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Mitten hinein in das Mittelalter und seine Gewaltsamkeiten und Übergriffe, die sich die Fürsten jener Zeit erlaubten, führt die Liebesgeschichte Joachims I. mit der jungen Frau des Berliner Bürgers Hornung. Joachim I. war 1499, kaum fünfzehn Jahre alt, zur Regierung gekommen. Er war der Fürst, der dem Räuberwesen ein Ende machen wollte – und doch das Räuberleben Michael Kohlhases nicht hindern konnte. Er, der eine priesterliche Erziehung erhalten hatte, wollte der Reformation zu Leibe gehen – und zwar gewaltsam. Und mußte es erleben, daß seine Untertanen reformationslustig wurden – und seine Frau selbst lutherisch wurde. Er hielt am alten Glauben fest, wohl aus monarchistischer Opposition gegen das Volk, das sich selbst sein Bekenntnis wählte – und auch, weil er glaubte, der neue Glauben könne die Sitten lockern.
Und doch hätte ihn, den Altgläubigen, sein eigenes Leben lehren müssen, wie wenig der alte Glaube, wie wenig der Glaube überhaupt das Sittenleben beeinflußt und bestimmt.
In dem Jahre, als er sich mit anderen streng katholischen Fürsten zu gemeinsamer Aktion gegen die neue religiöse Bewegung verbunden hatte, im Jahre 1525 hatte er die junge Frau eines seiner Zechgenossen kennengelernt. Sie war die Tochter eines Berliner Bürgermeisters, gehörte also zu jenen patrizischen Bürgerfamilien, die in dem Berlin des 16. Jahrhunderts an dem Hofleben teilnahmen. Berlin war zu jener Zeit erst die kleinstädtische Residenz eines kleinen Staates, der kaum die Größe einer heutigen Provinz hatte. Das eigentliche Herz Norddeutschlands war damals Wittenberg, wo Luther und sein Kreis lebten und lehrten.
In Berlin war man noch weit entfernt von irgendwelchem Geistesleben. Der Verkehr zwischen Fürst und den Hoffähigen beschränkte sich auf gemeinsame, ziemlich gewöhnliche Festivitäten, die fast immer in Gelage ausarteten. An diesen beteiligte sich auch Wolf Hornung freundschaftlich. Anfänglich merkte er nicht, wie es zwischen seinem Fürsten und seiner jungen Frau stand, die er erst vor einem Jahre geheiratet, und die eben erst Mutter einer Tochter geworden war. Und als er dahinter kam, daß Joachim sich in die junge Frau verliebt hatte – mit Erfolg verliebt hatte –, versuchte der Kurfürst ihn in Frieden zu überreden, der Frau zu erlauben, daß sie zu ihrem Liebhaber gehe, sobald er nach ihr schicke. Maurenbrecher schildert in seiner Hohenzollernlegende den Gang dieses Liebesverhältnisses mit rechter Offenheit: In einem Gespräche zwischen dem Kurfürsten und dem jungen, betrogenen Ehemann fällt das charakteristische Wort:
»Wenns gleich nicht die wäre, so wäre es eine andere; denn ihm hätte in 18 Jahren noch keine gemangelt!«
Ein Satz, der das Privatleben dieses Kurfürsten blitzartig beleuchtet.
In einem Augenblick furchtsamer Verwirrung gibt der Gatte nach, dann reut es ihn; in einer heftigen Szene mit seiner Frau kommt es zu Drohungen, zum Streit, zu Tätlichkeiten. Sein Messer trifft die Frau, ohne sie ernstlich zu verletzen; sie entwindet sich ihm und entflieht. Diese Gelegenheit benutzt der Kurfürst, in dessen Gemächern sie sich versteckt hält. Er ruft den Hornung zu sich und gibt vor, die Familie der Frau habe eine Klage gegen ihn eingereicht, droht ihm mit peinlichem Verhör und peinlicher Strafe. Der eingeschüchterte Bürger unterschreibt einen Zettel, auf dem er sich verpflichtet, sofort das Land zu verlassen und fern zu bleiben, bis der Kurfürst selbst ihm die Rückkehr gestatte. Zu seinem Eigentum durfte er nicht zurück. In ein Haus, das ihm bezeichnet wurde, brachte man ihm ein Pferd. Da saß er auf und ritt aus dem Land.
Von auswärts fragt er bei der Mutter der Frau an, warum sie ihn so bitter verklagt hat. Die Antwort lautet, sie wüßten nichts gegen ihn vorzubringen und hätten auch keine Anklage getan. Nun macht Hornung selbstverständlich ein Gesuch an den Kurfürsten, das ihm sein Unrecht vorhält und um Wiederaufnahme im Lande bittet. Der aber lehnt es kurz und schneidend ab.
Es folgt ein langer Briefwechsel. Der Gatte schreibt an seine Frau und den Kurfürsten, auch noch besonders an die kurfürstlichen Räte. Der Kurfürst befiehlt der Frau, zu antworten, natürlich im Ton schroffer Abweisung und verletzten Stolzes. Daneben aber treffen den Mann Briefe voller Zerknirschung, voll herzlicher Reue und voll heißen Wunsches nach Frieden. Jene, die abweisenden, die in den Akten noch heute vorliegen, sind mit schöner Kanzlistenhandschrift geschrieben, die voll Reue und Klage zeigen unbeholfene, schwerfällige Schrift. Es liegt auf der Hand, daß jene vom Fürsten diktiert, diese heimlich hinter des Gewalthabers Rücken von der Frau mit anderer Hilfe selbst abgefaßt sind.
Auch ein Briefwechsel der Frau mit dem Kurfürsten liegt vor. Auf die Forderung des Kurfürsten, zur Nacht zu ihm zu kommen, antwortet die Frau voll Reue und unter Berufung auf die heilige Schrift. Der Kurfürst antwortet: »Ich han Euer weislich und bedächtig Schreiben vermerkt und kann annehmen, daß der heilige Geist ist zu Euch gefahren und aus Euch redet. Und will Euch darauf nicht bergen, daß mich nicht wenig Eure große Innigkeit und Bekehrung verwundert, nachdem doch Euch und mir unverborgen, wer ihr gewest seid.« So spottet der Mann, der öffentlich so sehr für den wahren Glauben kämpfte. An einer anderen Stelle sagt er, wenn sie ziehen wolle, solle sie ziehen. Er werde nichts gegen sie vornehmen. Auch Kleider und Kleinodien begehre er nicht zurück. »Willst Du aber dieselben mir darüber zu Schimpf wiederschicken, das muß ich leiden, und dieselben wiederum an den Ort und Stelle wenden, da sich mehr Dank und Liebe und Treue befinden möge, dann bei Dir geschehen.«
Wolf Hornung wendete sich nun an Luther. Der nahm sich gern der Sache an, bestellte den Mann zu sich und unterstützte ihn, da der Mann gänzlich verarmt war, gelegentlich auch mit Geld. Auch schrieb er für ihn Briefe an seine Frau und deren Mutter.
Luther griff, nachdem die Kurfürstin geflohen und in der neuen religiösen Bewegung Trost für die Ehebrüche ihres Gatten gefunden hatte, den Fall Hornung mit größter Lebhaftigkeit auf. Er meinte, wenn darein sehen nicht helfe, so muß darein schlagen helfen. Er sprach von Huren und Buben und äußerte, er werde dem kurfürstlichen Hut ins Futter greifen, daß die Haare emporstieben. Aber selbst diese Briefe und die derbe Sprache, die Luther zum Führer des deutschen Volkes gemacht hatte, halfen nicht. Auch Flugschriften, in denen er die ganze Skandalgeschichte erzählte, nutzten dem Wolf Hornung nicht. Der Kurfürst konnte es sich ja damals noch leisten, auf Despotenweise sich das Weib eines andern gefällig zu machen und anzueignen. So hatte Wolf Hornung Frau und Existenz und Vermögen verloren und erfahren müssen, wie gefährlich und zweischneidig oft die Freundschaft hoher Herren ist.