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Des großen Friedrich Erlebnisse mit Frauen mögen einen – vielleicht nicht unwesentlichen – Teil im Wesen dieses Mannes erklären.
Die erste Frauengestalt, mit der ein Verhältnis des jungen Friedrich verbürgt ist – die Orselska – war eine Dame vom Hofe August des Starken in Dresden. Dieser Hof gehörte zu den lockersten und ausgelassensten von ganz Europa. Und diese Ausgelassenheit verschaffte auch dem unter der väterlichen pedantischen Strenge Friedrich Wilhelms I. schwer leidenden Sechzehnjährigen ein wenig Luft – er verfiel der Art des sächsischen Hofes und der schönen Orselska.
Über den traurigen Ausgang des frühen Abenteuers mit der armen mißhandelten Kantorstochter hatte er sich bald zu trösten gewußt – wenn überhaupt er in Liebessachen des Trostes bedurfte: für ihn bestanden kaum gemütvolle Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern.
Wenigstens muß man das für seine Jugend annehmen, wenn man liest, was damals z. B. Seckendorf am 29. März 1733 an den Prinzen Eugen aus Berlin schrieb:
»Sein größter Konfident ist der Natzmer, welcher sich zu allen verbotenen Handlungen und vornehmlichst Liebesgeschichten sich gebrauchen läßt. Dieses ist die stärkste Passion, so man allerdings bei den Kronprinzen, noch zur Zeit remarkiert, deswegen viele Unordnung zu befürchten, wenn es zur Wissenschaft des Königs kommen sollte. Man hält aber dafür, daß die Kräfte des Körpers die Neigung des bösen Willens nicht genug sekundieren, folglich der Kronprinz in seinen Galanterien mehr einen eitlen Ruhm sucht, als eine sündliche Neigung. In der geheimen Relation finden Sie, wie ich mich gegen den Prinzen wegen der Geldhilfe betrage. Daß er allerorten schuldig, ist sicher, daher im geheim zu Abtragung seiner Schulden mich erboten, allein da er den flüchtigen Natzmer mit in das Geheimnis ziehen und das bare Geld in Händen haben will, so wäre allzu gefährlich, solches zu wagen, weil die um den Kronprinzen seienden Domestiken seinen Vorrat von Geld würden gemerkt und dem Könige davon Nachricht gegeben haben, maaßen seine Kammerdiener, Lakaien und Pagen bei Verlust von Leib, Leben, Ehre und Reputation angewiesen sind, dem Könige von dem, was sie von dem Kronprinzen sehen und erfahren Rapport abzustatten. Dabei ist zu fürchten, er verschenket das, was man ihm giebt, an die Maitressen.«
Diese Gefahr scheint jedoch nur eingebildet gewesen zu sein. Der Kronprinz hatte ganz andere Interessen und Erlebnisse. So war ihm z. B. die schwere Zeit der Haft in Küstrin durch die Zusammenkünfte mit der schönen Frau von Wrech versüßt worden.
Nordöstlich von Küstrin hatte der brandenburgische General und Feldmarschall von Schöning das Schloß Tamsel erbauen und mit der üppigen Pracht aus der Zeit des »Sonnenkönigs« Ludwigs XIV. ausstatten lassen. Französische Möbel und Wandteppiche, reicher Stuck an den Decken, kostbare Holzbekleidung an den Wänden, eiserne, zierlich geschmiedete und vergoldete Treppengeländer, lebensgroße Bilder des Marschalls und seiner Gemahlin – er hoch zu Roß mit dem Marschallstabe, sie von ihren Kindern umgeben –, alles in üppigen Holzrahmen. Der Park war auf holländische Weise mit verschnittenen Alleen angelegt und zeigte zwischen Flieder-, Jasmin- und Rosenhecken Ausblicke auf das Dorf mit seiner Kirche, auf die Felder und Wiesen des Warthebruchs und auf den Fluß mit leuchtenden Segeln sowie auf eine Terrasse mit Götterbildern, Vasen und Rosenhecken.
Im Spätsommer 1731 wurde hier der noch nicht zwanzigjährige Kronprinz der schönen Enkelin des Schloßerbauers, der dreiundzwanzigjährigen Luise Eleonore von Wrech vorgestellt, die 1723 den zwanzig Jahre älteren Oberst Adolf Friedrich von Wrech geheiratet hatte. Die junge Schloßherrin bezauberte durch ihre Anmut den Kronprinzen derart, daß er am Nachmittag bei einer Entenjagd »oft gefehlet und nichts geschossen« hatte.
Friedrich benutzte bald jede Möglichkeit, jene »Meisterschöpfung des Himmels« wiederzusehen. Am 31. August war er schon wieder in Tamsel, angeblich um die Haushaltung des Schloßherrn zu besichtigen. Einige Tage später wußte er seiner Angebeteten auf dem benachbarten Gute ihrer Mutter zu begegnen, wo er sich wieder an ihrem Anblick berauschen konnte und unter Scherzen und Lachen »nach gründlichen genealogischen Untersuchungen« feststellte, daß sie eigentlich Vetter und Base seien.
Ein Machtgebot seines Vaters gestattete ihm erst am 4. Oktober ein Wiedersehen, bei dem Friedrich nicht imstande war, seine Empfindungen zu verbergen. »Er sprach lange Zeit mit Frau von Wrech, die ihm nicht gleichgültig zu sein scheint; aber sie strahlte ja auch in ihrer Schönheit, mit ihrem Teint von Rosen und Lilien,« berichtete ein anderer Gast.
Bald bat Friedrich die Schloßherrin in einem ganz mit dem zierlichen Bombast jener Zeit beladenen Schreiben, sie als seine Muse anrufen zu dürfen, da es ja unmöglich sei, »im Namen einer so vollkommenen Person etwas Schlechtes hervorzubringen«. Er hoffte, die neun Musen würden Frau von Wrech als zehnte Mitschwester anerkennen, falls nicht etwa noch im letzten Augenblick die weibliche Eifersucht auf ihren Esprit, ihr Talent und ihre Schönheit die Oberhand gewänne. Er nannte Tamsel die »Insel der Kalypso« und schickte ihr, nachdem seine Neigung in eine tiefe Leidenschaft übergegangen war, eine Ode, in der es heißt:
Sei du mein Schicksal, reiß mich aus der Qual der Bangen;
Denn nur aus deiner Hand will ich mein Los empfangen.
Sie antwortete scherzend und verweisend. Er aber sandte neue Liebesgedichte und traf schließlich im November in Berlin, wo er an der Vermählungsfeier seiner Lieblingsschwester Wilhelmine teilnahm, mit Frau von Wrech zusammen. Er konnte ihr zwar nur guten Tag und Lebewohl sagen, verhimmelte sie aber wieder: sie sei die Königin des ganzen Festes gewesen, nicht durch äußeren Prunk, wohl aber durch ihre Schönheit, ihre majestätische Gestalt und ihr ganzes Auftreten habe sie alle Hofdamen und Prinzessinnen völlig in Schatten gestellt. »Es war mir damals so zumute, als wäre ich tatsächlich ein Tantalus; immer reizte es mich, mit einem so himmlischen Wesen zu reden, und doch sah ich mich stets zum Schweigen verdammt.«
Er bevorzugte sie während seines kurzen Berliner Aufenthalts so auffällig, daß sie in den Verdacht kam, mit ihm ein unerlaubtes Liebesverhältnis zu unterhalten. Ja, von der Tochter, die sie am 27. Mai 1732 gebar, ging die Rede, daß es Friedrichs eigenes Kind sei.
Er legte sich allerdings später im Verkehr auf der »Insel der Kalypso« größere Zurückhaltung auf, sandte ihr aber beim Abschied von Küstrin sein Bild, nachdem er angefragt, ob sie es in großem, in kleinem oder in Miniaturformat hatte haben wollen: »Das Original steht ganz und gar zu Ihren Diensten. Was jedoch die Kopien betrifft, so wird, wie mir scheint, die kleinste Miniatur das Richtigste sein, denn ein kleines Übel ist einem großen vorzuziehen.«
Wahrscheinlich ist Friedrich noch öfter in Ruppin und Rheinsberg oder anderwärts mit Frau von Wrech zusammengetroffen. Er war lange von ihr entzückt und schrieb noch 1737 an Voltaire u.a.: »In der Blüte meiner Jugend flößte mir ein liebenswürdiges Wesen zwei Leidenschaften auf einmal ein. Wie Sie wohl erraten, war die eine die Liebe, die andere die Poesie ... In der Liebe erzielte ich einige Erfolge, in der Poesie indessen nur geringe. Seitdem bin ich häufig verliebt gewesen, zu jeder Zeit aber ein Poet.«
Nach dem Tode ihres Gatten (1746) lebte Frau von Wrech öfters in Berlin, wo aber über ihr kokettes Wesen und ihre jugendliche Kleidung, die mit ihrem Alter nicht mehr übereinstimmte, gespottet wurde. Als einundfünfzigjährige Großmutter eröffnete sie, mit tief ausgeschnittenem Kostüm, einen großen Ball, um bis morgens sieben Uhr draufloszutanzen. Im Siebenjährigen Krieg wurde ihr Schloß, diese »Insel der Kalypso«, wo den großen Friedrich wohl seine Hauptleidenschaft erfaßt hatte, von den Feinden verwüstet. Er brachte kurz nach dem Friedensschluß seiner ehemaligen zehnten Muse ein Geldgeschenk dar, daß sie das prächtige Idyll wieder instand setzen möge. Sie konnte sich nur wenige Monate ihres wiedergewonnenen Besitzes erfreuen und starb nach einer schmerzhaften Krankheit im Oktober 1764 zu Berlin.
Nach seiner Küstriner Zeit schlug der endlich begnadigte Kronprinz sein Hoflager in Neuruppin und in Rheinsberg auf. Die Rheinsberger Jahre waren Jahre tollen Übermuts. Noch heute – nach fast 200 Jahren erzählt man in der Rheinsberger Gegend von dem Liebesroman des jungen Fritzen mit der schönen Förstertochter von Bienenwalde. Schloß Rheinsberg und Neuruppin – wie Sanssouci und Potsdam: Musensitz und Garnison in guter Nachbarschaft – sie waren auf der Grenze zwischen Barock und Rokoko der Sitz des ausgelassenen Jungfritzentums ... In großer Geselligkeit, in Theaterspielen, Konzerten, üppigen Festlichkeiten, die unablässig zwischen Regierungsgeschäfte, Paraden und Feldübungen eingeschoben wurden, konnte sich die überschäumende Lebenskraft des jugendlichen Friedrich hier austoben. Er war zwar wider seinen Willen mit einer ungeliebten braunschweigischen Prinzessin verlobt worden; sie aber ließ ihm jeden Willen. Sie fühlte wohl seine überragende Bedeutung und wurde nicht zum Spielverderber. Sie machte vielmehr die Rheinsberger ausgelassenen Feste kameradschaftlich mit. Diese Feste arteten manchmal in fröhliche, ja fast derbe Spaße aus. Die ganze Gesellschaft saß beim fröhlichen Mahl: der Kronprinz, seine Gemahlin, seine Adjutanten, verschiedene Militärs und Beamte, Musiker und vor allem auch schöne Frauen. Alle festlich gekleidet in üppiger Rokokotracht, in Samt und Seide, goldbestickt und mit Juwelen und Spitzen übersät. Die mit Porzellan und Silber besetzte Tafel überstrahlt von zahlreichen Kerzen, die in Kristalleuchtern von der Decke hingen. Voll Übermut trank der Kronprinz den Anwesenden so lange zu, bis eine der Schönen sogar die Etikette brechen und verschwinden mußte und schließlich bis sie alle krank lagen.
Eine der Favoritinnen in Rheinsberg war Frau von Brandt. Sie durfte sich, nach Dr. Arnheim, rühmen, sogar mit dem französischen Dichterfürsten Voltaire in schriftlichem Verkehr gestanden zu haben. Dieser jungen Zierde des Rheinsberger Kreises sollte es lange beschieden sein, unter dem schmeichelhaften Beinamen »die Schöne« eine bevorzugte Stellung in der preußischen Hofgesellschaft einzunehmen.
Luise von Brandt, eine Tochter des preußischen Etatsministers Ernst Bogislav von Kameke, zählte zwanzig Jahre, als sie sich 1730 mit dem um sechzehn Jahre älteren, »gelehrten und in allen Wissenschaften erfahrenen« Kammerherrn Christoph Wilhelm von Brandt verheiratete. Ihr Gatte, der im August 1740 Oberhofmeister der Königinmutter Sophie Dorothee wurde und am 27. April 1743 nach längerer Krankheit starb, war nicht nur wegen seiner gründlichen Bildung und seines vorzüglichen Cellospiels, sondern vor allem auch wegen seines schauspielerischen Talents jederzeit im Kronprinzenschlosse am Grinericksee ein hochwillkommener Gast. Galt er doch als ein unübertrefflicher Regisseur, so daß nach seiner Ankunft die Schloßbewohner regelmäßig von einer förmlichen Theaterleidenschaft erfaßt wurden. Vielleicht noch größere Freude aber herrschte im Rheinsberger Kreise, wenn er seine kluge und anmutige Gemahlin mitbrachte, die um so lieber nach Rheinsberg kam, als sie damals in den jungen Thronerben ernstlich verliebt war.
Auch Frau von Brandt war dem Herzen Friedrichs eine Zeitlang keineswegs gleichgültig. Beide wechselten im Frühjahr 1736 Briefe miteinander, deren Ton das in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts übliche Maß von Galanterie bisweilen etwas überschritten zu haben scheint. Indessen handelte es sich wenigstens bei dem Schloßherrn anscheinend um eine schnell vorübergehende Neigung platonischer Art, die im wesentlichen wohl der lebhaften Bewunderung entsprang, die er den geistigen Fähigkeiten der Frau von Brandt zollte. Sie war es denn auch, die er dazu ausersah, den guten Ruf des in Rheinsberg verkehrenden schönen Geschlechts wiederherzustellen, als ein weibliches Mitglied der preußischen Hofgesellschaft, vielleicht Frau von Wrech, im Frühjahr 1738 an Voltaire eine »unverständliche Epistel« übersandt hatte, die, den Worten des Kronprinzen zufolge, »ein Meisterstück von Überspanntheit« war, und deren Stil nur allzu deutlich zeigte, daß die Verfasserin, »ein heldenmütiger Don Quichote in schöngeistiger Hinsicht«, mit dem gesunden Menschenverstand auf ziemlich gespanntem Fuße stand. »Beurteilen Sie, bitte, nicht alle unsere Damen nach jener Probe,« schrieb Friedrich damals dem befreundeten Dichter. »Seien Sie vielmehr davon überzeugt, daß es unter ihnen auch solche gibt, deren Esprit und deren Gesicht Ihnen durchaus nicht verdammenswert erscheinen würde. Ich muß ausdrücklich einige Worte zu ihren Gunsten sagen, denn sie verleihen dem geselligen Verkehr einen unsagbaren Reiz; sie sind, wenn ich selbst von der Galanterie vollkommen absehe, von unumgänglicher Notwendigkeit im gesellschaftlichen Leben, und ohne sie schläft jede Unterhaltung ein.«
Da Frau von Brandt, wie er aus mehrjährigen Erfahrungen wußte, das dankenswerte Talent besaß, nicht nur »sich mit Anmut auszudrücken«, sondern auch »hübsch« und »ungekünstelt« zu schreiben, erteilte er ihr den Auftrag, das Beispiel ihrer »Kameradin« nachzumachen und sich gleichfalls schriftlich an Voltaire zu wenden. Die Folge hiervon war, daß diese beiden »nordischen Königinnen von Saba« nach einigen Wochen von dem »Salomon von Cirey« eine zum Teil in Versen abgefaßte Antwort empfingen, die eine »höchst belehrende Betrachtung« über die Art und Weise enthielt, in der sie ihre eigene Liebesleidenschaft unterdrücken und besiegen können.
Am 1. Dezember 1740, kurz vor seiner Abreise aus Berlin, übersandte Voltaire dem jungen Monarchen folgende, auf Frau von Brandt gemünzte Verse:
Ich sah die schmachtend schöne Hebe,
Die einst in Briefen mich fragte,
Ob's Rettung vor der Liebe gäbe.
Als guter Arzt ich ihr sagte:
»Die Untreue, mein liebes Frauchen.«
Dies Mittel schien ihr höchst vernünftig:
Sie nahm's bis jetzt und wird's auch künftig
Noch lange mit Erfolg gebrauchen.
In diesen scherzhaften und wohl kaum wörtlich aufzufassenden Versen hat der französische Dichter den grundlegenden Unterschied zwischen der auch zur Rheinsberger Gesellschaft gehörenden Baronin von Morrien und ihrer geistvollen, aber etwas frivolen Freundin Frau von Brandt klar und scharf gekennzeichnet. Während »Frau Wirbelwind« zwischen dem »Zuviel« und dem »Zuwenig« stets die richtige Mitte zu treffen wußte, trug Frau von Brandt aus Eitelkeit und Gefallsucht ein so kokettes Wesen der Männerwelt gegenüber zur Schau, daß es wirklich nicht wundernehmen kann, wenn sie sich frühzeitig den wenig beneidenswerten Ruf einer etwas leichtsinnigen Dame zuzog. Schon im Sommer 1738 verkehrte sie in Aachen mit dem galanten Kurfürsten Klemens August von Köln in einer so auffälligen Weise, daß bald allerlei häßliche Gerüchte über sie auftauchten, zumal der Erzbischof sie bei ihrer Abreise mit prächtigen Schmuckgegenständen beschenkt hatte. Vor allem aber erregte sie nach dem Hinscheiden ihres Gatten (1743) durch ihre ungebundene und unstete, für eine trauernde Witwe nicht eben passende Lebensweise wiederholt lebhaftes Ärgernis. So erzählte man sich beispielsweise in Stockholm voller Entrüstung, daß sie im August 1744, also kaum nach Ablauf des Trauerjahrs, sich in Hamburg ein Stelldichein mit dem Kölner Erzbischof gegeben und in dessen Begleitung öffentliche Maskenbälle besucht habe. Ja, im Sommer des folgenden Jahres brachte sie es durch ihr unvorsichtiges Auftreten sogar dahin, daß der König Friedrich bei der Oberhofmeisterin Gräfin von Camas, zur großen Betrübnis dieser würdigen Dame, über das leichtsinnige Benehmen ihrer Schwägerin Beschwerde führte, und daß die Kronprinzessin Luise Ulrike ihren Berliner Angehörigen den Vorschlag machte, man solle jener Frau künftig das Erscheinen am preußischen Hofe ganz und gar verbieten. Wohl gelang es damals der Gräfin Camas anscheinend mit leichter Mühe, eine Versöhnung des Königs mit der Gemahlin ihres verstorbenen Bruders herbeizuführen, zumal es sich bald herausstellte, daß die gegen diese erhobenen Vorwürfe nichts weiter als böswillige Ausstreuungen ihrer höfischen Neider waren. Aber auch in der Folge wollte diese üble Nachrede über sie nicht verstummen. Durchblättert man beispielsweise die Tagebücher des Grafen Lehndorff, so erhält man den Eindruck, daß kaum eine andere Dame der damaligen preußischen Hofgesellschaft einen so schlechten Leumund besessen hat wie Frau von Brandt.
Friedrich selbst wird kaum aus eigener Initiative gegen die schöne Frau Beschwerde geführt haben. Derartige moralische Anwandlungen lagen nicht in seinem Wesen. Nach der Küstriner Gefangenschaft war er ja selbst in seinen erotischen Unternehmungen so wenig wählerisch wie Prinz Eugen oder der alte Dessauer. In einem Brief vom 25. September 1732 an Grumbkow drückt er das selbst aus:
»Telle nymphe villageoise, embaumè d'odeur de Koustall d'ial plaira mieux que la Comtesse (Dönhoff) avec tous ses airs précieux.«
Des Dienstes, den ihm Suhm, der sächsische Gesandte, bei einem erotischen Unfall, der kurz nach seiner Vermählung eintrat, erwies, sei hier beiläufig gedacht. Nach dem Ritter Zimmermann war dieser Unfall von drastischen Folgen, unheilbar und der Geschlechtspotenz Eintrag tuend. Eine Operation mußte helfen. Das soll der geheime Grund gewesen sein, daß Friedrich so kategorisch die Sektion nach seinem Abscheiden untersagte, die bekanntlich dennoch erfolgte.
So lebte Friedrich der Große mehr als zwanzig Jahre bis zu den Zeiten des Siebenjährigen Krieges, die wieder einen Lebensabschluß bei ihm machten. 1757 noch schreibt ihm sein Vertrauter, der Tresorier Fredersdorf:
»Ew. Kön. Maj. seindt nicht Liederlich, dieses dient zu Ew. Kön. Maj. Kostbahren Gesundheit.« Aber der König trägt ihm auf: »Petit kann den Menschen schicken und kann er eine hübsche H .... mit Kriegen, so ist es auch gut, den die fehlet uns auch.«
Friedrichs erzwungene Heirat mit der braunschweigischen Prinzessin Elisabeth Christine war seiner innersten Natur zuwider gewesen. Er gestand zwar seiner Schwester, der Markgräfin von Bayreuth, daß er seine Gemahlin nicht so unleidlich finde, er hoffe, sie werde sich noch bilden lassen. In Rheinsberg lebte er anscheinend ganz zufrieden mit ihr, jedoch ohne Kinder zu erhalten. Aber nach seiner Thronbesteigung erfüllte er, was er schon vor der Heirat geplant hatte. Er zog sich in seine Junggeselleneinsamkeit nach Sanssouci zurück; nicht ein einziges Mal ist die Königin hierhin gekommen. Er wies, sobald er den Thron bestiegen hatte, seiner Gemahlin das Schloß Schönhausen zum Sommeraufenthalt an; hierhin ist Friedrich nur ein einziges Mal gekommen, im Jahre 1744 beim Verlobungsfeste seiner Schwester, der nachherigen Königin von Schweden. Nach dem Tode seiner Mutter überließ er seiner Gemahlin auch noch Monbijou. Er sah sie nur sehr selten.
Doch hatte er für andere Frauen immer noch etwas übrig. (Seiner schönen Tänzerin Barberina wird ein besonderes Kapitel gewidmet.) Außerdem aber hielt Friedrich mit der Prinzessin Amalie gewöhnlich am letzten Jahrestag in Berlin im Schlosse eine sogenannte table de confidence an der Maschinentafel, zu der die Speisen durch ein Triebwerk in das Speisezimmer im zweiten Stock gehoben wurden, so daß keine Bedienten nötig waren; neben jedem Kuvert stand ein sogenannter Tambour, man schrieb auf, was man bedurfte, und ließ die Tambours herunter; sie brachten jedesmal das Verlangte wieder herauf. Zu dieser Konfidenztafel waren noch vier geistreiche Damen, die zu den Freundinnen des Königs gehörten, geladen. Weil am Silvestertage die Herrschaft der Damen beginnt, fand jede dieser vier Damen unter ihrer Serviette eine Krone und ein Szepter von Zucker »als Symbol der Süßigkeit ihrer Herrschaft«. Diese Damen waren: Gräfin Camas, Baronin Kannenberg, Gräfin Kamecke und Frau von Morien.
Frau v. Camas war Oberhofmeisterin der Königin, zweiundzwanzig Jahre älter als Friedrich; er schätzte sie aber außerordentlich hoch, sie war eine sehr gescheite Dame; die andern Damen nannte Friedrich in einem gedruckten Briefe einmal »Gänschen mit leerem Gehirn«. Er nannte sie nur »seine liebe Mama«, und einmal in einem Briefe vom 17. Februar 1738 »les délices de la jeunesse«. Er suchte sie öfters nachmittags auf ein Stündchen »in ihrem Paradiese«, vier Treppen hoch im Berliner Schlosse, auf, selbst noch nach dem Siebenjährigen Kriege, wenn er von Potsdam nach Berlin kam. Sie erhielt von ihm ansehnliche Geschenke mit den verbindlichsten Handschreiben. Einst übersandte er ihr mehrere Päckchen Spaniol und bezeichnete ihr dasjenige, das sie zuerst öffnen solle; es enthielt eine goldene, reich mit Diamanten besetzte Dose. Ein andermal überschickte er ihr einen Diamantring mit zwei verschlungenen Herzen; das begleitende Handbillett besagte: Da der Übersender allezeit ihr Anbeter gewesen sei, so habe er die beiden Herzen auf dem Ringe vereinigen lassen; was man davon sagen werde, darum kümmere er sich nicht. Er bitte sie, es ebenso zu machen. Sie starb in Schönhausen im Jahre 1766, achtundachtzig Jahre alt. – Auch die andern Teilnehmerinnen der Konfidenztafel stammten aus Hofkreisen und erfreuten sich schon lange der Freundschaft des Königs. Alle diese jungen und älteren Damen konnten manches von Friedrich erlangen, was er seinen Hofleuten und selbst seinen Generalen abgeschlagen haben würde.
Außer den zwei Brüdern des großen Königs überlebte ihn auch noch seine jüngste Schwester Amalie. Sie war geboren 1723, fast zwölf Jahre jünger als der König und im Alter sein Liebling, nachdem die Prinzessin Wilhelmine, die Freundin seiner Jugendzeit, den Markgrafen von Bayreuth geheiratet hatte und ihrem Bruder nach und nach entfremdet worden war. In den vierziger Jahren wurden von Seiten der russischen Kaiserin Elisabeth wegen einer Heirat mit dem Großfürsten Peter von Holstein-Gottorp, dem Stammvater der heutigen Kaiserfamilie, Schritte bei Friedrich dem Großen getan; dieser lehnte den Antrag aber ab, indem er den russischen Thron für zu unruhig hielt. Auch schreckten die Erfahrungen, welche die braunschweigische Prinzessin, die Gemahlin des Sohnes Peters des Großen, gemacht hatte. Die Kaiserin Elisabeth vermerkte die Ablehnung sehr übel; ein gut Teil des Hasses, den sie auf den König warf und im Siebenjährigen Krieg ausließ, stammt von damals. Die Prinzessin Amalie ist berühmt durch ihr geheimes Verhältnis mit dem Gardeoffizier Baron Friedrich von der Trenk aus Königsberg, der durch seine lange, neunzehnjährige Gefangenschaft und seine Selbstbiographie sich ebenfalls einen berühmten Namen gemacht hat.
Auch drei Damen aus der Berliner Gesellschaft hat Friedrich wegen ihrer außerordentlichen Schönheit ausgezeichnet.
Die erste von diesen drei Damen war die Frau von Troussel, frühere Frau von Kleist, ehemals Ehrenfräulein der Königinmutter, eine der galantesten, lebendigsten, heitersten und beliebtesten Damen, die Berlin damals aufzuweisen hatte. Thiébault, der sie sehr gut gekannt hat, erzählt, man habe behauptet, sie habe bereits in ihrem vierzehnten Jahre eine Art von Verhältnis gehabt, das Eklat gemacht und sie genötigt habe, sich zu ihrer Mutter zurückzuziehen. Zimmermann nennt den Kastraten Porgorino, von dem man in Berlin erzählte, er finde bei den aufgeklärten Damen dort einen gar sonderbaren Beifall. Eine alte Hofdame überführte das Fräulein von Schwerin, sie habe bei Porgorino eine Nacht zugebracht. Die Geschichte machte gewaltigen Lärm, und das Fräulein ward vom Hofe weggeschafft. Man glaubte nicht, daß sie einen Mann finden werde, zumal da auf die Porgorinosche Affäre bald eine berühmte Liebesgeschichte mit dem famosen Bischof Schaffgotsch von Breslau folgte. Nichtsdestoweniger fand sich ein Mann, und ein junger und reicher Mann, der Domherr von Kleist in Brandenburg. Er ließ sich in große Unternehmungen ein, um seine Frau zufriedenzustellen, die gar viel Geld brauchte, und geriet in Schulden. Der Artilleriekapitän von Troussel von der französischen Kolonie ward nun ihr Liebhaber. Kleist machte Vorstellungen dagegen, die sie sehr schnöde aufnahm. Nun ging Kleist davon und ließ alles im Stiche. Sie ließ sich von ihm scheiden und nahm ihre drei Kinder, einen Sohn und zwei Mädchen, zu sich. Darauf heiratete sie Herrn von Troussel, nahm aber wieder den Kabinettsrat Galster zum Liebhaber an. In dieser Eigenschaft erteilte sie öffentliche Audienzen, und ihr Wagen mußte oft die ganze Nacht vor Galsters Tür halten, um zu zeigen, wie genau sie mit dem einflußreichen Mann liiert sei. Durch Galster war der Minister von Görne, der den König bei der Seehandlungssozietät so stark betrog, zum Minister vorgeschlagen. Görne hatte Frau von Troussel versprechen müssen, ihre älteste Tochter zu heiraten. Diese Unterhandlung wurde bekannt und machte solchen Lärm, daß die Heirat nicht vollzogen werden konnte. Bald darauf kam nicht nur Görne, sondern auch Galster nach Spandau. Herr von Troussel lebte hierauf noch zwei bis drei Jahre mit seiner Frau. Er stieg bis zum Oberstleutnant und Artilleriechef in der Armee des Prinzen Heinrich. Als diese Armee bei dem Ausbruch des bayrischen Sukzessionskrieges 1778 ausmarschierte, erschoß er sich mit größter Gelassenheit in Magdeburg, wie man sagte, aus Kummer über das Verhältnis seiner Frau zu zwei jungen Leuten; der König hatte ihm die Scheidung abgeschlagen. Frau von Troussel ward nun kränklich und bekam Zufälle, die man in Berlin für unheilbar hielt. Sie begab sich deshalb in die Kur des berühmten St. Germain. Dieser heilte sie aus dem Grunde; sie selbst zeigte einen Stein von der Größe eines Hühnereies vor, von dem er sie befreit habe. Das Berliner Publikum aber, sagt Zimmermann, war argwöhnisch genug zu glauben, was auch höchst wahrscheinlich ist: St. Germain habe sie bloß von einem Nachlasse ihrer Liebe für den schändlichen Bischof von Breslau geheilt. Sie starb, und zwar ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes an einem hitzigen Fieber. Merkwürdig ist, daß auch noch ein Bruder des Oberstleutnant Troussel sich selbst das Leben nahm.
Die beiden anderen jungen schönen Damen der Berliner Gesellschaft, die der König auszeichnete, waren: ein Fräulein von Tettau und eine GräfinDönhoff. Fräulein Tettau wurde gleich nach seinem Regierungsantritt Hoffräulein der regierenden Königin und stand in so gutem Andenken, daß er ihrer selbst im Feldlager nicht vergaß: »Mein Kompliment,« schreibt er nach der Schlacht bei Czaslau, 20. März 1742 an Jordan, »an die kleine Tettau.« – Später in den achtziger Jahren stand in hoher Gunst die 1764 geborene und 1784 vermählte Gräfin Sophie Henriette Dorothee Dönhoff-Dönhoffstädt, wie Frau von Troussel ebenfalls eine geborene Gräfin Schwerin von Wolfshagen und Hofdame der Prinzessin Amalie; sie starb erst 1825 zu Berlin und war Friedrichs Enkelschwiegertochter. Ihr Gemahl, Graf Bogislaw Dönhoff, war der Sohn des Fräulein von Wrech, Tochter der Frau von Wrech, der Geliebten Friedrichs des Großen.
Doch kann man nicht gut sagen, daß diese Damen seine Mätressen gewesen sind. Die Gräfin Dönhoff sicher nicht. Mit den anderen mag er allerdings geflirtet haben.
Im allgemeinen aber lag ihm im Mannesalter der Umgang mit Frauen nicht recht. Seine Triebe richteten sich auf andere Gegenstände. Von manchen Zeitgenossen wird behauptet, daß ihn zu Zeiten Männer mehr interessierten als Frauen, vor allem auch von Voltaire, der ja in ziemlich enger Gemeinschaft mit Friedrich II. gelebt hat. Es wird nie mehr völlig aufzuhellen sein, was der Franzose von seinem königlichen Gönner schrieb, ob es Wahrheit oder Schmähung war, wenn er sich äußert:
»Wenn seine Majestät angezogen und gestiefelt war, so widmete der Stoiker der epikurischen Sekte etliche Augenblicke; er ließ zwei oder drei Lieblinge kommen, das mochte nun ein Leutnant von seinem Regimente, ein Page, ein Heiducke oder ein junger Kadett sein; es wurde Kaffee getrunken, und derjenige, dem das Schnupftuch zugeworfen wurde, blieb eine halbe Viertelstunde allein mit ihm: die Sachen kamen hier nicht aufs äußerste, weil der Prinz bei Lebzeiten seines Vaters in seiner Liebe übel behandelt und eben so übel geheilet worden war. Er konnte nicht die erste Rolle spielen, sondern mußte es bei der zweiten bewenden lassen.«
Auch über des Königs Verhältnis zu seinen Lakaien und Kammerdienern ist manches geschrieben worden. In besonderer Gunst soll Fredersdorf bei ihm gestanden haben: als dieser krank war, mußte er, wenn der König an seinem Hause vorüberritt, sich am Fenster zeigen.
Um die Frauen scheint er später nicht so besorgt gewesen zu sein. Von der Doris Ritter erzählt Voltaire:
»Die arme Mätresse, die seinetwegen durch die Hand des Henkers gepeitscht worden, war damals in Berlin an einen Kommissar der Mietkutschen verheiratet, denn es waren damals derselben 18 in Berlin, und ihr Liebhaber gab ihr eine Pension von 70 Talern, die ihr beständig richtig bezahlt worden waren. Sie hieß Madame Schommers, eine große magere Frau, die einer Sybille ähnlich sah, und keineswegs das Ansehen hatte, daß sie für einen Prinzen gepeitscht zu werden verdient hätte.«
Über die Stellung des Königs zu den Frauen und über die feine spöttische Art, mit der er ihre Angelegenheiten behandelte, verbreitet ein Vorkommnis sein freundliches Licht:
Ein Hoffräulein hatte einen Fehltritt begangen, dessen Folgezustand die Oberhofmeisterin Frau v. Camas für eine Wassersucht hielt. Als sie ihren großen Irrtum gewahr wurde, klagte sie sich selbst beim Könige an und erbat sich Verhaltungsbefehle. Es war im Jahre 1760, während des Siebenjährigen Krieges. Er antwortete ihr:
»In Wahrheit meine liebe Mama, Sie sind eine erfahrene Frau, und ich wünsche Ihnen Glück, daß Sie eine Wassersucht so haarscharf unterscheiden können. Ich, mit den Schwächen unserer Gattung sehr nachsichtig, hebe nicht den ersten Stein gegen Hof- und Ehrenfräuleins auf, welche Kinder bekommen. Das ist ein sehr gewöhnliches Ereignis, es giebt keinen Hof, kein Kloster, wo es nicht vorfällt. Die Damen pflanzen ihre Art fort, während die bärbeißigen Politiker sie durch ihre unseligen Kriege zerstören. Ich gestehe Ihnen, daß ich die zu zärtlichen Temperamente mehr liebe als die Keuschheitsdrachen, die über ihresgleichen unbarmherzig herfallen, und die zanksüchtigen Frauen, die im Grunde boshaft und unheilstiftend sind. Man erziehe das Kind mit Sorgfalt, entehre nicht eine Familie und entferne ohne Aufsehen und Ärgernis das arme Mädchen vom Hofe und schone ihres Rufes so viel als möglich.«
Friedrich II. blieb, wenn sein Interesse für die Frauen und insbesondere für seine Freundinnen erheblich erkaltet war, doch immer verständnisvoll und aufmerksam für die Damen. In diesem Sinne bewährte er seine Galanterie bis zu seinem Tode.