

Er schaute hinüber zu Ursula, sie begegnete seinem Blick mit liebreichem Lächeln.

Ob sie den Ausdruck seiner Augen verstand? ... Sie mußte wohl ... und Lutold auch ... sie redete Lutold in herzlicher Weise an, wie einst. Mit mildem Lächeln wandte er das Antlitz ihr zu, gab freundlich Bescheid, sie ruhig anblickend ... mit einem erleichterten Seufzer und frohem Lächeln schloß Walter die Augen.

Lutold hatte dem Bruder heute seine Tat bei Werra vergolten; er hatte ihm zu ungetrübtem Glück verhalfen, – ein freudiges Gefühl darüber erfüllte sein Herz trotz allem Leid.

Nun zogen sie ein in die Burg.

Bischof Heinrich und Odalsinde kamen ihnen entgegen, im Hof standen alle Knechte, Mannen und Knappen, ihren Herrn zu empfangen. Sie umdrängten den Wagen, alle wollten ihn sehen, ihn grüßen, aber in gar manchem Auge der harten Männer glänzte es feucht, da sie ihren Herrn jetzt bleich und eingefallen wiedersahen.

Heinrich sprach mit warmen Worten einen Segen über seinen und seiner Gemahlin Einzug in das Schloß der Väter, vorsichtig hoben Knappen ihren Herrn von seinem Lager auf und trugen ihn hinauf zur Oberburg. Da Walter in dem hohen, luftigen Gemach war, das Odalsinde für ihn und Ursula hergerichtet hatte, schaute er lange über das im köstlichen Frühlingsschmuck prangende Wiesetal, faltete mit glücklichem Lächeln die Hände und sagte zu Otto: »Daheim! Nun werde ich genesen!«

*

Im Lager von Säckingen entwickelte sich eine fieberhafte Tätigkeit. Rudolf ließ von dem größten Teil seiner Mannschaft Boote zimmern, die er bei dem Hauptzug gegen Basel zu verwenden gedachte, um über den Rhein setzen zu können. Der Graf war überall selbst zu finden; alle Arbeiten standen unter seiner persönlichen Leitung. Auch nach außen hin war er nicht untätig. Er hatte eine Anzahl seiner Ritter und Herren ausgesandt, neue Söldnerheere zu werben, und vergrößerte auf diese Weise seine Macht um ein bedeutendes.

Der Bischof war auch nicht träge; seine reichen Geldmittel gestatteten ihm, ebenfalls ein großes Heer zu besolden, und so brachten seine Werber auch ihm manche Söldnerschar zu. Heinrich ließ Basel noch mehr befestigen und verwahren, da er annahm, daß der Graf sich nunmehr gegen seine Stadt wenden würde.

Langsam verstrich die Zeit. Heiß brannte die Julisonne auf Basel und seine Umgebung herab. Träge und langsam floß der Rhein dahin, graugelb sein sonst so klares Wasser.

Träge und langsam schlich auch den Bewohnern der Stadt die Zeit dahin, besonders dem Bischof. Er ahnte, daß Rudolf mit aller Macht heranrücken würde, scharf ließ er Auslug halten, schier ungeduldig wartete er von Tag zu Tag auf das, was geschehen sollte.

Eines Abends kam atemlos einer seiner Kundschafter in die Stadt und berichtete von Rudolfs Anrücken. Nun kam Leben in die träge Ruhe der Bewohner; mit Erwartung und Bangen schauten alle den nächsten Tagen entgegen.

Der Bote hatte recht berichtet, schon am nächsten Tage stand Rudolf mit seinem Heer südwestlich von Basel auf der Binninger Höhe und schlug dort sein Lager auf.

Als der Morgen des Sankt Margaretentages (20. Juli) anbrach, gab er den Befehl zum Angriff. Er fand aber einen gerüsteten Feind, und die Mauern der guten, alten Stadt Basel waren fest, die Bürger standen auf ihren Posten ... blutig wurde er abgewiesen.

Drei Tage donnerten die Wurfgeschosse gegen die Stadt, immer wieder versuchte Rudolf, ihrer Herr zu werden ... vergeblich! Da sah er mit Ingrimm ein, daß alles Blut vergeblich vergossen war, daß Basel diesmal noch nicht fallen würde. So führte er sein Heer ins Breisgau hinüber.

Er unternahm einen Zug ins Sankt Georgiental, dann wandte er sich nach Klingen. Er belagerte aber die Burg vergeblich; der Herr derselben trotzte ihm. So verwüstete er das Dorf und zog mit reicher Beute wieder ab. Die Ritter vom Sittich übten Vergeltung; sie fielen bald da, bald dort in habsburgisch Gebiet ein und fügten Rudolf manchen schweren Schaden zu.

Das war Anfang August. Alles spitzte sich zum Hauptschlag zu.

Der September war gekommen. Über Baum und Strauch spannen sich weiße Fäden, rötlich färbten sich die Blätter und sanken lautlos zur Erde, das große Sterben der Natur begann! Mit verklärendem Schimmer leuchtete die Sonne darüber hin, als wollte sie die Schwere des Dahingehens mildern, dem Vergehen das Herbe, Bittere nehmen. Aber es war wohl kein Mensch in Basel und Umgegend, welcher nur mit einem Blick die Schönheit des Herbstes beachtet hätte!

Rudolf von Habsburg zog alle seine Mannen zusammen, und bangenden Herzens blickten die Einwohner von Basel in die nächsten Wochen hinein.

Bischof Heinrich saß in seinem Palast, vor ihm Otto von Rötteln. »Es ist so, als ich sage«, sprach Heinrich. »Meine Söldner sind bestochen worden. Sie sind lässig und faul, und ein groß Teil lächelt, so ich erscheine und Befehle austeile. Anjetzo ist mir alles klar. Die Söldner, die vor etlichen Wochen sich bei mir verdingten, sind habsburgisch, sie brachten Geld mit vom Grafen, und seither ist ein groß Teil der Meinen unbrauchbar geworden. Was tun?« In heller Aufregung sprang der geistliche Herr auf und durchmaß das Gemach.

»Woher kommt Euch solche Wissenschaft, Herr Ohm?« fragte Otto finster.

»Einer der Unseren hat sie belauscht und mir verraten. Sag', Otto, was tun?«

»Die ganze Bande zum Teufel jagen, Ohm, da fragt Ihr noch lange?« rief Otto aufspringend.

»Das sagst du«, sprach Heinrich grimmig. »Alsdann gehen sie zum Habsburger und vergrößern nur seine Macht. Lieber behalt' ich sie hier und tu' sie in sicheren Gewahrsam.«

Ein laut Geschrei und Waffenlärm ertönte plötzlich in den Straßen.

»Was ist das?« rief Otto und sprang hinaus. Heinrich folgte.

Atemlos stürzte ihnen ein Knecht entgegen. »Der Habsburger in Basel«, keuchte er.

»Wo?« schrie Heinrich.

»Dort«, rief der Knecht und zeigte nach der Richtung, in der der Lärm sich entfernte.

Otto war auf sein Pferd gesprungen und jagte zum Tor hinaus, der Bischof wollte ihm folgen, aber sein treuer Leibknappe wehrte ihm. »Bleibt, Hochwürden«, bat er, »Graf Rötteln genügt bei der Verfolgung.«

Nach kurzer Frist schon kam Otto wieder, sprang vom Pferde und rief wütend: »O Frechheit sondergleichen! Von Sankt Kreuz ist er gekommen, allein – zu Fuß, und Eure neuen Söldner haben ihn vergnügt gehen lassen! Solches hat man eilig Herrn Hugh von Marschalke überbracht; der ist ihm mit dem Schwerte nach, und eine Anzahl Bürger folgten ihm. Der Graf floh, Herr Hugh aber, im Eifer und Schmerz um des Sohnes Tod vermutlich, folgte ihm hitzig bis fast zum Albantor, uneingedenk, daß nur wenige ihm so schnell nachkommen konnten. Da die Bürger herankamen, fanden sie Herrn Hugh tot in seinem Blut liegen. Der Graf aber war entkommen.«

Heinrich war blaß bis an die Lippen. »Es gehet nimmer so weiter«, stöhnte er, »nunmehr setz' ich alles auf eine Karte! Er oder ich – – und solches rasch!«

Nach einer Stunde jagten Boten vom Bischof zu allen Mannen, die zu ihm standen, und entboten sie gen Basel. Er wollte dem Grafen entgegenziehen und in einer großen Schlacht den Sieg erringen.

Nimmer faßte die Stadt mehr die Mengen des Kriegsvolkes; alle Häuser waren schier übervoll, und auch auf den Plätzen und Straßen waren Lager aufgeschlagen.

Da erschien Rudolf wieder vor Basel, ebenfalls mit seinem ganzen Heer. Er hatte von des Bischofs Vorhaben Kunde erhalten und gedachte nunmehr mit aller Gewalt Basel zu berennen, einzunehmen und die bischöfliche Macht zu vernichten. Er hatte außer seinen eigenen Mannen und den zu ihm gehörenden Grafen und Rittern noch große Scharen Kriegsvolk von Zürich, Schwyz, Uri und Unterwalden, ebenso Sankt Gallen bei sich, und sie lagen um die Stadt herum gleich Heuschrecken.

So brach der Morgen des heiligen Kreuztages (14. September) an. Schon in der Frühe donnerten die Wurfgeschosse gegen Basels Mauern. Bischof Heinrich, hoch zu Roß, leitete selbst die Verteidigung, neben ihm Otto von Rötteln und, etliches entfernt, Lutold.

Hin und her wogte der Kampf stundenlang an den Mauern, da befahl der Bischof gegen den Mittag: »Die Tore auf und hinaus, dem Feind entgegen.«

Wie ein reißender Strom stürzten die bischöflichen Getreuen den Habsburgischen entgegen, allen voran Lutold.

Nun erhob sich ein heiß und mörderisches Ringen. In ganzer, schauervoller Schrecklichkeit tobte die Schlacht. Wildes Geschrei der Angreifenden und Zurückgeschlagenen erfüllte die Luft und mischte sich mit dem Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden. Manch einer der Gefallenen endete unter den Hufen der Rosse; – – wer hatte noch Zeit oder Sinn, des Nächsten zu gedenken!

Vorwärts ... nur vorwärts ...

Dahin ging's, über Tote und Lebende ...

Überall tauchte der Bischof, in seinem strahlenden Panzer weithin sichtbar, auf; wo es aber am wildesten herging, kämpfte Lutold wie ein Rasender. Er hatte das Visier aufgeschlagen, den Schild fortgeworfen, seine Lanze war längst zersplittert – – das Schwert in der Faust war dunkelrot gefärbt und troff von Blut, – wild jauchzend stürzte er sich immer wieder mit der Wut eines angeschossenen Löwen in die Schlacht, wo sie am heißesten tobte ...

Mehrere Male hatte er dem Habsburger Grafen gegenüber gehalten, den er an der leuchtenden Helmzier erkannte. Der aber hatte jedesmal wie unabsichtlich sein Roß herumgeworfen und sich einen anderen Gegner erkoren. Rudolf wußte, der tapfere Ritter war seiner Stärke doch nicht gewachsen, und er wollte ihn schonen, er hatte ihn liebgewonnen vor einem halben Jahre in seinem Zelt.

»Den als Eidam«, murmelte er, doch die Schlacht riß ihn mit sich fort und machte jeden anderen Gedanken unmöglich.

Stunde um Stunde verrann, noch immer war der Kampf unentschieden. Bald wichen die Bischöflichen, bald die Habsburgischen.

Schon neigte sich die Sonne dem Untergange zu.

Lutold kämpfte und focht wie ein Verzweifelter; ein Lanzenstoß, ein Schwerthieb mußte ihn doch treffen, ihn, der ohne Schild, mit offenem Visier kämpfte! – Dann – o dann war Werra gerächt ... und dann hatte das heiße Herz seine Ruhe gefunden – – –

Aber er hoffte vergeblich!

Rechts und links sanken sie um ihn, zum Tode getroffen – als bei einbrechender Dunkelheit die Schlacht endete und die Bischöflichen sich in die Stadt zurückzogen, hatte Lutold nicht eine Schramme davongetragen, der Tod hatte ihn hohnlachend geflohen.

Wüstes, wildes Geschrei hallte zuerst noch durch Basels Straßen – allmählich wurde es stiller, die tapferen Streiter pflegten der wohlverdienten Ruhe.

Im Palast des Bischofs war Oda in eifriger Sorge um die drei Ritter bemüht. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, Otto zu begleiten, da der Bischof ihn und Lutold nach Basel entboten hatte, und Otto war's wohl zufrieden gewesen. Wie dankbar war die Gräfin, daß alle unverletzt waren!

Hier im Palast war aber von Ruhe keine Rede. Herr Heinrich und Otto saßen in bequemen Hausgewändern am Tisch und besprachen lebhaft Einzelheiten der Schlacht. Lutold stand am Fenster und schaute in die Nacht hinein.

»Komm«, rief Heinrich ihm zu, »labe dich, du hast es vonnöten, Lutold! Ich sah dich heute selten – so ich dich aber sah, hat sich mein Herz stolz erhoben, daß du mein Schwestersohn bist! Glück zu, du Held!«

Er hob ihm den Pokal entgegen. Auch Otto tat es, mit kräftigem Druck seine Hand fassend: »Mein Bruder, du bist ein echter Röttler!«

Finster stand Lutold am Tisch. »Und konnte doch nicht den Flecken, so ›Werra‹ heißet, mit meinem Blut abwaschen, Ohm Heinrich ...«

Der Bischof sprang auf und legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Lutold, der ist abgewaschen, getilgt für alle Zeiten! Hab' gemeint, du hättest mich besser verstanden!« Er schaute ihm tief in die vor Erregung fast schwarz scheinenden Augen.

»Ich verstand Euch wohl gut, Ohm, und doch wollt' ich mein Blut dafür geben.«

»Ich dank' den Heiligen, die dich bewahrten«, rief Heinrich. »Du hast ›Werra‹ ertränkt im Blut der Feinde.« Wieder schaute er ihn lange und tief an. »Lutold, Glück auf«, sagte er langsam, jedes Wort betonend, »– – in der Zukunft im Frieden ein noch streitbarerer Held – –!«

Lutold wurde schier noch bleicher – – »Ich komme, Ohm, wartet meiner.«

Der Bischof umschlang ihn, drückte ihn an sich und flüsterte ihm zu: »Sei willkommen, ich warte.«

Otto hatte erstaunt den Worten zugehört – er faßte ihren Sinn nicht. Nur Odalsinde schien zu verstehen; eine Träne glitt ihr die Wange herab, sie wischte sie hastig fort.

»Was wird morgen werden«, sagte Heinrich, auf und ab schreitend, »der Tag hat gar viel gekostet.«

»Laßt den morgenden Tag, Ohm«, entgegnete Otto aufstehend. »Ruhet – ich will's auch. Wir brauchen fürs erste morgen Kraft.«

Er ging mit Oda und Lutold hinaus; der Bischof warf sich auf ein Ruhebett, war aber noch lange wach und fiel erst gegen Morgen in einen unruhigen Schlummer.

Schon beim ersten Tagesgrauen hatten die Bewohner von Basel angstvoll auf die Wiederaufnahme des Kampfes gewartet. Statt dessen erschien ein Herold vor dem Sankt Johanntor, der Habsburger Graf ließ dem Bischof einen oder zwei Ruhetage anbieten zur Bestattung der Toten.

»Keine Lanze oder sonsten eine Waffe soll sich widereinander erheben, zu den Mauern wollen wir kommen und die Unseren holen, ungehindert sollt Ihr kommen und die Euren holen, fragt Euren Bischof, ob er für solches gesonnen sei.«

Dem hohen Herrn überbrachte man allsobald die Kunde, gern willigte er in zwei Ruhetage.

Gegen mittag öffneten sich die Tore der Stadt. Die von Basel kamen heraus, allwo die Habsburgischen schon eifrig bei der traurigen Arbeit waren, ihren toten Kämpfern die letzte Ehre zu erweisen. Viel Wehklagen war auf beiden Seiten, gar manch Leben war drangegeben und auch viel edel Blut geflossen.

In langem Zug trug man die Grafen und Ritter, die gefallen waren, in die Stadt, um sie in den Kreuzgängen des Münsters oder wo es sonst sei, beizusetzen. Da war ein Graf von Neuenburg und der von Sanagasa, der Freiherr von Ringenberg und Graf von Toggenburg, der Graf von Arburg und Herr von Augst, ohne der übrigen edlen Ritter und Herren zu gedenken aus dem Breisgau und Sundgau.

Der Bischof hielt ein feierlich Totenamt für sie, danach eins für die Mannen alle. Er war bleich dabei; seine Augen glühten.

»Noch eine solche Schlacht und ich bin verloren«, sagte er zu den Herren von Rhyn, Pfeffingen, Homburg und Rötteln, da sie wieder im Palast waren, »solch Ringen frißt die Mannen.«

»'s ist bei denen drüben just das gleiche«, erwiderte der Herr von der Homburg, »schier hatten sie noch mehr Tote denn wir.«

Der Bischof schwieg, schaute mit gefurchter Stirn noch eine Weile vor sich hin, stand auf und verließ das Gemach.

»Es kommt ihn hart an«, sagte der Homburger. »Insonderheit ist's ihm arg, daß Walter nimmer dabei sein kann, er sagte mir's gestern.«

»Ich bitt' dich, schweig«, fuhr Otto auf. »Tag und Nacht denk' ich an unseren Wilden, – aber reden kann ich nimmer von ihm. O ihr Heiligen, seine Ahnungen sind nur allzu wahr gewesen!«

Er stützte schwer den Kopf auf. Die anderen Herren schwiegen; sie ehrten seinen Schmerz, fehlte ihnen Walter doch schier ebenso wie dem Bischof und den Brüdern.

In der Frühe des anderen Tages ließ der Bischof den Homburger und Herrn von Rhyn in sein Arbeitsgemach entbieten, allwo sie die beiden Röttler Grafen und den Markgrafen Etto von Hochberg schon vorfanden. Der hohe Herr hatte seine sonstige Ruhe verloren; er wanderte auf und nieder und sah bleich und überwacht aus.

Erwartungsvoll hingen die Blicke der anderen an ihm.

Er blieb am Tisch stehen, und es brach von seinen Lippen: »Ihr Herren und Edlen vom Sittich, höret mich an! Ich bin willens und entschlossen, zu versuchen, durch ehrenvollen Vergleich den Frieden herzustellen zwischen dem Habsburger und mir.«

Tiefes Schweigen folgte seinen Worten. Schier versagte den Herren der Atem ob dieser Rede, man hätte ein Mäuslein laufen hören können!

Endlich brach der Markgraf die Stille: »Warum solches, Herr Bischof?«

Heinrich holte tief Atem; ruhiger sprach er: »Was soll noch länger solch Blutvergießen! Ich hab's satt! Des Jammerns und Wehklagens soll anjetzo genug sein; so der Habsburger meine Forderungen bewilligt, mach' ich Frieden.«

»Und die wären?« fragte Herr von Rhyn gespannt.

»Wiederherstellung meiner Burgen, Los- und Lediggeben der Stadt Säckingen an das Hochstift Basel für alle Zeiten, endlich tausend Mark Silber Buße.«

Markgraf Etto lachte laut auf. »Nicht mehr? Na, Herr Bischof, da werbt nur schleunigst neue Heere, auf solche Forderungen läßt sich der Habsburger nimmer ein.«

»Wollen sehen«, rief Lutold, »ich stimme dem Ohm bei.«

»Versucht's«, sprach Otto. »Mich verlanget nach Ruhe, kann's nimmer leugnen, die Fehde hat uns genug genommen.«

»So will ich denn heut am Nachmittag einen Herold entsenden, der Waffenstillstand anbahnet«, sagte Heinrich, »alsdann wollen wir weiter sehen.«

In Rudolfs Zelt stand des Bischofs Gesandter, Herr Karl von Neuenburg. Er hatte dem Grafen Heinrichs Antrag übermittelt und wartete nun der Antwort.

Graf Rudolf hatte die Arme gekreuzt und blickte ihn lange an. Endlich sprach er: »Es ist sonderbar, daß ich die gleiche Friedensabsicht hatte! Mein Bote sollte heute abend zum Bischof kommen. Sagt Eurem Herrn solches. Sagt ihm auch, die Friedensbedingungen zu stellen, wollen wir den Schiedsmännern überlassen. Ich schlage ihm vor, daß wir jeder deren zwei wählen; die sollen alsdann alles weitere ordnen.«

Karl von Neuenburg kam zurück und überbrachte dem Bischof Rudolfs Antwort. Heinrich war damit einverstanden; er wählte als Schiedsmann den Markgrafen Etto von Hochberg und gab ihm zur Seite den Alten von Geroldseck.

Rudolf von Habsburg wählte unter den Seinen den Burggrafen von Nürnberg und Graf Heinrich von Fürstenberg.

»Diese sollten nun alle Händel sprechen zu Minne oder Recht, das ist freundlich oder rechtlich«, berichtet die Chronik, »von diesem Tag, Sankt Mauritzen (22. September), bis auf den nächsten Sankt Gallentag (16. Oktober), und sollt' in solcher Zeit auch Fried' gehalten werden.«

Als erste Folge dieses Waffenstillstandes öffnete der Bischof dem ausgewiesenen Adel die Tore. Die Herren vom Stern ritten wieder ein in die Stadt Basel und zogen in ihre Häuser.

Graf Rudolf blieb mit seinem Heer noch vor Basel liegen; doch war ein friedlich Verkehren zwischen seinen Mannen und den Bewohnern der Stadt.


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