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Achilles und Anna

Die ältesten märkischen Urkunden, die von einem galanten Herrscher, und zwar von einem galanten Herrscher des brandenburgischen Hofes zeugen, stammen von 1474 und werden im Berliner Hausarchiv aufbewahrt.

Dieser galante Mann war zwar nur ein Ehemann, der gegen seine eigene Frau Kurfürstin galant war: also ein galanter Ehemann. Das ist merkwürdig genug, wenn man bedenkt, daß dieser galante Herrscher im schwindenden Mittelalter lebte, in dem Herrscherehen ja wohl mehr auf andere Dinge als auf eheliche Galanterie gegründet waren. Es ist auch später so gewesen, daß die Herren der Throne, weil sie ja meist nicht aus freier Liebeswahl heirateten, mehr zu Frauen galant waren, die nicht ihre eigene Frau waren, und es wird ja von solchen hohen Herren, deren Galanterien mitunter sogar mittelbar und unmittelbar den Gang der Welthistorie beeinflußten, reichlich die Rede sein müssen.

Um so rührender ist es, daß die Geschichte des verliebten Hofes beginnen darf mit ehelichen Liebesbriefen, die ein brandenburgischer Kurfürst seiner Eheliebsten schrieb, als er gegen Burgund im Felde lag – Briefe, die bestimmt nicht minnesängerhaft zart im Ausdruck sind, aber eine helle Verliebtheit in die eigene ferne Gattin verraten, die ebenso sehnsüchtig zurückschreibt, ohne dabei derb zu werden wie der Herr Gemahl, der im Feldlager am Rhein der treue Gatte bleibt, obwohl es hohen Herren in solcher Umgebung wohl an gefälligen Damen nicht gefehlt haben dürfte.

Diese Briefe, die Georg Steinhausen im Buche »Deutsche Privatbriefe des Mittelalters« zuerst herausgegeben hat, lassen aus vergilbten Blättern das Bild eines tapferen reinen Weibes und eines heldischen derben Mannes aufsteigen. Er – ein Mann, den Aeneas Sylvius den glänzenden Stern der deutschen Nation nannte. Sie – ein Weib, vollblütig und voll schelmischer Güte, die so ungeschminkt schreibt wie später die Liselotte.

Dieser galante Kurfürst war Albrecht Achilles, und seine Kurfürstin Anna war es, mit der er diese heißen Briefe wechselt.

Es ist immerhin sehr merkwürdig, daß ein galanter Ehemann den Bericht vom verliebten Hofe eröffnet. Und es wäre zu wünschen gewesen, daß diesem mittelalterlichen Beispiel von manchem Nachfahren nachgeeifert worden wäre, der seine Galanterie mehr außerehelich betätigen zu sollen meinte.

Am »sant niclauss abent« 1474 schreibt die Kurfürstin an ihren Albrecht Achilles:

»Stete lieb mit gantzer trewe zuvor, hochgeporner Fürst, mein herzen allerliebster her und gemahel! ... und schick ewer lieb ein Zetel, das ihr hort, wu ich gewesen pin und wu ich über nacht pin und pit Euch mein herzen allerliebster her, das ir mir oft potschaft wolt tun, wie es ewer liebt gee, wenn mir zeit und weil sunst gar langk ist.«

Am 26. Dezember 1474 schreibt er aus Koblenz zurück:

»Liebe Anna! Als Du uns geschriben hast, wie Du und unsere Kinder frisch und gesundt seit, des sint wir erfreut. Wir sein von den gnaden gots recht stark und werden ser klein. Gott geb, dass es uns gut sey. Wir mercken noch nit anders, die vogel sint allersmeckt, die Du uns geschickt hast. Wir wollen Dir den pfeffer sparn biss heim. Wirt Dir der Hintern groß, so erleidets du es dester bas, lassen wirn genyssen, so er schön ist; wer er türr, wir hielten dest bas hinan. Pfeffer die junckfraun von unser wegen und halt vester bas hinan das sie unser darbey gedenken. So uns Gott glückseliglich heimhilffet, wollen wir dich mit dem jungen Albrecht und die Jungffraun mit der rüten pfeffern ... Auch sag der Hofmeisterin, wir wollen sie auch pfeffern in das gross arssloch ... Und schreib uns allwegen selber mit Deiner Hendt. Und flicht narrnteiding mit darein ...«

Anfang Januar 1474 setzt er die derben Späße fort, indem er nochmals schreibt:

»Und ist mir ein bescheid, dass ich dich und die junckfrauen heur nit gepfeffert habe und han sorg, die hindern werden uch Swindten ... Und darum so iss flugs und tu Dir selber gutlich, dass Dir der unterleger dick bleib.«

Die Kurfürstin schreibt am 9. März 1474 verliebt zurück:

»Ich lass ew lieb wisen mein gross sen und ferlangen, dass ich solich nach ewr lib hab ...«

Der Brief kreuzt sich mit dem des Mannes, in dem er von seinem »podachra« meldet und schließt den Brief mit einem Gedicht, in dem es heißt:

»... und tu mir offt schreiben, anders ich berauff Dir die Geygen und schüttel ihr die porsten bey dem Haar. Gestern im here uff einer panck do was mir die weyl lang.

Am 3. April bekommt er einen Brief, er sei zu lang »ausen«. Der »Eglofsteinerin« – und der »Reygina« – wohl Damen des Hofes – seien schon die Augen »ganz krums ...« Und am 18. Mai 1475 schreibt er aus Zoe einen Brief, der kurz und bündig anhebt:

»Liebe Anna! Ich wil wissen, op Dir der arss grosser oder kleiner worden ... denn da ich von Dir rayt ... Von der Sreberin wegen und der Rosenbergerin. Wenn wir heim kommen, so wollen wir in und den andern junckfrauen besehen an der arsskrynnen, desglichen der marggrefin. Und anders haben wir auch im synne. Darumb mutz den rappen am pauch, das dadurch mus dringen mein slauch. Damit bewar got Dich vor leid. Datum im veld bei Zues an Donerstag in der pfingstwochen.«

Diese kräftigen Stellen stehen in Briefen, die außerdem erfüllt sind von Wendungen, aus denen immer nur das eine klingt: die Sorge und die Sehnsucht des einen um des andern willen – um den Gatten, der im Felde steht, und um die geliebte Frau, die mit den Kindern und den Frauen und Fräulein des Hofes daheim sitzt. Es war wahrscheinlich um 1474 selbst in einem Fürstenschloß noch nicht sehr gemütlich. Der Ton aber, in dem der hohe Herr mit der Frau und ihren Damen brieflich zu verkehren pflegte, scheint nicht nur brieflich sehr frisch gewesen zu sein, besonders wenn man bedenkt, daß das briefliche Wort gegenüber dem gesprochenen ja meist wohl noch gedämpft ist.

Es ist aber mindestens urehrlich. Wenn man weiter bedenkt, welcher Weg von dieser sozusagen legitimen Galanterie eines rauhen Kriegshelden bis zu den lüsternen Versen, Bildern, Bildwerken späterer galanter Zeiten ist, muß man sich dieser ungeschminkten Derbheiten erfreuen. Dieser Achilles muß ja wohl gewußt haben, daß solche »narreteidings« seiner Penelope daheim mehr sagten, als empfindsame Liebes- und Treueschwüre. Er muß gewußt haben, daß diese Frau, die selber so zart und gütig ihre Sehnsucht und Begebnisse in das Feld schreibt, bei diesen wilden Ausbrüchen vielleicht errötet ist, aber dennoch glücklich gelächelt hat.

Diese saftige Sprache des kurfürstlichen Liebesbriefschreibers läßt aber auch auf die unverbrauchte Kraft schließen, mit der solche kriegerischen Herren damals durch die Liebe schritten.

Da ist noch nichts von Übersättigung und sultanischem Greifen nach fremden Frauen, wenn auch unbedingtes Herrentum schon jäh selbst durch die heiße eheliche Liebe herauslodert. Und man kann sich sehr leicht vorstellen, wie es solche Herren in dieser Zeit und wenig später machten, wenn ihr Liebeswille einmal auf galanten Wegen außerhalb der Ehe sich bewegte.


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