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Zwei von den Hauptpersonen dieser wahrhaften Geschichte thun, was die besten Autoren und Dichter schon in Verlegenheit gesetzt hat – sie stellen Himmelsbeobachtungen an. – Das Schiff bewegt sich wieder in richtigem Kurse. – Die Mannschaft, welche zu träge für die Thätigkeit ist, muß sich an den Pumpen zu todt arbeiten. – Eine weitere Grabangelegenheit.
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Zu ihrem großen Erstaunen sah am Mittag des anderen Tags die rebellische Mannschaft ihren Arzt und den Silberlöffel die Sonnenhöhe aufnehmen; aber ihre Ueberraschung steigerte sich noch mehr, als gedachte Personen Abends um vier Uhr sehr bedächtig eine Mondsbeobachtung anstellten.
Watkins wurde mit einemmale ein großer Mann. Als er sich nach vorn unter die Spanier begab, drang man, obschon mit Zeichen vieler Achtung, aufs Angelegentlichste in ihn, er solle sagen, wo sich das Schiff befinde. Unser Freund verhielt sich jedoch geheimnißvoll und orakelhaft, denn er wünschte sie zuerst in Schrecken zu jagen, um sie sodann zur Unterwürfigkeit unter eine maßgebende Autorität zu bewegen. Er deutete übrigens darauf hin, daß sie irgendwo zwischen den Wendekreisen beharrlich an irgend einer Stelle stehen blieben, wo die kreisförmigen Strömungen stets stärker seien als die Winde, und benützte diese Gelegenheit, um sie zur Thätigkeit zu spornen, indem er ihnen versicherte, es sei ihm ebenso wenig darum zu thun, als ihnen, das Schiff in einen Hafen zu bringen; er wolle sich übrigens bereitwillig ihnen anschließen, um an einem unbewohnten Orte an's Land zu gehen, der nicht hinreichend weit von den Sitzen der Menschen abliege, um sie dem Hungertode preiszugeben.
Da jedoch die Matrosen den vertraulichen Fuß, auf dem er mit den Passagieren stand, kannten, so hielten sie diese Andeutung für eine feindliche Hinterlist und antworteten ihm, sie zögen es vor, auf ein Schiff zu warten, an dessen Bord sie gehen könnten, um die Santa Anna ihrem Schicksale preiszugeben.
»Und so, meine Magnificos,« rief der entrüstete Städter, »wollt Ihr also durchaus nicht arbeiten?« Die Erwiederung lautete una voce, sie seien Alle geborene Hidalgo's, obschon durch eine augenblickliche Noth gezwungen worden, das Gewand ihres Standes gegen Matrosenjacken umzutauschen; sie hätten übrigens nur des Geldes bedurft, um ihre rechtmäßige Stellung wieder einzunehmen, und da es ihnen hieran nicht fehle, so möge der Teufel arbeiten, wenn er wolle – sie wenigstens hätten keine Lust dazu.
Watkins versuchte nun die Sprache auf ihr neuerworbenes Eigenthum zu lenken, nur um sich zu überzeugen, in welchem Lichte sie selbst ihren Raub betrachteten; denn es fiel ihm nicht entfernt ein, daß er im Stande sein könnte, sie zu einer Rückerstattung zu bewegen, da dies ein Schritt gewesen wäre, gegen den sich sogar ehrliche Leute empören.
Sie nahmen übrigens in dieser Hinsicht eine – wie sie meinten – unangreifbare Stellung ein, indem sie erklärten, das Schiff sei bereits ein Wrack, gegen das sie keine Verbindlichkeiten mehr hätten; das Geld sei als eine ächte und gerechte Kriegsbeute gewonnen worden und gehöre ihnen ebenso gut, als dem Soldaten der Ertrag einer Stadtplünderung. Wehe den ehrlichen Leuten, wenn die Spitzbuben meinen, das Recht aus ihrer Seite zu haben.
Watkins entgegnete ihnen höhnend, er hoffe sie möchten tausend Jahre leben, um sich ihres so rechtmäßig erworbenen Eigenthums zu erfreuen, obschon er seine Ahnungen habe, daß die Sennores doch nicht ganz das müssige Leben fortführen dürften, auf welches sie zählten. Dabei versprach er ihnen mit dem Segen Gottes just so viel Anstrengung, als zur Erhaltung ihrer Gesundheit nöthig sein dürfte – und vielleicht auch noch ein Bischen mehr. Die Hidalgo's waren jedoch zu träge, um seinen Spott zu erwiedern, und legten sich ruhig zum Schlafen nieder, oder nahmen ihre Pfeifen auf.
Zurbano hatte sich überzeugt, daß das Schiff in einer Breite von achtzehn Graden achtundvierzig Minuten südlich, und ungefähr unter fünfundzwanzig Graden vierzig Minuten östlicher Länge stand. Er berieth sich deshalb am nämlichen Abend mit meinem Vater und vereinigte sich mit ihm dahin, daß ein West-Süd-West-Kurs der passendste sein dürfte, da sie in dieser Weise nach Rio Janeiro oder doch in die Fahrstraße der englischen Ostindienschiffe kommen würden. Trafen sie auf eines der letzteren, so konnten sie sich für sicher halten und vielleicht auch auf vergeltende Gerechtigkeit zählen.
Watkins wurde über die besten Mittel befragt, um das Schiff unter Segel zu bringen; denn um sich ihrer Trägheit desto gemüthlicher erfreuen zu können, hatten die Spanier die Bramstengen auf das Deck heruntergeholt. Die drei Topsegel hatten seit Wochen halb beschlagen auf den Eselshäuptern gelegen, und die Oberbramsegel waren gleichfalls aufgegeiet, jedoch nur höchst unvollkommen, so daß sie in bewunderungswürdiger Unordnung über die unteren Raaen niederhingen.
Watkins erklärte daher, daß Alles was geschehen solle, durch sie selbst ausgeführt werden müsse, und hatte hierin vollkommen Recht. Mr. Troughton, welcher nie verzweifelte, erwiederte hierauf, sie wollten sehen, was möglich sei, und lud auch Auguste Epaminondas ein, sich ihnen anzuschließen, was denn auch dieser Gentleman um der Damen willen zusagte. Der geringe Passatwind, welcher sich verspüren ließ, war günstig; mein Vater begab sich also der Anweisung des Londoners zufolge mit Zurbano, dem Barbier und dem zweiten Maten nach der Back. Die Damen erboten sich gleichfalls zur Mitwirkung, obschon ihre Dienste abgelehnt wurden.
Die paar Spanier, welche sich auf dem Decke befanden, sahen mit großen Augen und trägem Erstaunen zu, während sich die fünf Männer nach vorne begaben und vermittelst eines Takels nicht ohne große Mühe das Klüversegel setzten. Das Focksegel erforderte beziehungsweise viel weniger Arbeit; desto schwieriger wurde aber das Einschooten des Fockmarksegels, welches fast eine volle halbe Stunde in Anspruch nahm. Das Schiff war jetzt vor den Wind gebracht und kam rasch vorwärts. Der Schnabel stand freilich auf einige Striche hin nicht ganz richtig; aber die Santa Anna näherte sich doch wenigstens dem Hafen und durfte, wenn sie so fortmachte, darauf zählen, in die Straße der Indienfahrer zu gelangen. Watkins hatte sich vorgenommen, wenn er nichts Anderes zu thun hatte, seine Mußestunden dem Steuer zu weihen; aber freilich mußte, wenn ihn sonstige Beschäftigungen in Anspruch nahmen, das Schiff seinen Kurs selbst suchen.
Nach Ausführung dieses kleinen Manövers kehrte unsere Gesellschaft wohlgemuther nach der Kajüte zurück. Don Julian hatte an dem Matrosengeschäfte keinen Antheil genommen, sondern war zurückgeblieben, da die Damen eines männlichen Schutzes nicht entbehren wollten. Nach einigen wirkungslosen Winken mußte man Monsieur Montmorency unverholen bedeuten, sich zu entfernen, und nun verabschiedete sich auch der Silberlöffel, ersuchte aber zuvor meinen Vater, ihn später noch einmal einzulassen, damit er ihm mittheilen könne, wie es mit dem Schiffe gehe.
Er kehrte bald in großer Leidenschaft wieder zurück. Da den Spaniern das Benehmen der Kajütenpartie nicht gefallen wollte, so hatten sie sich so weit aufgerafft, um das Focksegel auf- und das Klüver herunterzuholen; auch das Fockmarssegel war wieder auf das Eselshaupt niedergelassen worden, und zum Schlusse hatten die Elenden die Steuerreepe abgehauen.
Die ganze Nacht über begab sich keiner von den Gentlemen zu Bette. Unter dem Beistand des Löffels versahen sie die Kajüte gut mit Mundvorrath und Wasser, brachten alle ihre Waffen in Ordnung und vervollständigten ihren Munitionsbedarf. Der nächste Tag entschwand wie gewöhnlich – Don Mantez hielt sich abgeschlossen, und die Mannschaft that sich im Sonnenscheine gütlich.
Am Abende sagte Watkins zu meinem Vater, er solle sich, welchen Lärm er auch hören möge, ja nicht stören lassen und auch die Damen zu beruhigen suchen, denn er dürfe sich überzeugt halten, daß Alles in Sicherheit sei. »Haltet nur Eure Thüren verbarrikadirt,« fügte er bei, »und befürchtet nichts Schlimmes.«
Gegen eilf Uhr befand sich der Silberlöffel allein auf der Hütte und unterhielt sich mit sich selber. Der Mond leuchtete mit aller seiner ruhigen Majestät auf ihn nieder. Watkins hätte sagen können: »O du silbernes Gestirn!« aber seine Gedanken nahmen nicht diese sentimentale Richtung, denn er schlug seine Hand auf die theerichten Leinwandhosen und rief:
»Ha, das Gewürm – es will also nicht arbeiten – es will nicht? Hat's je einen Aepfelverkäufer in Tothill-Fields gegeben? Wenn dies nicht der Fall ist, je nun, so sollen auch diese lausigsten, schnurrbarttragenden Malifikanten nicht arbeiten – nein sie nicht, Gott behüte ihre zarten kleinen Pfoten. Wir sind da in einer sauberen Bretull – Miau! eine Katze in einer Waschtonne ist ein Narr gegen uns. Ah! Mary East – Mary East – an alle dem bist du Schuld. Aber ich will euch bearbeiten, ihr Vögel – laßt uns leben, so lang wir können, und ich stehe euch dafür, wir werden nicht sterben, ehe wir's ändern können. So, da geht's – ich denke sie haben sich's jetzt Alle hübsch gemächlich gemacht – kann nun vorderhand ein Bischen warten.«
Watkins stieg nach dem Halbdecke hinunter und traf daselbst zuerst den wahnsinnigen alten Priester, der seine klägliche Runde machte und unablässige Verwünschungen ausstieß. Vergeblich suchte Watkins, ihn zur Ruhe zu bewegen – er erntete dafür nur die bittersten Flüche. Endlich beschloß er, ihn zum Gehülfen für seine Plane zu brauchen – ein Amt, für das er sich um seiner guten Lungen willen besonders qualifizirte.
»Alle Hände an die Pumpen! ES ist ein Leck gesprungen! Fünf Fuß Wasser im Raum – alle Hände, alle Hände an die Pumpen – ein Leck – ein Leck – ein Leck!«
Dieser furchtbare Ruf tönte laut in der schrillenden Stimme des Paters, der außer seinem Wahnsinne noch mit einer vollkommenen Wasserscheu behaftet war, durch die Nacht, worauf einer von den Elenden nach dem andern auf das Deck kroch, um mitanzuhören, daß sie Alle in kurzer Zeit schonungslos ertrinken sollten. Die Matrosen gingen nach unten und untersuchten den Sod – die schreckliche Ankündigung war nur zu richtig, und das Leck ließ mit jedem Augenblicke mehr Wasser ein. Die Kettenpumpe wurde gerichtet, und Jeder ging so rüstig an die Arbeit, wie es nur Leute thun können, denen es an's Leben geht.
Watkins klappte zuerst die Dreher an und schien sich gewaltiger als alle Uebrigen anzustrengen, aber plötzlich erklärte er, er habe sich die Schulter verrenkt, und wich aus der Reihe der Arbeiter. Sie bewältigten das Wasser ein wenig – nur sehr wenig, und nun erhielten die Leute, welche an den Pumpen entbehrt werden konnten, den Auftrag, nach dem Lecke zu sehen, ohne daß jedoch dasselbe aufgefunden werden konnte. Don Mantez und der Montmorency, welche den allgemeinen Schreck theilten, betheiligten sich auch eifrig bei der Arbeit. Sobald Watkins Alle so verdienstlich beschäftigt sah, machte er eine Schmerzgrimasse, ging fort und that sich ein.
Die Spanier müheten sich die ganze Nacht durch, und als der Tag anbrach, fanden sie, daß sie das Wasser etwa zur Hälfte bewältigt hatten. Um es nicht wieder überhand nehmen zu lassen, mußten sie sich in zwei Partieen theilen, von denen die eine für eine kurze Frist die Ruhe suchte, während die andere fortarbeitete. Die Santa Anna nahm sich mit ihrer Zwangsarbeit wie ein schwimmendes Gefängniß aus. Watkins fuhr fort, den Arm in einer Schlinge zu tragen, und man konnte bemerken, daß sich das Leck jedesmal, so oft ihn etwas in üble Laune versetzte, verstärkte. Damit steigerte sich natürlich auch die Arbeit um so mehr, da die Kajütenpassagiere sammt dem Wundarzte und dem Barbier einmüthig erklärten, sie seien ihres Lebens müde und wollten es nicht verlängern, wenn sie's auch nur eine einzige Stunde Arbeit koste; sie seien völlig bereit zu ertrinken, sobald es Gott und den Gentlemen an den Pumpen gefalle.
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