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Erstes Kapitel.
Über die Mittel zur Abhilfe der vorberegten Unvollkommenheiten und Mißbräuche.

§ 1. Deren Aufsuchung ist der Mühe wert. – Die natürlichen und künstlich vermehrten Unvollkommenheiten der Sprache haben wir vorhin ausführlich betrachtet, und da die Sprache das große, die Gesellschaft zusammenhaltende Band ist und der gemeinsame Kanal, wodurch die Fortschritte der Wissenschaften von einem Menschen und einer Generation zu den anderen übergeführt werden, so verdient es unser ernstlichstes Nachdenken zu erwägen, welche Mittel sich auffinden lassen, um den oberwähnten Übelständen abzuhelfen.

§ 2. Sie ist nicht leicht. – Ich bin nicht so eitel zu glauben, daß jemand die vollkommene Verbesserung aller Sprachen der Welt oder auch nur der seiner eigenen Heimat könnte unternehmen wollen, ohne sich lächerlich zu machen. Verlangen, daß die Menschen ihre Wörter beständig in demselben Sinne und nur für bestimmte und gleichförmige Ideen gebrauchen sollten, hieße ebensoviel wie meinen, daß alle Menschen dieselben Begriffe haben und von nichts reden sollten, als wovon sie klare und deutliche Ideen hätten, was niemand erwarten kann, der nicht Eitelkeit genug besitzt, um sich einzubilden, daß er die Menschen dazu bringen könne, sehr einsichtig oder sehr schweigsam zu sein. Und der muß sich sehr wenig in der Welt umgesehen haben, wer da glaubt, daß eine bewegliche Zunge immer nur einen guten Verstand begleite, oder daß die Menschen nur viel oder wenig reden, je nachdem sie viel oder wenig wissen.

§ 3. Aber für die Philosophie doch notwendig. – Wenn aber auch der Markt und die Börse ihren eigenen Redeweisen überlassen bleiben müssen, und die Plauderei ihres alten Vorrechts nicht beraubt werden darf, und wenn auch die Schulen und die beweiskundigen Gelehrten es vielleicht übelnehmen möchten, falls ihnen irgend etwas angeboten würde, um die Länge ihrer Disputationen abzukürzen oder deren Anzahl zu vermindern, so scheint mir doch, daß alle, die ernstlich nach der Wahrheit forschen oder sie behaupten wollen, sich verpflichtet halten müßten, zu untersuchen, wie sie sich ohne Dunkelheit, Ungewißheit oder Zweideutigkeit ausdrücken können, denen die Wörter der Menschen, wenn man sich nicht davor hütet, von Natur ausgesetzt sind.

§ 4. Der Mißbrauch der Wörter ist die Hauptursache des Irrtums, – Denn wer die Irrtümer und die Dunkelheit, die Mißverständnisse und die Verwirrung, die in der Welt durch einen verkehrten Gebrauch der Sprache verbreitet worden, wohl in Betracht zieht, wird einigen Grund zum Zweifel darüber finden, ob die Sprache, so wie sie angewendet worden, mehr zur Förderung oder zur Behinderung der Erkenntnis unter den Menschen beigetragen hat. Wie groß ist die Anzahl derer, die, wenn sie über Dinge nachdenken wollen, ihre Gedanken nur auf Wörter richten, besonders wenn sie ihren Geist mit moralischen Fragen beschäftigen wollen; und wen kann es dann Wunder nehmen, wenn das Ergebnis solcher Betrachtungen und Schlußfolgerungen über wenig mehr als Laute, während die damit von ihnen verknüpften Ideen sehr verworren und sehr schwankend oder vielleicht gar nicht vorhanden sind, – wen kann es Wunder nehmen, sage ich, daß solche Gedanken und Schlüsse auf nichts als Dunkelheit und Irrtum hinauslaufen ohne irgend ein klares Urteil oder Wissen?

§ 5. der Hartnäckigkeit, – Dieses nachteilige Ergebnis eines verkehrten Gebrauches der Wörter trifft die Menschen bei ihren eigenen privaten Meditationen; viel offenbarer aber sind noch die Störungen, die bei der Unterhaltung, den Reden und Erörterungen mit anderen daraus folgen. Denn, da die Sprache der große Kanal ist, wodurch die Menschen ihre Entdeckungen, Folgerungen und Erkenntnisse von einem zum anderen befördern, so unterbricht oder verstopft der, welcher sie verkehrt gebraucht, obgleich er die in den Dingen selbst liegenden Quellen des Wissens nicht verdirbt, doch, soviel an ihm liegt, die Röhren, wodurch es zum allgemeinen Nutzen und Vorteil des Menschengeschlechts verteilt wird. Wer Wörter ohne einen klaren und festen Sinn gebraucht, was thut der sonst, als daß er sich selbst und andere zu Irrtümern verleitet? Und wer das absichtlich thut, der sollte als ein Feind der Wahrheit und des Wissens angesehen werden. Und dennoch, wer kann sich darüber wundern, daß alle Wissenschaften und Erkenntnisgebiete mit dunklen und zweideutigen Wörtern und sinnleeren und zweifelhaften Ausdrücken, die auch den Aufmerksamsten und Scharfsichtigsten sehr wenig oder gar nicht klüger oder rechtgläubiger zu machen vermögen, so überladen worden sind, da bei denen, die die Lehre oder Verteidigung der Wahrheit zu ihrem Beruf machen, Spitzfindigkeit in so hohem Maße für Tüchtigkeit gilt; eine Tüchtigkeit freilich, die, da sie größtenteils nur in dem trügerischen und illusorischen Gebrauch dunkler oder täuschender Ausdrücke besteht, nur dazu dienlich ist, die Menschen auf ihre Unwissenheit eingebildeter und in ihren Irrtümern hartnäckiger zu machen.

§ 6. und des Zankes. – Wenn wir in die Bücher über Streitfragen irgend welcher Art einen Blick werfen, so sehen wir, daß die Wirkung dunkler schwankender oder zweideutiger Ausdrücke in nichts als Lärm und Zank über Laute besteht, ohne daß jemand dadurch überzeugt oder zu besserer Einsicht geführt würde. Denn, wenn zwischen Sprecher und Hörer kein Einverständnis über die Ideen besteht, welche die Wörter vertreten, so dreht sich die Verhandlung nicht um Dinge, sondern um Namen. So oft wie ein solches Wort, über dessen Bedeutung sie sich nicht untereinander vergewissert haben, gebraucht wird, hat ihr Verstand kein anderes Objekt der beiderseitigen Übereinstimmung als den bloßen Wortlaut, indem die Dinge, die sie zur gegebenen Zeit als Bedeutung jenes Wortes im Sinne haben, ganz verschiedene sind.

§ 7. Fledermaus und Vogel als Beispiel. – Wer danach fragt, ob eine Fledermaus ein Vogel sei oder nicht, der will nicht wissen, ob eine Fledermaus ein anderes Ding sei, als sie in der That ist, oder andere Eigenschaften habe, als sie wirklich hat, denn darüber im Zweifel zu sein, wäre höchst absurd; sondern diese Frage entsteht entweder 1. zwischen solchen Personen, die zugeben, daß sie von der einen oder beiden Arten von Dingen, als deren Vertreter diese Namen gelten, nur unvollkommene Ideen haben, und dann ist sie eine sachliche die Namen Fledermaus und Vogel betreffende Nachforschung, um ihre (jener Personen) noch unvollkommenen Ideen davon durch die Prüfung zu vervollständigen, ob alle die einfachen Ideen, denen miteinander verbunden beide den Namen Vogel geben, sich sämtlich in einer Fledermaus auffinden lassen; dies aber ist eine nur von Forschern (nicht Disputanten), die weder etwas behaupten noch leugnen, sondern untersuchen, aufgeworfene Frage. Oder 2. die Frage entsteht zwischen Disputanten, von denen der eine behauptet und der andere leugnet, daß eine Fledermaus ein Vogel sei, und dann dreht sie sich lediglich um die Bedeutung des einen dieser Wörter oder beider, indem nicht beide Disputanten dieselben komplexen Ideen haben, denen sie diese beiden Namen beilegen, und deshalb der eine behauptet, der andere leugnet, daß sie voneinander bejaht werden könnten. Wären sie über die Bedeutung dieser beiden Namen einverstanden, so könnten sie unmöglich über dieselben streiten, denn sie würden (falls sie jene unter sich ins reine gebracht hätten) sofort und deutlich einsehen, ob alle die einfachen Ideen des allgemeineren Namens Vogel in der komplexen Idee einer Fledermaus zu finden seien oder nicht, und es könnte also kein Zweifel darüber bestehen, ob eine Fledermaus ein Vogel sei oder nicht. Und hier, wünsche ich, möge man überlegen und sorgfältig prüfen, ob nicht der größte Teil der Streitigkeiten in der Welt einen rein verbalen Charakter habe und sich um die Bedeutung von Wörtern drehe, und ob nicht, wenn die Ausdrücke, worin sie geführt werden, definiert und in ihrer Bedeutung (wie das geschehen muß, wenn sie überhaupt etwas bedeuten) auf bestimmte Sammlungen einfacher Ideen, die sie vertreten oder vertreten sollten, zurückgeführt würden, jene Streitigkeiten von selbst aufhören und unverzüglich verschwinden müßten. Ich gebe demnach der Erwägung anheim, worin die Gelehrsamkeit des Disputierens bestehen möge, und wie trefflich diejenigen sich zu ihrem eigenen Besten und zum Besten anderer beschäftigen, deren Aufgabe nur ein leeres Gepränge mit Wortlauten ist, d. h. diejenigen, die ihr Leben mit Disputationen und Kontroversen hinbringen. Wenn ich sehen werde, daß einer von diesen Kämpfern alle seine Ausdrücke der Zweideutigkeit und Dunkelheit entkleidet (was jeder mit den von ihm selbst gebrauchten Wörtern thun kann), dann werde ich ihn als einen Streiter für Erkenntnis, Wahrheit und Frieden und nicht als einen Sklaven der Ruhmredigkeit, des Ehrgeizes oder der Parteisucht betrachten.

§ 8. Um den vorerwähnten Mängeln der Sprache in gewissem Maße abzuhelfen und den aus ihnen sich ergebenden Übelständen vorzubeugen, würde, denke ich, die Beobachtung folgender Regeln so lange von einigem Nutzen sein, bis ein besser Befähigter es der Mühe wert halten wird, diese Sache reiflicher zu überlegen, und sich die Welt durch Mitteilung seiner Gedanken darüber zu verpflichten.

Das erste Hilfsmittel ist, kein Wort ohne eine Idee zu gebrauchen. – I. Man sollte darauf bedacht sein, kein Wort ohne Bedeutung zu gebrauchen, keinen Namen ohne eine Idee, zu deren Vertreter man ihn macht. Diese Regel wird niemandem ganz unnötig erscheinen, der sich die Mühe der Erinnerung daran giebt, wie oft er in den Reden anderer Leute einem derartigen Gebrauch solcher Wörter wie Instinkt, Sympathie, Antipathie etc. begegnet ist, daß der Schluß nahe lag, die, welche sie gebrauchten, hätten keine Ideen im Sinne, worauf sie sie anwendeten, sondern sprächen sie nur aus wie Laute, die gewöhnlich bei ähnlichen Gelegenheiten anstatt einer Begründung dienten. Nicht, daß es diesen und ähnlichen Wörtern an sehr eigentlichen Bedeutungen fehlte, worin sie gebraucht werden könnten, sondern, weil es keinen natürlichen Zusammenhang zwischen gewissen Wörtern und gewissen Ideen giebt, so können diese und beliebige andere auswendig gelernt und von Leuten ausgesprochen oder hingeschrieben werden, die keine Ideen im Sinne tragen, mit denen sie dieselben verknüpft haben, und wofür sie sie gebrauchen, was doch notwendig geschehen müßte, wenn sie auch nur mit sich selbst allein verständlich reden wollten.

§ 9. Zweitens, mit Namen von Modi deutliche Ideen zu verbinden, – II. Es genügt nicht, daß jemand seine Wörter als Zeichen irgend welcher Ideen gebrauche; diejenigen, womit er sie verknüpft, müssen, wenn es einfache sind, klar und deutlich sein; sind es komplexe, so müssen sie bestimmt sein, d.h. im Geiste genau festgestellte Sammlungen einfacher Ideen, womit der Wortlaut als das Zeichen gerade dieser bestimmten Sammlung und keiner anderen verbunden ist. Dies ist höchst notwendig bei den Namen von Modi, und besonders bei moralischen Wörtern, die, weil es keine in der Natur feststehenden Objekte giebt, wovon als von ihren Originalen ihre Ideen entnommen sind, Neigung haben sehr verworren zu sein. Gerechtigkeit ist ein Wort, was jeder im Munde führt, gewöhnlich jedoch mit einer sehr unbestimmten losen Bedeutung, was stets der Fall sein wird, wenn jemand nicht einen deutlichen Begriff der Bestandteile im Sinne trägt, woraus jene komplexe Idee sich zusammensetzt; und wenn sie mehrfach zusammengesetzt ist, muß er imstande sein sie wiederholt aufzulösen, bis er zuletzt zu den einfachen Ideen gelangt, die sie ausmachen: und solange dies nicht geschehen ist, macht er einen unrichtigen Gebrauch von dem Worte, sei es z. B. Gerechtigkeit oder irgend ein anderes. Ich sage nicht, man müsse Halt machen, um sich zu besinnen und diese Analyse jedesmal ausführlich zu wiederholen, wenn das Wort »Gerechtigkeit« einem in den Weg kommt, allein soviel ist wenigstens erforderlich, daß man die Bedeutung jenes Namens dermaßen geprüft und die Ideen aller seiner Bestandteile bei sich festgestellt habe, daß man es thun kann, sobald man es für gut findet. Wenn jemand, der seine komplexe Idee von Gerechtigkeit in einer solchen Behandlung der Person oder der Güter eines anderen bestehen läßt, die dem Gesetze gemäß sei, keine klare und deutliche Idee davon hat, was »Gesetz«, das einen Teil seiner komplexen Idee von »Gerechtigkeit« ausmacht, bedeutet, so ist klar, daß auch seine Idee der Gerechtigkeit selbst verworren und unvollkommen sein wird. Diese Genauigkeit wird vielleicht sehr beschwerlich erscheinen, und die meisten Menschen werden sich deshalb einer so präcisen Festsetzung der komplexen Ideen von gemischten Modi in ihrem Geiste für überhoben halten. Gleichwohl muß ich dabei bleiben, daß, solange diese nicht stattgefunden hat, man sich nicht darüber wundern darf, daß in ihren Gedanken sehr viel Dunkelheit und Verwirrung und in ihrer Unterredung mit anderen sehr viel Streit zu finden ist.

§ 10. und mit denen der Substanzen deutliche und zutreffende. – Bei den Namen von Substanzen wird zum richtigen Gebrauch derselben etwas mehr erfordert als bloß bestimmte Ideen. Bei ihnen müssen die Namen Es soll wohl heißen »die Ideen«. auch den Dingen, so wie sie existieren, entsprechend sein; hierüber aber werde ich weiterhin Gelegenheit finden, mich ausführlicher zu äußern. Diese Genauigkeit ist bei dem Forschen nach philosophischer Erkenntnis und bei Streitigkeiten über die Wahrheit unbedingt nötig. Und obgleich es gut wäre, daß sie sich auch auf die alltägliche Unterhaltung und die gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens erstreckte, so ist dies doch, glaube ich, kaum zu erwarten. Für vulgäre Unterredungen passen vulgäre Begriffe, und so verworren beide auch sein mögen, leisten sie doch auf dem Markte und der Kirmes leidlich gute Dienste. Kaufleute und Liebhaber, Köche und Schneider haben Wörter, um damit ihre gewöhnlichen Geschäfte abzumachen, und die könnten, denke ich, Philosophen und Disputanten auch haben, wenn sie zu verstehen und klar verstanden zu werden wünschten.

§ 11. Drittens, Anschluß an den Sprachgebrauch. – III. Es genügt jedoch nicht, Ideen und bestimmte Ideen zu haben, wofür man die Wörter als Zeichen gebraucht, man muß vielmehr auch darauf bedacht sein, daß man seine Wörter so nahe wie möglich auf solche Ideen anwendet, wie der gemeine Sprachgebrauch mit ihnen verknüpft hat. Denn, da die Wörter namentlich von schon ausgebildeten Sprachen niemandes Privatbesitz sind, sondern das gemeinsame Maß für Handel und Verkehr, so steht es nicht in jedermanns Belieben das Gepräge, womit sie umlaufen, zu wechseln oder die Ideen zu ändern, mit denen sie verknüpft sind; wenigstens aber ist er, falls eine Notwendigkeit dazu obwaltet, verpflichtet es bekannt zu machen. Die Absicht der Menschen beim Sprechen ist, oder sollte wenigstens sein, verstanden zu werden, und die läßt sich nicht ohne häufige Erklärungen, Fragen und andere ähnliche unbequeme Unterbrechungen erreichen, wenn sie sich nicht dem gemeinen Sprachgebrauch anschließen. Gebräuchlichkeit der Ausdrucksweise ist es, die unseren Gedanken den Eingang in das Bewußtsein anderer Menschen mit der größten Leichtigkeit und Wirksamkeit verschafft, und deshalb auf einen Teil unserer Sorgfalt und unseres Studiums, namentlich, was die Namen der moralischen Wörter Es soll wohl heißen »Ideen«. betrifft, Anspruch hat. Den eigentlichen Sinn und Gebrauch der Ausdrücke lernt man am besten von denen, aus deren Schriften und Reden hervorgeht, daß sie die klarsten Begriffe gehabt, und darauf ihre Wörter mit der sorgfältigsten Auswahl in geschicktester Weise angewendet haben. Wenn auch diese Methode, seine Wörter dem richtigen Sprachgebrauch gemäß anzuwenden, nicht immer das gute Glück hat, verstanden zu werden, so läßt sie doch gewöhnlich den Tadel dafür auf den fallen, der mit seiner Muttersprache so wenig vertraut ist, daß er sie nicht versteht, wenn sie in der rechten Weise gebraucht wird.

§ 12. Viertens, den Sinn der Wörter bekannt zu machen. – IV. Weil jedoch der gemeine Sprachgebrauch keine Bedeutung so augenscheinlich mit den Wörtern verbunden hat, daß man stets mit Sicherheit wissen könnte, wofür sie als Vertreter dienen, und weil einzelne Menschen bei ihren Fortschritten im Wissen zu Ideen gelangen, die von den vulgären und gewöhnlich angenommenen abweichen, wofür sie entweder (was aus Furcht davor, für affektiert oder neuerungssüchtig zu gelten, selten gewagt wird) neue Wörter bilden, oder alte in einer neuen Bedeutung gebrauchen müssen: deshalb ist es nach Befolgung der vorstehenden Regeln zur Vergewisserung über die Bedeutung der Wörter zuweilen nötig, ihren Sinn zu erklären, wo entweder der gemeine Sprachgebrauch ihn unsicher und schwankend gelassen hat (wie bei den meisten Namen von sehr komplexen Ideen), oder wo ein Ausdruck, der in der Rede von besonderer Wichtigkeit ist, und um den sie sich hauptsächlich dreht, irgend einem Zweifel oder Mißverständnis ausgesetzt ist.

§ 13. Und zwar auf dreifache Weise. – Da die Ideen, wofür die Wörter der Menschen als Zeichen dienen, von verschiedener Art sind, so ist auch die Weise, die von ihnen vertretenen Ideen, wenn sich dazu Veranlassung findet, erkennbar zu machen, ebenfalls verschieden. Denn, wenn gleich die Definition als der geeignete Weg gilt, die eigentliche Bedeutung der Wörter kund zu thun, so giebt es doch gewisse Wörter, die sich nicht definieren lassen, so gut wie andere, deren präciser Sinn sich nur durch eine Definition bekannt machen läßt, und vielleicht eine dritte Klasse Statt a third lies a third sort., die einigermaßen die Natur der beiden anderen teilt, wie wir an den Namen von einfachen Ideen, Modi und Substanzen sehen werden.

§ 14. Erstens, bei einfachen Ideen durch gleichbedeutende Ausdrücke oder durch vorzeigen. – I. Wenn jemand den Namen einer einfachen Idee gebraucht, der, wie er bemerkt, nicht verstanden wird oder der Gefahr eines Mißverständnisses ausgesetzt ist, so ist er nach dem Gesetz der Aufrichtigkeit und dem Zweck der Sprache verpflichtet, seine Meinung zu erklären und kund zu thun, welche Idee er durch den Namen bezeichnen will. Dies läßt sich, wie gezeigt worden, nicht durch eine Definition bewerkstelligen, weshalb, wenn auch ein gleichbedeutendes Wort den Dienst versagt, nur einer von folgenden beiden Wegen übrigbleibt: 1. Mitunter macht die Benennung des Objekts, woran sich die fragliche einfache Idee vorfindet, deren Namen für diejenigen verständlich, die mit jenem Objekt und mit dessen Namen bekannt sind. So kann es, um einem Landmann verständlich zu machen, was die Farbe feuille-morte bedeute, genügen, ihm zu sagen, sie sei die Farbe der im Herbste abfallenden welken Blätter. 2. Allein der einzig sichere Weg, jemandem die Bedeutung des Namens einer einfachen Idee bekannt zu machen, besteht darin, seinen Sinnen das Objekt darzubieten, welches dieselbe in seinem Bewußtsein hervorzubringen vermag, damit er die durch das Wort vertretene Idee thatsächlich gewinne.

§ 15. Zweitens, bei gemischten Modi durch Definition. – II. Da die meisten der gemischten Modi und besonders die, welche die Moral betreffen, aus solchen Verbindungen von Ideen bestehen, die der Geist nach seiner eigenen Wahl zusammensetzt, ohne daß sich für sie immer bleibend existierende Muster auffinden ließen, so läßt sich die Bedeutung ihrer Namen nicht wie bei den einfachen Ideen durch Vorzeigen erkennbar machen, sie kann jedoch zum Ersatz dafür vollständig und genau definiert werden. Denn, da sie (die gemischten Modi) Verbindungen einer Anzahl von Ideen sind, die der menschliche Geist nach Gutdünken ohne Rücksicht auf irgend welche Urbilder zusammengefügt hat, so können wir, wenn wir wollen, die Ideen, die eine jede Komposition ausmachen, genau kennen, und demnach sowohl diese Wörter in einem sicheren und zweifelsfreien Sinne gebrauchen, wie auch, wenn sich dazu Veranlassung findet, vollständig erklären, was sie bedeuten sollen. Wohl erwogen liegt hierin ein schwerer Tadel für die, die ihre Reden über Fragen der Moral nicht ganz klar und deutlich machen. Denn, da die präcise Bedeutung der Namen gemischter Modi oder, was ganz dasselbe sagt, die reale Wesenheit jeder Art sich erkennen läßt, weil sie nicht von der Natur, sondern von den Menschen gebildet sind, so ist es eine große Nachlässigkeit und Verkehrtheit, über moralische Dinge mit Unsicherheit und Dunkelheit zu reden, was bei Abhandlungen über natürliche Substanzen verzeihlicher ist, wo aus einem ganz entgegengesetzten Grunde, wie wir sogleich sehen werden, zweifelhafte Ausdrücke kaum zu vermeiden sind.

§ 16. Die Moral läßt sich beweisen. – Aus diesem Grunde bin ich so kühn, zu glauben, daß die Moral sich ebensogut auf Beweise stützen lasse, wie die Mathematik, weil die präcise reale Wesenheit der Dinge, die durch moralische Wörter bezeichnet werden, vollkommen erkennbar ist, und somit die Kongruenz und Inkongruenz der Dinge selbst sich mit Sicherheit ermitteln läßt, worin die vollendete Einsicht besteht. Auch ist hiegegen der Einwand nicht statthaft, daß Namen von Substanzen in der Moral ebensooft gebraucht werden müßten, wie Namen von Modi, und daß daraus Dunkelheit entstehe. Denn, wenn bei moralischen Untersuchungen Substanzen in Betracht kommen, so ist ihre verschiedene natürliche Beschaffenheit nicht sowohl ein Gegenstand der Untersuchung als vielmehr der Voraussetzung; z. B. wenn wir sagen, daß der Mensch dem Gesetze unterworfen sei, so verstehen wir unter »Mensch« nichts weiter als ein körperliches vernünftiges Geschöpf; was die reale Wesenheit oder die sonstigen Eigenschaften dieses Geschöpfes sein mögen, kommt hiebei aus keine Weise in Betracht. Ob ein Kind oder ein Wechselbalg ein Mensch im naturwissenschaftlichen Sinne sei, mag für die Naturkundigen so bestreitbar sein, wie es will, das geht den moralischen Menschen, wie ich ihn nennen möchte, gar nichts an, der in dieser unbeweglichen, unveränderlichen Idee eines körperlichen vernünftigen Wesens besteht. Denn, gäbe es einen Affen oder irgend ein anderes Geschöpf, das den Vernunftgebrauch in einem solchen Grade besäße, daß es allgemeine Zeichen verstehen und aus allgemeinen Ideen Folgerungen ableiten könnte, so würde es ohne Zweifel dem Gesetz unterworfen, und in diesem Sinne ein Mensch sein, wie sehr es auch immer der Gestalt nach von anderen Geschöpfen dieses Namens verschieden wäre. Wenn die Namen von Substanzen in moralischen Abhandlungen, so wie sie sollten, gebraucht werden, so können sie diese ebensowenig trüben wie mathematische, worin der Mathematiker, wenn er von einem Würfel oder einer Kugel von Gold oder irgend einem anderen Stoffe spricht, seine klare feststehende Idee hat, die sich nicht verändert, wenn sie auch irrtümlicherweise auf einen einzelnen Körper angewandt werden kann, dem sie nicht zukommt.

§ 17. Definitionen können moralischen Erörterungen Klarheit verleihen. – Dies habe ich hier beiläufig erwähnt, um zu zeigen, wie wichtig es für die Menschen ist, bei ihren Namen von gemischten Modi und folglich in allen ihren moralischen Erörterungen ihre Wörter gelegentlich zu definieren, weil dadurch die moralische Einsicht zu so großer Klarheit und Sicherheit gebracht werden kann. Sich weigern, das zu thun, würde (um kein härteres Urteil darüber zu fällen) einen großen Mangel an Freimütigkeit verraten, weil die Definition der einzige Weg ist, wodurch der genaue Sinn moralischer Wörter kundgethan werden kann, und noch dazu ein Weg, wodurch ihr Sinn sicher erkennbar wird, und ohne daß für Streit darüber noch irgendwie Raum übrigbliebe. Und deshalb ist die Nachlässigkeit oder Verkehrtheit der Menschen unentschuldbar, wenn ihre Abhandlungen über moralische Fragen nicht weit klarer sind als die über Gegenstände der Naturwissenschaft, weil sie im Geiste enthaltene Ideen betreffen, von denen keine falsch oder unangemessen sein kann, da sie keine äußeren Dinge zu Urbildern haben, worauf sie bezogen werden und denen sie entsprechen müssen. Es ist für die Menschen weit leichter, in ihrem Sinne eine maßgebende Idee zu bilden, der sie den Namen Gerechtigkeit beilegen wollen, damit alle Handlungen, die mit diesem so geschaffenen Muster übereinstimmen würden, unter jenem Namen begriffen seien, als nach dem Anblick des Aristides eine Idee zu bilden, die in allen Punkten ihm genau gleichkäme, der so ist, wie er ist, die Menschen mögen sich eine Idee von ihm machen, wie sie wollen. Für das erste brauchen sie nur die Ideenkombination zu kennen, deren Bestandteile sie in ihrem eigenen Sinne zusammengefügt haben; für das andere müssen sie die ganze Natur, die dunkle verborgene Beschaffenheit und die mannigfachen Eigenschaften eines außer ihnen existierenden Dinges erforschen.

§ 18. Und das ist der einzige Weg dazu. – Ein anderer Grund, der das Definieren gemischter Modi und namentlich der moralischen Wörter so notwendig macht, ist das ein wenig weiter oben Bemerkte, nämlich daß es der einzige Weg ist, wodurch sich die Bedeutung der meisten von ihnen mit Sicherheit kundgeben läßt. Denn, da die von ihnen vertretenen Ideen größtenteils solche sind, deren Bestandteile nirgends zusammen, sondern nur zerstreut und mit anderen vermischt existieren, so ist es allein der Geist, der sie sammelt und ihnen die Vereinigung zu einer Idee giebt, und nur indem wir die verschiedenen einzelnen Ideen, die der Geist verbunden hat, mit Hilfe von Wörtern aufzählen, können wir die Bedeutung ihrer (der gemischten Modi) Namen anderen erkennbar machen, da in diesem Falle der Beistand der Sinne uns nicht dazu dient, durch Vorführung sinnlich wahrnehmbarer Objekte die durch unsere Namen dieser Art bezeichneten Ideen aufzuzeigen, wie das oft bei den Namen der sinnlich einfachen Ideen und in gewissem Maße auch bei den Substanznamen der Fall ist.

§ 19. Drittens, bei Substanzen durch Aufzeigen und Definieren. – III. Um die Bedeutung der Namen von Substanzen zu erklären, wie sie unsere Ideen von den verschiedenen Arten derselben vertreten, ist es in vielen Fällen erforderlich, von beiden vorerwähnten Wegen, nämlich dem Aufzeigen und dem Definieren, Gebrauch zu machen. Denn, da gewöhnlich jede Art einige Haupteigenschaften besitzt, als deren Anhang wir die übrigen Ideen betrachten, die unsere komplexe Idee jener Art ausmachen, so geben wir den specifischen Namen ohne weiteres jedem Dinge, woran sich das charakteristische Merkmal zeigt, was wir für die jene Art hauptsächlich unterscheidende Idee halten. Diese leitenden oder (wie ich sie wohl nennen darf) charakteristischen Ideen sind – wie oben im Kapitel VI § 29 und Kapitel IX § 15 bemerkt worden – bei den Arten der Tiere und Pflanzen meistens die Gestalt und bei leblosen Körpern die Farbe, bei einigen auch beide zusammen.

§ 20. Die Ideen der leitenden Eigenschaften von Substanzen werden am besten durch Vorzeigen gewonnen. – Nun sind es diese leitenden sinnlichen Eigenschaften, die die Hauptbestandteile unserer specifischen Ideen ausmachen und folgeweise den augenfälligsten und unveränderlichsten Teil in den Definitionen unserer specifischen Namen, insofern diese den zu unserer Kenntnis gelangenden Arten von Substanzen beigelegt werden. Denn, wenn auch der Laut »Mensch« seiner eigenen Natur nach ebensogut eine komplexe Idee bezeichnen kann, die aus Tierheit und Vernünftigkeit in demselben Subjekt vereinigt gebildet ist, wie irgend welche andere Kombination, so muß doch, wenn er uns als Zeichen für eine Art von Geschöpfen dient, die wir zu unserem eigenen Geschlechte rechnen, die äußere Gestalt vielleicht ebenso notwendig in unsere mit dem Worte »Mensch« bezeichnete komplexe Idee aufgenommen werden, wie irgend eine andere daran gefundene, und es wird sich deshalb nicht leicht beweisen lassen, warum Platos animal implume, bipes, latis unguibus nicht eine gute Definition des jene Art von Geschöpfen vertretenden Namens »Mensch« sein sollte, denn die Gestalt scheint als leitende Eigenschaft diese Art mehr zu bestimmen, wie das Vermögen vernünftigen Denkens, welches nicht von vornherein und mitunter niemals zum Vorschein kommt. Und wenn man das nicht zugeben will, so weiß ich nicht, wie die vom Morde freigesprochen werden können, die (was wir so nennen) Mißgeburten wegen ihrer ungewöhnlichen Gestalt töten, ohne zu wissen, ob sie eine vernünftige Seele besitzen oder nicht, was sich bei neugeborenen Kindern nicht unterscheiden läßt, mögen sie wohl oder übel gestaltet sein. Und wer hat uns gesagt, daß eine vernünftige Seele in keinem Hause wohnen könne, das nicht gerade solch eine Art von Giebel habe, oder sich mit keiner Art von Körper verbinden und ihn beleben könne, der nicht solch einen äußeren Bau aufweise?

§ 21. Mit diesen leitenden Eigenschaften nun kann man jemanden am besten durch Vorzeigung derselben bekannt machen und kaum auf eine andere Weise. Denn die Gestalt eines Pferdes oder Kasuars läßt sich durch Worte im Bewußtsein nur roh und unvollkommen zum Ausdruck bringen, der Anblick dieser Tiere thut das tausendmal besser; und die Idee der eigentümlichen Farbe des Goldes kann man durch keine Beschreibung derselben gewinnen, sondern nur dadurch, daß man sie häufig ins Auge faßt, wie man an denen sieht, die mit diesem Metalle beständig umgehen und oft das echte vom nachgemachten, das reine von dem verfälschten bloß durch den Anblick unterscheiden, während andere (die ebenso gute Augen, aber nicht durch Übung die präcise genaue Idee jenes eigentümlichen Gelben erlangt haben) keinen Unterschied zwischen beiden wahrnehmen. Dasselbe gilt von den einfachen Ideen, die sonst noch gewissen Substanzen in eigentümlicher Art zukommen, für welche Ideen es keine besonderen, nur für sie bestimmten Namen giebt. Der eigentümliche von dem Klange anderer Körper unterschiedene Klang des Goldes hat keinen ihm besonders beigelegten Namen, ebensowenig wie das diesem Metalle angehörige eigentümliche Gelb.

§ 22. Die Ideen ihrer Kräfte werden am besten durch Definition erkannt. – Weil aber viele der einfachen Ideen, die unsere specifischen Ideen von Substanzen ausmachen, Kräfte sind, die in der gewöhnlichen Erscheinung der Dinge nicht für unsere Sinne offen daliegen, deshalb wird bei unseren Namen von Substanzen ein Teil ihrer Bedeutung besser durch Aufzählung jener einfachen Ideen bekannt gemacht als durch Vorzeigung der Substanz selbst. Denn, wenn jemand zu der bei seinem Anblick wahrgenommenen glänzend gelben Farbe des Goldes durch meine Aufzählung derselben noch die Ideen von großer Dehnbarkeit, Schmelzbarkeit, Feuerbeständigkeit und Lösbarkeit in aqua regia gewinnt, so wird er eine vollkommenere Idee vom Golde haben, als er durch den bloßen Anblick eines Stückes davon gewinnen kann, wobei er seinem Bewußtsein nur die augenfälligen Eigenschaften desselben einprägt. Wenn aber die wesentliche (formal) Beschaffenheit dieses glänzenden schweren dehnbaren Dinges (woraus alle seine Eigenschaften entspringen) für unsere Sinne ebenso offen daläge, wie die formale Beschaffenheit oder Wesenheit eines Dreiecks, so würde sich die Bedeutung des Wortes Gold mit derselben Sicherheit erkennen lassen, wie die eines Dreiecks.

§ 23. Eine Bemerkung über das Wissen der Geister ( spirits). – Hieraus können wir entnehmen, wie sehr die Grundlage alles unseres Wissens von körperlichen Dingen in unsern Sinnen liegt. Denn, wie körperlose Geister (deren Wissen und Ideen von diesen Dingen gewiß viel vollkommener sind als die unsrigen) sie erkennen, davon haben wir überhaupt keinen Begriff und keine Idee. Der ganze Umkreis unseres Wissens oder unserer Einbildung reicht nicht über unsere eigenen, durch unsere Erkenntnismittel begrenzten Ideen hinaus. Gleichwohl läßt sich nicht bezweifeln, daß Geister von höherem Range als die im Fleisch wohnenden, von der Grundbeschaffenheit der Substanzen ebenso klare Ideen haben mögen, wie wir von einem Dreieck, und somit wahrnehmen, wie deren Eigenschaften und Wirkungen alle daraus entspringen, aber die Art und Weise, wie sie zu solchem Wissen gelangen, geht über unsere Fassungskraft hinaus.

§ 24. Viertens, »Viertens« und »IV.« sind wohl zu streichen; siehe § 13. auch die Ideen von Substanzen müssen den Dingen entsprechen. – IV. Aber obgleich Definitionen dazu dienen können, die Namen von Substanzen, insofern sie unsere Ideen ausdrücken, zu erklären, so lassen sie dieselben doch nicht ohne große Unvollkommenheit bleiben, insofern sie die Dinge vertreten. Denn, da unsere Substanznamen nicht bloß für unsere Ideen gesetzt, sondern letzten Endes auch gebraucht werden, um Dinge vorzustellen, und somit an deren Stelle treten, so muß ihre Bedeutung mit der wahren Natur der Dinge ebensogut wie mit den menschlichen Ideen übereinstimmen. Und deshalb dürfen wir uns bei Substanzen nicht immer mit der gewöhnlichen komplexen Idee zufrieden geben, die allgemein als die Bedeutung eines gewissen Wortes angenommen ist, sondern müssen etwas weitergehen und die Natur und die Eigenschaften der Dinge selbst untersuchen, um dadurch soviel wie möglich unsere Ideen von ihren verschiedenen Arten zu vervollkommnen, oder wir müssen deren Ideen von solchen Personen lernen, die mit einer gewissen Art von Dingen häufig umgehen und Erfahrung über dieselben haben. Denn, da es die Absicht ist, daß ihre Namen ebensowohl solche Sammlungen einfacher Ideen vertreten sollen, wie wirklich in den Dingen selbst existieren, als die komplexe Idee im Sinn anderer Leute, die sie nach ihrer gewöhnlichen Auffassung bezeichnen, so muß, um ihre Namen richtig zu definieren, die Naturgeschichte zu Rate gezogen, und ihre Eigenschaften müssen mit Sorgfalt durch Prüfung vermittelt werden. Denn, um bei Unterredungen und Erörterungen über natürliche Körper und substantielle Dinge Unzuträglichkeiten zu vermeiden, genügt es nicht, aus dem Sprachgebrauch die gewöhnliche, aber verworrene oder sehr unvollkommene Idee kennen gelernt zu haben, worauf jedes Wort angewendet wird, und dieses bei unserem Gebrauch desselben mit jener Idee verbunden zu erhalten, sondern wir müssen, indem wir uns mit der Geschichte dieser Art von Dingen bekannt machen, unsere zu jedem specifischen Namen gehörige komplexe Idee berichtigen und feststellen, und im Gespräch mit anderen müssen wir (wenn wir bemerken, daß sie uns mißverstehen) angeben, worin die komplexe Idee besteht, der wir einen solchen Namen geben. So müssen um so mehr alle die verfahren, die nach Erkenntnis und philosophischer Wahrheit forschen, weil Kinder, denen Wörter gelehrt werden, während sie von den Dingen nur unvollkommene Begriffe haben, sie aufs Geratewohl hin und ohne viel nachzudenken verwenden, und selten bestimmte Ideen bilden, die damit bezeichnet werden sollen, diese Gewohnheit aber (da sie bequem ist und für die gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens und der Unterhaltung ausreicht) als Erwachsene fortzusetzen geneigt sind, und somit am verkehrten Ende beginnen, indem sie zuerst Wörter sehr gut lernen, hernach aber die Begriffe, worauf sie jene Wörter anwenden, sehr oberflächlich bilden. Dies führt dazu, daß Leute, die die Sprache ihres Landes ganz richtig, Im englischen Texte scheinen hier die Worte very properly ausgefallen, durch die gleich hernach folgenden very improperly aber und das unmittelbar folgende i. e. gefordert zu sein. d. h. den grammatischen Regeln derselben gemäß sprechen, gleichwohl sehr unrichtig von den Dingen selbst reden, und indem sie untereinander argumentieren, nur geringe Fortschritte in der Entdeckung nützlicher Wahrheiten und der Kenntnis der Dinge machen, wie diese an sich selber und nicht in unserer Einbildung beschaffen sind, während für die Vermehrung unseres Wissens nicht viel daran gelegen ist, wie sie genannt werden.

§ 25. Es ist jedoch nicht leicht, sie ihnen entsprechend zu machen. – Es wäre deshalb zu wünschen, daß in physikalischen Untersuchungen geübte und mit den verschiedenen Arten der natürlichen Körper bekannte Männer die einfachen Ideen aufzeichneten, worin nach ihrer Beobachtung die Individuen jeder Art beständig übereinstimmen. Dadurch würde einem großen Teile der Verwirrung abgeholfen werden, die daraus entsteht, daß verschiedene Personen denselben Namen aus Sammlungen einer kleineren oder größeren Anzahl sinnlicher Eigenschaften anwenden, je nachdem sie mit den Eigenschaften einer Art gleichbenannter Dinge mehr oder weniger bekannt geworden, oder mehr oder weniger sorgfältig bei ihrer Untersuchung gewesen sind. Ein Wörterbuch dieser Art, was gleichsam eine Naturgeschichte enthielte, erfordert jedoch zu viele Mitarbeiter sowohl wie zu viele Zeit, Geld, Mühe und Scharfsinn, als daß sich jemals darauf hoffen ließe; und bis zu dessen Herstellung müssen wir uns mit solchen Definitionen der Substanznamen begnügen, die den Sinn, worin die Menschen sie gebrauchen, erläutern. Und es wäre gut, wenn sie uns bei gegebener Veranlassung nur soviel gewähren wollten. Das geschieht jedoch gewöhnlich nicht, vielmehr reden die Menschen miteinander und streiten in Wörtern, über deren Sinn sie sich nicht verständigt haben, in der irrtümlichen Voraussetzung, daß die Bedeutungen der gemeingebräuchlichen Wörter sicher feststehen, und die von diesen vertretenen Ideen genau und vollständig bekannt seien, und daß man sich einer Unwissenheit darüber schämen müsse. Diese Voraussetzungen sind beide falsch, denn keine Namen komplexer Ideen haben so fest bestimmte Bedeutungen, daß sie beständig genau für dieselben Ideen gebraucht würden, und es hat niemand nötig sich deshalb zu schämen, weil er von nichts eine sichere Kunde besitzt als durch die notwendigen Mittel sie zu erlangen; deshalb ist es keine Schande, nicht genau zu wissen, welche Idee ein Laut im Sinne eines anderen Menschen vertritt, ohne daß er mir dies auf andere Weise als bloß durch den Gebrauch jenes Lautes erklärte, indem es außer einer solchen Erklärung kein anderes Mittel giebt, eine sichere Kenntnis davon zu erwerben. Allerdings führt die Notwendigkeit sprachlicher Mitteilung die Menschen innerhalb leidlicher Grenzen zu einer Übereinkunft über die Bedeutung der allgemein üblichen Wörter, die für die gewöhnliche Unterhaltung dient, und deshalb läßt sich nicht annehmen, daß jemand völlig unwissend über die Ideen sei, die in einer ihm bekannten Sprache durch deren gemeinen Gebrauch mit den Wörtern verbunden sind. Da jedoch der gemeine Sprachgebrauch nur eine sehr unsichere Regel ist, die sich schließlich auf die Ideen der einzelnen Menschen reduziert, so erweist er sich oft nur als eine sehr veränderliche Richtschnur. Obgleich aber ein Wörterbuch von der oberwähnten Art zu viel Zeit, Geld und Mühe erfordern würde, als daß sich darauf in unserem Zeitalter hoffen ließe, so erscheint mir der Vorschlag doch nicht unvernünftig, daß Wörter, die durch ihre äußere Gestalt kenntliche und unterschiedene Dinge bedeuten, durch kleine Zeichnungen und Druckbilder derselben dargestellt werden sollten. Ein auf diese Weise angefertigtes Vokabular würde vielleicht bequemer und rascher die wahre Bedeutung vieler Ausdrücke besonders der Sprachen entfernter Länder oder Zeitalter lehren, und von manchen Dingen, deren Namen wir in alten Schriftstellern lesen, richtigere Ideen im Geiste der Menschen heimisch machen, als alle die ausführlichen und mühsamen Erklärungen gelehrter Kritiker. Naturkundige, die von Pflanzen und Tieren handeln, haben den Nutzen dieser Methode erkannt, und wer Veranlassung gehabt hat sie zu Rate zu ziehen, wird zu dem Geständnis Grund haben, daß er von apium (Eppich) oder ibex (Steinbock) durch ein kleines Druckbild dieses Krautes oder Tieres eine deutlichere Idee gewonnen habe, als durch eine lange Definition der Namen des einen oder des anderen von beiden hätte geschehen können. Und ohne Zweifel würde es ihm ebenso mit strigilis (Striegel) und sistrum (Klapper) ergehen, wenn er an Stelle von currycomb und cymbal (den englischen Namen, womit die Wörterbücher sie übersetzen) kleine Bilder dieser Instrumente, wie sie bei den Alten im Gebrauch waren, am Rande abgedruckt sehen könnte. Toga, tunica und pallium sind Wörter, die sich leicht mit Rock, Weste und Mantel übersetzen lassen, aber wir erhalten dadurch keine richtigeren Ideen von dem Zuschnitt dieser Kleidungsstücke bei den Römern wie von den Gesichtern der Schneider, die sie machten. Solche Dinge wie diese, die das Auge nach ihrer Gestalt unterscheidet, würden dem Bewußtsein am besten durch Zeichnungen davon zugeführt werden, und dadurch würde die Bedeutung solcher Wörter besser bestimmt werden als durch irgend welche andere Wörter, die für sie gesetzt oder zu ihrer Definition gebraucht werden mögen. Dies ist hier jedoch nur beiläufig bemerkt.

§ 26. Fünftens, Dieses »Fünftens« schließt sich nicht an das »Viertens« des § 24, sondern an das des § 12 an. die Wörter stets in gleichem Sinne zu gebrauchen. – V. Wenn die Menschen sich nicht die Mühe geben wollen, den Sinn ihrer Wörter zu erklären, und Definitionen ihrer Ausdrücke nicht zu erlangen sind, so darf man wenigstens soviel erwarten, daß in allen Reden, wodurch einer den anderen belehren oder überzeugen will, er dasselbe Wort beständig in demselben Sinne gebrauchen werde. Geschähe dies (was niemand ohne große Unredlichkeit verweigern kann), so würden viele der vorhandenen Bücher überflüssig werden, viele der zur Zeit verhandelten Kontroversen würden ein Ende nehmen, manche der dicken Bände, angefüllt mit zweideutigen, bald in dem einen und bald in dem anderen Sinne gebrauchten Wörter, würden auf einen sehr geringen Umfang zusammenschrumpfen, und viele Werke der Philosophen sowohl (von anderen zu geschweigen) wie der Dichter könnten in einer Nußschale Platz finden.

§ 27. Wann eine Veränderung des Sinnes erklärt werden muß. – Bei alledem ist jedoch im Vergleich mit der endlosen Mannigfaltigkeit der Gedanken der Wörtervorrat so dürftig, daß Menschen, die für ihre Begriffe genau passende Ausdrücke nötig haben, selbst bei Anwendung der größten Vorsicht oft gezwungen sein werden, dasselbe Wort in etwas verschiedenem Sinne zu gebrauchen. Und wenn auch im Verlauf einer Rede oder bei der Entwicklung eines Beweises schwerlich Raum gegeben ist, so oft wie jemand die Bedeutung eines Ausdrucks ändert, in eine specielle Definition abzuschweifen, so wird doch, wenn keine Täuschung beabsichtigt ist, meistenteils der Inhalt der Rede aufrichtige und verständige Leser hinlänglich in den wahren Sinn derselben einführen, wo aber zu deren Leitung nicht genug darin enthalten ist, da liegt es im Interesse des Schriftstellers, seine Meinung zu erklären und zu zeigen, in welchem Sinne er diesen oder jenen Ausdruck gebraucht.


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