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Die Ferien rückten mit schnellen Schritten heran. Das Examen dauerte gewöhnlich drei Wochen. Zehn Tage von dieser willkommenen Zeit waren schon vorbei. Mit welchem Eifer gearbeitet wurde, wie die Zöglinge wiederholten und repetirten, das zu beschreiben, wäre kaum möglich. Selbst die Faulen machten sich früh aus dem Bette und blieben bis spät in die Nacht auf, um die Kräfte zu wecken, die sechs Monate lang großentheils geschlafen hatten. Jeder Erholung wurde großmüthig und energisch entsagt. Diejenigen unter ihnen, welche gute Geistesgaben besaßen, holten in kurzer Zeit noch Vieles nach, und ihre Anstrengungen wurden mit glücklichen Erfolgen gekrönt; die Hauptpreise fielen jedoch denen zu, die das ganze Jahr fleißig gewesen waren und sich ein gründliches Wissen erworben hatten. Es gab aber auch solche, denen der Ausgang des Kampfes ganz gleichgültig war und die sich nur deßwegen auf das Ende der Schulzeit und des Examens freuten, weil die goldene Freiheit ihrer wartete. Diesen war es einerlei, wie sie bestanden; sie hatten ja keinen guten Ruf zu verlieren.
Reginald studirte mit unermüdlichem Eifer in der Hoffnung, alle oder doch fast alle Preise der zweiten Klasse zu erhalten; allein einige seiner Klassengenossen hatten dieselbe Hoffnung und den gleichen Eifer.
Die jungen Leser werden nicht denken, daß unser Louis bei diesem regen Wetteifer müßiger Zuschauer geblieben sei. Obgleich er von Natur etwas gleichgültig war, so wurde er doch von einem geheimen Ehrgeize gestachelt, und er blieb bei dieser Gelegenheit nicht zurück. Er war sehr begabt, und da er jetzt Hoffnung haben konnte, durch einige zu erringende Preise die Ungnade, in die er gefallen war, wieder gut und seinen Eltern Freude zu machen, so hatte er den ganzen letzten Monat so eifrig gelernt, daß selbst seine Lehrer erstaunt waren.
Die Examen der obersten Klasse waren vorüber, und nach einem für die Lehrer sowohl, wie für die Schüler sehr angestrengten Tage erging man sich eines Abends nach dem Thee im Garten und besprach die Ereignisse des Tages. Reginald und Louis waren zu sehr beschäftigt, um an der Unterhaltung Antheil nehmen zu können. Sie benutzten ihre wenigen Augenblicke, um mit einander im Park zu spazieren und sagten sich gegenseitig ihre Aufgaben her mit einem unbeschreiblichen Eifer, obgleich sie schon um fünf Uhr Morgens aufgestanden waren. Andere hatten zwar das Tagewerk noch früher begonnen, aber dafür schliefen sie jetzt auch auf den Schulbänken ausgestreckt, und nur wenige folgten dem Beispiel Reginald's und seines Bruders.
– Jones schläft wie ein Murmelthier, sagte Salisbury lachend. Er versteht es meisterhaft, die Zeit auszukaufen; er steht um halb vier Uhr auf und schläft um sieben Uhr ein.
– Glaubst du, daß er einen Preis bekommen wird? fragte Smith.
– Ich kann's wirklich nicht sagen, ich glaube Mortimer wird in den alten Sprachen und in der Geschichte den Preis haben. Nach ihm folgt Jones.
– Wie ich vernehme, hat sich das Mortimerchen in den Kopf gesetzt, Lorbeeren zu pflücken, sagte Trevannion.
– O, sagte Harris, ein Zögling der zweiten Klasse, das ist nicht zum Verwundern; ich glaube, Ferrer hilft ihm.
– Ferrer! schrien alle mit einander, und ein allgemeines Gelächter erscholl – hörst du, Ferrer?
– Ja, ich höre, antwortete Ferrer.
– Es sieht ihm nicht ähnlich, jemanden zu helfen, bemerkte ein anderer.
– Louis braucht keinen Helfer, sagte Ferrer.
– Du kriegst gewiß den mathematischen Preis, Ferrer, und Hamilton den für die lateinischen Compositionen.
Ferrer gab keine Antwort. – Er dachte an Louis, ja seit einiger Zeit dachte er fast an nichts anderes mehr, und obgleich er im Allgemeinen ziemlich fleißig gewesen war, so merkte man ihm doch eine gewisse Furcht an vor dem Resultat des Examens. Einige glaubten daher, er sei krank und abgespannt. Andere spielten auf seine innige Freundschaft mit Louis an, die ihnen merkwürdig und geheimnißvoll vorkam.
– Ich möchte wissen, wer die Medaille bekommen wird, sagte einer.
– O Hamilton! das versteht sich von selbst, bemerkte Smith.
– Gewiß nicht, sagte Frank, ihr seid in einem großen Irrthum! Meine geheime Kunst hat mir schon lange gesagt, daß entweder Fräulein Louise, oder ich dieselbe bekommen werde. Ich wundere mich wirklich, meine Herren, daß ihr euch so viel einbildet, und daß ihr uns beide so gänzlich vergesset. Wenn ich auch kein Genie bin, so bin ich doch ein guter Junge.
Es flossen noch manche bittere Bemerkungen über das Verhältniß Ferrer's zu Louis. Ferrer konnte es endlich nicht mehr aushalten. Er verließ die Gesellschaft und spazierte einsam für sich, gequält von seinem Gewissen, und Pläne machend, wie er Louis in der Meinung seiner Kameraden wieder zu seinem Recht verhelfen könnte. Zuweilen erhob er seine Augen mit einem verzweifelten Blick.
– O, wenn's doch nur ein Traum wäre, murmelte er vor sich hin, daß ich aus demselben erwachen könnte, und es mir für immer eine Warnung wäre!
Plötzlich fühlte er eine zarte, warme Hand in der seinigen, und die sanfte, liebliche Stimme Louis' erwiederte ihm: – Sei meinetwegen nicht betrübt, Ferrer; das wird schon bald vorüber gehen.
Ferrer erschrak und zog die Hand zurück.
– Bist du böse? fragte Louis; ich habe gesehen, daß du allein bist, darum habe ich gedacht, dich drücke ein Kummer. Ich wagte nicht, früher zu kommen, weil die andern sonst Anstoß genommen hätten, und besonders Reginald.
Ferrer sah Louis an, ohne zu antworten; dann eilte er nach Hause, und Louis sah ihn den ganzen Abend nicht mehr.
Das Frühstück war schon lange genommen, und die zweite Klasse wartete mit Ungeduld auf die Ankunft des Doktors. Auf der andern Seite des Zimmers saß die erste Klasse, mit der schriftlichen Beantwortung erhaltener Fragen beschäftigt. Es war schon eine Stunde über die Zeit, und die ungeduldigen Blicke richteten sich beständig nach der Uhr über der Thüre, als es immer später und später wurde.
– Aber wo bleibt dann der Doktor? fragte einer nach dem andern, und niemand konnte Auskunft geben.
– Wir werden heute nicht fertig, wir müssen im Mondschein Examen halten, bemerkten einige mürrisch; was ist denn dem Doktor begegnet?
Da öffnete sich auf einmal die Thüre, und der Doktor schritt hastig durch das Zimmer zum Katheder. Er sah so aufgeregt aus, daß alle ängstlich nach ihm blickten. »Was für eine Miene er macht!« flüsterte einer. »Es ist etwas los,« sagte ein anderer zu seinem Nachbarn. Der Doktor schien auf die auf ihn gerichteten Augen und den offenen Mund seiner erschrockenen Zöglinge nicht viel zu merken; er eilte nach dem Katheder und nahm daselbst Platz.
– Was ist's denn? murmelte Salisbury leise zu Hamilton, von dem er glaubte, daß er etwas von dem Geheimnisse wisse. »Weißt du etwas, Hamilton?« Hamilton schüttelte den Kopf und hob denselben auf, um die Geschichte zu vernehmen, die ihnen der Doktor zu eröffnen hätte.
Der Doktor hatte sich gesetzt. Fünf Minuten lang sprach er kein Wort; dann warf er einen Blick um sich und rief in bewegtem Tone: Louis Mortimer! Louis saß ganz nahe bei ihm, und nicht ohne Zittern begab er sich zum Katheder, nicht als ob er sich etwas Böses bewußt gewesen wäre; aber er wußte nicht, welcher neuen Uebelthat er angeklagt sein möchte. Das Stillschweigen war so tief, daß sein »Hier bin ich, Herr Doktor« bis in die entferntesten Theile des Zimmers deutlich gehört wurde, obgleich Louis' Stimme sehr furchtsam und leise gewesen war. Der Doktor sah ihn stillschweigend an; aber in seinem Blick lag nichts Strenges. Seine Augen strahlten, und obgleich von Zeit zu Zeit einiger Unwille auf seinem Gesicht erschien, so fühlte Louis doch alsogleich, daß er hier nichts zu fürchten habe. Der Doktor strengte sich an, einige Worte hervorzubringen und sagte endlich mit tiefbewegter Stimme, seine Hände auf das Haupt des Knaben legend: »Gott segne dich!«
Es wäre unmöglich, den Ausdruck der Freude auf dem Gesichte unsers guten Louis zu beschreiben. Alles, was er seit einigen Wochen hatte erdulden müssen war reichlich ausgewogen durch das Gefühl seiner Unschuld, die jetzt vor allen seinen Kameraden auf eine so glänzende Weise an den Tag kommen sollte.
Der Doktor faßte ihn dann unter dem Kinn und nöthigte ihn, zu ihm aufzusehen. Das Antlitz des Knaben strahlte vor Freude, und der Doktor hatte ebenfalls etwas so Freundliches in seinem Blicke, wie sich die Zöglinge nicht erinnerten, jemals an ihm gesehen zu haben.
– Haben Sie Alles entdeckt, Herr Doktor? rief Reginald, und stürzte auf den Vorsteher zu.
Der Doktor bedeutete ihm, an seinen Platz zu gehen, und den unschuldigen Louis stellte er nun mit dem Gesicht gegen die ganze Schaar der Zöglinge und sprach dann mit feierlicher Stimme:
– Gentlemen! wir haben ein großes Unrecht begangen, ohne es zu wissen, und ich als der erste von allen wünsche an demjenigen, den wir so ohne Grund schuldig erklärt haben, das Unrecht wieder gut zu machen. Ich erkläre daher vor dieser ganzen Versammlung, daß Louis Mortimer gänzlich unschuldig ist an allem dem, dessen wir ihn schuldig glaubten, und ich kann ihm wohl in euer aller Namen versichern, daß wir sehr betrübt sind, ihm so viel Kummer verursacht zu haben.
Auf den Bänken ließ sich da und dort ein heimliches Murmeln vernehmen, besonders in den untern Klassen, die nichts von der Sache gewußt hatten; aber der Doktor machte demselben ein Ende, indem er das Wort wieder ergriff:
– Es sind viele unter euch, die nicht wissen, wovon ich spreche; aber alle wissen, mit welcher Sanftmuth Louis Mortimer die Beleidigungen ertrug, welche ihm der Fehler eines andern zugezogen hat. Ich bin überzeugt, daß dieses rühmliche Betragen seinen Grund in der Furcht und Liebe Gottes hatte. Still, Gentlemen! sagte der Doktor, als er sah, daß einige über diese Bemerkung erstaunt waren; ich habe noch nicht alles gesagt. Es ist nicht blos seine Geduld und sein Stillschweigen, worüber ich mich verwundere, es ist noch etwas ganz Anderes: Louis hätte sich vor unsern Augen rein waschen können. –
– Louis! rief Reginald unwillkürlich.
Louis senkte den Kopf, soweit es ihm die Hand des Doktors erlaubte, und wurde bald blaß, bald roth; denn augenblicklich fiel ihm der arme Ferrer ein, der wahrscheinlich alles bekannt habe. Louis war seinetwegen betrübt und schämte sich für ihn. – Er hätte sich am liebsten hinter den Doktor versteckt; allein er mußte an seinem Platze stehen bleiben, und der Doktor fuhr fort:
– Es sind nun drei Wochen, seit Louis entdeckt hat, daß damals, als der Schlüssel zu Kenrick's griechischen Exerzitien geholt wurde, ein kleiner Knabe im Studirzimmer war. – Dieses Kind hätte Aufklärung über die Sache geben können, durch welche Louis' Unschuld an den Tag gekommen wäre; aber hört, die ihr oft so schnell bereit seid, Rache zu üben, weil diese Entdeckung zur Folge gehabt hätte, daß der Betreffende fortgejagt worden wäre, so hat Louis nie und in keiner Weise zugeben wollen, daß die Sache irgendwie an den Tag komme, und er hat seinem kleinen Kameraden eingeschärft, nichts davon zu sagen, und das Alles hat mir der Schuldige selber gestanden. Er konnte diese Last nicht länger auf seinem Gewissen tragen; darum hat er seine Sünde bekannt und mir von dem edlen Betragen des Louis erzählt. Und nun, meine lieben jungen Freunde, hab' ich nichts mehr beizufügen als: Gehet hin und thut desgleichen!
Während der Doktor also sprach, konnte sich Reginald beinah nicht halten, besonders weil ihm Louis nie etwas von der Sache gesagt hatte. Er stürzte nun aus der Bank hervor auf seinen Bruder zu und fragte ihn hastig:
– Warum hast du mir nichts gesagt, Louis?
Unterdessen murmelten einige für sich, was das zu bedeuten habe, während die ältern Zöglinge sich um Louis herumdrängten, um mit ihm zu sprechen. Plötzlich hörte man die Stimme des kleinen Alfred, der zu seinem Bruder sagte: Eduard, erzähl' mir doch, was das ist; wenn ich das gewußt hätte, so hätt' ich gewiß alles gesagt.
Eduard konnte nicht antworten, sein Herz war eben so bewegt, wie das des Doktors, und mit Thränen in den Augen ging er auf Louis zu, der sich in die Arme seines Bruders geworfen hatte und heftig schluchzte.
– Louis, es thut mir sehr leid, sagte hier einer, – willst du mir verzeihen? fragte dort ein anderer, – Willst du mit verzeihen? riefen mehrere Stimmen, und einige fügten hinzu: du bist sehr gut; wir hätten das nicht aushalten können.
Louis erhob den Kopf, den er auf die Achsel seines Bruders gestützt hatte, wohin er ihn so oft legte, wenn er betrübt war, und sagte schluchzend: – O, lobt mich nicht; es hat mir genug Kampf gekostet!
– Laßt ihn jetzt allein! sagte der Doktor. Reginald, geh' mit ihm hinauf! Und ihr andern werdet wahrscheinlich heute eben so wenig zum Examen aufgelegt sein, wie ich.
Es wurde hierauf einen Augenblick stille; aber als Louis hinaus ging, hörte man mehrmals tiefe Seufzer sich loswinden in der Gesellschaft der jungen Leute, die dann schnell ihre Bücher zusammenpackten und sich durch die Thüre in den Garten ergossen.
Das Herz unsers Louis war voll Dankbarkeit; aber er dachte zugleich auch an den armen Ferrer, was der ausgestanden haben mußte und was jetzt aus ihm werden würde, und sobald er sich etwas gesammelt hatte, begab er sich zum Doktor, um für seinen unglücklichen Kameraden Fürbitte bei ihm einzulegen.
– Da er mir seinen Fehler freiwillig gestanden hat, so will ich ihn nicht fortschicken, sagte der Doktor; aber dich soll er vor der ganzen Schule um Vergebung bitten.
Louis vertheidigte Ferrer mit Wärme und erzählte dem Doktor, wie viel jener gelitten habe; auch bat er inständig, daß die Abbitte nicht stattfinden möchte, und der Doktor gab endlich nach.
Dieses Ereigniß hatte einen tiefen Eindruck auf alle Zöglinge gemacht. Diejenigen, welche Louis am tiefsten gekränkt hatten, lobten ihn nun am lautesten und wollten ihn mit allerlei Gunstbezeugungen überhäufen; und als er mit seinem Bruder Reginald, dessen Gesicht vor Freude und Stolz strahlte, auf dem Spielplatze erschien, so wurde er von den Zöglingen im Triumphe herumgetragen, wobei man hin und wieder eine Drohung gegen Ferrer hörte.
– Louis, mein guter Junge, du bist ja traurig, sagte Hamilton, als man ihn auf der Thürschwelle des Schulzimmers niedersetzte.
– Nein, nein, sagte Salisbury, der am stärksten geschrieen und Freudensprünge gemacht hatte, nein, nein, Louis, du mußt jetzt fröhlich sein. Warum bist du denn traurig?
– Ich fürchte mich, sagte Louis, sich umwendend.
– Du fürchtest dich? ach, warum denn? sagte Salisbury, sag' uns, was du hast!
– Ich fürchte, euer Lob und eure Ehrenbezeugungen bringen mich auf den Gedanken, daß ich etwas sehr Gutes gethan habe, und es ist doch nichts Besonderes; ihr meint es alle sehr gut, aber –
– Unsinn! rief Salisbury, es thut uns leid, daß wir uns so gegen dich betragen haben, und wir möchten es gerne gut machen.
– Ich versichere euch, daß ich das alles vergessen habe, sagte Louis, indem er ihnen allen die Hand reichte. Ich bin sehr glücklich. Wollt ihr mir erlauben, euch etwas zu fragen?
– O! was du willst! war die Antwort, und wir werden auf Merkursflügeln eilen, dir gefällig zu sein.
– Wir wollen in vierzig Minuten einen Gürtel um die Erde legen, sagte Frank.
– Wenn der arme Ferrer wieder zu uns kommt, wollt ihr mir dann das Vergnügen machen, und ihn nichts entgelten lassen?
– Düsteres Gewölk überflog die Gesichter, und Hamilton's Lippen zitterten vor Unwillen. Keiner antwortete.
– Ich bin der einzige, der ihm zu vergeben hat. Versprecht mir, daß ihr ihn nicht kränken wollt.
– Dann, sagte Salisbury kurz und trocken, mach' ich mich hinaus, wenn er in's Zimmer tritt; ich kann nicht neben ihm bleiben und höflich mit ihm sein.
– Ich fühle mich ebenfalls nicht aufgelegt, ihn mit meiner Unterhaltung zu beehren, sagte Frank; ich verspreche dir, ihn in Ruhe zu lassen.
– Du willst so gegen ihn sein wie vorher, nicht wahr? sagte Louis.
– Das ist unmöglich! schrien alle zusammen. Wir können das nicht, Louis.
– Wenn ihr wüßtet, wie unglücklich er war, so würdet ihr Mitleiden mit ihm haben, sagte Louis in einem traurigen Tone. Aber nicht wahr, ihr wollt nicht davon sprechen zu andern Leuten? Ich wäre so glücklich, wenn ihr euch gegen Ferrer betragen wolltet wie bisher.
– Alles, was wir dir versprechen können, Louis, ist, daß wir in seiner Gegenwart nichts davon sagen wollen, erwiederte Hamilton; aber jetzt sei nicht mehr so traurig!
Louis behielt indeß seine traurige Miene; aber von Zeit zu Zeit gewann doch die Freude wieder die Oberhand. Er sehnte sich nach den Ferien; denn die Gunstbezeugungen seiner Kameraden waren ihm lästig.
Ferrer war unsichtbar bis am Abend, wo er beim Gebet erschien. Trotz dem, daß man Louis das halbe Versprechen gegeben hatte, jenen nichts merken zu lassen, so wurde er doch mit eisiger Kälte empfangen. Nur Louis stand bei ihm und sah ihm mitleidsvoll in das blasse und traurige Antlitz, warf auch mehrmals seinen Kameraden einen Blick zu, der diese an ihr Versprechen erinnerte.
Einige bemerkten die Traurigkeit auf dem Gesichte des Louis und zwangen sich, Ferrer gute Nacht zu sagen, was dieser mit einem Kopfnicken erwiederte. Er hatte bei seinen Kameraden nur Verachtung erwartet; daher war ihm dieses Zeichen der Aufmerksamkeit eine wohlthuende Ueberraschung.