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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Wir bereiten uns stumm für einen Bürgerkrieg vor. – Mein Vater versucht, mit einem Schurken zu tractiren, wird aber übel behandelt, weshalb er beabsichtigt, gegen ihn als einen Schelm zu verfahren. – Wir legen einen Kugelvorrath für zudringliche Gäste ein.

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Don Mantez erschien bald. Sein Benehmen war förmlich, finster und entschlossen. Er schritt auf meinen armen Vater zu, als sei er im Begriffe, eine Unbill zu ahnden oder eine Kränkung zu rächen. In der That bewog mich sein wilder Blick, unwillkürlich mein Zündkraut zu untersuchen.

Mein Vater begann das Gespräch, indem er die Hoffnung ausdrückte, daß sein Gast wohl sei – daß ihm die Passagiere nur wenige Mühe machten – daß sie auf ihrer Reise schnell und glücklich vorwärts kämen – und bedauerte die Entfremdung der letzten Tage. Dann berührte er leicht die Unbeständigkeit der Menschennatur und den wandelbaren Geschmack sehr junger Damen; er war fast scherzhaft – und diplomatisirte bewunderungswürdig. Für alle diese feierlichen Einleitungen hatte der Kapitän nur ein unheimliches, nicht befriedigendes Lächeln – er sah wie ein durchtriebener Schuft aus, obschon ihn die Scham noch nicht ganz verlassen zu haben schien, und ich fühlte mich bereits jetzt schon geneigt, ihn nieder zu schießen.

Mr. Troughton kam sodann entschiedener auf den Punkt, auf welchen er seinen sehr unangenehmen Gesellschafter zu führen wünschte. Wir Alle in der Hinterkajüte waren erstaunt über die Großmuth des alten Mannes und über die Erhabenheit seiner Selbstaufopferung. Mit sehr annehmbarer Begründung äußerte er gegen Mantez, er glaube zu viel Geld auf unserem Fahrzeug eingeschifft zu haben. (Das Vorhandensein der Dublonenkistchen und der Dollarfässer ließ sich natürlich nicht verheimlichen). Er habe thöricht und durchaus nicht wie ein Geschäftsmann gehandelt, weshalb er – er sprach dies mit Entschiedenheit, als ob er seine Beanstandung ertrage – den Entschluß gefaßt habe, sobald er einem Schiffe begegne, genau die Hälfte seiner Habe nebst den übrigen Passagieren auf dasselbe zu übertragen: er wolle mit der andern Hälfte auf der Santa Anna bleiben und mit Don Mantez nach Neu-Orleans, dem Orte ihrer Bestimmung, gehen. Er fügte bei, daß er sich nichts daraus mache, wohin das erste uns begegnende Schiff gehe, denn wenn der Hafen seinem Sohne nicht zusage, um ein Geschäft dort zu gründen, so könnten wir von dort aus nach jedem beliebigen Orte ziehen.

Während dieses Vorschlags schien sich ein gräuliches Licht über die düsteren Züge des Kapitäns zu breiten; ich hätte nie zuvor geglaubt, daß ein menschliches Antlitz eines so dämonischen Ausdrucks fähig wäre. Als mein Vater aufgehört hatte, antwortete er langsam und mit starkem innerlichem Nachdruck – man erlaube mir diesen Ausdruck, denn es war nicht ein Nachdruck der Stimme sondern der Seele –

»Ich muß hieraus wohl entnehmen, Sennor Trottoni, daß Ihr, wenn Ihr morgen mit einem Westindienfahrer zusammentrefft, Willens seid, Euren Sohn mit der Hälfte Eures Eigenthums darauf einzuschiffen, damit er nach Westindien reise?«

»Ganz richtig; Ihr begreift mich vortrefflich.«

»Und ein Aehnliches wäre Eure Absicht, wenn das Schiff nach London, New-York oder Amsterdam ginge?«

»Ja.«

»Gut – ein Gleiches wäre also auch bei Ostindien, Kanton oder Port Jackson der Fall?«

Mein Vater nickte zustimmend.

»Es läge wohl auch nichts daran, wenn es nach Barcelona zurückginge, he?«

»Gewiß nicht, denn von dort aus könnte er nach jedem Theile der Welt kommen.«

»Das ist gut erdacht, in der That sehr gut erdacht.«

»Es freut mich von Herzen, daß mein Entschluß Euern Beifall hat. Ich wußte, daß Ihr meine Ansichten theilen würdet, und hoffe, daß man auf der Stengenspitze guten Lugaus hält.«

»Der Lugaus ist gut, Sennor. Aber Ihr geht ein Bischen zu schnell – ein Bischen zu schnell. Laßt mich sehen« – er zählte an den Fingern her – »die Hälfte Eures Eigenthums – Euern sehr edeln Sohn – die Sennora – den guten, frommen Pater – die beiden Verwandten Donna Isidora und Julian mit ihrem Gefolge – natürlich auch jenen häßlichen Schwarzen. Wenige Schiffe werden für so viele Personen passende Bequemlichkeit geben – diese wollt Ihr mir also Alle abnehmen?«

»Und meine Tochter.«

»Nein!« rief er, mit der geballten Faust fast den Tisch in Stücke schlagend.

»Ja, mein lieber guter Sennor; sie und Ardent müssen gehen, wer auch sonst bleiben mag.«

»Aber sie ist meine Verlobte – sie ist meine Verlobte!«

»War es. Wir können die Neigungen nicht zwingen, mein edler Don. Ihr sollt die Geldentschädigung erhalten, welche Euch durch zwei gegenseitig von uns gewählte Unparteiische zugesprochen wird; können sie sich nicht vereinigen, so sollen sie einen Schiedsrichter wählen, dessen Entscheidung maßgebend sein soll, und ich werde bereitwillig zahlen. Allein das Mädchen, mein guter Don – Ihr kennt ja die Wankelmüthigkeit des Geschlechts – hat eine unübersteigliche Abneigung gegen den Ehestand gefaßt. Wir können da nichts machen, denn Zwang soll durchaus nicht statthaben.«

»Gut, gut,« sagte Mantez, mit noch wilderer Miene, indem er bedeutungsvoll und wiederholt einen prachtvollen Dolch, den er stets in seinem Busen trug, halb aus der Scheide zog und wieder einsteckte, »wir verstehen einander– macht keine so überraschte Miene, wir verstehen uns.«

Dann brachte er seinen häßlichen Mund an das Ohr meines Vaters und flüsterte. Ich erfuhr nachher, daß er die Worte sagte:

»Ihr seid sammt den Eurigen in meiner Macht und Ihr wißt es.«

»So ist Jeder in der Macht eines Anderen, wenn dieser Andere sich erdreistet, ein Schurke zu sein. Ich hätte mich nie eines Schlimmen von Euch versehen – von Euch, der Ihr ein spanischer Edelmann seid, und den ich so freigebig für seinen Schutz bezahlt habe. Doch nein, Ihr könnt nichts gegen mich vorhaben, was nicht streng ehrenhaft, offen und freundschaftlich ist.«

»Natürlich und ebendeshalb rathe ich Euch, in Euern Maßregeln einiges abzuändern. Die Hauptzüge sind nicht gerade übel, und wenn sie zur Ausführung kommen, so ersparen sie uns Allen viele Mühe, vielleicht etwas Schlimmeres. Ihr habt Recht, wenn Ihr annehmt, daß wir zu viele Passagiere an Bord haben, und ich will Euren Wunsch erfüllen, sobald das erste Schiff in Rufweite kömmt, nur mit einem kleinen Unterschiede – da meine Gesellschaft Euch in letzter Zeit etwas widerlich geworden zu sein scheint, so ist es wohl Euch Allen genehm, an Bord des Fremden zu gehen?«

»Mit Freuden, o mit Freuden!« rief mein Vater aufspringend, denn er vermochte seine Wonne nicht zu verbergen.

»Ausgenommen –« fügte der Schuft mit kalter, sarkastischer Bedächtigkeit bei, – »ausgenommen Honoria und das Gold.«

Mein Vater sank in seinem Stuhle zusammen, als sei er plötzlich aller Lebensfähigkeit beraubt. Der Schändliche hatte also verachtungsvoll die ganze Maske abgeworfen. Er hatte jetzt offen den Dolch des Meuchelmörders geschwungen, und stand nun zugestandenermaßen als Räuber und Pirat vor uns. Bei dieser furchtbaren Krisis hatte mein Freund Julian unvorsichtigerweise den Hahn seiner Pistole gespannt. Der verhängnißvolle Ton traf augenblicklich das feige Ohr des Schurken, und wie mein Vater sich verzweifelnd niedersetzte, fuhr Mantez erschrocken zusammen, wobei er in großer Aufregung rief:

»Bin ich verrathen?«

Es war grimmig angenehm, diesen Schurken, der uns Alle in Armuth, Tod, und einige von uns vielleicht in etwas Schlimmeres verlockt hatte, vom Verrathensein sprechen zu hören.

»Nein, Don Mantez,« versetzte mein Vater mit Festigkeit; »es gibt keinen Verrath in diesem Schiff, als denjenigen, welchen Ihr in Eurem eigenen Busen brütet, und möge mich armen, getäuschten alten Mann sammt den Meinigen ein gnädiger Himmel davor bewahren.«

Aber mein Vater war nicht so leicht zu überwältigen – es begann nun ein schnöder Handel. Mr. Troughton bot allmählig mehr und mehr von seinem Reichthum, bis er sich endlich zu Abtretung des Ganzen anheischig machte und sich für dieses ungeheure Opfer nur die eigene Sicherheit und die seiner Familie ausbedang.

Der Elende zögerte – sie begannen die Uebereinkunft zu Papier zu bringen. Mehrere Formularien waren bereits geschrieben, und der Kapitän hatte bereits die Feder in der Hand, um zu unterzeichnen, als er plötzlich aufsprang und das Tintenfaß über einen Theil der Dokumente warf, worauf er die anderen wild in Stücke riß und ausrief:

»Sennor Trottoni, das geht nicht; in der Lage, in welcher wir uns befinden, sind keine Verträge und Urkunden bindend.«

»Mein Ehrenwort – mein Eid!«

Diese feierlichen Worte meines Vaters hatten für ihn keinen andern Sinn, als den des Trugs, der Verstellung und des Verraths. Er schien es sogar zu verschmähen, das Gespräch weiter fortzuführen, denn er stolzirte aus der Kajüte, indem er blos noch beifügte:

»Das Mädchen und das Gold.«

Wir (Julian und ich) mußten alle unsere Ruhe und Besonnenheit aufbieten, um die grimmige Lust zu unterdrücken, ihm ein paar Pistolenkugeln nachzuschicken. Mit erhöhter Verehrung umringten wir nun alle meinen Vater, und ich hätte vor ihm niederfallen und anbeten mögen, während ich seine weiße, etwas welke Hand küßte. Nach einer höchst beengenden Pause loderten seine Gefühle auf, und eine stolze mannhafte Gluth blitzte aus seinen Augen.

»Jetzt Ardent,« sagte er, »jetzt mein Junge, halte ich es mit Dir. Er ist ebenso groß in seiner Thorheit, als in seiner Büberei. Mag er uns Alle ermorden und mit dem Schiffe nach irgend einem fernen Hafen laufen, um es daselbst zu verkaufen; selbst dies, sammt jedem Dollar, den wir an Bord haben, wird ihm nicht soviel eintragen, als ich ihm für unsere Sicherheit bot, denn er muß mit den Genossen seines schnöden Raubes theilen. Der Mann ist zuverlässig ein Einfaltspinsel, und daraus ziehe ich noch einige Aussicht auf unsere endliche Rettung. Geh' jetzt, Ardent, und versuche, ob du dich nicht unbemerkt mit unserem würdigen neugeschaffenen Ritter, Sir David Drinkwater, benehmen kannst.«

Als ich aus der Kajüte gehen wollte, fand ich, daß unser Erzfeind bereits den ersten Schlag geführt hatte; denn es stand eine Schildwache mit gezogenem Säbel und geladenen Pistolen an der Kajütenthüre. Wir waren also Gefangene – ein erschütternder Streich für uns Alle. Der Mann an der Thüre setzte uns statt aller Beantwortung unserer Fragen die Spitze seines Säbels auf die Brust. Sogar die Schönheit und überredende Sanftmuth Honorias war nicht im Stande, ihn zu einem Gespräche zu verlocken. Wir schickten dann unsere Diener hinaus. Diesen war der Durchgang gestattet; aber dennoch durfte nur einer zumal die Kajüte verlassen, und eine andere Schildwache begleitete ihn auf allen Schritten und Tritten, damit ja keine Rücksprache mit der Mannschaft genommen werden konnte. Selbst in der Schiffsküche, wo sie unsere Mahlzeiten kochten, durften sie mit Niemand reden. Der Kapitän hatte die Matrosen aufgeboten und uns offen der Meuterei beschuldigt, ohne sich jedoch auf Einzelnheiten einzulassen; und da Viele ihren eigenen Vortheil darin zu finden meinten, wenn sie der Anklage Glauben schenkten, so ließ sich durchaus kein Murren vernehmen.

Unsere Lage war jetzt sehr elend. Wir waren wie ein Häuflein Schlachtvieh zusammengesperrt, jeden Augenblick des Messers gewärtig. Jeder Ausweg schien uns abgeschnitten, und wir hatten nicht einmal die elende Wahl, ritterlich mit den Waffen in der Hand zu sterben.

Wir waren vierundzwanzig Stunden in dieser Weise eingeschlossen, ohne mit außen auch nur den mindesten Verkehr unterhalten zu können. Ich will nicht bei der jammervollen Bangigkeit verweilen, die wir nicht zu verbergen vermochten, und spreche nicht von den armseligen Versuchen, die wir gegenseitig machten, um uns durch eine verunglückte Heiterkeit Muth einzuflößen. Ich hatte eine schreckliche Vorahnung von den Gräueln, die nun folgen sollten, weil das schlimmste aller schlimmen Vorzeichen, eine todte Windstille, uns befiel. Zu unserer eigenen Verödung kam nun auch noch die der Elemente, und wir erschienen uns wie Unglückliche, denen ehestens die Hinrichtung bevorstand. Alles umher schien zu schweigen, damit wir tiefer in unsere Seelen eindringen und Betrachtungen anstellen könnten über unser Todesweh – über den nahen geheimnisvollen Sprung und den dunkeln Abgrund der Ewigkeit.

Am andern Tage schien uns ein Hoffnungsstrahl aufzublitzen. Die Schildwache an unserer Kajütenthüre trug in nicht sehr augenfälliger Weise ein kleines Stückchen blauen Bandes an die Brust seines Reustenhemdes geheftet. Ich begrüßte dieses Zeichen mit dankbarer Innigkeit als ein Merkmal von der Thätigkeit des rauhen Maten David Drinkwater. Ich scheute mich nicht, den Mann anzureden, obschon ich sah, daß er ein Spanier war. Als ich mich jedoch der Thürschwelle näherte, hielt er mir die Hand rauh vor die Brust, drückte mich in die Kajüte zurück, und schlug mir die Thüre vor der Nase zu. Meine Entrüstung über diese unerwartete Verunglimpfung wandelte sich bald in Wonne um, denn zu meinen Füßen lag ein schlecht zusammengelegtes Papier – es war von unserem Freunde David.

Wir Alle zogen uns augenblicklich nach der Hinterkajüte zurück und verschlangen (um uns eines gewöhnlichen aber kräftigen Ausdrucks zu bedienen) den Inhalt des Schreibens, welcher uns mit einemmale den Scharfsinn und die Festigkeit des Mannes zeigte. Die beste Hoffnung, die er uns machte, bestand in einem verzweifelten und blutigen Kampf um das Schiff. Er hatte bereits mehr als vierzig in unser Interesse gezogen, wagte es aber nicht, seine Werbungen weiter auszudehnen; auch theilte er uns mit, daß jeder Augenblick einer Verzögerung des Kampfes für sein eigenes Geschick verhängnißvoll sei. Er bat uns um die Erlaubniß, in derselben Nacht losschlagen zu dürfen, und wir sollten so geheim wie möglich der Schildwache eine Antwort in Betreff unseres Entschlusses geben.

Dies war sehr plötzlich – wir standen entsetzt. Wie konnten wir der Welt sagen, daß wir in der Stille der Nacht und in der vermeintlichen Sicherheit des Schlafes einen Theil der Mannschaft gewonnen hatten, sich zu erheben und den Kapitän des Schiffs sammt den ersten Offizieren zu erschlagen? Was konnten wir antworten, wenn uns die Gerechtigkeit mit einer Donnerstimme fragte: »warum habt Ihr dies gethan?« Der Gedanke empörte uns, und wir zitterten darob – das Verbrechen ist stets ein Vortheil. Nach einer kurzen aufregenden Debatte gab ich unter der Einstimmung Aller folgende kurze Antwort:

» Mein theurer David.

»Wir dürfen nicht das erste Blut vergießen. Helft uns zu den Vorbereitungen für den Kampf und sucht denselben, wenn es nicht anders geht, von Seiten unserer Feinde herbeizuführen. Kommt wo möglich diese Nacht zu uns. Ihr habt bereits hohe Ansprüche an unsere Achtung und unsern Dank. Rettet uns aus dieser Klemme und Euer Glück ist gemacht. Honoria läßt Euch sagen, Ihr sollet nicht vergessen, daß Ihr ihr Ritter seid.«

 

Dieses Sendschreiben wurde von der Schildwache, welche sich sehr mürrisch anstellte, in Empfang genommen und an seine Bestimmung verabfolgt.

Wenn ich eine Geschichte der Gefühle und der Bewegungen unserer kleinen Partie während dieser Drangsal geben wollte, so würde sich dieser Theil meiner Geschichte zu Bänden ausdehnen. Unsere Noth schien die Thatkraft Honoria's zu erhöhen und ihren Charakter zu veredeln. So brav übrigens auch mein Freund Julian war, schien er doch kaum der Krisis gewachsen zu sein; denn er wünschte unsere Lage durch einen übereilten Schritt zu lösen, den er natürlich Tapferkeit nannte. Er war unstät, rastlos und höchst aufgeregt. Seine Unerschrockenheit schien nur für das Schlachtfeld zu passen – seine Begeisterung bedurfte des Trompetengeschmetters und einer prachtvollen Streiterlinie – an die Bitterkeit des Gedankens, unrühmlich zu kämpfen und wie eine Ameise im Sande zu sterben, konnte er sich nicht gewöhnen. Es klang damals fast wie Spott, von Herzen zu sprechen, denn es war keine Zeit für galante Reden und für das unschuldige Spiel einer tugendhaften Neigung. Der Zustand seiner Gefühle war für ihn ein geheimes Weh, ein verhaltener Schmerz, der sich sogar in seinem Benehmen aussprach. Je größer die Schwierigkeiten wurden, desto augenfälliger zeigte sich seine Hingebung an meine Schwester, obschon sie sich nur zu oft in einer unliebenswürdigen Wunderlichkeit zu erkennen gab. Zwischen ihm und seiner Muhme, Donna Isidora, konnten wir keine Spur mehr von einer andern als geschwisterlichen Innigkeit bemerken. Die Dame selbst war ergebungsvoll und ruhig in ihrem Benehmen; sie schien sich auf jeden Schlag gefaßt zu halten, welcher das Schicksal über sie zu verhängen beliebte. In den Augenblicken, während welchen die Furcht uns am wenigsten bedrängte, fühlte sie sich glücklich, wenn sie zwischen mir und Honoria sitzen und jedes von uns bei der Hand fassen konnte. Meine Eltern waren trostlos, aber weniger um ihrer selbst als um ihrer Kinder willen. Der alte Priester und unsere Diener waren gerade so selbstsüchtig in ihrer Betrübniß, wie die meisten Personen, folglich auch nicht sehr verläßlich, da sie die Stellung der Parteien nicht voll zu würdigen verstanden.

Gegen Abend sprang wieder eine Brise auf, und ich bemerkte nun aus dem Kompasse in der Kajüte, daß das Schiff nicht nur seinen Kurs geändert hatte, sondern sogar voll gegen Süden segelte. Es war Mitternacht vorbei, und bis jetzt hatte noch Niemand von uns daran gedacht, sich zur Ruhe zu begeben. Indeß freute mich's sehr, in der Mittelwache den Londoner Matrosen, den Silberlöffel, als Schildwache vor unserer Kajütenthüre aufziehen zu sehen. Um ein Uhr kam David Drinkwater verstohlen in die Kajüte geschlichen. Er war mit Munition beladen. Wir verstanden dies nur zu gut, sprachen aber wenig. Dann stahlen sich noch mehrere herein, welche Musketen, Pistolen, Picken und Stutzsäbel brachten. Alles dies wurde in der größten Stille ausgeführt. Nachdem wir die Waffen und Munition, welche für fünfzig Mann zugereicht haben würden, geborgen hatten, untersuchte David die Kanonen in unserer Kajüte, zog die Watte heraus und lud über jede Kugel Kartätschen.

Am meisten überraschte uns übrigens das Brod, das Wasser und der Branntwein, die er uns brachte, weil wir daraus entnehmen konnten, daß wir wahrscheinlich eine Belagerung zu erstehen hatten. Nachdem er uns in dieser Weise gebührend mit Mundvorrath sowohl als mit Kriegsbedarf versehen hatte, stellte er meinem Vater einen schwärzlich aussehenden Offizier vor, in welchem ich augenblicklich den Geschützmeister erkannte. Es fand ein Geflüster zwischen ihnen Statt, und mein Vater füllte alsbald einen Leinwandbeutel, welchen der uneigennützige Gentleman mit sich gebracht hatte, mit Dublonen. Es fielen nur wenige Worte, und nach Verlauf einer Stunde befand sich, mit Ausnahme des Maten, kein Fremder mehr in der Kajüte.

*


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