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Elftes Kapitel.

Ist fast rein beschreibend, weshalb diejenigen, welche meinen, daß sie Alles wissen, oder diejenigen, welche bereits genug zu wissen glauben, es nur flüchtig überblicken mögen; da diese zwei Klassen die ganze Lesewelt umfassen, so werden die zunächstfolgenden Seiten wohl die reinsten im ganzen Werke bleiben.

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Nachdem Julian sein Gepäck, das durch die Bootsmannschaft aus dem Kutter gebracht worden war, sicher versorgt und Donna Isidora sich ein wenig zurückgezogen hatte, um einige Ausbesserungen in ihrer Toilette zu besorgen, da Bounder uns in seiner Freude durch und durch naß gemacht hatte, so besprachen wir uns lang und angelegentlich über meine künftigen Schritte. Was das Ergebniß dieser Berathung war, wird die Folge dieser Selbstbiographie zeigen.

Kurz nach unserer Ankunft in dem englischen Hotel, nachdem ich kaum erst für Jugurtha und Bounder ein passendes Unterkommen – ja, ich darf wohl sagen einen Versteck gefunden hatte, fuhr ein schwerfälliger, vergoldeter Wagen, von fünf Mauleseln gezogen, vor der Thüre an, und ein feierlicher, alter Herr mit freundlicher Miene stieg aus. Natürlich war ich zu klug, um mich blicken zu lassen, da ich jetzt so bald alle meine würdevollen Titel abschütteln sollte, obschon ich von dem Fenster aus den Don gut betrachten konnte. Nach einer halben Stunde fuhr er wieder ab und nahm Isidora sammt der alten Verwandten im siebenten Grade mit, welche an Bord des Schiffes die Aufwartung besorgt und der Dame vordem als Gesellschafterin und Neuigkeitszuträgerin gedient hatte.

»Dieser alte Edelmann,« sagte Julian, »welcher eben meine Muhme mit sich nach Hause genommen hat, ist Don Manuel Alvazez, von mütterlicher Seite ein Onkel von uns Beiden. Ihr wißt, daß wir Waisen sind. Isidora hat, wie die meisten Töchter der unbekümmerten Hidalgos in jenem unglücklichen Lande, durchaus kein Vermögen, denn das Wenige, das von den Besitzungen ihres Vaters übrig blieb, ist durch ihre beiden Brüder längst verschwendet worden. Auch ich bin mit Ausnahme einiger kleinen Beutel mit Dublonen nicht besser daran. Ich erfuhr von meinem Onkel, daß unser französisch spanischer König Joseph nicht nur mein Erbtheil und einziges Besitzthum in Altkastilien an sich gezogen, sondern es bereits an einen seiner Generale vergabt hat. Spanien ist jetzt kein Land mehr für mich.«

»Warum habt Ihr Eure Muhme nicht nach dem Hause Eures Oheims begleitet, theurer Julian?«

»Wie, und ich hätte Euch hier lassen sollen? Ich theilte dem alten Herrn mit, daß ein Freund und Reisegefährte von mir einer Herausforderung des Kapitän Mantez entgegensehe, und daß ich Ehren halber gebunden sei, Euch durch diese Angelegenheit zu bringen.«

Ich konnte nur meinen Dank für die vielen Verpflichtungen, die er mir aufgelegt hatte, wiederholen. Wir verbrachten den Tag gemeinschaftlich in dem Gasthause; aber Mantez schickte keine Herausforderung, obschon er durch die Bootsmatrosen erfahren haben mußte, wo wir uns aufhielten.

Als der Abend herannahte, bat ich Julian, mich zu verlassen, indem ich zugleich das Ansuchen beifügte, daß er mir den einfachsten Anzug, in dessen Besitz er sei, borge. Ich wußte wohl, daß er nach der Gesellschaft seiner schönen Muhme schmachtete, und machte ihn darauf aufmerksam, daß ich nicht länger die Rolle fortzuführen vermöge, die er mir gegen meine Wünsche aufgedrungen hatte.

»Ihr wißt, Julian,« fuhr ich fort, »daß ich nicht zu meinem Vater gehen will, bis ich ihm beweisen kann, daß ich wirklich meines Vaters Sohn bin.«

»Nun, Ardent,« lautete seine freundliche Antwort, »ich weiß, daß Ihr in alle dem mit jener Gediegenheit des Urtheils, die Euch nicht abzustreiten ist, handeln werdet. Kommt mit mir nach meinem Schlafgemach, damit ich mich von Don Ardentizabello de Trompe Hilla verabschieden kann.«

Ich stack bald in einem gut passenden schwarzen Anzuge. Der dichte, schwarze Backenbart wurde sammt dem wilden Schnurr- und Knebelbart wegrasirt, mein Hals hüllte sich in eine weiße Binde, und so stack ich fast wieder in einer neuen Verkleidung. In dem bescheidenen Civilisten konnte Julian nicht länger den Militär, der so bärtig war wie ein Pardel, erkennen.

»Ich kann mir nun wohl verstellen,« sagte er lächelnd, »wie man Euch einmal Quiet Troughton nennen konnte. Ihr erscheint jetzt so gesetzt und nachdenksam, wie ein Stoiker. In der That, wenn man Euch nicht scharf in's Gesicht steht, so wird wohl Keiner von der Schiffsmannschaft, nicht einmal Mantez, Euch wieder erkennen. Aber wir müssen eine so respektable Person auch mit Taschengeld versehen. Nehmt hier diesen Beutel mit Dublonen – er ist allerdings nur klein, wird aber doch ausreichen, bis Euch Euer Vater anerkannt hat.«

»Wir wollen die Ruhe unserer vollkommenen Freundschaft nicht durch eine große Geldverbindlichkeit beeinträchtigen,« sagte ich. »Erlaubt mir daher, nur zehn Dublonen davon zu nehmen – sie reichen zu. Ich will Euch dafür eine Anweisung auf das Haus Falk und Kompagnie in Lothbury ausstellen, obschon ich ein früheres Datum daraufsetzen muß. So – ich versichere Euch, daß das Papier negoziabel ist.«

»Ich nehme die Anweisung, Ardent, aber nur um Euer Gemüth zu beruhigen. Da fällt mir übrigens bei – Ihr habt mir gesagt, daß Ihr hin und wieder mit Eurer Familie korrespondirt; Ihr könnt Euch daher Eurem Vater vermittelst Eures Autographs zu erkennen geben, was wohl keine so üble und obendrein eine ächt englische Manier wäre.«

»Nein, ich kann diesen Schritt nicht thun, da ich mich nicht dem Kreuzverhöre auszusetzen wünsche, das einem vorsichtigen Kaufmann nöthig erscheinen dürfte, um endlich – wie es in der Sprache der Hauptbücher heißt – wenn sich eine Bilanz zu meinen Gunsten herausstellt, als zweifelhaft anerkannt und vielleicht mit Vorsicht behandelt zu werden, bis endlich eine Person erscheint oder ein Umstand verlautet, wodurch mein ipse dixit beglaubigt wird. Ich erbitte mir vorderhand von Euch nur noch die einzige Gunst, den Leuten in dem Hause zu sagen, daß der Offizier mit seinem Diener und Hunde plötzlich und geheim nach Madrid aufgebrochen sei, zu welchem Ende Ihr freilich noch eine halbe Stunde nach meiner Abreise hier verweilen solltet. Gebt mir Eure Adresse – ich werde nicht ermangeln, Euch bei ehester Gelegenheit über mich Auskunft zu geben.«

Ich ging nun aus und kaufte für Jugurtha eine Seemannsjacke sammt Beinkleidern. Nachdem ich ihn mit Beidem ausgestattet hatte, kehrten wir zu Don Julian zurück, um uns von ihm zu verabschieden. Ich gab dann dem Neger die nöthigen Winke über sein Benehmen und verbot ihm namentlich, ja nicht in den Straßen herumzustreifen; auch trug ich ihm auf, vorderhand Sorge zu tragen, daß sich Bounder gleichfalls nicht draußen blicken lasse. Nachdem wir gewartet hatten, bis es ziemlich dunkel war, zogen wir aus, um ein anderes Wirthshaus zu suchen. Dieses war bald aufgefunden, obschon es uns einige Mühe kostete, ein paar abgelegene Zimmer, eines für mich und das andere für meinen Diener, aufzutreiben. Auf neun Uhr bestellte ich das Nachtessen, und nun beschloß ich, meine Kleider abermals zu wechseln.

Das Gasthaus, in welchem wir zuerst abgestiegen waren, lag in der Hauptstraße der Stadt, die fast eine Meile lang, sehr breit, schön und zu jeder Seite mit einer Reihe hoher Pappeln verziert war. Als ich daselbst in den Abendstunden – die Zeit, zu welcher die Bewohner sich auf der Straße zu zeigen pflegen – an meinem Fenster saß, bemerkte ich viele Gruppen junger Leute in sehr zerrissenen, viel geflickten, langen schwarzen Mänteln und großen, zerbeulten Eckenhüten. Ihr Aussehen deutete entschieden auf den geistlichen Stand hin – ein Eindruck, der noch dadurch erhöht wurde, daß sie keinen Anstand nahmen, bei den besser gekleideten Personen, welchen sie begegneten, zu betteln.

Diese Mantelträger waren, wie mir Julian mitgetheilt hatte, Studenten von der Universität Valencia, die sich hieher gebettelt hatten, um während der größten Hitze des Sommers die kühlere Atmosphäre des Küstenortes Barcelona zu genießen. Ich konnte viele dieser künftigen Rechtsgelehrten und Doktoren sehen, denn die Mitte der Straße ist der Bequemlichkeit der Fußgänger geweiht, während die Wagen dicht an den Häusern hin- und herfahren.

Ich nahm mir vor, die Verkleidung eines solchen Studenten anzunehmen und verließ deshalb mein Wirthshaus; auch war ich noch nicht weit gewandert, als ich vor einem Trödelladen anlangte, wo ich gegen eine geringe Summe bald mit Hut und Mantel ausgestattet war. Ich kaufte außerdem noch den weiten Nationalmantel, kehrte nach meinem Quartiere zurück, speiste zu Nacht und legte mich zu Bette.

Den ganzen nächsten Tag brachte ich damit zu, daß ich, als Student verkleidet, die Stadt durchwandelte, die verschiedenen Kirchen besuchte und die schmalen, aber reinlichen Straßen durchzog, wobei ich vergeblich bemüht war, mir irgend einen Ort, den ich aus meiner Kindheit her kannte, in's Gedächtniß zu rufen. Ein Umstand verursachte mir eine kleine Unruhe; ich erkundigte mich nämlich nach der Wohnung des englischen Kaufmanns Sennor Troughton – aber Niemand wußte mir Auskunft zu ertheilen oder kannte nur überhaupt den Namen. Indeß zog ich mir dies nicht sehr zu Gemüthe, obgleich es mir Freude gemacht haben würde, die Wände anzusehen, die meinen Vater, meine Mutter und meine Schwester Honoria bargen, über deren Treiben meine Phantasie äußerst thätig war.

Mit solchen Wanderungen verbrachte ich den Morgen und begab mich um zwei Uhr nach der Mesa Rotunda, dem ersten Gasthause des Platzes, um daselbst zu dinieren. So wenig ich mir sonst aus derartigen Dingen mache, fand ich doch ein gutes, reichliches Mahl und sehr gemischte Gesellschaft. Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit die Gerüchte des Tags, darunter auch den Rückzug des Sir John Moore und das angebliche Vorrücken einer weiteren französischen Streitmacht nach Catalonien. Jedermann sprach vorsichtig, mit Ausnahme derjenigen, welche entschieden auf der französischen Seite waren – und diese verhielten sich in der That lärmend genug. Ich hörte zu und bewahrte Alles, was ich vernommen hatte, in meinem Innern.

Abends besuchte ich den öffentlichen Spaziergang, der über die Maßen angefüllt war, und nun hatte ich zum erstenmal Gelegenheit, die spanischen Damen in ihrer anmuthigen Nationaltracht zu mustern. Sie machten einen recht angenehmen Eindruck auf mich und obgleich sie sich in ihren Kleidern so ähnlich waren, daß man sie in einem Regimente hätte aufstellen können, so that es mir doch nicht leid, zu Unterbrechung der Einförmigkeit die Abwechselung zu vermissen. Das Kostüm bestand damals aus einem einfachen, knapp anliegenden schwarzen Seidenkleid von wunderbarer Kürze. Der spanische Boden wird von Füßen betreten und durch Knöcheln verschönert, die den Vorhöfen des Himmels zur Zierde gereichen würden. Die koquette Mantilla fällt anmuthig über den Kopf und verschleiert da theilweise ein Auge, dessen Gluth die dunkeln Spitzen nicht zu ersticken vermögen, während sie dort auf's Lieblichste gegen das reine, durchsichtige Braun oder das zarte Weiß des Halses absticht. Fügen wir noch hinzu, daß jede Dame in ihrer kleinen Hand einen Fächer trug, der in der That der Zauberstab der Grazien zu sein schien, jetzt langsam sich öffnend und mit den Zephyren kosend, dann aber sich mit einem scharfen Klapse schließend, als wolle er die Vasallenschaft der Liebe zu erneuerter Erinnerung an ihre Pflicht wecken – bald einen Einfaltspinsel oder Pesado abweisend, bald die bescheidenen Jünglinge herbeiwinkend, welche nur das anmuthige Signal erwarteten, um heranzukommen und in sanften Lauten ihre Verehrung zu zollen. Da die spanische Lechugina mit ihrem Fächer Alles anfangen kann, nur nicht sich selbst abkühlen, so verwendet sie ihn in der Regel dazu, um Andere in Gluth zu setzen.

Und dann der Gang dieser Sennoritas! Wie sie es um's Himmelswillen nur anzugreifen wissen! Da spricht man von dem Tanze als der Poesie der Bewegung – was Poesie! Vielleicht wird ein Tanzmeister, der von den Zehen und Fersen seiner Nebenmenschen lebt, Euch sagen, daß der stattliche Menuet das Epos – die Ode mit ihren Strophen und Antistrophen die Quadrille mit ihren Abwechselungen – das Trinklied den schottischen Tanz – der Walzer das zarte anakreontische Lied versinnliche – daß übrigens in keiner Poesie der Welt die Energie des irischen Jig ausgedrückt werden könne, wenn man nicht etwa die tolle Lyrik irgend eines modernen Whiskey trinkenden Pindars damit in Verbindung bringen wolle. Nun ja, wir geben zu, daß der Tanz wirklich die Poesie der Bewegung ist, aber der Gang einer ächten Spanierin ist etwas mehr. Die gute Muttererde muß entzückt sein, so süße, kleine, trippelnde Füße auf ihrem alten Schooße herumwandeln zu sehen, wenn die spanischen Donnas sich herablassen, einen Spaziergang zu machen.

Ich betrachtete meine Landsmänninen, und ein stolzes Gefühl schwellte meinen Busen.

Diese Einförmigkeit der Tracht erstreckte sich jedoch nicht auf den männlichen Theil der Spaziergänger. Da war der stämmige hohe Catalonier mit seinem bunten, mannigfaltig verzierten Rocke, seinem unstäten Gange und seiner Gebirgsmiene, die weiten Hosen um den Leib befestigt durch den rothen Gürtel, aus welchem das Heft seines Cuchillo (Dolchmesser) hervorragte, der dem männlichen Spanier so nothwendig ist, als den Damen der Fächer. Das Malerische seines kriegerischen Aussehens wurde noch durch die lange, weiße Mütze gehoben, die ihm halb über den Rücken hinunterhing.

Mit stolzem Blicke seinen Weg kreuzend oder in selbstbewußter Haltung an ihr vorübergehend, zeigte sich der schwärzliche Andalusier in seiner noch bunteren, aber viel edleren Tracht. Nicht so hoch oder so breit, als der Catalonier, schien seine schlanke, anmuthige Gestalt nur aus leichten Muskelschichten zu bestehen. Augenscheinlich maurischen Ursprungs breitet sein buschiger Backenbart, schwarz wie die dunkelsten Schatten im Fittig des Raben, eine Schrecken einflößende Anmuth über seine braunen Züge. Aber trotz der Wildheit seines Aeußeren ist der Andalusier entschieden ein Elegant. Seme Kleidung ist point device – nirgends sorglose Nachlässigkeit zu blicken. Man sieht keinen Flecken an seinem hellfarbigen, kurzen Rocke, keine Spur von Fett oder Staub auf seinem modischen Hut, während seine Hosen und Kamaschen in dem bunten Schmucke ihrer Figuren so knapp anliegen, daß man eine elegant tattowirte Haut zu sehen glaubt.

Aber dieses bunte Farbenspiel bildete einen schroffen Gegensatz gegen die ländliche Einfachheit des valencianischen Bauern, der ohne Erröthen als eigentlicher Sansculotte unter den prunkvollen Gruppen von Barcelonas Modewelt einherging. Der ehrliche Mann trug nichts als ein einziges, einfaches, weißes Gewand, lange nicht so geschmackvoll gearbeitet, wie ein kentischer Zwilchkittel, das, um den Leib mit einem Gurt versehen, bis auf die Kniee niederfiel und die sonnverbrannten, mahagonifarbigen Beine bloß ließ, an welchen sich Sandalen von der rohesten Zusammensetzung befanden. Auch er war mit der weißen Mütze versehen, die jedoch nicht so weit niederhing, wie bei dem edlen Catalonier.

Eine weitere Abwechslung fand die Scene in den verschiedenen Uniformen des Militärs, in den breitrandigen Hüten der Canonigos oder da und dort bisweilen in dem bettlerhaften Gewande des Karmelitermönchs, in der strickumgürteten grauen Kutte des Cordeliers und in der rosenrothen Kapuze des heiteren Benediktiners. In jener Periode stand jedoch das Mönchthum in üblem Geruche und die Brüder bewegten sich nur verstohlen durch das Gedränge, hin und wieder so scheue Blicke um sich werfend, daß man deutlich sehen konnte, sie seien noch nicht reif für das Märtyrerthum. Die Bettler waren dreist ungestüm und höchst widerlich.

Während ich schweigend diese Scene betrachtete, die mit ihrem bunten Wechsel an eine Maskerade erinnerte, minderte sich die Freude über mein Geburtsland, welche mir der Anblick der Frauen eingeflößt hatte, beträchtlich. Ich verließ daher den pfauenartig umherstolzirenden Haufen, der in aufgeblasener Eitelkeit seine schönen und garstigen Federn zur Schau trug, und wandelte über die Linien hinaus, welche Barcelona umgeben, um meine Blicke an der edlen Gebirgskette zu weiden, die sich hinter der Stadt erhebt und, grün bis zum Gipfel hinauf, soweit das Auge reichen kann, sich von Norden nach Süden zieht.

In dieser Betrachtung lag Friede und sogar Erhebung. Während ich über das Eigentümliche meiner Stellung nachdachte, ohne auf die herzliche Begrüßung des Landvolkes, dem ich begegnete, zu achten, hatte sich die Sonne fast ganz hinter den Bergen verborgen, noch ehe ich daran dachte, mein Gesicht heimwärts zu wenden. Die Folge davon war, daß mich bereits der Abend mit seinem nebeligten, purpurfarbigen Zwielicht umfloß, als ich unter dem hohen Vorgebirg anlangte, auf welchem die ausgedehnten Festungswerke, welche den Hafen beherrschen und die Stadt einschüchtern, zürnend niederblickten.

Als ich den Schatten dieses mit Kanonen bepflanzten Berges erreichte, war es so dunkel geworden, daß ich meinen besten Freund kaum erkannt haben würde, und ich fand, wie es bei derartigen Wanderungen so leicht zu geschehen pflegt, daß ich ganz von meinem Wege abgekommen war. Zum Glück entdeckte ich bald eine Person, die in den gewöhnlichen Mantel gehüllt war. Ich berührte achtungsvoll meinen Eckenhut und näherte mich dem Manne, um mich bei ihm zu erkundigen, wie ich zu dem nächsten Thore gelangen könne.

»Seid im Namen des heiligen Lukas und aller andern heiligen Evangelisten gegrüßt, Herr Student,« sagte der Fremde, indem er mir einen spanischen Thaler in die Hand drückte, »aber habt jetzt die Güte, Euch zu entfernen, denn ich wünsche allein zu sein.«

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