Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenzehntes Kapitel.

Ich mache einen vortheilhaften Gebrauch von meinem Lehrlingscursus unter James Gavel. – Wir beginnen unsere Reise in Verwirrung, und ich übernehme das Kommando des Schiffes, da es mit dem Kapitän und den Matrosen davon gehen will.

—————

Es war nun gegen Mittag und eine steife Brambrise wehte aus Osten; auch hatten wir gerade genug Wellenschlag, um die Bewegung des Schiffes an der Stelle, wo wir vor einem einzigen Anker ritten, zu fühlen. Die Dämme und Linien der Festungswerke von Barcelona waren mit Zuschauern überfüllt, welche sich versammelt hatten, um die Santa Anna abfahren zu sehen.

Da ich die Geistesgegenwart des Kommandeurs bezweifelte, so veranlaßte mich meine Neugierde, nach dem Hauptdeck hinunter zu steigen, denn ich wünschte zu sehen, in welcher Weise bei der gemischten Mannschaft die Operation des Ankerlichtens vor sich ging. Weil unser Fahrzeug ein Kriegsschiff gewesen war, so hatte man statt der Spille das Halbdeck mit einem Kapstan versehen; bis jetzt war indeß der Anker nur durch erstere Maschine aufgezogen worden, und ich war um so begieriger, Zeuge des Manövers zu sein, da ich genau wußte, wie es vollbracht werden mußte. Auf dem Halbdeck war bereits der Messenger in das Kabel geschlagen und mit Beitauen festgemacht, auch der halbe Schlag des Kabels von den Bettingen abgeworfen, so daß in Wahrheit das Schiff nur noch an dem Messenger ritt.

Ich begriff dies augenblicklich, und da ich Alles, was mir theuer war, an Bord hatte, so hielt ich es für meine Pflicht, die weiteren Schritte zu beobachten. Ich sah, daß die Halse, welche man Messenger nennt, ein sich abrollender Leiter war, den man um die Basis des Kapstan geschlungen und nur bis zur großen Lucke an dem Kabel befestigt hatte, wo die Bindsel der Beitaue aufhörten und das Kabel in den Raum hinunterstieg. Dieser Messenger wurde in der Zwischenzeit umgeschlagen und nach der anderen Seite des Schiffes geführt, wo es abermals auf das Kabel traf und in der Nähe des Klüsenloches an einem frischen Theil des Kabels befestigt wurde. Obgleich der Messenger auf dem Hauptdecke um den Kapstan gewunden wird, so bearbeitet man doch den letzteren von dem Halbdecke aus vermittelst langer Speichen, gegen welche die Matrosen mit Händen und Schultern drücken, oder je nach dem Grade des Widerstandes mit den Füßen weiter treten, wie ebenso viele Pferde in einer Mühle.

Ich habe dies so ausführlich geschildert, damit meine Leser sich eine kleine Vorstellung von dem machen können, was gleich bei dem Beginn unserer Reise erfolgte.

Nachdem Don Mantez sich ein wenig gespreizt und seine Offiziere um sich versammelt hatte, nahm er das Spähglas und musterte die Stadt. Der Anblick war befriedigend. Er befahl dann, den Kapstan zu richten, ergriff sein Sprachrohr und rief:

»Alle Hände, Anker auf!«

»So weit ist's gut,« dachte ich; »der Mann hat wenigstens eine großartige Stimme.«

Ich begab mich sodann in die Kajüte und lud ihre Bewohner nach der Hütte ein, um das Manöver mitanzusehen und der Stadt ein letztes Lebewohl zu sagen, welche ihnen so lange eine Heimath geboten hatte. Sie entsprachen wehmüthig meiner Aufforderung, und auf der Hütte fand ich Don Julian und Isidora, deren Gemüther gleichfalls sehr niedergedrückt waren. Außerdem bemerkte ich auch noch einen Priester, welcher weder der Beichtvater meiner guten Mutter, noch der Geistliche war, der früher zu dem Schiffe gehört hatte. Mit Ausnahme dieses ehrwürdigen Herrn, nahmen wir unsere Stellung auf der Hütte in demselben Augenblicke, als die Kapstanspeichen bemannt wurden und das Kommandowort zum Lichten erscholl.

Meiner Mutter und Schwester war die Scene, welche jetzt unter uns aus dem Halbdecke vorging, vollkommen neu, und ein Gleiches ließ sich auch beinahe von meinem Vater sagen, da es schon mehr als dreiundzwanzig Jahre her war, seit er sich zum letztenmale der sprichwörtlichen Treulosigkeit des Meeres vertraut hatte. Der Anblick war nicht sehr erbaulich, denn die Herren, welche die Pferdearbeit an den Kapstanspeichen versahen, waren ein so zerlumptes und verwahrlostes Pack, als hätte man sie unter den Handlangern des Babelthurmes just vor der Verwirrung der Sprachen ausgelesen. Während sie ihren Kreisgang nahmen, ging der Wind in die Höhe, und als die Topsegel gelöst, die Schooten ein- und angezogen wurden, der Anker aber kurz stagweise lag, konnten sie das Strammen des Kapstans kaum mehr überwältigen, so daß sie sogar wieder rückwärts hätten gehen müssen, wenn die Pallen nicht gewesen wären.

Von Anfang an hatte ein gewaltiges Getümmel geherrscht, und jetzt war Alles in der größten Verwirrung. Jeder, der mit einem Mund versehen war, hatte einen Befehl zu geben. Befehle sind nun freilich nothwendig und sehr gute Dinge, aber das Gehorchen ist doch zehntausendmal mehr werth, und der Dienst ging nur in sehr spärlichem Verhältniß mit der Anzahl der Kommandoworte vorwärts.

Ich sah augenblicklich, daß es unserem Kapitän an Seemannskunst nicht gebrach, wohl aber ganz und gar an der Ruhe und Entschlossenheit, welche auf dem Meere das Monopol der Engländer zu sein scheinen. Ich sehnte mich nach James Gavel – sogar mit seiner Handspake.

Die Hauptraaen waren gebraßt, so daß der Schiffsschnabel seewärts gerichtet werden konnte, und nun ging der Anker auf und hinab. Der Wind fuhr schnaubend wie ein Trupp wilder Pferde vom Steven bis zum Stern über das Deck, und die Faltengewänder der Damen nahmen tausend phantastische Gestalten an, hinter ihren Trägerinnen hinausfliegend, als suchten sie Schutz vor dem Winde. Mein achtbarer Vater streckte, die Brille auf seiner Nase, den Hals aus, und bemühte sich, genau von dem Mittelpunkt der Hütte aus Aufklärung über Alles, was er sah, zu erhalten, als plötzlich mit einem furchtbaren Ruck der Anker von dem Grunde losriß, worauf die Leute an dem Kapstan ihn im Laufe von einigen Minuten hoch genug heranbrachten, daß er an dem Katzenblocke angehakt werden konnte. Nun bewegte sich das Schiff langsam in der Runde und drehte sein ungeheures Geripp dem Winde zu.

Unter vielem Lärm wurden die Segel ausgebreitet, aber der Anker hing noch immer an den Bugen. Wir wandten unsere Augen nach der Stadt und sahen dort einige weiße Schnupftücher, die uns ein langes Lebewohl zuwinkten.

»Nun, Ardent,« sagte der alte Herr zu mir, indem er seine Brille abnahm und die Feuchtigkeit abwischte, welche ihm der Wind oder eine andere Ursache in die Augen gebracht hatte; »was hältst du von der Sache, Ardent?«

»Von welcher Sache, Vater?«

»Von dem Schiffe und alle dem, was darauf getrieben wird.«

»Wir dürfen uns sehr glücklich preisen, daß es eine Vorsehung gibt, welche über uns wacht.«

»Ja, ja, Ardent; es ist gewiß recht schön von dir, Junge, daß du an die Vorsehung denkst. Ich habe alle Achtung vor der Vorsehung. Aber ich muß unserem Freunde Mantez und seiner Mannschaft so und so viele tausend Dollars bezahlen, daß er mich und die Meinigen wohlbehalten nach Neu-Orleans bringt.«

»Ich wollte, sie hätten unsere Dollars und wir wären in Sicherheit.«

»Hum, Ardent, du wirst machen, daß dich die Frauen hören. Glaubst du nicht, wir seien recht hübsch unter Segel gegangen, wie es die Matrosen nennen?«

»Im höchsten Grade tölpelhaft.«

»Nun, nun, mein Sohn, aber es ist gewiß nicht die Schuld unseres wackern Kapitäns. Hast du gehört, wie er schrie, bemerktest du nicht, wie er sich abarbeitete? Wahrhaftig, der arme Mann trieft noch jetzt von Schweiße.«

Ich schüttelte den Kopf und dachte an den armen James Gavel.

»Und,« fuhr mein Vater fort, indem er sich mit erzwungener Heiterkeit die Hände rieb, »sieh nur, wie zierlich und wie schnell wir jetzt vorwärts kommen. Ein günstiger Wind, Junge, und Alles sicher. Aber warum machst du ein so trübes Gesicht?«

»Ich kann mir nicht helfen. Es sind mehr böse Vorzeichen vorhanden, als bei der Brigg Jane, obgleich ich meine Folgerungen nicht aus den Ratten, sondern aus der Mannschaft ziehe.«

In diesem Augenblicke zeigte sich Kapitän Mantez mit ungemein wichtiger Miene auf der Hütte, verbeugte sich gegen die Damen und verlangte von ihnen Glückwünsche, daß er so mannhaft und gewandt den Weg nach dem Orte ihrer Bestimmung eröffnet habe.

»Es sind noch einige Hindernisse für unsere Glückwünsche vorhanden,« sagte ich in englischer Sprache, indem ich nach dem noch immer gerichteten Kapstan deutete.

»Es bläst hier gar zu kalt,« sagte mein Vater. »Wollt Ihr die Güte haben, Euren Leuten zu befehlen, daß sie jene Stangen von dem Kapstan nehmen, damit wir auf das Halbdeck hinuntersteigen können.«

»Sogleich.«

Und er ging hinunter, um die nöthigen Befehle zu ertheilen.

Ich bemerkte jetzt ein großes Gewühl auf dem Vorderschiffe und folgerte daraus, daß die Leute im Begriff seien, den Anker zu fischen – das heißt, die Ankerarme nach den Bugen heraufzuholen, um ihn für eine lange Reise einzustauen. Auf den Befehl des Kapitäns machten sieben oder acht Mann die Kapstanspeichen los; aber mit einemmale ließ sich an den Bugen ein schweres Klatschen vernehmen und der Kapstan drehte sich mit der Schnelligkeit einer Uhrenwalze im Kreise, nachdem die Aufhaltfeder gebrochen ist. Die Speichen wurden in allen Richtungen geschleudert, und eine davon schlug den Kommandeur zu Boden, wie denn überhaupt Alles, was in ihren Bereich gerieth, die Planken küssen mußte.

Die Damen schrieen entsetzt und blieben dann in stummem Staunen stehen. Das Drehen des Kapstans und seiner Speichen hörte auf. Die paar Beitaue, welche das Kabel leicht an den Messenger befestigt hatten, waren der Reihe nach vor dem Klüsenloche gerissen, und der Anker faßte in ungefähr fünfundzwanzig Faden Tiefe Grund. Das Kabel rauschte über die rauchenden Bätinghölzer hinaus. Niemand von der Mannschaft hatte Geistesgegenwart genug, einen Stopper einzulegen, oder das Klüsenloch durch Hineinwerfen von Hängematten oder anderem Gerümpel zu verrammen, und die Folge davon war, daß das Kabel nach seiner ganzen Länge ablief, bis es an den Kabelstich um den Hauptmast im Raum gelangte. Die Erschütterung dieser plötzlichen Unterbrechung des Schifflaufes war so heftig, daß sie uns, die wir auf der Hütte standen, der Länge nach zu Boden warf. Auch war der Ruck so heftig, daß das Kabel so leicht wie ein Faden verbrannten Flachses riß, aber nicht früher, bis das Schiff mit allen seinen gesetzten Segeln den Schnabel windwärts gedreht hatte.

Die Verwirrung unten und auf den Decken war furchtbar; denn obgleich noch keine Gefahr zu besorgen stand, so hatte doch die Furcht allgemein um sich gegriffen. Die Segel flogen nun flach gegen den Mast, und das Schiff ging rasch rückwärts. Das Wasser begann um die Kajütenfenster zu gurgeln und zu schäumen; auch hatte bereits eine ehrgeizige Welle die schwachen Barrieren durchbrochen und sich in die Kajüte auf dem Hauptdeck ergossen.

Ich habe bereits gesagt, daß das Fahrzeug tief geladen war, und unsere Lage wurde mit jedem Augenblicke beunruhigender. Aber wo befand sich der Kapitän? Er lag gequetscht und blutend auf dem Decke, während die meisten seiner Offiziere sich in einer ähnlichen Lage befanden. Die widersprechendsten Befehle wurden gegeben, und zwei Parteien von beinahe gleicher Kraft zogen zu derselben Zeit an den Backbord- und Steuerbordhauptbrassen, was zur Folge hatte, daß die Hauptraaen vollkommen in ihren rechten Winkeln blieben.

Jugurtha stand, die Arme nachlässig gekreuzt, in meiner Nähe und grinste vor Entzücken. Meinen Vater hatte die Bestürzung sprachlos gemacht, und die übrige Gesellschaft auf der Hütte, lauter gute Katholiken, benützten ihre Zeit dazu, daß sie ihre Lieblingsheiligen anriefen. Ich muß es zu meiner Schande gestehen, daß mich diese Verwirrung freute, weil sie dazu diente, den Werth des prahlerischen Don Mantez zu zeigen, denn ich wünschte, ihn auf jede mögliche Weise in der Achtung meiner Schwester und der übrigen Familie herabzuwürdigen.

»Jugurtha,« sagte ich, »sei so gut, dein Grinsen aufzugeben. Hilf meinem Vater auf die Beine und setze ihn gemächlich auf den Hühnerstall. Du brauchst auf das Amulet der Sennora nicht zu achten – und ich glaube wahrhaftig, die Schnur von Honoria's Rosenkranz ist zerbrochen, so daß das Deck über und über mit Gedenkzeichen von Aves und Paternostern übersäet ist. Kehre dich nicht daran, Jugurtha – kehre dich nicht daran, sage ich – jetzt ist keine Zeit dazu, um auf unsere religiösen Pflichten zu achten. Lustig, lustig, wir gehen sternwärts! Hörst du, mein braver Jugurtha, wie der Mast ächzt und die Raaen sich beugen? Und ich stehe dir dafür, die Stagen vorn und hinten sind gegenwärtig weit dichter gespannt, als je eine von Honorias Harfensaiten; der Wind spielt lustig darauf. – Eine passende Begleitung zu dem barbarischen tollen Getümmel da unten. Ist nicht Alles dieß außerordentlich angenehm, Jugurtha? Aber grinse nicht, mein Freund, sondern freue dich darüber in der dunkeln Kammer deines Herzens, wie ich.«

Und so machte ich für eine Weile meinen Gefühlen Luft, denn der boshafte, heitere Geist des Spottes hatte sich meiner ganz bemächtigt.

Während ich in dieser Weise meine Verachtung zu erkennen gab, fegte eine englische Brigg mit oben und unten anmuthig ausgebreiteten Leesegeln an uns vorbei, während dieselben Winde uns in's Verderben zu jagen schienen. Viel kleiner, als die Santa Anna, nahm sie sich wie ein Schwan aus, der stolz an einem ungeheuren Holzklumpen vorbeischifft. Sobald sie backstags von uns lag, sprang ihr Meister, ein kleiner, feuriggesichtiger, rothköpfiger West-Engländer auf das Bollwerk des Hauptdecks und breyete uns durch sein ungeheures Sprachrohr mit folgendem Glückwunsche an:

»Schiff ho, hoioh! ihr spanischen Tölpel, wollt ihr mit dem Stern voran zur Hölle gehen? Habt ihr denn keinen einzigen Mann an Bord? Die Spanier find doch keinen Teufel werth.«

Und er fuhr mit seinem rüstigen Schifflein an uns vorbei, sich der Brise erfreuend. Sein Hohn traf mich bis in's Mark.

»Jugurtha,« rief ich, »seine Zeit ist noch nicht gekommen. Zeige jenen Inselbewohnern, daß auch Männer an Bord sind.«

In diesem Augenblicke schleppte sich der betäubte Mantez nach der Hüttenleiter. Ich entriß ihm das Sprachrohr, das er noch in der Hand hielt, schob ihn unwillig bei Seite, sprang an den Rand der Hütte, setzte das Instrument an meinen Mund und brüllte mit einer Stimme, deren lauter Schall sogar mich selbst überraschte:

»Stille da, vorn und hinten! Vorwärts, Jugurtha, und sieh' zu, daß meinen Befehlen Folge geleistet wird. Nimm' diese Handspake und schlage den Ersten, der zögert damit nieder.«

Der Lärm legte sich im Nu.

»Der Zimmermann mit seiner Mannschaft nach der Kajüte, daß er die Todtlichter einsetze. Das Steuer hart Backbord! Bemannt die Steuerbordhauptbrassen – herum mit den Hauptraaen! Raum gegeben – holt die Klüverschoote windwärts an – einen Zug an der großen Steuerbordbrasse – so – so – haltet die großen und die Brammarssegel in Bewegung. Jugurtha, gib jenem schläfrigen Dänen Eins in die Rippe. – Jetzt geht's lustig herum – laßt die Hauptschooten anziehen – bemannt die Steuerbordhauptbrassen – laßt los und haltet an – richtet das Steuer!«

Und so war in weniger als zwei Minuten das Schiff wieder vor dem Winde und nahm seinen rechten Kurs. Es war ein seltsamer Anblick. Die erschrockene Mannschaft gehorchte stumm einem Befehlshaber, der wie durch Zauberei aus den Deckplanken hervorgequollen zu sein schien, und der thätige, starkarmige Jugurtha sprang da und dort unter ihnen herum, den Einen bei Seite werfend, dem Andern einen Stoß versetzend, und dem Dritten ein Tau in die Faust gebend: er war überall zumal.

Auch hielt ich nicht inne, bis ich jedes Segel gut gesetzt, jedes Tau straff angeholt, die Decken sorgfältig gesäubert und die Taue nach Seemannsweise hinuntergeschlagen sah. Während dieser ganzen Zeit stand Don Mantez vor Erstaunen festgebannt da und hielt sein Schnupftuch vor das blutende Gesicht.

Nachdem ich Alles zu meiner Zufriedenheit angeordnet hatte, ging ich auf den verdutzten Kommandeur zu, begrüßte ihn mit meiner besten Verbeugung und händigte ihm das Sprachrohr mit den Worten ein:

»Kapitän Mantez, Euer Schiff ist nunmehr in Ordnung, und ich trete Euch das Kommando wieder ab, welches ich nachgedrungen nur auf kurze Zeit übernommen habe, um uns Alle zu retten.«

Der Mann stieß – natürlich in spanischer Sprache, in der jetzt unsere meiste Unterhaltung geführt wurde – einen Fluch aus, der zu schrecklich war, als daß ich ihn übersetzen oder berichten möchte, fügte eine Drohung nebst dem Worte Meuterei bei und begab sich dann langsam nach seiner Kajüte.

»Mein braver Sohn!« sagte mein Vater, mir herzlich die Hände drückend, »du bist unser Retter gewesen.«

»Mein herrlicher Sohn!« rief meine Mutter, »möge dich die gebenedeite Jungfrau zum wahren Glauben bekehren!«

»Mein edler Bruder!« sagte Honoria, indem sie schüchtern ihren Arm um meinen Leib schlang. »Wie stolz bin ich auf dich und wie sehr liebe ich dich! Warum, theuerster Ardent, bist du so kalt und abstoßend gegen mich? Womit habe ich mich gegen dich vergangen? Du willst es nicht einmal gestatten, daß wir Freunde sind, und doch sehnt sich mein verlangendes Herz nach der Liebe eines Bruders. Ardent, ist mein Recht nicht ebenso stark, als meine Sehnsucht?«

»Honoria, glaube mir, daß ich dich aus tiefster Seele liebe, und schon ehe ich dich sah, hatte sich dein Bild, wie ich mir's dachte, in dem heiligsten Winkel meines Herzens geborgen. Deine hübschen Briefe waren mein Entzücken, und ich brannte vor Ungeduld dich zu sehen. Aber wir wollen davon nicht mehr sprechen – es ist ein großer – ein schrecklicher Irrthum vorgegangen – und mein Gemüth ist oft so unstät, daß es an den Rand des Wahnsinns streift. Doch sieh', unsere Freunde, Don Julian und seine süße Muhme, wollen mich dir rauben, um mich zum Helden des Augenblicks zu machen.«

Und in der That überhäuften sie mich dermaßen mit Lobsprüchen, die ich, wie sie glaubten, verdient hatte, daß mir eigentlich der Kopf wirbelte.

Nachdem ich aufmerksam auf Alles gehorcht, was sie mir zu sagen hatten, entgegnete ich kurz und nachdrücklich: »ich hoffe, die Scene, deren Zeuge sie eben gewesen, werde auf sie Alle den richtigen Eindruck machen.«

Diese Worte wurden völlig verstanden, und ich freute mich, daß sie meinen Vater gedankenvoll, meine Schwester aber schaudern machten.

*


 << zurück weiter >>