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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Fortsetzung der Geschichte des Londoners.

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»Nun, der Montag kommt und wir machen uns bei Zeiten auf die Beine – wie wir uns herausgestutzt hatten! Ich will euch sagen, wie ich gekleidet war – ganz in der neuesten Mode. Ich hatte einen blauen Frack mit gelben Knöpfen und eine weiße Piquéweste; unter der weißen Weste einen rothseidenen, unter dem rothseidenen einen himmelblauen und unter dem himmelblauen einen smaragdgrünen Shawlkragen, obschon man den letzten nur sehen konnte, wenn ich mich bückte. Ich will nichts sagen von den Knöpfen in meinem Hemde oder den Ringen an meinen Fingern. Ferner hatte ich ein Paar weiße Buckskinhosen und neue gelbe Stülpstiefel, dazu einen kleinen Blumenstrauß auf meiner Brust, kann ich euch sagen. Wir haben uns nicht schlecht ausgenommen, als ich und Jim in den Wagen stiegen. Auf zwölf Uhr hatten wir in Jims Wohnung eine kalte Collation bestellt, und sobald Mary und ich uns daran gelabt hatten, sollte das glückliche Paar in eine Postchaise steigen, um nach Barnet in den Hirsch zu fahren – ganz im Styl, wie ihr seht, Gennelmen. Alle diese schönen Vorbereitungen hatte ich am Sonntag Mary durch ein Billet zu wissen gethan, worauf auch Antwort erfolgte – aber nicht von ihr, sondern vermutlich von der weiblichen Stimme, welche sagte, daß ›Alles recht sei.‹

»Gut, Kameraden; Miß East lebte an dem Ende einer Sackgasse, und die Kutsche mußte vorne stehen bleiben. Das that mir aber nicht leid, denn wir konnten dann so schön, wie die Pfauen, hinaufspazieren, ohne daß Jemand zu sagen berechtigt war, es sei Stolz. Als wir jedoch daselbst anlangten, sahen wir eine andere Miethkutsche. ›Recht so, Mary,‹ sage ich, ›das ist ein verständiges Mädel. Schau, Jim, sie hat trotz ihrer eingezogenen Lebensweise doch auch ihre Freude.‹ ›Bin verteufelt froh darüber,‹ sagte Jim. Unsere Miethkutsche ist kaum angefahren, als ein übel aussehender Kunde mit einem Komplimente von Miß East an den Wagenschlag tritt und die Gennelmen bittet, sie sollten sich nicht bemühen, auszusteigen, da sie und ihre Freunde augenblicklich da sein würden. Er klappt dann seine köstliche Faust auf den Griff des Schlages und hält ihn fest. Jim, der auf der andern Seite sitzt, streckt seinen Kopf hinaus, und da ist wahrhaftig auch ein Kerl, der auf dieser Seite die Thüre zuhält. Jim wirft nur einen Blick auf ihn, wird dann blässer als Asche, und sinkt in die Kutsche zurück. Ich hörte das Wort: ›jetzt ist's aus,‹ durch seine Kehle rasseln, als ob er ein Dutzend heiße Kastanien verschluckt hätte.

»Anfangs konnte ich die Sache durchaus nicht begreifen, denn ich kannte keinen von den höflichen Herren, welche so eifrig zu sein schienen, uns zu bedienen, denn ein dritter stieg zugleich auch auf den Bock. Nun, ich hatte nicht viel Zeit, nachzudenken. Die Thüre hinten in der Sackgasse ging auf, und die erste Person, welche heraustrat, war der Polizeidiener Townshend mit drei weiteren Häschern. Dann kam ein Gentleman und eine Dame, welche wir nicht kannten, zwischen beiden aber die verrätherische Mary East, ganz schwarz gekleidet und so blaß wie der Mond, wenn er ein Brechmittel eingenommen hat. Sie sah ganz elend aus und weinte wie ein Strohdach im warmen Thauwetter. Eine saubere Hochzeitspartie dies. Ich strecke daher den Kopf zum Kutschenfenster hinaus und rufe: ›Mary!‹ Sie sinkt darüber in Ohnmacht, und man trägt sie ganz sachte nach der andern Kutsche. Mr. Townshend kommt mit dem leutseligsten Lächeln in seinem Gesicht und in möglichst höflicher Weise zu meiner Kutsche herauf, wobei er ein Paar so blanke stählerne Fesseln in der Hand hat, wie man welche nur immer zu sehen wünschen kann – freilich nur nicht an den eigenen Händen. ›Irgend ein Irrthum, Mr. Townshend,‹ sage ich, denn ich kannte den Kunden wohl – ›irgend ein Irrthum, mein theuerster Sir,‹ und machte zum schlimmen Spiel eine gute Miene.

›Durchaus nicht, mein vortrefflicher Mr. Watkins,‹ antwortet er; denn er war ein sehr gentiler Mann und trug immer zwei Petschaften mehr an seiner Sackuhr, als der größte Lord in Bond Street. ›Durchaus kein Irrthum – erlaubt mir, mich des Vergnügens Eurer Gesellschaft zu erfreuen?‹

Er stieg dann so gesprächig, als ob er den Brautführer darstellen wollte, in meinen Hochzeitwagen und schien eine wahrhafte Affektion für uns beide gefaßt zu haben. Nichts konnte rücksichtsvoller sein, als die delikate Art, in welcher er uns mit den Armbändern bekleidete, obgleich uns der Spaß durchaus nicht behagen wollte, da er, während er Jim und mich am Handgelenk zusammenfesselte, von Ringen, Banden und Hochzeitketten sprach. ›Wohin sollen wir fahren, Mr. Watkins?‹ fragte Mr. Townshend. ›Ei,‹ sagte ich, ›es scheint, es müsse nach Eurem Belieben gehen; da Ihr aber ein so gar höflicher Mann seid, so werdet Ihr den Pfarrer von St. Anne in Soho nicht warten lassen.‹ ›Nein‹ sagte er, ›wir können im Vorbeigehen dort ansprechen, denn es liegt ganz auf unserm Wege nach Bow Street. Ihr seht, ich bin allzu höflich, Mr. Watkins, als daß ich Euch und Eure Braut am Hochzeittage von einander fern halten möchte, aber sie ist uns schon vorausgegangen. Wir werden Alles gemächlich vor Sr. Ehrwürden treffen. Aber laßt Euch sagen, Mr. Watkins, wenn es je einen Engel auf Erden gibt, so ist dies Eure Jungfer Braut. Sie hat bereits einem Advokaten zehn Pfund gegeben, um Euch loszukriegen.‹

»Ich kann Euch die ergreifende Scene vor den Richtern nicht gut schildern – Mary getraute sich nicht, mich anzusehen, und verfiel aus einer Ohnmacht in die andere. Als sie endlich sprechen konnte, bat sie bei den Magistratspersonen für mich und berief sich wieder und wieder an die Kläger, welche Allem aufboten, um mich loszukriegen, aber es wollte nicht gehen. Was Jim betraf, so hatte er nie eine Aussicht gehabt; wir wurden daher nach New-gate geschickt. Ein kostbarer Hochzeitstag.

»Aber wie war's mir auch, meine lustigen Jungen, in jener Klemme? Ich war stöckisch und sah in mir einen Mann, dem Unrecht geschah. Als man mich mit meinem Kameraden in Fesseln durch die Straßen führte, folgte mir Mary in bitteren Thränen, demüthigte sich vor mir und hieß mich hoffen, indem sie mir ihr Geld aufzwang und mir sagte, sie wolle mich nehmen, sobald ich frei sei; der Gennelman, welchen ich beraubt, und der ihr meine Sicherheit versprochen, habe sie getäuscht. Der Teufel brütete aber damals in meinem Innern, weshalb ich sie mit einem gefesselten Arme zu Boden schlug und in den Straßenkoth trat; dann ging ich unter dem Gezische, unter dem Fluchen und Schimpfen des Pöbels weiter. Dies, Kameraden, war das größte Verbrechen, das ich je begangen habe!

»Ich sah sie niemals wieder – sie nährte mich in dem Gefängnisse so reichlich, als das Gesetz es erlaubte, und miethete die besten Advokaten, mich zu vertheidigen; aber der Schlag, den ich ihr gegeben, war mein Verderben. Sie fühlte sich zu unwohl, um gegen mich zeugen zu können, und überhaupt war auch ihr Zeugniß gar nicht nöthig. Mein Benehmen gegen sie hatte das Herz meines Klägers gestählt, und er wollte mich nicht einmal der Gnade empfehlen, als ich schuldig erfunden wurde. Und so – und so, Gennelman, wurde der arme Jim gehangen, ich aber, weil's mein erstes Vergehen war, für Lebenszeit deportirt. Ja, so wahr mir Gott helfe, in dieser Weise erging's mir, weil ich eine Dirne allzusehr liebte, und zwar in einer Zeit, als ich noch nicht zwanzig Jahre alt war.«

»Ihr habt's freilich schlimm getrieben,« sagte Bill Bobstay, »obschon ich Euch darüber nicht in's Kapitel nehmen will. Wenn diese Reise um ist und ich nicht um meinen ehrlichen Verdienst bestohlen werde, so will ich selbst hingehen und diese Mary East aufsuchen. Doch haltet – Ihr macht doch keine Ansprüche mehr, Silberlöffel – oder? denn 's wär nicht schön, einen Kameraden auszustechen.«

»Nein, keinen,« versetzte der Londoner melancholisch.

»Gut,« entgegnete Bill, die eine Hand in die andere schlagend, »dann hole mich dieser und jener, wenn ich sie nicht selbst heirathe.«

»Ihr?« erwiederte Bill Watkins mit einem langen Gelächter des Hohnes und des Schmerzes – denn der Schmerz hat ebenso gut sein Lachen wie seine Klagelaute – »Ihr? Noch ehe sie dreißig war, wurde sie Lordmayorin von London, und ist jetzt eine gemachte gnädige Frau, da sie einen wirklichen Baronet zum Manne hat. Ihr! Nun, im Grunde kann sich doch der Einbrecher und Deportirte rühmen, daß er diese herrliche Frau einmal hätte haben können, wenn er's darnach angegriffen hätte.«

Nach diesem Aufwallen des Stolzes gab er seinen Zuhörern einen langen Bericht über die Ränke und Scenen an Bord der Verbrecherholke, die wir jedoch übergehen wollen, um den Faden da wieder aufzunehmen, als er seine lange traurige Fahrt nach Port Jackson in der Südsee machte.

»Das war in der That ein Höllenleben. Wir waren eingesperrt wie wilde Bestien in einen Käfig, und durften nur zu dreien oder vieren auf das Deck, um einen Mund voll heißer Luft einzuathmen, die aber in Vergleichung zu der Backofenhitze unten kühl war. Wir befanden uns auf einem großen Schiff von ungefähr sechshundert Tonnen und darüber – unserer siebenhundert und etliche an der Zahl, denn es gab damals noch keine Regulationen. Ein Viertheil des lebendigen Cargo's fand in der Regel seinen Weg über Bord, ehe es in Botonybay anlangte. Oh, wie hab' ich damals bereut und Buße gethan. Nun, ich weiß nicht, wo wir damals waren, obschon wir eine köstliche Hitze hatten, aber es mußte irgendwo sein, wo jetzt unser Hooker steht, wenn ich aus dem Seegras und aus der Hitze ein Urtheil ziehen darf – da legte ein großer spanischer Sklavenhändler neben uns an. Die Sklavenschiffe hatten damals ihren Handel noch frei; aber wie dem sein mochte, die Spanier waren im Kriege mit uns, und so fragten sie das englische Schiff, ob es sich gutwillig ergeben wolle. Der Schiffer war ein mannhafter kleiner Kerl, und hatte zwölf kleine Neunpfünder auf seinem Verdecke; auf unserem Schiffe befand sich ein Kapitän, zwei Lieutenants, und eine sechzig Mann starke Kompagnie vom fünfzigsten Regiment, weshalb es mit Hammer und Zangen auf einander losging. Das war ein mörderisches Gefecht, ihr Jungen – windstilles Wetter – Nocke an Nocke – und jeder feindliche Schuß krachte durch die alten Rippen des Schiffes, um der Kugel durch die Massen der Deportirten Bahn zu geben. Da war keine Flucht möglich, und man konnte sich nicht einmal rühren. Oh, was das für ein Geheul war in der vollgepackten Höhle! Dazu in den hinteren Gefängnissen noch das Schreien der Weiber, deren Gezeter schrecklich in den Ohren dröhnte. Die Soldaten und die Matrosen auf dem Deck konnten es nicht länger mit anhören; sie öffneten daher die Käfige der Weiber und schafften alle in den Raum hinunter; aber viele davon waren zuvor durch die Kugeln oder durch Angst und Erstickung getödtet worden.

»Wenn das Gemetzel eine glorreiche Schlacht gibt, so konnte man zuverlässig diese glorreich genug nennen, Bill Bobstay. Jede Kugel ging durch uns, als ob eine Pistole in eine Häringtonne abgefeuert würde, so dicht waren wir zusammengepackt. Ach, Jemine! wie baten wir, man solle uns heraus und an den Kanonen arbeiten lassen. Man wollte uns aber nicht trauen, und so versahen sie das Geschäft selber, obschon sie's wenig nützte. Für jeden Schuß erhielten sie zwei, und jeden Matrosen, den sie erlegten, mußten sie mit dreien bezahlen. Aber während Johnny Espagnol uns arme Gefangene in dem Hauptdecke zu einer dicken Suppe von Blut, Eingeweiden und Gehirn umwandelte, fegte er auch die blauen und rothen Jacken von dem Decke oben weg, zugleich alle Masten zusammenschießend und das Schiff in ein völliges Wrack umwandelnd. Nun ist's mein Grundsatz, für den Sieg das Beste zu thun; wenn man aber sieht, daß man nichts gewinnen kann, weich zu geben und anzuerkennen, daß der Andere der beste Mann ist. Unser Schiff konnte nicht mehr fechten, weil Niemand vorhanden war, um das Nöthige zu thun; aber da die Farbe nicht heruntergeholt wurde, so pfefferte der Spanier fort, bis er endlich Kurasch faßte und an Bord kam. Ob dem Blutbade, das sie hier antrafen, wurde es Vielen ganz übel – kein Wort davon eine Lüge, Bill – kein Wort. Aber wer glaubt Ihr wohl, wer unter den Ersten war, die an Bord sprangen? Niemand anders, als unser gegenwärtiger spanischer Schiffer, der Kapitän Don Mantez.«

Diese Mittheilung machte Jedermann stutzig, aber vielleicht Niemand mehr als mich. Die Matrosen ließen sich in unterschiedlichen Ausrufen vernehmen. Ich bekenne, daß ich, während ich noch immer in meiner Lage verborgen war, in banger Besorgniß zitterte, es dürfte irgend eine ausgesuchte Buberei zur Sprache kommen, die mich mit Schauder erfüllen und mit ängstlichen Befürchtungen für meine theure Familie quälen werde. Der Silberlöffel begann nun, sich in eine wichtige Attitüde zu werfen, was sich aus dem geckenhaften Krähen seiner Stimme entnehmen ließ, und fuhr folgendermaßen fort:

»Der Kapitän kennt mich nicht mehr, denn ich habe mir seitdem einen Bart zugelegt, und als er mich zuerst aus meinem Käfig holte, war ich ein blasses, ausgehungertes Gerippe. Damals war er jedoch nicht Kapitän, sondern nur der zweite im Kommando. Freilich wußte weder er, noch der eigentliche Kommandeur, was er mit dem genommenen Schiffe oder mit dem Cargo anfangen sollte, denn Gefängnißvögel sind in keinem bekannten Hafen der Welt eine marktbare Waare. Kameraden, Ihr glaubt mir vielleicht nicht, was ich jetzt erzählen will, aber es ist Alles so wahr, wie ein Evangelium. Bst! wißt Ihr auch gewiß, daß keiner von jenen ausländischen Kerls um den Weg ist? Schnüffelt umher – riecht keiner von Euch Knoblauch? – nun dann ist, glaube ich, Alles recht. Gut, dieser sehr pomphafte Don Mantez begann nun zu befehlen, daß Todte sowohl als Verwundete über Bord geworfen werden sollten. Natürlich ging es zuerst an ein Ausziehen der Leichen, denn der Spanier macht sich nichts daraus, wohin er seine unfläthige Hand streckt, wenn er sie nur mit einem Heller wieder zurückziehen kann. Ihr könnt Euch denken, daß da sauber gelichtet wurde. Von den tapferen Vertheidigern des Schiffes waren nicht mehr als fünf an Wind und Gliedern gesund zurückgeblieben; sie konnten daher diese Bestattung über Bausch und Bogen nicht hindern.

»Das obere Deck war in dieser Weise bald gelichtet, und nun ging's auf das Mitteldeck hinunter, wo die Gefängnisse der Gennelmen und Ladies waren. Und wen anders traf da Don Mantez mit seinen Offizieren, als den bis über die Knöchel im Blut stehenden Timothy Fribbut, die Schildwache an unserer Thüre, welche so steif wie ihr Zopf dastand. Man sagte ihm, er solle außer Wegs gehen und den Schlüssel ausliefern, aber er schwor, daß er keinen Zoll breit weichen oder ihrem Verlangen entsprechen wolle, bis er regelmäßig von seinem Sergeanten abgelöst sei. Als ihn Einige auf die Seite zu schieben versuchten, so hielt er sein Bajonet vor, und rief der Ordre gemäß nach der Korporalswache; dafür spießte man ihn aber ganz sachte an einen Degen und löste ihn für immer von seinem Posten ab. Ihr hättet den Burschen kennen sollen – eine ächte Schildwache, so steif und dumm, wie ein Holzpfahl. Nun, Tim wurde natürlich auch über Bord geworfen, und da man mit den Herren Uebelthätern keine größern Umstände machen zu müssen glaubte, als mit den Matrosen und Soldaten, so mußten die Verwundeten und Todten gleichfalls ohne Ceremonie irgend einer Art in's Wasser hinunterspazieren. Die Weiber erhielten die nämliche Bedienung, obschon man die nicht bedeutend verletzten schonte; glaubte man aber, sie könnten durch ihre Verwundungen lästig werden, so mußten sie ebenfalls die Fahrt über Bord antreten.

»Dieses Verfahren lichtete uns bedeutend, und von den achthunderten, die vor einer Stunde noch am Leben waren, blieben kaum noch vierhundert übrig, um einen Bissen Zwieback zu kauen. Aber auch dann wußte man nicht, was man mit uns oder mit der Prise anfangen sollte. Unser Schiff war förmlich entmastet, und die Nothspieren auf den Bäumen hatten gleichfalls so Schaden genommen, daß nicht viel damit anzufangen war. Endlich rief man uns Alle, Männer, Weiber und Buben nach dem Deck, worauf man uns eine Wahl anheim stellte, welche uns damals ungeheuer edelmüthig erschien. Wer an Bord des Spaniers in Dienst treten wollte, konnte es thun; die Weiber aber und diejenigen, welche das englische Schiff vorzogen, sollten bleiben.

»Dies war eine besonders kitzliche Wahl – wenigstens für die Herren Deportirte. Es gefiel uns nicht, an Bord eines Schiffes zu gehen, das nur wenig besser als ein Pirate war; aber ebenso wenig mochten wir einander selbst trauen, denn ich kann nicht umhin, einzuräumen, daß wir ein schlimmer Haufen waren. Wie dem übrigens sein mag, viele von den Uebelthätern wollten doch lieber bleiben, wo sie waren, denn sie meinten, nun sie ihre eigenen Herren seien, könnten sie das Schiff in jeden Hafen der Welt führen, und es im Nu mit Nothmasten versehen. Sie schienen ganz entzückt zu sein über den Gedanken ihrer republikanischen Stellung, weil Jeder jetzt so frei sein konnte, als er wollte, und auch den Damen gefiel die Sache gar nicht übel.

»Was mich betrifft, so behagte mir das Aussehen der Dinge nicht sonderlich, und als ich auf meine Begleiter sah, die natürlich Alle den Kommandeur spielen wollten, kam mir unwillkührlich das spanische Sprichwort in's Gedächtniß –:

›Er Sennor – Ihr Sennor – ich Sennor –
So sagt zum Henker, wer das Boot soll rudern?‹

 

»Demgemäß vertrauten ich und siebenzig Andere nebst dreißig der am besten aussehenden Weiber unser Leben und Glück den Spaniern. Ich muß den Dons die Gerechtigkeit zu Theil werden lassen, daß sie dem Schiffe nur das wenig auffindbare Geld und Silbergeschirr abnahmen, ehe sie es den Deportirten überließen. Das spanische Schiff blieb bis zur Dunkelheit in der Nähe, vermuthlich, um Zeuge zu sein, wie man sich auf dem englischen benehme; aber da war ein Geschrei, ein Heulen, ein Jubeln und Singen. Wenn alle Narren aus einem Tollhause brächen, so konnte es nichts dagegen sein. Sie hatten sich Alle köstlich angetrunken, und als wir sie außer Sicht verloren, war auch nicht der mindeste Anfang gemacht worden, die Beschädigungen auszubessern. Die Männer und Weiber jagten einander auf dem Decke umher, wie ebenso viel Katzen oder Kaninchen in einer schönen mondhellen Sommernacht. Nun, wir segelten weiter und am andern Morgen sahen wir nichts mehr von dem Schiffe. Es wäre wirklich ein Curiosum und eigentlich philosophisch zu wissen, was aus dem Fahrzeug und seiner Mannschaft wurde. Aus Mangel an Grütze sind sie gewiß nicht zu Grund gegangen, denn in allen drei Königreichen hätte man nicht dreihundert und etliche gewitztere Bursche zusammenlesen können, als diejenigen waren, welche wir an Bord des Deportirtenschiffes zurückließen.«

»Ja,« sagte eine Stimme, »möcht's allerdings auch wissen, was aus jenem Schiff voll Dieben geworden ist. Habt Ihr nie gehört, daß es nachher angebreit wurde, oder daß es irgend ein Hafen anthat?«

»Nein; aber Schaden kann es nicht genommen haben. – Denkt nur, soviel Talent an Bord – nur hätte ich nicht trauen mögen.«

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