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Liebesnester? Das ist vielleicht ein wenig zu viel gesagt. Von der Liebe, wie sie allgemein verstanden wird, von dem seelisch-körperlich Durchdrungensein, von dem gemütvollen Gebundensein aneinander, von jenem geheimnisvollen Aneinanderhängen und Zueinander-Hingezogensein ist in den Orten, in denen die öffentlich sich feilbietende Weiblichkeit versteckt, nicht ein Hauch.
Aber unter dieser Bezeichnung versteht man alle die Hotels, Pensionen und ähnliche Orte, zu denen sich die Prostituierten zurückziehen.
In Berlin haben wir im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten keine Bordelle, keine kasernierte Prostitution. In Berlin herrscht die sogenannte freie Prostitution. Die Dirnen sind über die ganze Stadt verbreitet, und wenn sie sich auch in ihrem Wohnen und in der Ausübung ihres Gewerbes an bestimmten Stellen konzentrieren, ganz frei von ihnen ist kein Stadtteil.
Früher war es meistens so, daß die Dirne, wenn sie mit einem Herrn handelseinig geworden, diesen mit auf ihr Zimmer nahm. In neuerer Zeit tritt aber immer häufiger die Erscheinung auf, daß die Wohnung der Dirne und das Absteigequartier vollständig von einander getrennt sind.
Die Boulevards Friedrichstraße und Leipziger Straße waren einst mit Dirnen besät, daß diese längst nicht mehr in der Nähe wohnen konnten. Und da sie ihre Kunden nicht mit in die an der nördlichen Peripherie gelegenen Wohnungen mitnehmen konnten, so hatten sie in der Nähe Absteigequartiere. Mehrere Mädchen hatten zu diesen, oft im Hof parterre gelegenen Quartieren Schlüssel. Die Kupplerin hielt sich meist in der Küche auf. Sie erhielt bei jedem Besuch von dem Mädchen eine bestimmte Summe, die jedesmal sofort bezahlt werden mußte. Im Norden am Oranienburger Tor handelte es sich vielfach um höchst primitiv möblierte Zimmer, die mitunter nur ein Sofa, ein paar Stühle und einen Waschtisch enthielten. Oft, in lebhaften Geschäftsstunden, waren drei oder vier Räume besetzt, und dann wartete ein Pärchen solange in der Küche, bis ein Zimmer frei wurde. Die Wirtin klopfte wohl auch an die Zimmertür, wenn ein Paar sich zu lange aufhielt. Diese Absteigequartiere hielten sich niemals lange an ein und derselben Stelle. Die Polizei machte Schwierigkeiten, der Hausherr kündigte, und dann zog die Kupplerin in eine andere Wohnung, falls sie nicht gelegentlich einmal ins Gefängnis oder ins Zuchthaus wanderte.
Viel feiner sind die Absteigequartiere im heutigen Westen. Aber hier bezahlt auch der Kunde erheblich mehr, und dann kommt es ihm nicht darauf an, mit seiner Dame in ein Privathotel, das dann meist auch nichts ist wie ein besseres Absteigequartier, zu gehen und dort für sich und seine »Frau« ein Zimmer zu bestellen.
Mitunter gelingt es einer Kupplerin, ein feineres Quartier längere Zeit zu halten. Aber schließlich kommt es doch zu einem Skandal, die Polizei räumt das Nest aus, und die Kundschaft verläuft sich nach anderen Punkten.
Einen interessanten Einblick in ein solches Quartier gewährt die folgende Notiz aus einer Berliner Zeitung über den Prozeß gegen die Frau Sch ... , die der Kuppelei und Hochstapelei beschuldigt wurde.
Es heißt in dem Artikel:
»Frau Sch ... ist keine von den Hochstaplerinnen gewöhnlicher Sorte, die immer nur mit den alten, abgebrauchten Mitteln arbeiten. Zwar der von ihr angewandte Trick, auch den ›Spiritismus‹ für ihre Zwecke zu verwenden und sich als Medium auszugeben, ist ebenfalls längst nicht mehr neu. Aber von besonderem Reiz (wenn man so sagen darf) ist der Umstand, daß der Frau Sch. vorgeworfen wird, ihre Verbindung mit der ›Geisterweit‹ zu einem Kuppeleigeschäft ausgebeutet zu haben, daß für sie als eine weitere Einnahmequelle gedient habe. Die unternehmende Dame hielt aus begreiflichen Gründen auf ›feine‹ Kundschaft. Und sie soll in sogenannten besten, das heißt zahlungsfähigen Gesellschaftskreisen, die sich in ihrer im noblen Westen Berlins gelegenen Wohnung ein Stelldichein gaben, nicht nur für ihre mediumistische, sondern auch für ihre kupplerische Tätigkeit hinreichendes Verständnis gefunden haben.
Als Teilnehmerin an Frau Sch ... s Schwindeleien wird eine Konzertsängerin H., die junge, augenscheinlich noch unerfahrene Tochter eines ehrenwerten Volksschullehrers aus einer brandenburgischen Provinzialstadt, genannt. Diese H. ist aber offenbar selbst ein Opfer der Sch ... Sie stand so völlig unter dem Einfluß des ›spiritistischen‹ Hokuspokus, den die Sch ... ihr vormachte, und glaubte so felsenfest an die Beziehungen der Sch. zur Geisterwelt, daß sie ein willenloses Werkzeug in den Händen des Schreibmediums war. Den Geistern zuliebe, die der Sch., wenn sie in Trance war, ihre Wünsche und Befehle in die Feder diktierten, tat Frl. H. alles, was von ihr verlangt wurde. Auf Geheiß der Geister nannte sie sich Rita v. Roon und ließ sich dazu herbei, Briefbogen mit entsprechendem Monogramm und einer Grafenkrone zu benutzen, wovon die Sch. zweifellos einen großen Erfolg bei den reichen Gimpeln, die sie rupfen wollte, erwartet hat. Der anfängliche Verdacht, daß Frl. H. sich der Tragweite ihrer Handlungen bewußt gewesen sei, ist durch die bisherige gerichtliche Untersuchung nicht bestätigt worden. Welche Macht dieses Weib über das Mädchen hatte, beweist der Umstand, daß Frl. H. in Briefen, deren Wortlaut durch das Schreibmedium aus der ›Geisterwelt‹ bezogen wurde, sogar ihren alten Eltern ihr bißchen Erspartes abnötigte und es der Sch. auslieferte. Recht angesehene und sehr zahlungsfähige Leute sollen bei der Sch. zusammengekommen sein. Umsonst gibt eine Sch ... keine ›spiritistische Seance‹, umsonst dürfte sie auch die junge Konzertsängerin nicht durch ihre ›mediumistischen‹ Schwindeleien dazu gedrängt haben, sich einigen Gästen hinzugeben. Frl. H. folgte dem Geheiß des ›guten Geistes Schwester Lisbeth‹; gegenwärtig sieht sie ihrer Entbindung entgegen.«
Auch im feineren Westen wurde ein Absteigequartier aufgehoben, und die Kupplerin, Mutter Brugier, wurde verhaftet.
Das Treiben der Lebewelt bei der Mutter Brugier war zu üppig geworden, als das es der Öffentlichkeit hätte entgehen können. Namentlich fühlten sich die in einem Gebäude gegenüber emsig ihrem Studium obliegenden höheren Töchter bzw. deren Lehrerinnen geniert durch das unverkennbare Milieu, daß sich da vor ihren Augen breitmachte. Wie in einem Taubenschlag ging es in Nr. 39 der Passauer Straße aus und ein. Lebemänner, alt und jung, Lebedamen, schick und schneidig, Chormädels, die sich das »corriger les gages« zum Prinzip gemacht hatten, Konfektioneusen, kurz alles, was zur Welt, in der man sich amüsiert, gehört, gab sich bei Mutter Brugier die diversen Stelldicheins. Was mögen sich dort in den sechs eleganten, ja luxuriös ausgestatteten »Salons« für Szenen abgespielt haben! Mutter Brugier war schon von früher her in Lebeweltkreisen als gern gefällige Vermittlerin bekannt, aber in der Link- und Bülowstraße, wo sie früher ihr einträgliches Gewerbe trieb, war sie zu nervös geworden und zog sich deshalb in die friedliche Passauer Straße zurück. Dort ereilte sie das Geschick. Liesbeth sitzt nun hinter Schloß und Riegel, und mit Wehmut erinnert sich mancher Geschäftsmann, mancher Hausknecht der goldenen Zeit, da Mutter Biugier stets eine offene Hand für sie hatte. Denn nobel war sie, daß muß ihr der Neid lassen.
Feinere Kupplerinnen, die Halbweltmädchen Kost und Logis bieten, bezeichnen ihre Wohnung der Polizei und dem Hausherrn gegenüber gern als Pension. Sie sind dann sehr weitherzig gegen ihre Pensionäre, vorausgesetzt, daß diese ihnen genügend Geld einbringen. Auch solche Pensionen verfallen früher oder später der Auflösung, und die nachfolgende Gerichtsverhandlung enthüllt dann allerlei Geheimnisse. Als ein Beispiel möge die Notiz dienen:
»Die wegen Kuppelei und Betruges angeklagte Frau Paula Sch., geb. F., betrieb früher in dem Hause Friedrichstraße 49c eine ›Pension‹, die der Polizei mancherlei zu schaffen machte. Unter gewissen ›Damen‹ war es bekannt, daß man in jener Pension bequeme Gelegenheit fand, ein Stelldichein abzuhalten. Die Hausbewohner sahen denn auch häufig Pärchen, die sich der Angeklagten gegenüber als Eheleute auszugeben pflegten, dort vorübergehend Aufenthalt nehmen. Manche ›Damen‹ wohnten auch längere Zeit dort, sie mußten einen täglichen Mietzins von 4-6 Mark entrichten und erfreuten sich eines großen Bekanntenkreises. Infolge von Beschwerden nahm die Polizei wiederholt unvermutete Revisionen in den Räumen der ›Pension‹ vor. Eines Morgens wurden von der Polizei verschiedene Pärchen in Droschken gepackt und nach der Polizei befördert – eine Szene, die einen großen Straßenauflauf verursachte. Schließlich verkaufte die Angeklagte die Pension an eine mit Berliner Verhältnissen nicht vertraute Dame, die von außerhalb hierhergezogen war und sich hier durch den Betrieb einer anständigen Pension eine Häuslichkeit und eine Erwerbsquelle verschaffen wollte. Ihr gab die Angeklagte auf wiederholtes Befragen die Versicherung, daß die Pension reell und anständig betrieben werde und nur gutes Publikum beherberge. Die Reflektantin ging zwar vor Abschluß des Kaufes der Sicherheit wegen zu dem zuständigen Reviervorstand, um sich wegen des Rufes der Pension zu erkundigen, erhielt aber dort den Bescheid, daß an Privatpersonen solche Auskunft nicht erteilt werde. Sie übernahm dann die Pension, beschloß ihre Tätigkeit aber schon nach acht Tagen, denn sie hatte aus den Pärchen, die dort Zimmer mieten wollten, ersehen, daß die ›Pension‹ nur ein Deckmantel für ein Absteigequartier war.«
Das Geschäft der Kuppelei muß doch ein sehr einträgliches sein, wenn trotz der drohenden Strafen sich immer wieder Personen finden, die es betreiben. Und einträglich ist es in der Tat. Gelingt es einer Kupplerin durch vorsichtige Geschäftsführung, durch Vermeiden jeden Skandals, die gefährlichen Klippen einer Bestrafung zu umgehen, so kann sie in wenigen Jahren genug verdienen, um sich zurückzuziehen, oder als »anständige Frau« ein weniger gefährliches Gewerbe zu betreiben. Eine Kupplerin hat es sich gewöhnlich selbst zuzuschreiben, wenn sie in Konflikt mit der Polizei kommt. Die Polizei schreitet nicht so leicht ein. Sie weiß ganz genau, daß sie doch das Übel nicht ausrotten kann, daß die Mädchen ihr behördlich sanktioniertes Gewerbe doch irgendwo ausüben müssen, daß sie nicht auf der Straße bleiben können. Darum drückt sie schon ein oder auch beide Augen zu. Nur von Zeit zu Zeit, wenn die öffentliche Meinung durch irgend einen Prozeß erregt ist, wenn überall der Ruf ertönt, daß etwas geschehen müsse, dann greift die Polizei auch einmal fester zu. Dann werden ein paar Exempel statuiert, die Kupplerinnen und Dirnen beobachten eine Zeit lang die äußerste Vorsicht, bis sich langsam die öffentliche Meinung beruhigt hat und alles wieder in das alte Geleise kommt.
Am wenigsten werden die Mädchen noch ausgebeutet in Wohnungen, in denen sie ihr Gewerbe nicht ausüben dürfen. Besonders hoch im Norden und in den andern einfachen Wohnvierteln. Hier findet die Dirne in Arbeiterfamilien leicht ein möbliertes Zimmer oder eine Schlafstelle, ganz zu den üblichen Preisen der kleinen Vorstadtstuben. Doch kommen auch hier schon Ausnahmen vor, und in der mittleren Stadt bezahlen einzelne Prostituierte ganz abnorme Preise für ihr Zimmer mit Frühstück. Denn auch die »anständige« Wirtin weiß, mit was für einer Dame sie es zu tun hat, und daß »so eine« gehörig bezahlen kann, ist doch selbstverständlich. Das sind dann aber auch meist bessere, das heißt jüngere Prostituierte, die genug verdienen und nicht aufs Geld sehen.
Die heimlichen Liebesnester sind das Gebiet, wo die feinere Gelegenheitsdirne mit der Kokotte und der Dirne zusammentrifft. Hier ist der Ort, der gerade dadurch Reiz für Männer hat, daß dort nicht nur berufsmäßige Halbweltlerinnen, sondern auch Damen der Gesellschaft und sonst nur schwer zugängliche weibliche Geschöpfe sich preisgeben. Tatsächlich geben sich in den Salons neben Dirnen oft Frauen aus guten Kreisen preis. – Frauen, die vom Bekleidungswahnsinn besessen sind. Die Frau eines Arztes aus Berlin W., die in einem solchen Salon aufgestöbert wurde, äußerte: »Wir wohnen im Westen. Alle meine Freundinnen tragen Pelze und kleiden sich so schön, haben immerzu seidene Strümpfe. Mein Mann kann mir das nicht leisten; er verdient nicht soviel. Wenn ich das nicht haben könnte, möchte ich nicht mehr leben!«
Diesen an Modewahnsinn leidenden Frauen ist Ehre und reinlicher Leib nicht soviel wert wie die seidenen Strümpfe ...
Ja, manche Salonbesitzerinnen leben nur von Frauen und Mädchen, die aus Familien besserer Berufe kommen – oft auch pervers sind ...
In letzter Zeit hat sich das Salonwesen nach einer bestimmten Seite ausgebildet und zwar zur Telephonkuppelei, d. h., die Kuppelmutter, die meist im Westen wohnt, unterhält selbst wenig Mädchen, sondern sie telephoniert an einfache Quartiere, in denen drei bis sechs Mädchen wohnen oder warten, um »Bücher«. Je nachdem, ob sie Junge oder Ältere haben will, verlangt sie Übersetzungen aus dem 15. oder einem anderen Jahrhundert. Vor kurzem wurden besonders recht junge Mädchen verlangt. Doch wurden sie bald wieder von der Polizei aus dem Betrieb herausgenommen und Strafverfahren gegen die Beteiligten eröffnet.
Manche ältere Kupplerinnen sind sehr vorsichtig und sind fünfzehn Jahre lang nicht bestraft worden, weil sie ihre Kundinnen nicht übervorteilt haben.
Es gibt jetzt übrigens einzelne Kupplerinnen, die ihre Mädchen gut behandeln, sie durch gute Lektüre, Theaterbesuch und auf andere Weise erziehen und ihnen ein bescheidenes und höfliches Betragen beibringen. Ja, manche Kupplerin ist nicht imstande, Geld zu verlangen, sondern begnügt sich mit dem, was die Mädchen geben. Die Mädchen geben im allgemeinen in den Salons die Hälfte ab, wovon wiederum ein Drittel an jene Kupplerin fällt, die sie auf telephonische Anforderung hingeschickt hat. In der jetzigen schlechten Zeit, wo die besseren Kokotten, die sonst 1000 bis 1500 Mark im Monat verdienten, nur auf 400 bis 500 Mark kommen, zahlt sogar diese und jene wohlhabende Kupplerin den Mädchen noch was zu.
Trotzdem viele Mädchen an den Kupplerinnen ihren mütterlichen Halt haben, sind sie nicht immer dankbar, sondern zeigen sie an. Das geschieht besonders dann, wenn neidische Konkurrenten dahinter stehen. Eine besonders gutmütige und großzügige Saloninhaberin aus dem Westen wurde durch eine Polizeiagentin angezeigt, die nur das Quartier selbst in die Hand bekommen wollte. Die Kupplerin wurde zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt – sehr gegen die Absicht der Polizei, die froh ist, wenn sie derartige Frauen hat, die nicht auffällig sich benehmen und die auch ihre Mädchen mütterlich behandeln und sie zu bilden und fördern suchen.
Die feinste Art von Kupplerinnen sind diejenigen Damen, die in den Kreisen der Lebemänner verkehren und dort Bekanntschaften mit lebenslustigen Damen vermitteln. Jedoch werden die Besucher auch manchmal geprellt. Wünschte da ein Herr die intime Bekanntschaft mit einer berühmten jugendlichen Schauspielerin. Ihm wurde gesagt, das wäre möglich. Zuerst müsse er ein großes Blumenarrangement schicken. Das tat er. Es wurde ihm vor dem Bühnenausgang von einem Boten abgenommen, dann mußte er tausend Mark im Umschlag senden, nachdem angeblich der Blumenstrauß Gefallen gefunden. Und schließlich mußte er nochmals tausend Mark zahlen – aber immer nur an die Vermittlerin, nachdem sie ihm in ihrer Wohnung jene berühmte Schauspielerin zugeführt hatte. Er fand aber nur ein Mädchen aus der Besselstraße, die allerdings dem Modetyp der Schauspielerin durchaus glich und die er für das Gewünschte nahm. Das Mädchen erhielt dafür, daß sie die Schauspielerin vorstellte, 100 Mark und war sehr glücklich, für eine Berühmtheit gehalten zu werden.
Diese Kupplerinnen sind meist von besserer Herkunft und tadellosen Gesellschaftsformen. Sie laufen viel seltener Gefahr, mit der Polizei in Konflikt zu kommen, als die gewöhnlichen Kupplerinnen. Schon weil alle Beteiligten einen Skandal zu vermeiden suchen. Ihr Verdienst ist fast immer sehr hoch, und sie gelangen meist zu einer Wohlhabenheit, die es ihnen ermöglicht, sogar sehr anständig zu werden. Und da auch die Polizei ungern solch ein Nest aufstört, in dem oft ein Album mit Photographien hübscher Damen existiert, von denen der Besucher nur eine auszuwählen braucht, die dann oft durchs Telephon herbeigeholt wird – weil eben diese Damen und ihre Verehrer immer besseren Kreisen angehören – so wird nur selten gegen sie eingeschritten. Sie wissen das Äußere zu wahren. So hat die Polizei auch keine Ursache, einen Skandal zu inszenieren, einen Skandal, der aus einer Sache erst einen Skandal macht, die im Grunde niemand was angeht – denn die sexuellen Dinge sind jedes erwachsenen Menschen eigene Sache. Und so erfährt die Öffentlichkeit nur selten von dem Vorhandensein der Liebesnester. In der Zeit der Inflation, als die Ausländer in Berlin mit ihrer zehnfach zu hoch bewerteten Valuta ihre überragende Rolle spielten, nahm die Zahl dieser Institute zu – aber lange nicht in dem Maße, wie es allgemein für möglich gehalten wurde. Überall fanden sich allerdings Gelegenheiten, in denen manche Ausländer ihre weitgehende Erziehung zur Erotik betrieben – und manchmal wird auch heute noch ein Überbleibsel des ausländischen Einflusses zu erkennen sein.
Die Polizei hat hier eine sehr schwere Aufgabe zu lösen. Sie steht zwischen dem harten Gebot, das der Gesetzgeber aufgerichtet hat und das vom Gericht oft streng durchgeführt wird – und dem Gebot der Menschlichkeit. Die Wirklichkeit fordert oft ein Entgegenkommen, wo die ideale Forderung keine Rücksicht kennt. Die Polizei aber muß mit der Wirklichkeit rechnen.
Sie kann also nur überwachen und erziehen, kann den Inhaberinnen der Salons und der anderen Absteigequartiere nur größte Rücksicht auf die Anwohner und unauffälliges Betragen empfehlen, kann sie zur Menschlichkeit im Umgang mit den Prostituierten ermahnen, vor allem auch zur größten Sauberkeit in den Räumen – und muß darauf hinweisen, daß sie doch zugreifen muß, wenn über das Quartier berechtigte Klagen kommen.
Diese Aufgabe verlangt sehr umsichtige, abgeklärte und verständige Beamte. Wenn sie von ebensolchen Richtern unterstützt werden, können die Auswüchse des Absteigewesens auf ein geringes Maß zurückgeführt werden.