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Der galante Vormärz

siehe Bildunterschrift

Fürst PückIer-Muskau:
Der Lebemann des Vormärz.

s

Jenny von Bülow an Pückler.

»Unter den zu vielen Blumen, womit es Euer Durchlaucht gefallen hat, den Gewinnst unserer Spielpartie an mich abzutragen, hat sich ein Ring gefunden, der auf jeden Fall nur aus irgend einem Irrtum, vielleicht nur durch meinen unschuldigen Vornamen veranlaßt, an mich gekommen sein kann, da sonst alles gar nicht paßt. Ich bedaure den Irrtum und eile, den Ring mit dem Blatte darin Eure Durchlaucht hiermit unverweilt zurückzustellen. Jenny von Bülow.«

Pückler an Jenny von Bülow.

»....., im Januar 1832.

Der Ring, mein gnädiges Fräulein, der sich in Ihren Blumen gefunden, war nur als ein ganz harmloser goldner Reif dazu bestimmt, die Rolle scherzhafter Reime zusammenzuhalten, welche Sie in gleichem Scherz verlangt.

Es tut mir leid, mein Fräulein, wenn Sie in der Abtragung meiner Schulden eben sowohl zu viel Blumen als zu viel Scherz gefunden.

Zum Spaß verstehen, gehört immer eine gütige Auslegung, versagt man diese, so wird auch der leichteste schwer und eckig.

Verzeihen Sie jedenfalls meine ungeschickte Beurteilung, und bedenken Sie, daß man den Reimschmieden überall etwas mehr Freiheit erlaubt, die man licentia poetica zu nennen pflegt.

Mit höchster Verehrung, mein gnädiges Fräulein, Ihr H. Pückler.«

siehe Bildunterschrift

Hosemann:
Die vom Lebemann beschenkte Grisette.
(Um 1842)

Nicht alle seine Versuche anzuknüpfen sind so negativ ausgefallen. Aber es kam eben eine andere Zeit, die dem gütigen Kavalier nicht mehr so hold war. Auch die Frauen wurden anders, waren nicht mehr nur das leicht durch ein wenig Anbetung oder durch eine kleine Bestürmung zu erobernde Weibchen. Der bekannte Schriftsteller A. von Sternberg berichtet z. B. in seinen Erinnerungsblättern von Therese von Bacherach, die nach 1848 nach Berlin kam. In ihrem Zimmer im Gasthof kam man zusammen, nicht um Tee zu trinken, was schon als unzeitgemäß und veraltet betrachtet wurde, sondern um Koteletts zu verspeisen und Bier zu trinken. Hier und da brachte die schöne Therese auch ganz verstohlen eine Zigarre zum Vorschein, und unter ungeheurem Applaus der Männer steckte sie sie zwischen die Lippen. Alles neu, alles reizend. – Wäre Therese nicht so schön und liebenswürdig gewesen, es hätte unleidlich sein können. Sie hatte ein Freundschaftsbündnis mit Fanny Lewald und ein mehr begreifliches Bündnis mit dem Träger eines unserer größeren Literaturnamen. –

Im Vormärz war es auch, wo sich eine neue galante Massenpsychose einstellte: das war die Künstlerverehrung. Sie zeigte sich ganz besonders alles überflutend, als Franz Liszt seine Triumphe auch in Berlin einheimste. Zeitgenossen meinten, er zöge davon wie der Große Kurfürst auf der Langen Brücke: Vier Berliner Damen als Sklavinnen zu seinen Füßen ...

Diese Künstlerverehrung hat ein eigenes Kapitel der Galanterien eröffnet. Zahllose Anekdoten und Geschichtchen ließen sich hier erzählen. Aber sie laufen doch fast alle auf jene Szenen hinaus, wie sie Frank Wedekind in seinem »Kammersänger« schildert. –

Die Stellung der Männerwelt zu den Frauen hatte sich jedenfalls in der Form wesentlich geändert. Die aufmerksame Huldigung und Annäherung, wie sie noch Fürst Pückler gezeigt, war nicht mehr üblich. Sie war wohl auch den selbständigen Erscheinungen wie der Elise von Bacherach gegenüber nicht passend. Die Mehrzahl der Frauen nach 1850 jedoch soll abweisend und kühl gewesen sein. Jedes heitere Wort, jeder anmutige und belebte Scherz soll sie in eine tugendhafte Entrüstung versetzt haben. Sternberg schildert äußerst amüsant die damalige Stellung der Geschlechter zueinander in einem Gespräch einer älteren und einer jungen Dame:

Die Ältere (den Blick in das Nebenzimmer richtend):

»Bemerken Sie, Liebe, wie sich die zwei jungen Flegel dort betragen; ich betrachte sie schon seit einem Viertelstündchen und ärgere mich an ihnen. Wozu sie eigentlich hierher gekommen, begreife ich nicht, denn abgesehen davon, daß manches junge Mädchen unaufgefordert dasitzt und auf einen Tänzer wartet, scheinen sie auch in anderen Beziehungen nicht zu ahnen, weshalb man sie eingeladen hat. Ist das ein Betragen! Der eine sitzt auf dem Sopha, während eine Dame vor ihm steht, der andere wälzt sich auf dem Stuhl in einer Weise, wie ich es selbst in meinem Bedientenzimmer nicht sehen würde, wenn ich unerwartet hineinträte. Am widerwärtigsten ist mir jedoch jener junge Mann mit dem eingeklemmten Glase, das seinem mageren, bärtigen, häßlichen Gesicht vollends einen affenähnlichen Ausdruck gibt, der sich mit zwei Damen unterhält. Er ist zugleich kalt, frech und ungeniert. Ich bedaure die armen Damen, die sich in dieser Form den Hof machen lassen; ich meinesteils würde dem Patron hübsch den Rücken drehen. Ist das die Art, mit jungen Damen aus der Gesellschaft zu sprechen. Aber freilich, wo lernen die jungen Männer heutzutage das Courmachen.«

Die Jüngere: »Du lieber Himmel, müssen sie denn das lernen?«

Die Ältere: »Ja, mein Kind, das müssen sie. Es ist dies eine Kunst, die vollkommen erlernt werden muß. Zum Courmachen gehört, daß ein junger Mann sich um die Gunst einer Dame bewerbe.«

Die Jüngere: »Ach – Sie meinen um die Hand der Dame anhalten?«

Die Ältere: »Nein, das meine ich nicht. Von einer beabsichtigten Ehe ist hier gar nicht die Rede.«

Die Jüngere: »Alsdann finde ich es unmoralisch. Unsere jetzigen jungen Herren denken zu ernst und zu sittlich über diesen Punkt, um irgend einer Frivolität, wie sie früher wohl geherrscht haben mag, Raum zu geben.«

siehe Bildunterschrift

L. Löffler: So sind sie alle!
(Die Verliebte bei einem heimlichen Besuch im Zimmer ihres Freundes.) (Um 1860)

Die Ältere: »Das ist zum Lachen. Aus Sittlichkeitsgründen glauben Sie, teure Freundin, daß jene Flegel dort sich von den jungen Damen fern halten? Nein – nein! Da hab ich auch ein Bischen Kenntniß von dem heutigen jungen Männergeschlecht. Sie sind zu bequem und verstehen es auch nicht mehr, anständigen Frauen zu gefallen. Eine Eroberung, die mit der Cigarre im Mund und im Schlafrock gemacht werden kann, dazu geben sie sich allenfalls her, und eine Beute, die ihnen aufs Zimmer kommt, nehmen sie allergnädigst in Empfang; weiter gehen ihre Anstrengungen nicht.«

Die Jüngere: »Es wäre traurig, wenn es so wäre.«

Die Ältere: »Es ist so. Darum sprechen Sie mir nicht von Sittlichkeit; die heutige junge Männerwelt ist sittenlos und roh zugleich, während die frühere – ich gebe es zu, auch nicht eben sittenrein, aber dabei anstandsvoll, gebildet und liebenswert war.«

Die Jüngere: »Ich glaube, die Männer haben nie viel getaugt; besonders die jungen.«

Die Ältere: »Ach – und sie gewähren uns doch hier und da so unendliches Vergnügen – diese Schändlichen!« (Dieses sprach die Matrone mit einem Ausdruck, der zwischen Schalkhaftigkeit und zärtlicher Schwärmerei die Mitte hielt, und sie unbeschreiblich reizend kleidete. Sie wurde in diesem Augenblick wieder achtzehn Jahr alt.)


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