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Das längste in dem Buche, das nicht mehr wie billig ist, da es ein Kapitel von Rittern und einen Ritterorden in's Leben ruft. Der letztere ist nicht zu verachten, obschon die Stelle des Großmeisters nur durch einen dritten Maten vertreten wird.
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Sobald der Tag angebrochen war, weckte ich Julian und vertraute ihm meinen Argwohn. Er sah augenblicklich den Stand der Dinge in demselben Lichte, wie ich, weßhalb wir uns dahin vereinigten, im Geheim möglichst viele Waffen, namentlich aber Pistolen mit der nöthigen Munition in unsere Kajüten und in das Staatsgemach auf dem Hauptdecke zu schaffen, welches mit seinen kleinen Kajüten zu jeder Seite nur von den Damen und ihrer weiblichen Dienerschaft bewohnt war. Die Hängematte meines Vaters brachten wir außerhalb des Bollwerks auf der einen Seite des Decks, die des Priesters aber auf der andern Seite an, worauf wir beide mit Leinwandschirmen abschieden. Ich habe bereits gesagt, daß ich in einer kleinen Kajüte unmittelbar unter dem Steuerbordrande der Hütte schlief, während Julian eine ähnliche auf der entgegengesetzten Seite einnahm. Die Hüttenkajüte war ausschließlich der Bequemlichkeit des Kapitäns geweiht; er wohnte und schlief in derselben, wie er denn auch seit unserem Bruche mit ihm daselbst seine Mahlzeiten einnahm. Es war bereits fast drei Wochen, seit er sich nicht mehr in dem Staatsgemache gezeigt hatte. Die Hängematten der Schiffsmaten befanden sich hinten auf dem Hauptdecke, und den übrigen Unteroffizieren waren die im großen Schiffe üblichen Plätze angewiesen. Ein kluger General wird stets wo möglich das Schlachtfeld mustern, ehe er den Kampf beginnt.
Ich hatte indeß beschlossen, die Dinge so ruhig wie möglich zu nehmen und dergleichen zu thun, als glaube ich, daß Alles im gehörigen Gang sei, um die Verschwörer nicht durch eine Beschämung zum offenen Ausbruch zu veranlassen. Da es höchst nöthig war, den Argwohn einzuschläfern, so begann Don Mantez von nun an nach denselben Grundsätzen zu handeln. Nachmittags etwa um Glock Sieben kam er zu mir auf die Hütte, und machte gegen mich eine sehr versöhnende Verbeugung. Ich antwortete mit einem matten Versuche des Lächelns. Nach dieser Ermuthigung begann er:
»Sennor Trottoni, ich hoffe, daß der dritte Mate meinen Auftrag von gestern Nacht nicht in unhöflicher Weise meldete.«
»Ei, Kapitän Mantez,« entgegnete ich mit erzwungenem Scherze, »ist es möglich, eine brennende Kohle wie einen kalten Gegenstand in der Hand zu tragen und die Beschuldigung, daß man mit einem von Euern Untergeordneten unter der Decke spiele, wie ein Neujahrskompliment auszurichten?«
»O verzeiht mir, Sennor, der Mann hat mich mißverstanden; er ist ein Thor in seiner eigenen Sprache und noch ein Bischen mehr in einer fremden. Ihr erinnert Euch, daß Ihr sehr laut spracht, und ich bedurfte in der That der Ruhe; also bloß ein Irrthum. Es war allerdings unhöflich von mir, Euch zu ersuchen, daß Ihr Eure Stimme dämpfen möchtet, und ich bitte deßhalb um Eure Vergebung, die Ihr mir hoffentlich nicht versagen werdet.«
»Sprecht kein Wort mehr davon, Don. Seid versichert, ich unterhalte ganz dieselben Gefühle gegen Euch, deren ich mich von Euch versehe. Aber es ist bald Mittag – wäre es nicht an der Zeit, die Beobachtungen vorzunehmen?«
»Ja, wir wollen nach den Offizieren schicken.«
Und nun begannen Mantez mit seinen Sextanten und die beiden Maten mit ihren Quadranten die Sonnenhöhe zu messen.
»Aber wo ist der Engländer?« fragte ich. »Die Angehörigen seiner Nation sind in der Regel tüchtige Seeleute.«
»Er bildet eine Ausnahme, Sennor – eine Ausnahme; er ist ein bloßer Stümper.«
»Ich bedaure, dies hören zu müssen. Mein Kompliment an Mr. Drinkwater,« sagte ich zu einem in der Nähe stehenden Manne, »und ich lasse ihn um die Gefälligkeit bitten, mir seinen Quadranten zu borgen. Ich möchte sehen, Kapitän, ob ich noch weiß, wie man die Sonne schießt. Ich hatte mich an Bord der Brigg, in welcher ich schiffbrüchig wurde, in diesem Geschäfte gut eingeschult.«
Der Quadrant wurde mir bald eingehändigt. Ich verglich den untern Sonnenrand mit dem Horizont, und bald nachher neigte sich die Sonne.
»Zwölf Uhr!« rief Mantez. »Zieht die Glocke an.«
Mittlerweile nahm ich mein Bleistift heraus und berechnete die Breite; dann aber stellte ich mich ungemein erstaunt und tief in einem entsprechenden Tone:
»Zehn Grade dreizehn Minuten nördliche Breite! Wie kommt dies? Durch welch' ein seltsames Mirakel sind wir hierhergekommen?«
Die Drei machten für einen Augenblick eine verwirrte Miene – freilich aber nur für einen Augenblick – wenigstens war dies von Seite des Kapitäns der Fall.
»O Sennor,« sagte er, »ohne Zweifel ist Drinkwaters Quadrant ebenso aus der Ordnung als er selber.«
»Nein, nein,« versetzte ich; den Sextanten des Kapitäns aufnehmend, welcher sorglos auf das Hochlichtfenster über der Kajüte gesetzt worden war; »das kann nicht sein, denn ich lese dieselbe Anzahl von Graden und Minuten mit einem höchst geringfügigen Unterschied in Eurer eigenen Rechnung verzeichnet. Auch bestätigt Euer Quadrant, Monsieur, die Nachweisungen des meinigen. Wie, im Namen der Ehrlichkeit haben wir südlich von allen karibischen Inseln kommen können?«
»Ich bin ebenso überrascht wie Ihr,« sagte Mantez nach einer langen Pause. »Sennor Montmorency, ich hoffe, daß Ihr mich nicht getäuscht habt. Wie dem übrigens sein mag, wir wollen uns nach meiner Kajüte begeben, die Karte zu Rathe ziehen und unseren Kurs rektifiziren. In der That, ich bin völlig bereit, die ganze Lenkung des Schiffes Sennor Trottoni abzutreten, wenn er die Sache besser zu verstehen glaubt, als wir.«
»O nicht doch, ich muß leider sagen, daß ich allzuwenig davon verstehe. Nur glaube ich, daß wir in der südlichen Hemisphäre kaum einen Platz anthun zu können hoffen dürfen, der zufälligerweise über dem dreißigsten Grade der nördlichen Breite liegt.«
Wir begaben uns nach der Kajüte, wo die Karte aufgelegt wurde, und ich hatte bald das Ende meines Zeigefingers auf der Breitelinie, welche wir damals kreuzten.
»Nun, meine Herren, wie weit stehen wir in westlicher Länge?« fragte ich.
Aber die Gentlemen wußten nichts davon, oder thaten wenigstens dergleichen. Die Chronometer befanden sich nicht in Ordnung, die Gissung war schlechter als nutzlos, und eine Mondbeobachtung war, seit man das Land außer Sicht verloren, nicht aufgenommen worden. Da fiel mir denn zum erstenmal ein, daß wir, weil wir uns auf dem unbesuchtesten Theile jener Hochstraße der Nationen des Oceans befanden, kein einziges Schiff angesprochen hatten. Waren wir also absichtlich aus dem gewöhnlichen Fahrbereiche geführt worden? Diese Ueberzeugung durchzuckte mich wie der Schlag einer galvanischen Batterie. Ich zweifelte nicht länger, daß wir verrathen waren. Dennoch bemeisterte ich den Ausdruck meines Gesichtes, und sagte mit aller mir möglichen Geschmeidigkeit:
»Ich sehe, meine Herren, daß wir uns wie die unschuldigen Kinder im Walde verirrt haben. Jene Inselbewohner, die Engländer, finden sich ins Wasser so natürlich wie die Seehunde, und ich glaube wahrhaftig, viele von ihnen können rein aus ihrem Instinkte sagen, wo sie sich befinden, mag man sie auf was immer für einen Theil des Oceans setzen. Laßt uns nach Drinkwater schicken; wir können seinen Rath entweder annehmen oder zurückweisen, je nachdem er uns gutdünkt; aber es ist wenigstens eine Aussicht, die wir nicht so wegwerfen sollten, wie wir's mit uns selbst gehalten haben.«
»Bedeutet dem englischen Hunde, dem Drinkwater, er solle nach hinten kommen,« sagte der Kommandeur hochmüthig zu den aufwartenden Bedienten.
David kam mit demüthiger Miene nach dem Hinterschiffe; aber dennoch lauerte ein gewisser düsterer Zug unter seiner Demuth, der mir die Ehrlichkeit des Mannes zu verbürgen schien.
»Wir haben nach Euch geschickt, Mr. Drinkwater,« sagte ich mit achtungsvollen Geberden, »damit Ihr uns Euer Gutachten über die Stelle, wo wir gegenwärtig stehen, abgebt.«
»Ei, wie soll ich das wissen? Schätz wohl irgendwo auf dem Atlantischen.«
»Ein hinreichender Raum, um sicher zu rathen. Vermuthlich kennt Ihr unsere Breite.«
»Nicht weit von der Linie rechne ich – wenigstens dem Auf- und Untergang der Sonne nach; auch schwitzt das Pech aus den Fugen und die Motten werden höllisch unverschämt.«
»Dies ist genau unsere Breite,« sagte ich, auf die Karte deutend; »aber jetzt versucht es einmal, auf's Ungefähr unsere Länge zu errathen.«
»Ei,« versetzte er, »wenn ich sprechen soll, so würde ich etwa da herum sagen – nicht weit von der Insel San Paolo. Wir haben nicht mehr als dreißig Grad westlich gemacht – nennt mich einen Stümper, wenn's nicht wahr ist. Wir sind just auf der Außerwegsstrecke, welche schlauer Weise alle Sklavenhändler einschlagen, seit der Sklavenhandel von den Engländern wie Seeraub behandelt wird.«
»Aber wie wißt Ihr Alles dies?«
»Gott segne Eure guten zwei Augen, Mr. Troughton; ich sollte es eigentlich nicht sagen, weil es mir gerade keine Ehre bringt, aber ich habe selbst einmal auf einem Sklavenhändler gedient. Ich kenne die Seetrift, unter der wir jetzt sind, so gut als die Schmalzblumen und Masliebchen, die auf der Wiese hinter meines Vaters Hause wachsen (mit einem tiefen Seufzer). Wollte Gott ich wäre noch dort – aber das ist ein vergeblicher Wunsch. – Ich habe mein Sprüchlein angebracht – und thut jetzt was Ihr wollt.«
»Was wir wollen, David? Nein, nicht was wir wollen, soll geschehen – was rathet Ihr uns zu thun? Sprecht Euch frei aus, und ich schwöre Euch beim heiligen Georg von England, es soll geschehen, was Ihr sagt.«
»Ihr gedenkt doch hoffentlich den Schiffskurs nicht ohne meine Genehmigung zu ändern?« sagte Mantez mit großer Ruhe.
»Zuverlässig werde ich dies.«
»Nein, gewiß nicht, denn im gegenwärtigen Falle werde ich sanktioniren, was Ihr vorschlagt.«
»David, Ihr hört – nun wie würdet Ihr's ergreifen?«
»Ei, wenn ich das Schiff zu leiten hätte, so müßten mir die Steuerbordsegel herunter, ehe ein Affe eine Kokusnuß aufknacken könnte; herum in die Backbordbrassen, den Wind recht backstags, und den Schiffsschnabel scharf nach Nordwesten. Beim Pfeifer, wir werden eine von den virginischen Inseln anthun, und ich kenne jede vom Ansehen so gut wie meine Brüder und Schwestern.«
»Nun, Kapitän Mantez,« sagte ich, mich gegen ihn sehr tief verbeugend, »wollt Ihr mir die besondere Gunst erweisen, diesen Andeutungen Folge zu geben?«
»O Sennor Trottoni,« entgegnete der Kommandeur sich noch tiefer verbeugend, »Ihr seid allzugütig. Vielleicht werdet Ihr mir die nie genug anzuerkennende Verbindlichkeit auferlegen, sie selbst in Ausführung zu bringen. Es ist ein so vernünftiger Vorschlag, das Kommando eines Schiffes auf den Wink eines sehr jungen Mannes, eines Passagiers und eines Käufers und Verkäufers von Baumwolle und Syrup abzugeben, daß ich Euch bitte, mein Sprachrohr zu nehmen und dafür Sorge zu tragen, daß Alles geschieht, was Euch gutdünkt.«
»Mit dem größten Vergnügen von der Welt,« sagte ich, dem erstaunten Manne das angebotene Sprachrohr abnehmend.
Dann ging ich auf das Halbdeck hinaus und brüllte augenblicklich durch das Instrument:
»Mannschaft herauf – zum Segelsetzen!« Und in ganz kurzer Zeit hatten wir das Schiff, welches mit zunehmender Eile umhielte, während die Luvstengenleesegel wunderbar zogen, in dem empfohlenen Kurse.
Der Ton meiner Stimme, welcher die nöthigen Befehle ertheilte, führte augenblicklich meine Familie sammt Isidora und Julian auf das Deck. Es gereichte Honoria zum großen Entzücken, ihren Bruder wieder den Kapitän spielen zu sehen, was sie dann auch in der Freude ihres Herzens unverholen gegen mich ausdrückte. In der That wurde das Manöver mit eigentümlicher Possirlichkeit ausgeführt; denn kaum hatte ich das Kommando übernommen, als sich Jugurtha ex officio berufen fühlte, meinen Lieutenant zu spielen. Die Hast, mit welcher er für pünktliche Befolgung meiner Befehle sorgte, und seine erstaunliche Behendigkeit gaben keine üble Idee von ihm; denn er hüpfte dahin und dorthin wie eine große schwarze Bohne in einer Bratpfanne unter einem Häuflein röstender Erbsen. Hätte Jemand anders Befehle ertheilt, so – glaube ich – würde er keine Hand an ein Tau gelegt haben, um das Schiff vom Sinken zu retten – stets vorausgesetzt, daß unsere Sicherheit nicht gefährdet wurde.
Nach ausgeführter Schwenkung gab ich Mantez das Sprachrohr wieder zurück; er nahm es mit einem ironischen Lächeln an, zeigte aber kein anderes Merkmal von Mißvergnügen über die Freiheit, die ich mir genommen hatte. Es beliebte ihm, an jenem Tage gnädig zu sein. Er machte unserer Gesellschaft mehrere Erbietungen, welche den Anschein trugen, als wünsche er, sich mit ihr in ein besseres Einvernehmen zu setzen. In der That war sein ganzes Verhalten das eines Mannes, welcher eben erst einen verzweifelten Zweck erreicht hat. Auch in den Gesichtern der beiden ersten Maten war ein Zug heiterer Bosheit nicht zu verkennen. Mein Herz bangte bei allen diesen Anzeichen eines erfolgreichen Verraths. Dennoch fand ich es nöthig, zu Mittag zu essen, und beschloß, das Diner dadurch denkwürdig zu machen, daß ich David Drinkwater an unsere Tafel einlud.
Bisher hatten wir eine strenge Scheidelinie zwischen uns und der Schiffsmannschaft gezogen. Allerdings war im Laufe der ersten vierzehn Tage Don Mantez unser beharrlicher Gast gewesen; sobald wir ihm aber unsere Abneigung gegen seine Vertraulichkeit merklich zu erkennen gegeben hatten, war er nur noch selten in unser Staatsgemach getreten.
Dieses Glück und diese Ehre waren fast zu viel für den guten Burschen. Die Herzlichkeit meines Vaters, die geschmeidige Höflichkeit meiner Mutter und die mädchenhaften, neckischen Koketterien Honorias brachten ihn vor Wonne ganz außer sich. Er sang uns seine schönsten Matrosenlieder und erzählte seine besten Seeanekdoten, von denen manche wohl der Aufbewahrung werth gewesen wären. Wie viel Verstand, gediegenen Humor und Edelsinn findet man nicht oft unter der rauhesten Außenseite! Er zollte dem Azur von Honorias Augen ein Kompliment, das kaum von den glücklichsten Poeten übertroffen werden konnte, indem er sie bat, sie möchte nicht so angelegentlich nach ihm hinsehen, denn seine Mutter habe ihn gelehrt, es sei Götzendienst, ein anderes Blau anzubeten, als das, welches den Himmel vor unseren Augen verschleiere.
»Aber was hast du diesen Vormittag mit unserem Schiffe angefangen, Ardent?«
»Oh, mein theurer Vater, wir haben uns in dem Wegweiser geirrt und einen langen Umweg gemacht.«
»Einen Circumbendibus,« sagte David.
»Ich lasse mich belehren – einen Circumbendibus, um einen Punkt zu erreichen, der gerade vor uns lag. Nur ein Versehen in unserer Gissung.«
»Vermutlich die Posten der schlimmen Kunden auf die unrechte Seite gesetzt? Sollte jeden Tag Bilanz halten – macht wohl jetzt einen Ausfall per contra creditor – he?«
»Just so; aber ich denke, wir sollten dem Kapitän für diese Zögerung eine Geldstrafe auflegen.«
»Ich denke nur, er wird die Kreidestriche auf seinem Logbrett auswischen, eh' er mit einem einzigen Schuß ausrücken wird,« sagte der sententiöse Mate.
»Ich glaube,« bemerkte mein Vater, »daß das Schiff nie vorher so schnell ging. Sieh nur, wie die Wellen an uns vorbeifliegen.«
»Es ist ohne Zweifel der beste Segelstrich;« versetzte ich, »und wenn die Santa Anna und wir nur ehrlich Spiel kriegen, so werden wir bald die Entfernung wieder einbringen, die wir so schmählich verloren haben.«
»Ich bezweifle dies sehr, Sir,« bemerkte der schlaue David. »Wir sind in der Breite der Windstillen. Sechs Wochen oder zwei Monate auf einem Spiegel braten, will in diesem Theile der Welt nicht viel heißen.«
»Möge der Himmel dies in Gnaden verhüten!« sagte ich schaudernd. »Meine größten Leiden habe ich in einer Windstille erduldet.«
»Solange wir vor den Wind rannen, hatten wir ein Recht zu erwarten, daß er uns folgen werde, bis er sich ausgeblasen hat; aber nun wir todt in die Quere rennen, müssen wir eben hoffen durchzukommen. Eine lustige gute Kühlte soll nicht über fünfzig Meilen in die Breite messen, wohl aber fünfzehnhundert Meilen in die Länge spürbar sein. Wir müssen, glaube ich, auf dem Deck nach Böen aussehen und auf der See für Windstillen gefaßt sein.«
»Mögt Ihr so unprophetisch sein, David, wie Balaam, als er ausging, um sein Zeugniß abzulegen.«
»Ah, Sir, es findet zwischen Balaam und mir eine größere Aehnlichkeit statt, als Ihr wohl wißt. Als wir beide prophezeien wollten, wurden wir durch – –«
»Einen Engel oder einen Esel aufgehalten – durch einen Engel oder einen Esel?« sagte Honoria, so gut sie vor Lachen konnte.
»Durch einen Engel, Miß, denn Ihr habt mich eben unterbrochen.«
»Ha, er ist nicht ein vollkommener preux Chevalier,« entgegnete Honoria – »ein irrender Ritter auf der See – ein Bischen roh zwar, aber höflich – zuverlässig – zuverlässig – –«
»Wie der Pflichtanker, Miß.«
»Treu, wie – wie – –«
»Der Kompaß – –«
»Und brav – brav wie – –«
Und der schöne Schalk wartete wieder auf eine Entgegnung.
»Oh! Wir englische Matrosen zählen das für nichts – es wird immer in den Kauf geworfen.«
»Wacker geantwortet, mein lieber David,« sagte ich; »aber wem soll diese Bravour geweiht sein? Man nimmt stets an, daß eine schöne Dame die Schutzgottheit eines irrenden Ritters sein müsse.«
Die Schutzgottheit brachte nun freilich unseren David in Verlegenheit, denn er begann sich den buschigen Kopf mit seinen theerichten Fingern zu kratzen.
»Mr. David ist ein vollkommener amphibischer Bayard,« sagte Honoria in dem Ueberströmen ihrer frohen Laune – sans peur et sans reproche – anmuthig wie das junge Reh, zart wie die gesenkte Linie. Eben jetzt greift er mit der behandschuhten Hand in die dunklen Federn seines Helms, um sein Visir loszumachen, um das Kopfstück abzunehmen; denn was wir sehen, kann nichts weiter sein, als die Weise des edlen Ritters, sich zu entwappnen.«
»Laß dies, Honoria,« sagte ich etwas mißvergnügt. »Das heißt, den Scherz etwas zu weit treiben. Könnten wir ihm in's Herz sehen, so würden wir finden, daß er so edel und treu – ja, unendlich uneigennütziger ist, als der beste Ritter, der je durch die Christenheit Wind gemacht hat. Und höre mich, Honoria, ich möchte dir feierlich bedeuten, obschon ich dich nicht im mindesten zu beunruhigen wünsche, daß wir des Dienstes solcher Herzen recht benöthigt sein dürften. Wollte Gott, daß du in diesem Augenblick David allen Ernstes zu deinem Ritter schlügest – ja, in diesem Augenblicke.«
Der Leser weiß, daß ich allen Grund hatte, den Enthusiasmus des Maten in unserem Interesse auf's Höchste zu spornen, und die Neckerei meiner Schwester gab mir mit einemmale eine vortreffliche Idee an die Hand, es in wirksamer Weise zu thun.
Mein Vorschlag wurde mit Begierde von allen Anwesenden aufgegriffen, denn ich hatte Sorge dafür getragen, den Spaniern das Englische und den Engländern das Spanische zu erklären, damit jeder Theil wisse, was gesprochen wurde. Wir hatten bald einen recht artigen Thron errichtet, auf welchem wir mit gebührenden Ehren das schöne Mädchen setzten. Eine kleine Schwierigkeit hätte beinahe die Harmonie unserer Maßregeln gestört, denn Julian wünschte selbst der Erste zu sein, dem die Ehre des Ritterschlags zu Theil wurde; aber ich und Isidora protestirten feierlich gegen diese Täuschung des ehrlichen Maten, indem wir Julian noch obendrein für ganz unaufnahmsfähig in den Orden erklärten, sintemal derselbe ausschließlich ein Seeorden sein sollte. Endlich fügte er sich den Vorstellungen seiner Muhme, obgleich nicht in der besten Stimmung und unter lebhaftem Widerspruche, wie es gewöhnlich junge Männer zu halten pflegen, wenn ein sehr schönes Mädchen mit in's Spiel kommt.
Honoria saß nun auf einem erhöhten Stuhle, der mit allen Arten prachtvoller Flaggen geziert war, und zeigte unserem bewundernden Blicke, wie holdselig sich die Schönheit im Bunde mit der Majestät ausnehmen muß.
»Nun, Honaria,« sagte ich, da ich die mimische Prunkscene so eindrucksvoll als möglich zu machen wünschte, »benimm dich nicht nur als Schönheit, sondern auch als Königin. Achte die Macht, die Gott dir gegeben hat, denn sie ist größer als die Macht einer Streitergewalt. Suche nicht bloßen Scherz darin, meine liebe, theure Schwester, sondern führe dieses Spiel heroisch durch. Die Wege des Allmächtigen sind unerforschlich – es ist möglich, daß es uns Allen zur Rettung wird –« bei diesen Worten fuhr sie erschrocken auf, aber ich ergriff augenblicklich wieder das Wort: – »wenn unglücklicherweise uns Gefahren umschweben sollten. Don Julian de Aranjuez, Grand von Spanien, vertretet vorderhand die Stelle eines Oberkämmerers und Sekretärs unserer hohen Königin Honoria – habt die Güte, ehrerbietig an Ihrer Majestät linke Seite zu treten. Isidora, des gleichen Namens und aus dem nämlichen edlen Hause entsproßt – ich ernenne Euch – was anders als das Erste wäre Eurer würdig? – zu ihrem ersten Minister und ihrer Freundin. Nein, es darf noch kein Küssen an unserem Hofe geben,« rief ich, als die eine Dame sich niederbeugte, und die andere zu gegenseitiger Umarmung auf die Zehen trat. »Jugurtha, hole den großen goldenen Becher meines Vaters und fülle ihn mit dem besten Weine. So, kniee zu den Füßen deiner Gebieterin nieder – ein Ehrenplatz, du Schuft mit den Elfenbeinzähnen, die zu erhalten Tausende mit Freuden dir den Hals abschneiden würden – nicht gerade hierher, Juggy – das ist ein Bischen zu nah – du mußt Raum lassen für den künftigen Ritter. Und nun, Schwester, nimm dieses gezogene Schwert und halte es in deiner Hand, als ein Werkzeug, in das du zugleich Furcht und Vertrauen setzest.«
Sie nahm es und betrachtete es von dem Hefte bis zur Spitze mit einem leuchtenden Auge, welches aller Furcht Trotz zu blitzen schien; dann legte sie die kalte, blanke Klinge über ihren jungen warmen Busen, der stolz darunter zu schwellen und ihr festen Widerstand entgegenzubieten schien, denn die Waffe ruhte darauf, ohne einen Eindruck zu machen.
Die feierliche Haltung der beiden beigegebenen Adjutanten, Honoria's hohe Würde und Anmuth, wie auch ihre außerordentliche Schönheit begannen uns mit Ehrfurcht zu erfüllen, und wir fühlten mehr und mehr, daß wir eine wichtige Ceremonie vornahmen. Der ehrliche David, der schon hundert Stürme unbewegt durchgemacht hatte, wurde ein wenig blaß und sah fast eingeschüchtert aus. Mein Vater und meine Mutter betrachteten mit Bewunderung das Schauspiel, das ich so plötzlich hervorgerufen, und in dem ihre Tochter eine so herrliche Rolle spielte. Der gute Priester sah stumm beifällig zu. Nach einer Pause von einigen Minuten, während welcher wir uns gegenseitig angesehen hatten, wagte ich den Padre anzureden.
»Hochwürdiger Vater,« sagte ich zu ihm mit allen Zeichen der Ehrerbietung in meiner Miene, »Ihr wißt, wie ich Euch und die Glaubenssätze der Religion verehre, die Ihr so redlich bekennt und durch Euer Leben so gottselig verkündigt. Dürfen wir um Euern Segen für diese kleine Scene bitten? Glaubt mir, sie thut weder der Moral, noch der Ehre Gottes Abbruch, da sie im Gegentheile, so weit wir es zu beurtheilen vermögen, Beides zu fördern bestimmt ist. Wollt Ihr Euch herablassen, unserer Handlung durch ein Gebet die Weihe zu geben?«
»Von Herzen gerne, mein guter Sohn. Ob wir aufstehen oder uns niederlegen – ob wir in's Haus der Freude oder in das Haus der Trauer gehen – ob wir das Elend Anderer trösten oder uns unseres eigenen Glückes freuen – was wir da thun und treiben, es wird dem Allmächtigen nicht weniger angenehm sein, wenn wir ihn zuvor um seinen Segen bitten. Da die Ceremonie, welche Ihr vorzunehmen im Begriffe seid, berechnet ist, Tugend einzuschärfen und zu kräftigen, so will ich von Gott Segen darüber herabflehen in folgender Bitte.«
Und der gute Mann las uns nicht sehr zu unserer Erbauung ein langes lateinisches Gebet vor, das übrigens einen um so bedeutungsvolleren Eindruck auf David Drinkwater machte, weil er es nicht verstand.
Nachdem Alles dies abgethan war, warf ich mich nach einer Pause in eine Rednerattitüde und rief:
»David Drinkwater von dem Schiffe Santa Anna, in Ermangelung eines Besseren dritter Mate, tretet vor. David, da unsere Herrscherin, Lady Honoria, gewillt ist, einen Ritterorden zu schaffen, der im Einklang mit ihrem eigenen Namen und mit der Beförderung ritterlicher Thaten auf dem Meere stehen soll, so hat sie für gut befunden, gedachtem Orden den Namen › ordo honoris navalis‹ zu geben. David Drinkwater, unsere Dame, welche vor Euch auf dem Throne sitzt, hat in Euch jene gediegenen Eigenschaften und hohen Begabungen erkannt, welche die Ritterschaft in den Augen aller Menschen so ehrenwerth machen, und ist daher in Gnaden geneigt, Euch zum ersten Ritter ihres neugeschaffenen Ordens zu ernennen. Da wir in diesem schwimmenden Fort eingeschlossen sind, David Drinkwater, so müssen wir uns der vielen, sonst nöthigen Ceremonien, die gewöhnlich einer Installation vorangehen, entschlagen, und einige davon mögt Ihr nachher bethätigen. Diejenigen, welche nach einer solchen Ehre streben, David, haben in der Regel in einer Kapelle ihre Waffenwache zu halten. Wenn Ihr daher über diesen Punkt gewissenhafte Bedenken unterhaltet, so mögt Ihr der Obliegenheit morgen Nacht in Eurem Theerleinwandhut und in Eurer Matrosenjacke, den Mehlpfriem und den Diensthammer in der Hand, auf dem Besahnsmars erfüllen, obschon wir es nicht gerade fordern wollen, sondern bloß Eurem Gewissen überlassen.«
»Bitte um Entschuldigung – ich müßte dazu eine Flasche Rum haben.«
»Verständig geantwortet, o David. Auch könnt Ihr, wenn Ihr wollt, eine Messe hören.«
»Presbyterianisch geboren, Mr. Troughton, presbyterianisch geboren.«
»Eine vollgültige Einwendung. Nun zu den Insignien des Ordens. Erfindung und Kunst haben sich in Großartigkeit erschöpft. Gold und Diamanten sind gemein – Sterne haben über falschen, verrätherischen Herzen geglänzt, und Hosenbänder haben Kniee umgürtet, die bei herannahender Gefahr zusammenschlugen. Von alle dem wollen wir nichts, David; aber Ihr sollt ein Sinnbild tragen – weit einfacher und doch – wie unendlich schöner! Eine Locke von diesem goldenen Haar –« ich steckte dabei meine Hand unter Honoria's Ringeln – »an einem blauen Band um den Hals geschlungen, von dem nur eine Schleife durch eines der Knopflöcher Eurer Weste hervorsehen darf.«
»Nicht um Welten!« rief Honoria auffahrend und den Kopf mit beiden Händen bedeckend.
»Oh, macht mich auch zu einem Ritter,« sagte Julian, zu ihren Füßen niederfallend. »Gebt mir das Abzeichen.«
»Julian, auf Euern Posten!« sagte ich strenge. »Honoria, sieh' mir fest in's Auge, ob ich es nicht ernstlich meine. Glaubst du, ich sei nicht dein Bruder, der eifersüchtig auf deine Ehre ist? Oh, elende mönchische Erziehung, die du genossen hast.«
»Ardent!« rief meine Mutter, denn ich hatte Spanisch gesprochen.
»Unterbrecht mich nicht, Mutter. Unselige mönchische Erziehung, die du genossen hast! Aber auch du mußt von den edlen Weibern gehört haben, die ihre Haare opferten, um Bogenschnüre daraus zu machen und damit die Feinde zurückzuschlagen, welche ihre Heimath und ihre Ehre gefährden wollten. Ist dir das gewöhnliche Sprüchwort nicht bekannt, daß das bevorstehende Unglück oft nur an einem Haare hängt? Schwester, höre auf mich. Mit bangem Herzen und ohne bildlich zu sprechen, sage ich dir, daß nicht nur dein und mein Geschick, dein und mein Leben oder Tod, sondern auch das Schicksal deiner Eltern und Begleiter – vielleicht – nein, nicht vielleicht, sondern zuverlässig an einer Locke deines Haares hängt, welche du einem Manne verweigerst, der dir nie etwas Anderes sein kann, als ein achtungsvoller Verehrer und Befreier – oder – etwas, was ich nicht zu nennen wage.«
»Ist dies wirklich der Fall, theurer Bruder? Hier – so nimm es ganz!« Und indem sie die Bande abriß, ließ sie es in üppiger Schöne über ihre Schulter niederquellen. »Zertheile es Locke um Locke unter die Mannschaft, nur damit kein Haar auf den Häuptern meiner Eltern – oder ein Haar auf dem deinigen, theurer Ardent, verletzt werde. Mein Gott! ist es so weit gekommen?«
Und dann beugte sie sich, ihrer angenommenen Würde ganz vergessend, von ihrem hohen Posten auf meine Schulter nieder und weinte.
»Nein,« sagte ich beschwichtigend und in flüsterndem Tone, »nein, edles Mädchen, so weit ist's noch nicht gekommen. Es ist ein Glück, daß dieser ehrliche Mann nicht Spanier genug ist, um uns zu verstehen. Aber wir fürchten etwas – wir sind hier der Gnade schlimmer Menschen preisgegeben. Ich wünsche, mir eine Partie zu gewinnen, und dieser Mann muß unser Werkzeug sein. Ich will seine Begeisterung wecken und bekräftigen. Beunruhige unsere Eltern nicht – fasse dich.«
In einem Nu hatte das hochgesinnte Mädchen ihre würdevolle Haltung wieder angenommen, und dann fuhr ich laut fort:
»Nun, Honoria, wir verlangen kein so großes Opfer – eine einzige Locke wird zureichen; denn nur der erste Ritter in unserem Kapitel, wer immer er zur Zeit sein mag, darf sich des glücklichen Privilegiums erfreuen, der Hüter deiner Locke zu sein. Alle übrigen Mitglieder tragen nur das gemeinschaftliche, blaue Band, während sie die Locke mit dem Haar der eigenen Gebieterinnen ersetzen, wenn sie es erlangen können; und ich glaube, daß ich nun ein so hübsches Institut, als nur irgend eine moderne, derartige Anstalt ist, erfunden habe.«
»Aber was sollen wir zum Motto wählen?« sagte Honoria, eine ihrer längsten Seitenlocken abschneidend und sie geschmackvoll mit einem schmalen blauen Bande zur Schleife knüpfend.
»Oh, da müssen wir den zukünftigen Sir David zu Rath ziehen, namentlich, da er unverweilt wenigstens zwanzig Kämpen, gute und getreue Männer auszuheben haben wird,« sagte ich bedeutungsvoll zu ihr.
»Danke Euch, Sir, herzlich, und vermelde zugleich meinen gehorsamsten Dienst,« versetzte David, wie gewöhnlich an seinem Kopf kratzend. »Ich will mein Bestes thun. Was haltet Ihr und die junge Dame davon: › Das Schiff, das geht, der Wind, der weht, und die Dirne, die einen Matrosen liebt?‹«
»An und für sich betrachtet in der That recht gut; aber mit aller Ergebenheit, Sir David, da der Orden der Seeehre gilt, so würde es gut sein, wenn unser Motto einen Bezug darauf hätte.«
»Ich sehe, ja,« versetzte Sir David, sich noch immer im Haare kratzend. »Ehre – ja – Ehre – nun, so wollen wir so sagen: › Unsere Ehre kann gleich dem Oceane nie befleckt werden.‹«
»Das ist ganz vortrefflich. Nun zu den übrigen Ceremonien. Seid Alle aufmerksam. Ist das Ordensband bereit?«
»Ja,« versetzte Honoria, es auseinanderhaltend – und es war eine sehr geschmackvolle Schleife. Aus dem Reste des Haares hatte sie noch eine zweite gemacht. »Diese,« sagte sie, »gedenke ich meinem getreuen schwarzen Schildträger Jugurtha zu geben, um Dir zu zeigen, Ardent, daß ich mich nicht durch spröde Ziererei bestimmen lasse. Und nun, im Namen des Ritterthums, fahre fort.«
Ich ließ nun den verschämten Aspiranten zu Honorias Füßen niederknieen, legte seine ungeheuren Handflächen zusammen und brachte soviel davon, als die zarten, kleinen Händchen meiner Schwester bedecken konnten, zwischen die ihrigen; dann sagte ich zu ihm:
»David Drinkwater, beantwortet feierlich und mit dem Geiste der Wahrheit die Fragen, welche Eure souveräne Dame Euch vorlegen wird; seht aber dabei Eurer Gottheit voll in's Gesicht, damit sie die Aufrichtigkeit Eurer Erwiederung beurtheilen möge.«
David blickte erregt und in scheuer Verwirrung zu ihr auf, während Julian eine schöne Studie für den Ausdruck quälender Eifersucht abgab. Es kam mir vor, als ob Isidora sich sehr über seine Verstörtheit zu freuen schien.
Nachdem alles dies gebührend bereinigt war, warf meine Schwester einen halb triumphirenden, halb schelmischen Blick im Kreise herum, schüttelte dann ihr prächtiges Haar, das wie ein goldener Heiligenschein um ihre Marmorschultern fiel, senkte ihre großen, blauen Augen angelegentlich auf den Bewerber, der zitternd und erröthend vor ihr knieete und sprach mir folgende Worte nach:
»David Drinkwater, ist es Euer treues, pflichtliches und edles Verlangen, die Gelübde und Obliegenheiten des Ritterstandes auf Euch zu nehmen und Euer Herz wie durch Feuer von aller Gemeinheit, Hinterlist und Feigheit zu reinigen?«
»Ja.«
»Wollt Ihr stets und augenblicklich zur Wehr greifen für die gerechte Sache, sie bis in den Tod verfechten, den Unglücklichen zu Hülfe eilen und den Unterdrückern entgegentreten? Wenn der ungerechte Starke seinen Arm erhebt, um die Unschuld zu schlagen, wollt Ihr dem Streich abwehren selbst mit Eurem Leibe? Wollt Ihr der Sache der Freiheit Beihülfe thun? Wollt Ihr die Fesseln des Sklaven lösen?«
In dumpfer, tiefer Stimme stöhnte David heraus:
»Ich will – ich will – ich will –«
Bei diesem glühenden Ausrufe verzog Jugurtha, der mit dem Becher Weines neben ihm knieete, aber so, daß er ihm das Gesicht zuwandte, den Mund zu seinem weitesten Lächeln und pätschelte ihn mit der linken Hand ermuthigend auf den Kopf, wie man etwa bei einem kleinen Knaben zu thun pflegt, der eben ein recht guter kleiner Knabe gewesen ist.
»Wollt Ihr, David Drinkwater, aus ganzer Seele und aus allen Euern Kräften gegen die Räuber auf hoher See ankämpfen und den blutgierigen Piraten Abwehr thun?«
»Ja, das will ich, bei Gott!«
»Halt, Bruder,« rief Honoria und ihr Antlitz leuchtete wie unter einer plötzlichen höheren Eingebung, »du brauchst mir nicht mehr vorzusprechen – ich kenne meine Rolle – und will sie ausführen. David Drinkwater, Ihr habt schwere Heimsuchungen erstanden, seid Zeuge schrecklicher Scenen und sogar Theilhaber an einem Verbrechen gewesen. Ihr braucht gegen mich keine Beichte abzulegen; Ihr seid zwischen Gut und Bös gewankt und habt gestrauchelt. Ihr werdet nicht wieder wanken.«
»Nie!«
»Betrachtet dies nicht als eine eitle Ceremonie, sondern als eine bindende, heilige Handlung. Ich frage Euch bei der Keuschheit Eurer Schwester – wenn Ihr den Schrei der bedrängten Jungfrau hört und wißt, daß der Angreifer mächtig ist, wo werdet Ihr sein?«
»Wo er ist – mit meinem Knie auf seiner Brust, die Hand an seiner Kehle und das Messer bis an's Heft zwischen seinen Rippen.«
»Bei der vorsorglichen Liebe Eurer Mutter, bei der männlichen Zuneigung Eures Vaters – könntet Ihr mitansehen, daß dieser edlen Matrone Unrecht geschähe, oder jenes ehrwürdige graue Haupt von den Meuchelmördern in den Staub getreten würde?«
»Eher wollte ich sterben, so wahr mir Gott helfe!«
»Ihr habt edel und männlich geantwortet. Ich übertrage auf Euch die Ritterschaft des Meeres und bekleide Euch jetzt mit diesem Bande des Ordens von der Seeehre. Ein wackerer Sinn ist die beste Rüstung – sie hat keine schwachen Stellen, keine mangelhaften Schienen, durch welche das Schwert des Gottlosen eindringen kann; und für meine Ritter können nur die Gottlosen Feinde sein. Was die Sporen betrifft, so werdet Ihr die besten und schönsten in der Stunde der Gefahr finden. Seid getreu, seid gerecht, seid ehrenhaft und anhänglich an mich und die Meinigen. Seid alles dieses – ich beschwöre Euch bei dem Andenken Eurer unschuldigen Kindheit – bei der Liebe Eurer abwesenden Freunde – bei dem Gotte, der allgegenwärtig ist.«
Dann legte sie die Klinge des Schwertes sanft über seine Schulter und sagte mit süßem aber sanftem Tone:
»Steht auf, Sir David Drinkwater.«
Der arme Bursche erhob sich unter unserem lauten Zuruf und taumelte wie ein Betrunkener. In seinen Augen standen zwei große Kugeln klarer Flüssigkeit, die man bei einem weniger rauhen und kühnen Sterblichen, der sich in ähnlicher Lage befand, Thränen hätte nennen können. Natürlich kamen alle der Reihe nach auf ihn zu, redeten ihn förmlich als Sir David an, drückten ihm die Hand und wünschten ihm Glück, während er fortwährend mit seiner Linken verwirrt die Stirne rieb und hin und wieder ausrief: »Ich weiß, 's ist nur eine Komödie – ich weiß, 's ist nur eine Komödie; aber ich will daran halten, so lang als ich lebe – ich will daran halten.«
»Sir David,« sagte Honoria; »die Ceremonie ist noch nicht vollendet, Ihr müßt jetzt niederknieen und mir die Hand küssen.«
Er knieete nieder – wir Alle stutzten und glaubten, daß eine Flasche Porter geborsten sei; aber es war nur die Entladung von Sir Davids Loyalität auf Honorias Fingern.
»Nun ist's gut,« sagte Honoria. »Damenhände sind nicht zu dem Zwecke da, um gegessen zu werden. Steht jetzt auf, Sir David. Jugurtha, den Weinbecher. Sir Ritter, ich bringe es Euch zu.«
Sie trank und händigte ihm das Gefäß der Blume der Seeritterschaft ein. Er faßte den Becher mit beiden Händen und nickte, als er den Rand an seinen Mund gebracht hatte, sehr freundlich darüber weg, indem er sagte:
»Marm, das gilt auf Eure Gesundheit!«
Und er that einen so tiefen Zug, daß sich Jugurtha genöthigt sah, das Gefäß augenblicklich wieder zu füllen.
Nachdem diese nöthige Ceremonie abgethan war, ging der Becher im Kreise, und Jeder trank auf die Gesundheit des neugeschaffenen Ritters. Ich that es zuletzt und fügte dann bei:
»Vergeßt nicht, Sir David, daß Ihr Gefährten für Euren Orden werben müßt. Sorgt dafür, daß ich morgen um diese Zeit wenigstens zwanzig kleine, blaue Bandstreifen, nicht sehr augenfällig angebracht, in ebenso vielen Knopflöchern sehe. Wir müssen unsere Freunde von unseren Feinden unterscheiden lernen. Habt Ihr mich verstanden, Herr Ritter?«
»Kann ich meinen Kompaß hersagen, oder einen Leetauring ausholen? Ich habe übrigens die erste Hundswache, und da der Schiffer nicht am Besten auf mich zu sprechen ist, so sage ich euch, ihr guten Leute, vielen Dank für die erwiesenen Gunstbezeugungen und bitte um die Erlaubniß, mich entfernen zu dürfen. Verlaßt Euch übrigens drauf, Miß – mag es nun Scherz oder Ernst sein – David Drinkwater ist treu bis zur Wirbelsäule.«
Honoria stieg nun von ihrem nachgeahmten Throne herunter und näherte sich Sir David, ehe dieser noch die Kajütenthüre erreicht hatte. Ihre Augen waren jetzt zum erstenmal mit natürlichen Thränen der Besorgniß erfüllt. Sie nahm seine hornigen Finnen zwischen ihre Sammthände, blickte ihm angelegentlich in's Gesicht und sprach in dem überredenden Tone eines Engels, der uns zu guten Thaten bestimmen will:
»Oh! sprecht nicht von Scherz. Sir David Drinkwater, wollt Ihr treu sein Eurem ritterlichen Gelübde?«
Unser ehrlicher Verbündeter fühlte sich völlig überwältigt. Wie soll ich seine Antwort berichten? Sie war nicht nur ungentil, sondern sogar gemein – weit unpassender vor zarteren Ohren erwähnt zu werden, als der Name jenes Platzes, dessen Weg so breit ist und dessen Vorhöfe mit guten Entschließungen gepflastert sind. Da jedoch der Ritter noch weit weniger eine andere finden konnte, um seinen Erregungen Luft zu machen, als mir es möglich ist, eine Umschreibung des Ausdruckes aufzutreiben, so muß ich schon auf die Gefahr hin, meine zarten Leser zu verletzen, bei der Wahrheit stehen bleiben, um die biderben zufrieden zu stellen.
»Sir David Drinkwater, wollt Ihr treu sein Eurem ritterlichen Gelübde?«
»Wenn ich's nicht bin, so soll mich der Teufel holen!« versetzte der Ritter und stürzte aus der Kajüte.
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