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§ 1. Die gewöhnlichen Namen von Substanzen sind Artbezeichnungen. – Die gewöhnlichen Namen von Substanzen sowohl wie andere allgemeine Ausdrücke bedeuten Arten, was nichts anderes heißt, als daß sie zu Zeichen solcher komplexen Ideen gemacht sind, worin mehrere einzelne Substanzen übereinstimmen oder übereinstimmen könnten, ein Umstand, der sie befähigt, unter einen gemeinsamen Begriff zusammengefaßt und mit einem Namen bezeichnet zu werden. Ich sage »übereinstimmen oder übereinstimmen könnten«, denn, wenn es gleich nur eine Sonne in der Welt giebt, so ist doch ihre Idee, wenn sie so abstrahiert wird, daß von mehreren Substanzen (wenn es eine Mehrzahl solcher gäbe) jede damit übereinstimmen könnte, ebensowohl eine Art, als wenn es ebensoviele Sonnen wie Sterne gäbe. Nicht ohne Grund glauben manche, daß es so viele gebe, und daß jeder Fixstern der durch den Namen »Sonne« vertretenen Idee für jemanden entsprechen werde, der ihm nahe genug käme; was uns beiläufig zeigen kann, wie sehr die Arten oder, wenn man will, die Genera und Species der Dinge (denn diese lateinischen Ausdrücke bedeuten mir nicht mehr als das englische Wort »Art«) auf solchen Ideensammlungen beruhen, wie sie die Menschen gebildet haben, und nicht auf der realen Natur der Dinge, weil es nicht unmöglich ist, daß – in sprachlich korrektem Ausdruck – für den einen das eine Sonne ist, was für den anderen ein Stern.
§ 2. Das Wesen jeder Art ist die abstrakte Idee. – Das Maß und die Begrenzung jeder Art oder Species, wodurch sie zu dieser bestimmten Art gemacht und von anderen unterschieden wird, nennen wir ihr Wesen, was nichts anderes ist als die mit dem Namen belegte abstrakte Idee, so daß alles in diese Idee Einbegriffene für jene Art wesentlich ist. Obgleich dies die ganze Wesenheit der natürlichen Substanzen ist, die wir kennen, oder wonach wir ihre Arten unterscheiden, so nenne ich es doch mit einem besonderen Namen die nominale Wesenheit zum Unterschiede von der realen Beschaffenheit der Substanzen, auf welcher diese nominale Wesenheit und alle Eigenschaften der bestimmten Art beruhen, und die deshalb, wie gesagt, die reale Wesenheit genannt werden mag. Z. B. die nominale Wesenheit des Goldes ist die komplexe Idee, die das Wort Gold vertritt, und die etwa sein möge: ein gelber Körper von gewisser Schwere, dehnbar, schmelzbar und feuerbeständig. Die reale Wesenheit aber ist die Beschaffenheit der unsichtbaren Teile dieses Körpers, worauf jene Qualitäten und alle anderen Eigenschaften des Goldes beruhen. Wie weit diese beiden voneinander verschieden sind, obgleich sie beide Wesenheit heißen, fällt bei dem ersten Blick in die Augen.
§ 3. Die nominale und die reale Statt and essence lies and real essence. Wesenheit sind verschieden. – Denn, wenn auch vielleicht willkürliche Bewegung mit Sinneswahrnehmung und Vernunft, verbunden mit einem Körper von gewisser Gestalt die komplexe Idee sein mag, der ich und andere den Namen Mensch beilegen, und somit das nominale Wesen der also benannten Art, so wird doch niemand behaupten, daß diese komplexe Idee das reale Wesen und die Quelle aller Wirksamkeit sei, die sich in irgend einem Individuum dieser Art finden läßt. Die Grundlage aller der Eigenschaften, die die Bestandteile unserer komplexen Idee ausmachen, ist etwas davon völlig Verschiedenes, und wenn wir von der inneren Beschaffenheit des Menschen, woraus seine Fähigkeiten der Bewegung, der Sinneswahrnehmung und des vernünftigen Denkens sowie andere Kräfte entspringen, und worauf seine so regelmäßige Gestalt beruht, ebensolche Kenntnis hätten, wie möglicherweise die Engel haben, und wie sie sicherlich sein Schöpfer besitzt, so würden wir von seinem Wesen eine ganz andere Idee haben, als die jetzt in unserer Definition seiner Art enthaltene, sie möge lauten, wie sie wolle; und unsere Idee von jedem individuellen Menschen würde von dem, was sie jetzt ist, ebensoweit abstehen wie diejenige eines Mannes, der alle Federn, Räder und übrigen Einrichtungen in der berühmten Uhr zu Straßburg kennte, von der eines sie angaffenden Bauern, der bloß die Bewegung des Zeigers sähe, die Uhr schlagen hörte und nur einige der äußeren Schaustellungen wahrnähme.
§ 4. Für Individuen ist nichts wesentlich. – Daß die Wesenheit im gewöhnlichen Sinne des Wortes sich auf die Arten bezieht, und für die einzelnen Dinge nicht weiter in Betracht kommt, als insofern sie den Artbegriffen untergeordnet werden, ergiebt sich daraus, daß, sobald man die abstrakten Ideen fallen läßt, wonach wir die Individuen sortieren, und sie gemeinsamen Namen unterordnen, sofort auch der Gedanke von etwas für irgend eines derselben Wesentlichem verschwindet; wir haben keinen Begriff von dem einen ohne die anderen, was ihre Relativität deutlich beweist. Ich muß notwendig so sein, wie ich bin; Gott und die Natur haben mich so geschaffen, aber nichts von dem, was ich an mir habe, ist für mich wesentlich. Ein Unfall oder eine Krankheit können meine Farbe oder Gestalt sehr verändern; ein Fieber oder ein Sturz können meine Vernunft oder mein Gedächtnis oder beide wegnehmen, und ein Schlagfluß weder Sinneswahrnehmung noch Verstand noch auch nur das Leben übriglassen. Andere Geschöpfe von meiner Gestalt mögen mit mehren und besseren oder mit wenigeren und schlechteren Fähigkeiten ausgestattet sein, wie ich besitze, und andere mögen Vernunft und Sinneswahrnehmung in einer körperlichen Gestalt haben, die von der meinigen sehr verschieden ist. Nichts hievon ist so lange für die einen oder die anderen oder für irgend welches Individuum wesentlich, bis der Geist es mit einer gewissen Art oder Species der Dinge vergleicht, dann aber wird gemäß der abstrakten Idee dieser Art sofort irgend etwas als wesentlich betrachtet. Man prüfe nur seine eigenen Gedanken und man wird finden, daß, sobald man etwas Wesentliches voraussetzt oder davon redet, die Rücksicht auf irgend welche Art oder die durch einen generellen Namen bezeichnete komplexe Idee einem in den Sinn kommt, und daß mit Bezug hierauf diese oder jene Eigenschaft als wesentlich bezeichnet wird. Wenn also gefragt würde, ob es für mich oder irgend ein anderes körperliches Individuum wesentlich sei, Vernunft zu haben, so antworte ich nein, ebensowenig, wie es für diesen weißen Stoff, worauf ich schreibe, wesentlich ist, daß Worte auf ihm stehen. Wenn aber jenes Individuum zu der Menschenart gerechnet, und ihm der Name »Mensch« gegeben werden soll, dann ist die Vernunft für dasselbe wesentlich, vorausgesetzt, daß sie einen Teil der durch den Namen »Mensch« vertretenen komplexen Idee ausmacht, ebenso wie es für diesen Stoff, worauf ich schreibe, wesentlich ist, Worte zu enthalten, wenn ich ihm den Namen Abhandlung geben und ihn dieser Species unterordnen will. So daß »wesentlich« und »nicht wesentlich« sich nur auf unsere abstrakten Ideen und die ihnen beigelegten Namen beziehen, was auf nichts weiter hinausläuft, als daß kein einzelnes Ding, was nicht die Eigenschaften besitzt, die in der durch einen allgemeinen Ausdruck vertretenen abstrakten Idee enthalten sind, der entsprechenden Art untergeordnet und mit jenem Namen bezeichnet werden kann, weil diese abstrakte Idee gerade das Wesen dieser Art ausmacht.
§ 5. So ist, wenn die Idee des Körpers, wie gewisse Leute wollen, bloß in der Ausdehnung oder dem Raume besteht, die Solidität für den Körper nicht wesentlich; wenn nach anderen zu der Idee, der sie den Namen Körper geben, Solidität und Ausdehnung gehören, dann ist Solidität für den Körper wesentlich. Mithin gilt das und nur das allein für wesentlich, was einen Teil der durch den Namen einer Art vertretenen komplexen Idee ausmacht, und ohne welches kein einzelnes Ding dieser Art zugerechnet werden und auf deren Namen Anspruch haben kann. Wenn ein Stück Stoff gefunden würde, welches alle übrigen Eigenschaften des Eisens hätte, jedoch dem Magnetstein nicht Folge leistete, und sich von demselben weder anziehen noch eine Richtung geben ließe, würde wohl jemand es zur Frage stellen, ob dem etwas Wesentliches fehle? Es wäre ungereimt zu fragen, ob einem wirklich existierenden Dinge etwas ihm Wesentliches fehle, auch ließe sich nicht Statt or lies nor und setze am Schluß des Satzes hinter ideas einen Punkt statt des Fragezeichens. fragen, ob dies Der Mangel der Folgsamkeit gegen den Magneten ist wohl gemeint. einen wesentlichen oder specifischen Unterschied begründe oder nicht, da wir für das Wesentliche oder Specifische kein anderes Maß haben als unsere abstrakten Ideen. Und von specifischen Unterschieden in der Natur zu sprechen ohne Bezug auf generelle Ideen mit Namen, heißt unverständlich reden. Denn ich frage jedermann, was dazu ausreicht, um in der Natur einen wesentlichen Unterschied zwischen zwei einzelnen Dingen zu begründen, wenn man nicht auf eine abstrakte Idee Rücksicht nimmt, die als das Wesen und Vorbild einer Art betrachtet wird. Legt man alle solche Muster und Vorbilder ganz beiseite und betrachtet die einzelnen Dinge bloß als solche, so ergiebt sich, daß für sie alle ihre Eigenschaften gleich wesentlich sind, und es wird an jedem Individuum alles oder vielmehr nichts dafür wesentlich sein. Denn, wenn es auch vernünftig ist zu fragen, ob es für das Eisen wesentlich sei, dem Magneten Folge zu leisten, so ist es doch, wie ich meine, ganz unpassend und sinnlos zu fragen, ob dies für das einzelne Stoffstück, womit ich meine Feder schneide, wesentlich sei, ohne dasselbe als unter den Namen »Eisen« fallend oder einer gewissen Art angehörig zu betrachten. Und wenn, wie gesagt, unsere abstrakten mit Namen versehenen Ideen die Abgrenzungen der Arten sind, so kann nur das wesentlich sein, was in ihnen enthalten ist.
§ 6. Allerdings habe ich oft einer realen Wesenheit in den Substanzen gedacht, die sich von den abstrakten Ideen derselben unterscheidet, die ich ihr nominales Wesen nenne. Unter dieser realen Wesenheit verstehe ich die wirkliche innere Beschaffenheit eines Dinges, die die Grundlage aller der Eigenschaften bildet, die zu dem nominalen Wesen vereinigt sind, und sich mit diesem beständig zusammen existierend finden; jene eigentümliche Beschaffenheit, die jedes Ding in sich trägt ohne irgend welche Beziehung auf etwas außer ihm. Aber auch in diesem Sinne bezieht sich das Wesen auf eine Art und setzt eine Species voraus; denn, da es die wirkliche Beschaffenheit ist, worauf die Eigenschaften beruhen, so setzt es notwendig eine Art voraus, da Eigenschaften nur den Arten angehören und nicht den Individuen. Angenommen, z. B. das nominale Wesen des Goldes sei ein Körper von solch einer besonderen Farbe und Schwere mit Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit, so ist die reale Wesenheit jene Beschaffenheit der Stoffteilchen, worauf diese Eigenschaften und ihre Vereinigung beruhen, und ist gleichfalls die Grundlage seiner Lösbarkeit in aqua regia und anderer jene komplexe Idee begleitenden Eigenschaften. Hier haben wir Wesenheiten und Eigenschaften, alle jedoch unter der Voraussetzung einer Art oder einer allgemeinen abstrakten Idee, die als unveränderlich gilt; aber wir haben kein individuelles Stoffstück, mit dem irgend welche dieser Eigenschaften so verbunden wären, daß sie ihm wesentlich oder untrennbar angehörten. Das Wesentliche kommt ihm als eine Bedingung dafür zu, daß es von dieser oder jener Art sei; sieht man aber von der Frage ab, ob es unter dem Namen einer abstrakten Idee mitbegriffen sei, dann ist nichts für dasselbe notwendig und nichts von ihm untrennbar. Was die realen Wesenheiten der Substanzen angeht, so setzen wir in der That nur ihr Vorhandensein voraus, ohne genau zu wissen, worin sie bestehen; aber das, was sie gleichwohl mit der Art verknüpft, ist das nominale Wesen, dessen vermeinte Grundlage und Ursache sie sind.
§ 7. Die nominale Wesenheit begrenzt die Art. – Die nächste in Betracht kommende Frage ist, durch welche dieser Wesenheiten die verschiedenen Arten oder Species der Substanzen bestimmt werden, und das geschieht offenbar durch die nominale Wesenheit, denn die allein wird durch den Namen, der das Merkmal der Art ist, bezeichnet. Deshalb ist es unmöglich, daß irgend etwas anderes die von uns allgemeinen Namen untergeordneten Arten der Dinge bestimmen könnte als die Idee, zu deren Merkmal ein gewisser Name dienen soll; und die ist, wie gezeigt worden, eben das, was wir das nominale Wesen nennen. Warum sagen wir: dies ist ein Pferd, das ein Maultier; dies ist ein Tier, das eine Pflanze? Wie kommt ein einzelnes Ding dazu, von dieser oder jener Art zu sein, als deshalb, weil es eine gewisse nominale Wesenheit besitzt, oder – was ganz dasselbe sagt – mit der abstrakten Idee übereinstimmt, der ein gewisser Name beigelegt ist? Und ich rate jedem, nur auf seine eigenen Gedanken zu achten, wenn er von diesen oder jenen Namen von Substanzen sprechen hört oder spricht, um zu erkennen, welche Art von Wesenheiten sie vertreten.
§ 8. Und daß die Arten der Dinge für uns nur ihre Unterordnung unter verschiedene Namen sind, gemäß den komplexen Ideen in uns und nicht gemäß genau bestimmten unterschiedenen realen Wesenheiten in ihnen, ergiebt sich deutlich daraus, daß, wie wir finden, viele Individuen, die zu einer und derselben Art gerechnet, mit einem gemeinsamen Namen bezeichnet und so als Exemplare derselben Species angesehen werden, dennoch auf ihrer realen Beschaffenheit beruhende Eigenschaften haben, wodurch sie sich voneinander ebensoweit unterscheiden wie von anderen, die von ihnen der herrschenden Ansicht nach, specifisch verschieden sind. Wenn dies schon leicht von allen beobachtet werden kann, die mit natürlichen Körpern zu thun haben, so werden besonders oft die Chemiker davon durch unangenehme Erfahrungen überzeugt, wenn sie manchmal vergebens in einem Stück Schwefel, Antimon oder Vitriol nach denselben Eigenschaften suchen, die sie in anderen Stücken gefunden haben. Denn, obgleich diese Stücke Körper derselben Art sind, da sie dasselbe nominale Wesen unter derselben Benennung besitzen, so verraten sie doch bei strengen Untersuchungsweisen oft voneinander so verschiedene Eigenschaften, daß sie die Erwartung und Mühe sehr behutsamer Chemiker täuschen und vereiteln. Wenn dagegen die Dinge nach Maßgabe ihrer realen Wesenheiten in Arten gesondert wären, so würde es ebenso unmöglich sein, verschiedene Eigenschaften in zwei individuellen Substanzen derselben Art zu entdecken, wie in zwei Kreisen oder zwei gleichseitigen Dreiecken. Für uns ist das Wesen eigentlich das, wonach sich die Angehörigkeit jedes Einzelnen zu dieser oder jener Klasse oder – was dasselbe sagt – zu diesem oder jenem generellen Namen bestimmt; und was kann das anderes sein als die abstrakte Idee, welcher der Name beigelegt ist, und die somit in Wahrheit nicht sowohl zu dem Dasein von einzelnen Dingen als zu ihren allgemeinen Benennungen in Beziehung steht.
§ 9. Nicht aber die reale Wesenheit, die wir nicht kennen. – Auch können wir in der That die Dinge nicht nach ihren realen Wesenheiten ordnen und sortieren und folgeweise (worauf das Sortieren hinausläuft) benennen, weil wir diese nicht kennen. Unsere Fähigkeiten führen uns auf dem Wege zur Erkenntnis und Unterscheidung der Substanzen nicht weiter als zu einer Sammlung der sinnlichen Ideen, die wir an ihnen wahrnehmen, und die ist, auch wenn sie mit der größten uns möglichen Sorgfalt und Genauigkeit gemacht wird, doch von der wahren inneren Beschaffenheit, woraus jene Eigenschaften entspringen – wie ich gesagt habe – weiter entfernt, als die Idee eines Bauern von der inneren Einrichtung der berühmten Uhr zu Straßburg, wovon er nur die äußere Gestalt und Bewegung sieht. Es giebt keine Pflanze und kein Tier, die nicht, so verächtlich sie auch sein mögen, den umfassendsten Verstand in Verwirrung setzten. Wenn auch der alltägliche Gebrauch der uns umgebenden Dinge unserer Verwunderung ein Ende macht, so heilt er doch nicht unsere Unwissenheit. Wenn wir dazu kommen, die Steine, worauf wir treten, oder das Eisen, welches wir täglich handhaben, zu untersuchen, so finden wir sofort, daß wir ihren Bau nicht kennen, und für die verschiedenen an ihnen bemerkten Eigenschaften keinen Grund angeben können. Offenbar ist die innere Beschaffenheit, worauf ihre Eigenheiten beruhen, uns unbekannt. Denn, um bei den gröbsten und augenfälligsten, die wir uns unter ihnen vorstellen können, stehen zu bleiben, worin besteht das Gewebe der Teilchen, jene reale Wesenheit, die Blei und Antimon schmelzbar macht, Holz und Steine dagegen nicht? Was macht Blei und Eisen dehnbar, Antimon und Steine nicht? Und doch weiß jeder, wie unendlich weit diese (Eigenheiten) hinter dem feinen Bau und den unfaßbaren realen Wesenheiten von Pflanzen und Tieren zurückstehen. Die Kunstfertigkeit des allweisen und allmächtigen Gottes in dem großen Gebäude des Weltalls und einem jeden seiner Teile reicht weiter über die Fassungskraft und das Verständnis des wißbegierigsten und intelligentesten Menschen hinaus, als die beste Erfindung des scharfsinnigsten Menschen über die Vorstellungen des unwissendsten der vernünftigen Geschöpfe. Vergebens beanspruchen wir deshalb die Dinge nach ihren wirklichen Wesenheiten, die unserer Erkenntnis oder Auffassung so fern liegen, in Arten einzuteilen, und sie in gewisse Klassen unter Namen zu bringen. Ein Blinder kann ebensoleicht die Dinge nach ihren Farben ordnen, und jemand, der seinen Geruch verloren hat, ebensogut eine Lilie und eine Rose nach ihrem Duft unterscheiden als nach jenen inneren Beschaffenheiten, die er nicht kennt. Wer da glaubt, daß er Schafe und Ziegen nach deren ihm unbekannten realen Wesenheiten unterscheiden könne, der möge seine Geschicklichkeit an den Kasuar und Ouerechinchio genannten Arten versuchen, und die Grenzen dieser Arten nach ihren inneren realen Wesenheiten bestimmen, ohne die komplexe Idee sinnlicher Eigenschaften zu kennen, die jeder dieser Namen in den Ländern vertritt, wo die fraglichen Tiere zu finden sind.
§ 10. Noch auch substantielle Formen, die wir noch weniger kennen. – Deshalb sind diejenigen, denen man gelehrt hat, daß die verschiedenen Arten der Substanzen ihre bestimmten inneren substantiellen Formen hätten, und daß es diese Formen seien, woraus die Unterscheidung der Substanzen in ihre wahren Species und Genera beruhe, noch weiter vom richtigen Wege abgeleitet, indem ihr Sinn auf fruchtloses Forschen nach substantiellen Formen gerichtet ward, nach etwas völlig Unverständlichem, wovon wir kaum so viel wie im allgemeinen eine dunkle und verworrene Vorstellung haben.
§ 11. Daß es die nominale Wesenheit ist, wonach wir die Arten unterscheiden, wird ferner durch die Geister einleuchtend. – Daß unser Ordnen und Unterscheiden der natürlichen Substanzen in Arten auf dem nominalen vom Geist ( mind) gebildeten Wesenheiten beruht, und nicht auf realen, die in den Dingen selbst zu finden wären, erhellt ferner aus unseren Ideen von Geistern ( spirits). Denn da der Geist ( mind) nur durch Reflexion auf seine eigenen Thätigkeiten die einfachen Ideen gewinnt, die er den Geistern ( spirits) zuschreibt, so hat er keinen anderen Begriff von einem Geiste oder kann keinen anderen haben, als indem er alle in ihm selbst gefundenen Thätigkeiten einer Art von Wesen ohne Berücksichtigung der Materie zuschreibt. Und sogar der höchste Begriff, den wir von Gott haben, besteht nur darin, daß wir dieselben einfachen Ideen, die wir aus der Reflexion auf das, was wir in uns selbst finden, gewonnen haben, und deren Vorhandensein uns mehr Vollkommenheit mit sich zu bringen scheint als ihre Abwesenheit – daß wir diese einfachen Ideen, sage ich, ihm in unbegrenztem Maße zuschreiben. Nachdem wir nämlich durch Reflexion auf uns selbst die Ideen des Daseins, des Wissens, der Macht und der Freude gewonnen haben – deren Besitz, jede für sich betrachtet, unserer Meinung nach besser ist als ihr Mangel, und um so besser, je mehr wir von jeder haben – erhalten wir, wenn wir alle diese zusammenfassen und jede als unendlich ansehen, die komplexe Idee eines ewigen, allwissenden, allmächtigen, unendlich weisen und glücklichen Wesens. Und obgleich uns gesagt ist, daß es verschiedene Klassen von Engeln gäbe, so wissen wir doch nicht, wie wir deutliche specifische Ideen von ihnen bilden sollen; nicht wegen eines Vorurteils. daß es unmöglich mehr als eine Art von Geistern geben könne, sondern weil wir nicht mehr auf solche Wesen anwendbare einfache Ideen haben (oder bilden können) als nur die wenigen, die wir von uns selbst entnommen haben – von den Tätigkeiten unseres Geistes ( mind) beim Denken, bei der Freude und bei der Bewegung der Glieder unseres Leibes – und weil wir in unserer Vorstellung die verschiedenen Arten der Geister ( spirits) auf keine sonstige Weise voneinander unterscheiden können, als indem wir ihnen die in uns selbst auffindbaren Wirksamkeiten und Kräfte in höherem oder geringerem Grade zuschreiben. Deshalb haben wir von Geistern keine besonders deutlichen specifischen Ideen mit alleiniger Ausnahme Gottes, dem wir sowohl die Dauer wie alle jene anderen Ideen in unendlichem Maße zuschreiben, den anderen Geistern dagegen nur im beschränkten. Auch machen wir nach meinem bescheidenen Dafürhalten zwischen Gott und diesen in unseren Ideen keinerlei Unterschied durch die Zahl der einfachen Ideen, die wir von dem einen und nicht von den anderen hätten, bis allein auf die Unendlichkeit. Da alle die einzelnen Ideen von Dasein, Wissen, Wille, Kraft und Bewegung etc. von den Thätigkeiten unseres Geistes ( mind) abgeleitet sind, so schreiben wir sie alle allen Arten von Geistern ( spirits) nur mit einem Unterschied des Grades zu bis zu dem höchsten, den wir uns vorstellen können, sogar der Unendlichkeit, wenn wir uns, so gut wir können, eine Idee von dem höchsten Wesen machen wollen, welches doch freilich in der wirklichen Erhabenheit seiner Natur von dem höchsten und vollkommensten aller erschaffenen Wesen unendlich viel weiter absteht, als der größte Mensch ja der reinste Seraph von dem verächtlichsten Stück der Materie, und folglich den Begriff unendlich übertreffen muß, den unser beschränkter Verstand sich von ihm bilden mag.
§ 12. Wovon es wahrscheinlich zahllose Arten giebt. – Es ist nicht undenkbar und der Vernunft zuwiderlaufend, daß es viele Arten von Geistern geben mag, die voneinander ebensowohl durch bestimmte uns unbekannte Eigenschaften gesondert und unterschieden sind, wie die Arten der sinnlichen Dinge durch Eigenschaften, die wir kennen und an ihnen wahrnehmen. Daß es mehr Arten intelligenter Geschöpfe über uns giebt als sinnlicher und materieller unter uns, ist mir deshalb wahrscheinlich, weil wir in der ganzen sichtbaren Körperwelt keine Lücken oder Sprünge erblicken. Von uns abwärts führt bis ganz in die Tiefe eine bequeme Stufenleiter und eine ununterbrochene Reihe von Dingen, die bei jedem Schritt nur sehr wenig voneinander abweichen. Es giebt geflügelte Fische, die in der Lustregion keine Fremdlinge sind, und es giebt Wasservögel, deren Blut so kalt wie das der Fische ist, und deren Fleisch dem Fischfleisch so ähnlich schmeckt, daß es selbst gewissenhaften Leuten an Fasttagen statthaft erscheint. Es giebt Tiere, die den Vögeln und den Vierfüßern so nahe verwandt sind, daß sie zwischen beiden in der Mitte stehen, die Amphibien bilden ein Verbindungsglied zwischen den Land- und den Wassertieren; Seehunde leben auf dem Lande und in der See, und Tümmler haben das warme Blut und die Eingeweide eines Schweines, dessen zu geschweigen, was zuversichtlich von Seejungfern oder Meermännern erzählt wird. Es giebt einige Tiere, die ebensoviel Erkenntnis und Vernunft zu haben scheinen wie manche, die Menschen heißen, und das Tier- und Pflanzenreich grenzen so nahe aneinander, daß, wenn man aus dem einen die niedrigsten und aus dem andern die höchsten nimmt, sich kaum ein erheblicher Unterschied zwischen ihnen wird erkennen lassen; und so werden wir weiter, bis wir zu den untersten und am wenigsten organisierten Teilen der Materie gelangen, überall finden, daß die verschiedenen Arten sich einander anschließen und nur in fast unmerklichem Grade voneinander abweichen. Und wenn wir die unendliche Macht und Weisheit des Schöpfers in Betracht ziehen, so haben wir Ursache, es für passend zu der herrlichen Harmonie des Weltalls sowie dem großen Endzweck und der unendlichen Güte seines Baumeisters zu halten, daß die Arten der Geschöpfe von uns aufwärts bis zu seiner unendlichen Vollkommenheit in ebenso sanfter Abstufung emporsteigen, Natürlich ergäbe das eine unendlich große Anzahl von Arten über uns; vgl. jedoch den Schluß des § 11 und Buch II, Kapitel 17. wie wir sie von uns abwärts allmählich niedersteigen sehen, und wenn das wahrscheinlich ist, so dürfen wir überzeugt sein, daß es viel mehr Arten von Geschöpfen über uns als unter uns giebt, weil wir auf der Stufenleiter zur Vollkommenheit von dem unendlichen Wesen Gottes viel weiter entfernt sind als von dem untersten Zustande des Daseins, der dem Nichts am nächsten kommt. Gleichwohl haben wir aus den oben angeführten Gründen von allen diesen verschiedenen Arten keine klaren und deutlichen Ideen.
§ 13. Daß das nominale Wesen die Art bestimmt, wird durch den Unterschied von Wasser und Eis bewiesen. – Kommen wir indes auf die Arten körperlicher Substanzen zurück. Wenn ich jemanden fragte, ob Eis und Wasser zwei verschiedene Arten von Dingen seien, so würde ich ohne Zweifel eine bejahende Antwort erhalten, und es läßt sich nicht leugnen, daß der, welcher sie für zwei verschiedene Arten erklärt, recht hat. Wenn aber ein in Jamaika geborener Engländer, der vielleicht niemals Eis gesehen oder davon gehört hätte, im Winter nach England käme, hier das Wasser, welches er abends in sein Waschbecken gethan hätte, morgens großenteils gefroren fände, und es, weil ihm kein besonderer Name dafür bekannt wäre, erhärtetes Wasser nennte: so frage ich, ob das für ihn eine neue vom Wasser verschiedene Art sein würde? Und hierauf, denke ich, würde die Antwort lauten, daß es für ihn keine neue Art wäre, ebensowenig wie erkalteter und geronnener Fruchtsaft eine von demselben Safte in flüssigem und warmem Zustande verschiedene Art ist, oder flüssiges Gold im Schmelzofen eine andere Art als das harte Gold in den Händen eines Arbeiters. Und wenn sich das so verhält, so ist klar, daß unsere verschieden Arten nichts sind als verschiedene komplexe Ideen, denen verschiedene Namen gegeben worden. Allerdings hat jede existierende Substanz ihre eigentümliche innere Beschaffenheit, worauf die sinnlichen Eigenschaften und Kräfte, die wir an ihr wahrnehmen, beruhen; aber das Einordnen der Dinge in Arten (was nichts anderes ist als ihre Sortierung unter verschiedene Titel) geschieht unsererseits den Ideen gemäß, die wir von ihnen haben, und obwohl dies genügt, um sie durch Namen zu unterscheiden, so daß wir von ihnen reden können, auch wenn wir sie nicht gegenwärtig vor uns haben, so werden wir doch großen Irrtümern ausgesetzt sein, wenn wir glauben, es geschehe nach ihrer realen inneren Beschaffenheit, und die existierenden Dinge seien von Natur durch reale Wesenheiten ebenso in Arten gesondert, wie wir sie mit Hilfe von Namen in Arten einteilen.
§ 14. Schwierigkeiten, die der Annahme einer gewissen Anzahl realer Wesenheiten entgegenstehen. – Um die vorhandenen Substanzen gemäß der gewöhnlichen Annahme, daß es gewisse genau bestimmte Wesenheiten oder Formen der Dinge gebe, wodurch alle existierenden Individuen von Natur in Arten gesondert seien, in solche einzuteilen, müßten folgende Erfordernisse gegeben sein:
§ 15. Erstens die Gewißheit, daß die Natur bei der Hervorbringung der Dinge immer die Absicht habe, daß diese an gewissen geregelten und festgestellten Wesenheiten teilnehmen sollten, die die Modelle für alle zu schaffenden Dinge wären. In dem cruden Sinne, worin er gewöhnlich aufgestellt wird, würde dieser Satz eine bessere Erklärung nötig haben, bevor man ihm ganz beipflichten könnte.
§ 16. Zweitens müßte man wissen, ob die Natur immer zu der Wesenheit gelange, die sie bei der Erzeugung von Dingen im Auge hat. Die unregelmäßigen und monströsen Geburten, die bei verschiedenen Tierarten beobachtet worden sind, werden uns immer bei einem oder beiden dieser Punkte zum Zweifel Anlaß geben.
§ 17. Drittens müßte entschieden werden, ob die von uns so genannten Monstra wirklich einer bestimmten Art angehören nach Maßgabe der scholastischen Begriffsbestimmung des Wortes »Art«, weil es gewiß ist, daß jedes existierende Ding seine eigentümliche Beschaffenheit hat, und wir doch finden, daß einige dieser monströsen Erzeugnisse wenige oder gar keine der Eigenschaften haben, die, wie man annimmt, sich aus dem Wesen der Art, woraus sie entsprungen sind, und wozu sie ihrer Abkunft nach zu gehören scheinen, ergeben und dasselbe begleiten.
§ 18. Viertens müßten die realen Wesenheiten der Dinge, die wir in Arten verteilen und als so unterschieden benennen, bekannt sein, d. h. wir müßten Ideen von ihnen haben. Weil wir uns aber über diese vier Punkte in Unwissenheit befinden, so kommen uns die vorausgesetzten realen Wesenheiten der Dinge für die Unterscheidung der Substanzen in Arten nicht zu statten.
§ 19. Unsere nominalen Wesenheiten der Substanzen sind nicht vollständige Sammlungen ihrer Eigenschaften. Dieses offenbar erst hierher gehörige Rubrum steht im englischen Texte schon am Anfang des § 18, während § 19 mit »fünftens« beginnt. – Die einzige denkbare Aushilfe in diesem Falle wäre, daß wir zunächst vollständige komplexe Ideen der aus ihren verschiedenen realen Wesenheiten fließenden Eigenschaften der Dinge bildeten, und sie alsdann danach in Arten sonderten. Aber auch dies ist unausführbar; denn, da wir uns in Unwissenheit über die reale Wesenheit selbst befinden, so ist es unmöglich, alle daraus entspringenden Eigenschaften zu kennen, die dergestalt mit ihr verbunden sind, daß wir bei dem Mangel irgend einer von ihnen mit Sicherheit aus das Nichtvorhandensein der Wesenheit und also darauf schließen könnten, daß das Ding der fraglichen Art nicht angehöre. Wir können niemals genau wissen, welche Anzahl von Eigenschaften auf der realen Wesenheit des Goldes beruhen, so daß, wenn eine davon fehlte, das reale Wesen des Goldes – und folglich Gold – nicht vorhanden wäre, es sei denn, daß wir die reale Wesenheit des Goldes selbst kennten und danach dessen Art bestimmten. Unter dem Worte »Gold« verstehe ich hier und bezeichne damit ein einzelnes Stoffstück, z. B. die zuletzt geprägte Guinee; denn, wenn es hier in seiner gewöhnlichen Bedeutung für die komplexe Idee gebraucht wäre, die ich oder sonst jemand »Gold« nennen, d. h. für das nominale Wesen des Goldes, so hätte ich Kauderwelsch geredet; so schwer ist es, den verschiedenen Sinn und die Unvollkommenheit der Wörter zu zeigen, wenn wir als Mittel dazu nichts anderes haben als Worte.
§ 20. Aus alledem geht klar hervor, daß unsere Sonderung der Substanzen in Arten mit Hilfe von Namen ganz und gar nicht auf deren realen Wesenheiten beruht, und daß wir nicht beanspruchen dürfen, sie nach Maßgabe innerer wesentlicher Unterschiede genau in Arten einzuordnen und specifisch zu bestimmen.
§ 21. Sondern nur solche Sammlungen, wie von unseren Namen vertreten werden. – Weil wir aber, wie bemerkt worden, allgemeine Wörter nötig haben, obgleich wir die realen Wesenheiten der Dinge nicht kennen, so besteht alles, was wir thun können, darin, solch eine Anzahl einfacher Ideen zusammenzufassen, wie wir bei angestellter Untersuchung miteinander vereinigt in den Dingen existent finden, und daraus eine komplexe Idee zu bilden. Obgleich dies nicht die reale Wesenheit irgend einer existierenden Substanz ist, so ist es doch die specifische Wesenheit, wozu unser Name gehört, und mit diesem vertauschbar, wodurch wir wenigstens die Wahrheit dieser nominalen Wesenheiten prüfen können. Zum Beispiel: gewisse Leute sagen, das Wesen des Körpers sei Ausdehnung; ist das richtig, so können wir niemals irre gehen, wenn wir das Wesen von etwas für das Ding selbst setzen. Laßt uns also in der Rede »Ausdehnung« statt »Körper« setzen, und wenn wir sagen wollen, daß der Körper sich bewege, laßt uns sagen, die Ausdehnung bewege sich, und wir werden sehen, wie schlecht sich das ausnimmt. Wenn jemand sagen würde, daß eine Ausdehnung durch Stoß eine andere Ausdehnung bewege, so würde die Ungereimtheit einer solchen Vorstellung schon aus dem bloßen Ausdruck hinlänglich erhellen. Das Wesen eines Dinges ist für uns die ganze komplexe Idee, die unter dessen Namen zusammengefaßt und damit bezeichnet ist, und bei Substanzen gehört außer den mehren deutlichen einfachen Ideen, die sie ausmachen, immer auch noch die verworrene der Substanz oder einer unbekannten Stütze und Ursache ihrer Vereinigung dazu; deshalb ist das Wesen des Körpers nicht bloße Ausdehnung, sondern ein ausgedehntes solides Ding, und zu sagen, ein ausgedehntes solides Ding bewegt oder stößt ein anderes, ist ganz dasselbe und ebenso verständlich, als zu sagen, ein Körper bewegt oder stößt. Ebenso ist es gleichviel, ob man sagt, ein vernünftiges animalisches Wesen ist der Unterredung fähig oder ein Mensch; niemand aber wird sagen, die Vernünftigkeit sei der Unterredung fähig, weil sie nicht die ganze Wesenheit ausmacht, der wir den Namen »Mensch« beilegen.
§ 22. Unsere abstrakten Ideen sind für uns die Maßstäbe der Arten, z. B. der menschlichen Art. – Es giebt in der Welt Geschöpfe, die uns an Gestalt ähnlich, aber behaart sind und der Sprache wie der Vernunft ermangeln. Es giebt unter uns Blödsinnige, die vollkommen unsere Gestalt haben, denen aber die Vernunft und zum Teil auch die Sprache fehlt. Es giebt Geschöpfe, wie uns gesagt worden ( sit fides penes autorem, aber es ist kein Widerspruch dagegen laut geworden), die, im Besitz von Sprache und Vernunft und einer in anderen Dingen mit der unsrigen übereinstimmenden Gestalt, haarige Schwänze haben; andere, bei denen den Männern der Bart fehlt, und andere, bei denen die Weiber einen haben. Wenn gefragt würde, ob alle diese Menschen seien oder nicht – alle von menschlicher Art? – so ist klar, daß die Frage sich nur auf die nominale Wesenheit bezöge, denn die, auf welche die Definition des Wortes Mensch oder die mit diesem Namen bezeichnete komplexe Idee paßt, sind Menschen, die anderen nicht. Wenn aber die Frage mit Rücksicht auf die vorausgesetzte reale Wesenheit aufgeworfen würde, danach, ob die innere Beschaffenheit und Einrichtung dieser verschiedenen Geschöpfe specifisch verschieden seien, so wäre es für uns ganz unmöglich, hierauf zu antworten, da kein Teil davon in unsere specifische Idee Eingang gefunden hat, und wir hätten nur Grund zu der Annahme, daß, wo die Fähigkeiten oder die äußere Gestalt so sehr abweichend sind, auch die innere Beschaffenheit nicht genau dieselbe sein könne. Welcher Unterschied in der realen inneren Beschaffenheit aber eine Abweichung begründe, danach wird vergeblich geforscht, so lange unsere Maßstäbe für die Art nur wie bisher unsere abstrakten, uns bekannten Ideen sind, und nicht jene innere Beschaffenheit, die keinen Bestandteil derselben bildet. Soll bloß der Unterschied einer behaarten Haut das Merkmal für eine verschiedene innere Artbeschaffenheit bei einem Wechselbalg und einem Pavian sein, wenn sie in der Gestalt und dem Mangel von Vernunft und Sprache übereinstimmen? Und soll der Mangel von Vernunft und Sprache für uns kein Zeichen verschiedener realer Beschaffenheit und Art bei einem Wechselbalg und einem vernünftigen Menschen sein? Und so von allem übrigen, wenn wir behaupten, daß der Unterschied der Species oder Arten durch den realen Bau und die geheime Beschaffenheit der Dinge fest begründet sei.
§ 23. Der Artunterschied wird nicht durch die Erzeugung bestimmt. – Auch möge niemand sagen, daß die Kraft der Fortpflanzung, bei den Tieren durch die Vermischung des männlichen und weiblichen und bei den Pflanzen durch Samen, die vermeinten realen Arten gesondert und unverändert erhalte, denn, die Wahrheit hievon zugegeben, würde es uns bei Unterscheidung der Arten der Dinge nicht über die Gattungen der Tiere und Pflanzen hinaushelfen. Was sollen wir mit den übrigen anfangen? Aber auch für jene genügt es nicht, denn, wenn die Geschichte nicht lügt, so sind Weiber von Pavianen geschwängert worden, und es wird von neuem in Frage kommen, welcher realen Art nach jenem Maßstabe solch ein Erzeugnis von Natur angehöre; und wir haben Grund, dies für nicht unmöglich zu halten, weil Maultiere und Jumarren – jene aus der Begattung eines Esels und einer Stute, diese aus der eines Stiers und einer Stute – so häufig in der Welt vorkommen. Ich sah einmal ein von einer Katze und einer Ratte erzeugtes Geschöpf, welches die deutlichen Merkmale beider an sich trug, wobei die Natur das Muster keiner dieser beiden Arten allein befolgt, sondern sie durcheinander geworfen zu haben schien. Nimmt man dazu die Mißgeburten, die so oft in der Natur angetroffen werden, so wird man es schwer finden, auch nur im Tierreiche nach dem Stammbaum zu bestimmen, von welcher Art die Nachkommenschaft jedes Tieres sei, und in Verlegenheit wegen der realen Wesenheit sein, von der man annimmt, daß sie sicherlich durch die Erzeugung übertragen werde, und allein ein Anrecht auf den Artnamen habe. Ferner aber, wenn sich die Tier- und Pflanzenarten nur nach der Fortpflanzung unterscheiden lassen: muß ich etwa nach Indien gehen, um Vater und Mutter des einen und die Pflanze, wovon der Same des anderen genommen ward, zu sehen, damit ich wisse, ob dies ein Tiger oder jene Thee sei?
§ 24. Auch nicht durch substantielle Formen. – Alles in allem genommen, sind es augenscheinlich ihre eigenen Sammlungen sinnlich wahrnehmbarer Eigenschaften, die von den Menschen zu Wesenheiten ihrer verschiedenen Arten von Substanzen erhoben werden, während deren realer innerer Bau bei ihrer Sortierung von dem größten Teil der Menschen nicht in Betracht gezogen wird. Noch viel weniger hat jemals ein anderer Mensch an substantielle Formen gedacht als die, welche in diesem einen Weltteil die Sprache der Schulen gelernt haben; und doch sind jene unwissenden Leute, die keinen Einblick in die realen Wesenheiten zu haben behaupten und sich um substantielle Formen nicht bekümmern, sondern damit zufrieden sind, die Dinge nach ihren sinnlichen Eigenschaften voneinander zu unterscheiden, oft besser mit deren Eigentümlichkeiten bekannt, können sie nach ihrem Nutzen genauer auseinanderhalten und besser einsehen, was sie von jedem zu erwarten haben, als jene gelehrten scharfsichtigen Männer, die einen so tiefen Einblick in sie haben, und so zuversichtlich von etwas Verborgenerem und Wesentlicherem reden.
§ 25. Die specifischen Wesenheiten sind vom Geiste geschaffen. – Angenommen aber auch, daß die realen Wesenheiten von solchen entdeckt werden könnten, die sich dieser Nachforschung ernstlich widmeten, so könnten wir doch vernünftigerweise nicht meinen, daß die Einordnung der Dinge unter generelle Namen nach ihrer inneren realen Beschaffenheit geregelt worden sei, oder nach irgend etwas anderem als nach ihrer augenfälligen Erscheinung, weil in allen Ländern die Sprachen sich lange vor den Wissenschaften ausgebildet haben. Es waren somit nicht Philosophen oder Logiker oder solche, die sich über Formen und Wesenheiten den Kopf zerbrachen, welche die bei den verschiedenen Menschenvölkern gebräuchlichen allgemeinen Namen erfanden, sondern diese mehr oder weniger umfassenden Ausdrücke verdanken größtenteils in allen Sprachen ihren Ursprung und ihre Bedeutung unwissenden und ungebildeten Leuten, die die Dinge nach den sinnlichen an ihnen bemerkten Eigenschaften sortierten und benannten, um sie, wenn sie nicht zur Stelle waren, anderen damit zu bezeichnen, gleichviel ob sie Veranlassung hatten, eine Art oder ein einzelnes Ding zu erwähnen.
§ 26. Und deshalb sehr schwankend und unsicher. – Weil es mithin einleuchtend ist, daß wir die Substanzen nach ihren nominalen und nicht nach ihren realen Wesenheiten sortieren und benennen, so ist ferner in Betracht zu ziehen, wie und von wem diese Wesenheiten gebildet werden. In letzterer Hinsicht liegt es auf der Hand, daß sie vom Geiste und nicht von der Natur geschaffen sind; denn, wären sie das Werk der Natur, dann könnten sie nicht bei verschiedenen Menschen so mannigfach und voneinander abweichend sein, wie die Erfahrung sie uns zeigt. Denn, wenn wir näher zusehen wollten, würden wir für keine Art von Substanzen die nominale Wesenheit in allen Menschen übereinstimmend finden, selbst nicht für die, mit der wir unter allen anderen am innigsten bekannt sind. Unmöglich könnte die abstrakte Idee, die den Namen »Mensch« erhalten hat, wenn die Natur sie geschaffen hätte, in verschiedenen Menschen verschieden sein, so daß sie für den einen animal rationale bedeutete und für einen anderen animal implume bipes latis unguibus. Wer den Namen »Mensch« einer zusammengesetzten Idee beilegt, die aus Sinneswahrnehmung und willkürlicher Bewegung verbunden mit einem Körper von gewisser Gestalt besteht, hat damit eine Wesenheit der Art »Mensch«, und wer nach weiterer Prüfung die Vernünftigkeit hinzufügt, hat eine andere Wesenheit der von ihm »Mensch« genannten Art, vermittelst welcher dasselbe Individuum für den einen ein wahrer Mensch sein wird, was für den anderen ein solcher nicht ist. Es giebt, glaube ich, kaum irgend jemanden, der diese wohlbekannte aufrechte Gestalt für das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der menschlichen Art wird gelten lassen; gleichwohl liegt es vor Augen, wie viel lieber die Menschen die Tierarten nach ihrer Gestalt als nach ihrer Abkunft bestimmen, weil mehr als einmal darüber beratschlagt worden ist, ob einige menschliche Geburten erhalten und zur Taufe gebracht werden sollten oder nicht, lediglich wegen des Unterschiedes ihrer äußeren Gestaltung von dem gewöhnlichen Aussehen der Kinder, ohne zu wissen, ob sie nicht ebensowohl der Vernunft fähig seien wie Neugeborene von einer anderen Körperform, unter denen einige, obgleich von normaler Bildung, ihr Lebenlang niemals auch nur eines solchen Anscheins von Vernunft fähig sind, wie sich an einem Affen oder einem Elefanten findet, und niemals irgend ein Zeichen davon geben, daß eine vernünftige Seele sie regiere. Daraus ergiebt sich, daß die äußere Gestalt, deren Mangel allein erkennbar war, und nicht das Vermögen der Vernunft, wovon niemand wissen konnte, daß es zu seiner gehörigen Zeit fehlen werde, als wesentlich für die menschliche Art angesehen ward. Der Gottesgelehrte und der Rechtskundige müssen bei solchen Gelegenheiten ihre geheiligte Definition von animal rationale verwerfen, und eine andere Wesenheit der menschlichen Art an deren Stelle setzen. Monsieur Menage liefert uns ein bei dieser Gelegenheit beachtenswertes Beispiel. »Als der Abt von St. Martin« – sagt er – »geboren ward, hatte er eine so wenig menschliche Gestalt, daß sie ihn eher als ein Monstrum erscheinen ließ. Es ward eine Zeitlang darüber beratschlagt, ob er getauft werden solle oder nicht. Indessen er ward getauft und vorläufig für einen Menschen erklärt, bis die Zeit ergebe, was aus ihm werden möge. Die Natur hatte ihn so unförmlich gebildet, daß er sein ganzes Lebenlang der Abt Malotru hieß, d. i. der Übelgestaltete. Er war aus Caen.« (Menagiana 278, 430.) Dieses Kind war, wie wir sehen, sehr nahe daran, bloß seiner Gestalt wegen aus der menschlichen Art ausgeschlossen zu werden. So wie er war, kam er noch eben gut davon, gewiß aber ist, daß eine nur noch ein klein wenig seltsamere Figur ihn zu Fall gebracht hätte, und er als ein Ding, was nicht für einen Menschen gelten könne, getötet worden wäre. Gleichwohl läßt sich kein Grund dafür angeben, weshalb, wenn die Züge seines Antlitzes ein wenig anders gewesen wären, keine vernünftige Seele in ihm hätte wohnen können, weshalb ein etwas längeres Gesicht, oder eine plattere Nase, oder ein weiterer Mund nicht ebensogut wie der Rest seiner üblen Figur mit solch einer Seele und solchen Geistesanlagen hätten zusammen bestehen können, die ihn – mißgestaltet, wie er war – befähigten, ein Würdenträger der Kirche zu sein.
§ 27. Worin bestehen denn – das möchte ich gerne wissen – die genauen und unverrückbaren Grenzen dieser Art? Die Prüfung ergiebt deutlich, daß es so etwas unter den Menschen nicht giebt, was von der Natur gemacht und von ihr festgestellt wäre. Die reale Wesenheit dieser oder irgend einer anderen Art von Substanzen kennen wir augenscheinlich nicht, und sind deshalb in unseren selbstgemachten nominalen Wesenheiten so unsicher, daß, wenn mehre Personen über einen seltsam gestalteten Fötus gleich nach dessen Geburt befragt würden, ob er ein Mensch sei oder nicht, man zweifellos voneinander abweichende Antworten erhalten würde. Das könnte nicht geschehen, wenn die nominalen Wesenheiten, wodurch wir die Arten der Substanzen begrenzen und unterscheiden, nicht durch den Menschen mit einer gewissen Freiheit gebildet, sondern von scharfen Grenzen, die die Natur zur Unterscheidung aller Substanzen in gewisse Arten gezogen hätte, kopiert wären. Wer würde es unternehmen, zu entscheiden, welcher Art das von Licetus ( Lib. I, cap. 3) erwähnte Monstrum mit einem Menschenkopf auf dem Körper eines Schweines angehörte? oder jene anderen, die mit menschlichen Leibern die Köpfe von Tieren, wie Hunden, Pferden etc. vereinigten? Wenn eins von diesen Geschöpfen am Leben geblieben wäre und gesprochen hätte, so würde das die Schwierigkeit vermehrt haben. Hätte der obere Teil bis zur Mitte Menschengestalt gehabt, und alles darunter Schweinegestalt, wäre dessen Vernichtung ein Mord gewesen? Oder hätte der Bischof befragt werden müssen, ob es Mensch genug sei, um zur Taufe zugelassen zu werden, oder nicht, wie mir gesagt worden, daß vor einigen Jahren bei einem ähnlichen Falle in Frankreich geschehen ist? So unsicher sind die Grenzen der Tierarten für uns, die wir keine anderen Maßstäbe haben als die von uns selbst gesammelten komplexen Ideen, und soweit sind wir davon entfernt, mit Sicherheit zu wissen, was ein Mensch ist, obgleich es vielleicht für eine grobe Unwissenheit erklärt werden wird, darüber irgend welchen Zweifel anzuregen. Dennoch glaube ich sagen zu dürfen, daß die sicheren Grenzen dieser Art soweit davon entfernt sind, festgestellt zu sein, und die genaue Anzahl der einfachen Ideen, die das nominale Wesen ausmachen, soweit davon entfernt ist, ermittelt und völlig bekannt zu sein, daß sich sehr wesentliche Zweifel darüber noch erheben können. Und meiner Meinung nach ist keine der bisher aufgestellten Definitionen des Wortes »Mensch« und keine der Beschreibungen dieser Art animalischer Wesen so vollkommen und genau, daß sie eine bedachtsame und nachforschende Person befriedigen, geschweige denn allgemeinen Beifall finden und das sein könnte, woran die Menschen sich überall würden halten wollen, um Zweifelsfälle zu entscheiden, und über Leben und Tod, Taufe oder Nichttaufe vorkommender Erzeugnisse Bestimmung zu treffen.
§ 28. Doch nicht so willkürlich wie die gemischten Modi. – Wenn aber auch diese nominalen Wesenheiten der Substanzen vom Geiste gemacht sind, so sind sie doch nicht so willkürlich gebildet wie die der gemischten Modi. Um eine nominale Wesenheit zu schaffen, ist notwendig: 1. daß die Ideen, woraus sie besteht, so vereinigt sind, daß sie nur eine Idee ausmachen, wie zusammengesetzt diese auch sein möge; 2. daß die einzelnen so vereinigten Ideen immer genau dieselben seien, weder mehr noch weniger. Denn, wenn zwei abstrakte komplexe Ideen, sei es in der Anzahl oder in den Arten ihrer Bestandteile, voneinander abweichen, so machen sie zwei verschiedene und nicht eine und dieselbe Wesenheit aus. Bei dem ersten dieser Erfordernisse folgt der Geist, indem er seine komplexen Ideen von Substanzen bildet, nur der Natur, und fügt keine zusammen, von denen man nicht annimmt, daß sie auch in der Natur vereinigt seien; niemand verbindet die Stimme eines Schafes mit der Gestalt eines Pferdes, oder die Farbe des Bleies mit der Schwere und Feuerbeständigkeit des Goldes, um komplexe Ideen von realen Substanzen zu erhalten, es wäre denn, daß er Lust hätte, seinen Kopf mit Chimären und seine Reden mit unverständlichen Wörtern anzufüllen. Da die Menschen gewisse Eigenschaften immer miteinander verbunden und zusammen bestehend vorfanden, so ahmten sie hierin der Natur nach, und machten aus den so vereinigten Ideen ihre komplexen von Substanzen. Denn, obwohl die Menschen jede beliebige komplexe Idee bilden und ihr jeden beliebigen Namen geben können, so müssen sie doch, um verstanden zu werden, wenn sie von wirklich existierenden Dingen sprechen, ihre Ideen in gewissem Maße den Dingen anpassen, wovon sie reden wollen, sonst würde die menschliche Sprache der von Babel ähnlich sein, und die nur ihm selbst verständlichen Worte eines jeden würden nicht länger zur Unterhaltung und für die gewöhnlichen Geschäfte des Lebens dienlich sein, wenn die von ihnen vertretenen Ideen nicht einigermaßen der gewöhnlichen Erscheinung und Zusammensetzung der Substanzen, wie sie wirklich existieren, entsprächen.
§ 29. Obgleich sehr unvollkommen. – Zweitens: obgleich der menschliche Geist bei der Bildung seiner komplexen Ideen von Substanzen niemals solche zusammenfügt, die nicht wirklich oder vermeintlich zusammen bestehen, mithin deren Vereinigung in Wahrheit aus der Natur entlehnt, so hängt doch die Anzahl, die er vereinigt, von dem verschiedenen Maße der Sorgfalt, des Fleißes oder der Einbildungskraft dessen ab, der die komplexe Idee bildet. Gewöhnlich begnügen die Menschen sich mit einigen wenigen sinnlich vor Augen liegenden Eigenschaften, und lassen häufig, wenn nicht immer, andere aus, die ebenso wesentlich und fest vereinigt sind wie die, welche sie mitnehmen. Von sinnlich wahrnehmbaren Substanzen giebt es zwei Arten, die eine ist die der organisierten Körper, die sich durch Samen fortpflanzen, und bei diesen ist die Gestalt für uns die leitende Eigenschaft und der am meisten charakteristische Teil, der die Art bestimmt. Deshalb genügt bei Pflanzen und Tieren gewöhnlich eine ausgedehnte solide Substanz von solch einer gewissen Figur. Denn wiewohl manche Leute ihre Definition animal rationale hoch zu schätzen scheinen, so glaube ich doch, daß, wenn sich ein Geschöpf mit Sprache und Vernunft, aber ohne die gewöhnliche Gestalt eines Menschen auffinden ließe, dieses schwerlich für einen Menschen gelten würde, so gewiß es auch ein animal rationale wäre. Und wenn Balaams Esel sein ganzes Lebenlang mit seinem Herrn so vernünftig gesprochen hätte, wie er einmal that, so bezweifle ich doch, daß irgend jemand ihn des Menschennamens gewürdigt oder eingeräumt hätte, daß jener Esel ein Wesen seiner eigenen Art sei. Wie bei Pflanzen und Tieren die Gestalt, so ist es bei den meisten anderen Körpern, die sich nicht durch Samen fortpflanzen, die Farbe, worauf wir am meisten achten, und wovon wir uns am meisten leiten lassen. So sind wir geneigt, da, wo wir die Farbe des Goldes bemerken, auch alle anderen in unserer komplexen Idee desselben befaßten Eigenschaften zu vermuten, und wir nehmen gewöhnlich diese beiden augenfälligen Eigenschaften, nämlich Gestalt und Farbe, als so präsumtive Ideen gewisser Arten an, daß wir einem guten Gemälde gegenüber nur nach den verschiedenen, mit Hilfe des Pinsels dem Auge dargestellten Figuren und Farben gleich sagen: dies ist ein Löwe und das eine Rose, dies ist ein goldener und das ein silberner Becher.
§ 30. Aber doch für die gewöhnliche Unterhaltung genügend. – Obgleich dies aber für grobe und verworrene Begriffe und ungenaue Rede- und Denkweisen ausreicht, so sind die Menschen doch weit genug von einem Einverständnis über die genaue Anzahl einfacher Ideen oder Eigenschaften entfernt, die zu irgend einer durch ihren Namen bezeichneten Art von Dingen gehören. Das ist auch kein Wunder, denn es gehört viele Zeit, Mühe und Geschicklichkeit, strenge Untersuchung und lange Prüfung dazu, um ausfindig zu machen, welche und wie viele einfache Ideen beständig und untrennbar in der Natur vereinigt sind, und sich immer in demselben Subjekt zusammen vorfinden. Weil die meisten Menschen hiefür weder Zeit noch Lust noch Fleiß genug auch nur in einigermaßen zulänglichem Grade haben, so begnügen sie sich mit einigen wenigen augenfälligen und äußerlichen Erscheinungen an den Dingen, um sie danach ohne Verzug zu unterscheiden und für die gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens zu sortieren, und geben ihnen dann ohne weitere Prüfung Namen, oder nehmen die schon gebräuchlichen Namen für sie an, die zwar in der alltäglichen Unterhaltung gut genug als Zeichen einiger wenigen handgreiflich zusammen bestehenden Eigenschaften gelten, aber weit genug davon entfernt sind, unter einer feststehenden Bedeutung eine genau bestimmte Anzahl einfacher Ideen, geschweige denn alle in der Natur vereinigten, zu begreifen. Wer erwägt, für wie wenige Wörter wir nach so vielem Lärm über Genus und Species und so vielem Gerede über specifische Unterschiede bisher feststehende Definitionen gewonnen haben, der mag wohl vernünftigerweise denken, daß jene Formen, um derentwillen so viel Geräusch gemacht worden, nur Chimären seien, die für uns kein Licht über die specifische Natur der Dinge verbreiten. Und wer erwägt, wie weit die Namen der Substanzen davon entfernt sind, Bedeutungen zu haben, worüber alle, die sie gebrauchen, einverstanden sind, der wird Grund zu dem Schlusse finden, daß die nominalen Wesenheiten der Substanzen, obwohl sie aus der Natur entnommene Kopien sein sollen, doch sämtlich oder größtenteils sehr unvollkommen sind, weil die Zusammensetzung dieser komplexen Ideen in verschiedenen Menschen sehr verschieden ist, und daß demnach diese Artbegrenzungen so sind, wie die Menschen und nicht wie die Natur sie gemacht haben, wenn es überhaupt in der Natur solche im voraus bestimmten Grenzen giebt. Allerdings sind viele einzelne Substanzen von der Natur so gebildet, daß sie Übereinstimmung und Ähnlichkeit miteinander haben, und so für ihre Einordnung in Arten eine Grundlage darbieten; da wir aber die Dinge zu dem Ende sortieren oder bestimmte Arten bilden, um sie zu benennen und unter allgemeine Ausdrücke zusammenzufassen, so kann ich nicht absehen, wie man schicklicherweise sagen könnte, daß die Natur die Arten der Dinge abgrenze; oder wenn sie das thut, dann decken sich unsere Artbegrenzungen nicht genau mit den natürlichen. Denn, da wir allgemeiner Namen zum gegenwärtigen Gebrauch bedürfen, so warten wir nicht auf eine vollständige Entdeckung aller der Eigenschaften, die uns ihre wesentlichen Unterschiede und Übereinstimmungen am besten zeigen würden, sondern wir selbst teilen sie nach gewissen augenfälligen äußeren Merkmalen in Arten, damit wir unsere Gedanken über sie leichter unter allgemeinen Namen mitteilen können. Denn, da wir von keiner Substanz etwas anderes kennen als die einfachen in ihr verbundenen Ideen, und bemerken, daß mehrere einzelne Dinge mit anderen in verschiedenen dieser einfachen Ideen übereinstimmen, so machen wir aus dieser Sammlung unsere specifische Idee und geben ihr einen allgemeinen Namen, damit wir bei der Bewahrung unserer eigenen Gedanken und unserer Unterredung mit anderen mit einem kurzen Worte alle die in jener komplexen Idee übereinstimmenden Individuen bezeichnen können, ohne die einfachen dazu gehörigen Ideen aufzuzählen, und unsere Zeit und unseren Atem mit ermüdenden Beschreibungen zu verschwenden, was, wie wir sehen, diejenigen thun müssen, die über eine neue Art von Dingen, wofür sie noch keinen Namen haben, reden wollen.
§ 31. Die Wesenheiten von Arten sind unter demselben Namen sehr verschieden. – Mögen aber auch diese Arten von Substanzen in der gewöhnlichen Unterhaltung für gut genug gelten, so ist doch klar, daß die komplexe Idee, worin ihrer Beobachtung zufolge mehre einzelne Dinge übereinstimmen, von verschiedenen Menschen sehr verschieden gebildet wird, von einigen mehr, von anderen weniger genau. Bei einigen enthält diese komplexe Idee eine größere und bei anderen eine kleinere Anzahl von Eigenschaften; sie ist also augenscheinlich so, wie der Geist sie gestaltet. Die glänzendgelbe Farbe macht das Gold für Kinder aus; andere fügen Schwere, Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit hinzu, und andere noch mehr Eigenschaften, die sie mit der gelben Farbe ebenso beständig verbunden finden wie die Schwere und Schmelzbarkeit. Denn von allen diesen und ähnlichen Eigenschaften hat die eine ein ebenso gutes Recht, in die komplexe Idee der Substanz, worin sie alle verbunden sind, aufgenommen zu werden, wie die andere. Deshalb haben verschiedene Menschen, die gemäß der Ungleichheit ihrer Untersuchung, Geschicklichkeit oder Beobachtung jenes Gegenstandes einige einfache Ideen auslassen oder aufnehmen, was andere nicht thun, verschiedene Wesenheiten des Goldes, die also von ihnen selbst und nicht von der Natur geschaffen sein müssen.
§ 32. Je allgemeiner unsere Ideen sind, um so unvollständiger und partieller sind sie. – Wenn schon die Anzahl der einfachen Ideen, die die nominale Wesenheit der untersten Art oder für das erste Sortieren der einzelnen Dinge ausmachen, von dem menschlichen Geiste abhängt, der sie in mannigfacher Weise zusammenfaßt, so ist diese Abhängigkeit noch viel einleuchtender bei den umfassenderen Klassen, die von den Lehrmeistern der Logik Genera genannt werden. Das sind komplexe Ideen von absichtlicher Unvollständigkeit, und es ist beim ersten Blick erkennbar, daß manche Eigenschaften, die sich an den Dingen selbst finden, vorsätzlich außerhalb der generischen Ideen gelassen werden. Denn, wie der Geist, um allgemeine Ideen zu bilden, die eine Mehrzahl von einzelnen Dingen unter sich begreifen, die der Zeit und des Ortes und andere von solcher Art, daß sie deren Erstreckung über mehr als ein Individuum hindern würden, ausläßt, so läßt er, um andere noch allgemeinere Ideen zu bilden, die verschiedene Arten unter sich begreifen möchten, diejenigen Eigenschaften aus, die letztere voneinander unterscheiden, und nimmt in seine neue Sammlung nur solche Ideen auf, die verschiedenen Arten gemeinsam sind. Dieselbe Bequemlichkeitsrücksicht, die die Menschen dazu bestimmte, viele Stücke eines aus Guinea und Peru kommenden gelben Stoffes mit einem Namen zu bezeichnen, bringt sie auch dazu, einen Namen zu erfinden, worunter sich sowohl Gold wie Silber und einige andere Körper verschiedener Art zusammenfassen ließen. Dies geschieht, indem die jeder Art eigentümlichen Eigenschaften ausgelassen werden, und nur eine komplexe Idee zurückbehalten wird, die aus den allen gemeinsamen besteht; und wenn dieser der Name Metall beigelegt worden, dann ist ein Genus gebildet, dessen Wesenheit eine abstrakte Idee ist, die nur die Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit mit gewissen Graden der Schwere und Feuerbeständigkeit enthält, worin manche Körper verschiedener Art übereinstimmen, während die Farbe und andere dem Golde und Silber und den übrigen unter dem Namen Metall begriffenen Arten eigentümlichen Eigenschaften ausgelassen sind. Daraus erhellt, daß die Menschen bei der Bildung ihrer generellen Ideen von Substanzen nicht genau die ihnen von der Natur gelieferten Muster befolgen, weil es keinen Körper giebt, der bloß Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit ohne andere von ihm ebenso untrennbare Eigenschaften besäße. Weil aber die Menschen bei der Bildung ihrer allgemeinen Ideen mehr die Bequemlichkeit der Sprache und die Schnelligkeit des Ausdrucks durch kurze und vielsagende Zeichen als die wahre und genaue Natur der Dinge, so wie sie existieren, im Auge hatten, so haben sie bei der Gestaltung ihrer abstrakten Ideen hauptsächlich jenen Endzweck verfolgt, der darin bestand, mit einem Vorrat allgemeiner und in mannigfacher Weise umfassender Namen versehen zu werden. So daß überall, wo von Genera und Species die Rede ist, das Genus oder das Umfassendere nur ein teilweiser Begriff des in der Species Enthaltenen ist, und die Species nur eine teilweise Idee dessen, was sich in jedem Individuum findet. Wenn sich deshalb jemand denken will, daß ein Mensch, ein Pferd, ein Tier, eine Pflanze etc. durch reale von der Natur geschaffene Wesenheiten unterschieden seien, so muß er annehmen, daß die Natur sehr freigebig mit diesen realen Wesenheiten sei, indem sie eine für den Körper, eine andere für das Tier und noch eine andere für das Pferd gemacht, und alle diese Wesenheiten freigebig dem Bucephalus verliehen habe. Wenn wir aber recht erwägen wollen, was mit allen diesen Genera und Species oder Arten ausgerichtet ist, so werden wir finden, daß damit kein neues Ding zustande gebracht ist, sondern nur mehr oder weniger umfassende Zeichen, mit deren Hilfe wir in wenigen Silben große Mengen einzelner Dinge auszudrücken vermögen, insofern sie in mehr oder weniger allgemeinen Begriffen, die wir zu dem Ende gebildet haben, übereinstimmen. Bei allen diesen können wir bemerken, daß der allgemeinere Ausdruck immer der Name einer weniger komplexen Idee ist, und daß jedes Genus nur ein teilweiser Begriff der unter ihm befaßten Arten ist; so daß, wenn man diese abstrakten generellen Ideen als vollständig ansehen will, dies nur hinsichtlich einer bestimmten, zwischen ihnen und gewissen zu ihrer Bezeichnung dienenden Namen herkömmlich bestehenden Beziehung geschehen kann, nicht aber hinsichtlich irgend etwas als natürliches Erzeugnis Existierendem.
§ 33. Alles dies ist dem Zwecke der Sprache angemessen. – Dies ist dem wahren Zwecke der Sprache angepaßt, der darin besteht, unsere Gedanken aus dem leichtesten und kürzesten Wege mitzuteilen. Denn so brauchte jemand, der von Dingen reden wollte, insofern sie in den komplexen Ideen von Ausdehnung und Solidität übereinstimmen, nur das Wort Körper zu gebrauchen, um alle solche anzudeuten. Wer damit noch andere verbinden wollte, die Leben, Sinneswahrnehmung und willkürliche Bewegung heißen, brauchte nur das Wort »Tier« ( animal) auszusprechen, um alle, die an diesen Ideen teilhaben, zu bezeichnen; und wer sich eine zusammengesetzte Idee gebildet hatte von einem Körper mit Leben, Sinneswahrnehmung und Bewegung, sowie der Fähigkeit vernünftigen Denkens und einer gewissen damit verbundenen Gestalt, der hatte nur nötig, sich des kurzen einsilbigen Wortes »Mensch« zu bedienen, um alle dieser komplexen Idee entsprechenden Einzelheiten auszudrücken. Zu diesem Zwecke dienen eigentlich Genus und Species, und so verfährt man, ohne an reale Wesenheiten oder substantielle Formen zu denken, die nicht in den Bereich unseres Wissens kommen, wenn wir an diese Dinge denken, noch auch unter die Bedeutung unserer Worte fallen, wenn wir mit anderen reden.
§ 34. Kasuare als Beispiel. – Wenn ich mit jemand anders über eine Art von Vögeln sprechen wollte, die ich vor kurzem im St. Jamespark sah, ungefähr drei bis vier Fuß hoch, bedeckt mit einem Mittelding zwischen Federn und Haaren, von dunkler brauner Farbe, ohne Flügel, aber an deren Stelle mit zwei oder drei kleinen wie Sprossen vom spanischen Ginster niederhängenden Zweigen, mit langen großen Beinen, nur drei Fußzehen und ohne Schwanz, so müßte ich sie auf diese Weise beschreiben und mich dadurch anderen verständlich machen; wenn mir aber gesagt worden, ihr Name sei Kasuare, so kann ich alsdann dieses Wort gebrauchen, damit es meine ganze in jener Beschreibung dargelegte komplexe Idee bei der Unterredung vertrete, obgleich ich durch dieses jetzt zu einem Artnamen erhobene Wort von der realen Wesenheit oder Beschaffenheit jener Tierart nicht mehr als vorher weiß, und wahrscheinlich von der Natur jener Vogelart, bevor ich ihren Namen kennen lernte, ebensoviel wußte, wie viele Engländer von Schwänen oder Reihern, was sehr gut bekannte specifische Namen für in England gewöhnliche Vogelarten sind.
§ 35. Die Menschen bestimmen die Arten. – Aus dem Gesagten erhellt, daß die Menschen die Arten der Dinge schaffen, denn da verschiedene Arten nur durch verschiedene Wesenheiten entstehen, so ist klar, daß eben die, welche die abstrakten, die nominalen Wesenheiten bildenden Ideen machen, dadurch auch die Species oder Arten schaffen. Sollte ein Körper gefunden werden, der alle anderen Eigenschaften des Goldes mit Ausnahme der Dehnbarkeit hätte, so würde ohne Zweifel die Frage aufgeworfen werden, ob er Gold sei oder nicht, d. h. ob er von dessen Art sei. Das ließe sich nur nach der abstrakten Idee entscheiden, womit ein jeder den Namen Gold verknüpft hätte, so daß er für den, dessen nominale durch den Laut »Gold« bezeichnete Wesenheit die Dehnbarkeit nicht einschlösse, wahres Gold sein und dieser Art angehören würde, während er andererseits für den, dessen specifische Idee die Dehnbarkeit enthielte, kein wahres Gold sein und nicht zu dieser Art gehören würde. Und ich bitte, mir zu sagen, wer anders diese verschiedenen Arten sogar unter einem und demselben Namen macht als die Menschen, die zwei verschiedene abstrakte Ideen bilden, die nicht genau aus derselben Sammlung von Eigenschaften bestehen? Auch ist es keine bloße Hypothese, sich vorzustellen, daß ein Körper existieren möge, der die übrigen augenfälligen Eigenschaften des Goldes hätte ohne Dehnbarkeit, weil es feststeht, daß selbst Gold zuweilen (wie die Künstler sagen) so spröde ist, daß es den Hammer ebensowenig verträgt, wie sonst nur Glas. Was wir von dem Aufnehmen oder Auslassen der Dehnbarkeit in die oder aus der komplexen Idee gesagt haben, die irgend jemand Gold nennt, das gilt auch von dessen eigentümlichen Gewicht, seiner Feuerbeständigkeit und anderen ähnlichen Eigenschaften; denn, gleichviel was ausgelassen oder aufgenommen wird, immer ist es die komplexe Idee, womit der Name verknüpft wird, der die Art bestimmt, und je nachdem ein einzelnes Stoffstück dieser Idee entspricht, kommt ihm der Artname wirklich zu und es gehört zu dieser Art. Und auf diese Weise ist etwas wahres Gold, vollkommenes Metall. Es ist klar, daß diese ganze Bestimmung der Arten auf dem menschlichen Verstande beruht, der diese oder jene komplexe Idee bildet.
§ 36. Die Natur macht die Ähnlichkeit. – So liegt also, kurz gesagt, der Fall: Die Natur schafft viele einzelne Dinge, die in manchen sinnlichen Eigenschaften miteinander übereinstimmen und wahrscheinlich auch in ihrer inneren Einrichtung und Beschaffenheit; es ist jedoch nicht diese reale Wesenheit, die sie in Arten sondert, sondern die Menschen sind es, die sie, veranlaßt durch die in ihnen vereinigt gefundenen Eigenschaften und durch die Wahrnehmung, daß hierin oft mehre Individuen übereinstimmen, in Arten einteilen, um sie zu benennen wegen der Bequemlichkeit umfassender Zeichen, worunter die einzelnen Dinge, gemäß ihrer Übereinstimmung mit dieser oder jener abstrakten Idee, wie unter Fahnen eingereiht werden, so daß dieses zu dem blauen, jenes zu dem roten Regimente gehört, dies ein Mensch, jenes ein Pavian ist, und hierin, meine ich, besteht die ganze Angelegenheit von Genus und Species.
§ 37. Ich leugne nicht, daß die Natur bei der beständigen Erzeugung einzelner Wesen diese nicht immer neu und mannigfaltig macht, sondern einander sehr ähnlich und stammverwandt, gleichwohl aber halte ich es für wahr, daß die Grenzen der Arten, wonach die Menschen sie sortieren, von den Menschen gezogen sind, weil die durch verschiedene Namen unterschiedenen Wesenheiten der Arten, wie bewiesen worden, menschliche Machwerke sind, und selten der inneren Natur der Dinge, von denen sie entnommen worden, entsprechen. So daß wir mit Wahrheit sagen dürfen, solch eine Weise, die Dinge zu sortieren, sei von den Menschen erfunden.
§ 38. Jede abstrakte Idee ist eine Wesenheit. – Ohne Zweifel wird in dieser Lehre etwas als höchst sonderbar erscheinen, nämlich die aus dem Gesagten sich ergebende Folge, daß jede abstrakte, mit einem Namen versehene Idee eine besondere Art ausmacht. Wer kann dem aber abhelfen, wenn die Wahrheit es so mit sich bringt? Denn es muß dabei verbleiben, bis uns jemand zeigen kann, daß die Arten der Dinge durch etwas anderes abgegrenzt und unterschieden werden, und uns die Einsicht verschaffen, daß allgemeine Ausdrücke nicht unsere abstrakten Ideen, sondern etwas davon Verschiedenes bezeichnen. Ich möchte wohl wissen, warum ein Pudel und ein Jagdhund nicht ebensogut verschiedene Arten sind, wie ein Wachtelhund und ein Elefant. Von der verschiedenen Wesenheit eines Elefanten und eines Wachtelhundes haben wir keine andere Idee wie von der verschiedenen Wesenheit eines Pudels und eines Jagdhundes, denn die ganze wesentliche Differenz, woran wir sie erkennen und voneinander unterscheiden, besteht nur in der verschiedenen Sammlung einfacher Ideen, der wir jene verschiedenen Namen gegeben haben.
§ 39. Genera und Species dienen dem Zweck der Benennung. – Wie sehr der Zweck, wozu Species und Genera gebildet werden, in den generellen Namen liegt, und wie notwendig diese, wenn nicht für das Dasein, so doch wenigstens für die Vollendung einer Art sind, damit sie für eine solche gelten könne, läßt sich außer dem oben über Eis und Wasser Gesagten mit einem ganz alltäglichen Beispiel darthun. Eine stumme und eine schlagende Uhr sind nur eine Art für die, die nur einen Namen dafür haben, wer aber den Namen »Uhr« ( watch) für die eine und »Glocke« ( clock) für die andere hat, und unterschiedene komplexe Ideen, denen diese Namen zukommen, für den sind sie verschiedene Arten. Vielleicht wird man sagen, die innere Einrichtung und Beschaffenheit dieser beiden seien verschieden, wovon der Uhrmacher eine deutliche Idee habe. Dennoch ist klar, daß sie nur eine Art für ihn bilden, wenn er nur einen Namen für sie hat, denn welcher Unterschied der inneren Einrichtung genügt, um eine neue Art zu begründen? Es giebt Uhren, die nur vier Räder haben, andere haben fünf; liegt darin für den Uhrmacher ein specifischer Unterschied? Einige haben Ketten und Schneckenkegel, andere nicht; einige haben lose Unruhen, in anderen sind diese durch eine Spiralfeder und in noch anderen durch Schweinsborsten geregelt: genügen einige dieser Unterschiede oder alle, um für den Uhrmacher, der jeden von ihnen und noch manche andere verschiedene Kunstgriffe in dem inneren Bau der Uhr kennt, eine specifische Differenz auszumachen? Gewiß ist jede derselben thatsächlich von den übrigen verschieden, aber ob ein wesentlicher, ein specifischer Unterschied vorliegt oder nicht, das hängt nur von der komplexen Idee ab, die den Namen Uhr führt; so lange sie alle in der von diesem Namen vertretenen Idee übereinstimmen, und dieser Name nicht als ein Gattungsname verschiedene Arten unter sich begreift, sind sie weder wesentlich noch specifisch verschieden. Wenn aber jemand nach ihm bekannten Unterschieden im innern Bau der Uhren weitergehende Einteilungen machen, und solchen genaueren komplexen Ideen Namen geben will, die Anerkennung finden, so werden dieselben alsdann neue Arten für solche Personen sein, die sich diese Ideen und die Namen dafür angeeignet haben, und nach jenen Unterschieden Uhren in diese verschiedenen Arten sondern können, und dann wird »Uhr« ein Gattungsname sein. Gleichwohl würden sie keine verschiedenen Arten für Leute sein, die vom Schlagwerk und der inneren Einrichtung von Uhren nichts wüßten, und von diesen keine andere Idee hätten als die äußere Gestalt und Größe nebst der Angabe der Stunden durch den Zeiger. Denn für die würden alle anderen Namen nur gleichbedeutende Ausdrücke für dieselbe Idee sein, und nicht mehr oder nichts anderes als eine Uhr bezeichnen. Gerade ebenso, denke ich, verhält es sich mit natürlichen Dingen. Niemand wird bezweifeln, daß die inneren Räder oder Federn (wenn ich so sagen darf) in einem vernünftigen Menschen und einem Wechselbalg verschieden sind, und ebensowenig, daß zwischen einem Pavian und einem Wechselbalg ein Unterschied des inneren Baues besteht. Ob aber der eine dieser Unterschiede oder beide wesentlich oder specifisch sind, das können wir nur aus ihrer D. i. der unterschiedenen Dinge. Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der von dem Namen »Mensch« vertretenen komplexen Idee erkennen, denn nach dieser allein läßt sich entscheiden, ob einer oder beide oder keiner von beiden ein Mensch ist.
§ 40. Die Arten von Kunsterzeugnissen sind weniger verworren als die natürlicher Dinge. – Aus dem vorhin Gesagten läßt sich der Grund davon erkennen, daß im allgemeinen hinsichtlich der Arten von Kunstprodukten weniger Verwirrung und Unsicherheit besteht, als hinsichtlich der natürlichen. Weil ein künstliches Ding ein menschliches Werk ist, was der Verfertiger beabsichtigte, und dessen Idee er also wohl kennt, so glaubt man nicht, daß dessen Name eine andere Idee vertrete oder auf eine andere Wesenheit hindeute, als die sich mit Sicherheit erkennen und leicht genug begreifen lassen. Denn, da die Idee oder Wesenheit der verschiedenen Arten künstlicher Dinge meistens nur in der bestimmten Figur sinnlich wahrnehmbarer Teile und mitunter einer hieraus beruhenden Bewegung besteht, die der Urheber aus dem Stoffe so anfertigt, wie er sie dienlich findet, so liegt es nicht jenseits des Bereichs unserer Fähigkeiten, eine bestimmte Idee davon zu gewinnen und die Bedeutung der Namen festzusetzen, wodurch die Arten künstlicher Dinge mit weniger Zweifel, Dunkelheit und Zweideutigkeit unterschieden werden, als wir bei natürlichen Dingen vermögen, deren Unterschiede und Wirksamkeiten auf Einrichtungen beruhen, die sich unserer Wahrnehmung entziehen.
§ 41. Künstliche Dinge von bestimmter Art. – Man möge es hier entschuldigen, wenn ich meine, daß künstliche Dinge ebensogut wie natürliche von bestimmter Art seien, weil ich finde, daß sie ebenso schlicht und ordentlich nach verschiedenen abstrakten Ideen, denen allgemeine Namen beigelegt sind, in Arten eingereiht werden, die voneinander ebenso verschieden sind wie die der natürlichen Substanzen. Denn warum sollten wir nicht eine Uhr und eine Pistole ebensogut für zwei voneinander verschiedene Arten halten wie ein Pferd und einen Hund, da sie in unserem Bewußtsein durch verschiedene Ideen und anderen gegenüber durch verschiedene Benennungen ausgedrückt werden?
§ 42. Nur Substanzen haben Eigennamen. – Mit Bezug auf die Substanzen ist ferner noch zu bemerken, daß sie allein von allen unseren verschiedenartigen Ideen partikulare oder Eigennamen haben, wodurch nur ein einzelnes Ding für sich allein bezeichnet wird, weil es bei einfachen Ideen, Modi und Relationen selten vorkommt, daß die Menschen veranlaßt sind, diese oder jene einzelnen in deren Abwesenheit häufig zu erwähnen. Außerdem sind der größte Teil der gemischten Modi Thätigkeiten, die mit ihrer Entstehung auch schon wieder untergehen, und deshalb keiner anhaltenden Dauer fähig sind wie die Substanzen, die die thätigen Subjekte sind, und worin die einfachen Ideen, welche die mit dem Namen bezeichnete komplexe Idee ausmachen, eine dauernde Vereinigung haben.
§ 43. Über Wörter zu reden ist schwierig. – Ich muß meinen Leser um Verzeihung bitten, daß ich so lange bei diesem Gegenstande verweilt und ihn vielleicht mit einer gewissen Dunkelheit behandelt habe. Man möge jedoch erwägen, wie schwer es ist, einen anderen durch Wörter dahin zu bringen, daß er sich die Dinge frei von den specifischen Unterschieden vorstelle, die wir ihnen zuschreiben; wenn ich diese Dinge nicht benenne, so sage ich nichts, und wenn ich sie benenne, so reihe ich sie dadurch in die eine oder die andere Art ein, biete dem Verständnis des anderen unvermerkt die gewöhnliche abstrakte Idee dieser Art dar, und durchkreuze so meinen eigenen Zweck. Denn von einem »Menschen« zu reden und zugleich die ordentliche Bedeutung des Namens »Mensch«, d. i. unsere gewöhnlich damit verbundene komplexe Idee, beiseite zu lassen und den Leser aufzufordern, den Menschen so zu betrachten, wie er an sich beschaffen sei und thatsächlich durch seine innere Verfassung oder reale Wesenheit von anderen verschieden – das heißt nach etwas, was der Leser nicht kennt: das sieht aus, als ob ich ihn zum besten hätte, und doch muß man so verfahren, wenn man von den vermeinten realen Wesenheiten und Arten der Dinge, die von der Natur geschaffen sein sollen, auch nur zu dem Zweck sprechen will, es begreiflich zu machen, daß nichts Derartiges die Bedeutung der den Substanzen beigelegten generellen Namen ist. Weil es aber schwer ist, dies mit bekannten und geläufigen Namen zu thun, so möge man mir den Versuch gestatten, den abweichenden Sinn, in dem der Geist die specifischen Namen und Ideen auffaßt, durch ein Beispiel etwas klarer zu machen und zu zeigen, wie die komplexen Ideen von Modi mitunter auf Urbilder in den Gedanken anderer intelligenter Wesen bezogen sind oder, was dasselbe sagt, auf die von anderen ihren herkömmlichen Namen beigelegte Bedeutung, und mitunter überhaupt auf keine Urbilder. Man möge mir auch zu zeigen gestatten, wie der Geist seine Ideen von Substanzen beständig entweder auf die Substanzen selbst oder auf die Bedeutung ihrer Namen als die Urbilder bezieht, und ferner die Natur der Arten oder des Sortierens der Dinge, je nachdem wir sie auffassen und benutzen, und der diesen Arten zukommenden Wesenheiten zu verdeutlichen, was vielleicht für die Ermittelung des Umfangs und der Sicherheit unseres Wissens von größerem Gewicht ist, als wir auf den ersten Blick glauben.
§ 44. Kinneah und niouph als Beispiele gemischter Modi. – Stellen wir uns Adam als erwachsenen Mann von gutem Verstande vor, aber in einem fremden Lande von lauter für ihn neuen und unbekannten Dingen umgeben, und ohne andere Fähigkeiten sie kennen zu lernen, als gegenwärtig in unserem Zeitalter ein jeder hat. Er bemerkt, daß Lamech melancholischer als gewöhnlich ist, und glaubt, das komme von einem Verdacht, den er gegen sein (von ihm heißgeliebtes) Weib Adah hege, daß diese für einen anderen Mann allzu freundlich gesinnt sei. Adam teilt diese seine Gedanken der Eva mit und bittet sie, Sorge dafür zu tragen, daß Adah keine Thorheit begehe, und in dieser Unterredung mit Eva bedient er sich der beiden neuen Wörter kinneah und niouph. Mit der Zeit kommt Adams Irrtum zu Tage, denn er entdeckt als Ursache von Lamechs Trübsinn, daß dieser jemanden getötet habe, gleichwohl aber verloren die beiden Namen kinneah und niouph (von denen der eine den Verdacht eines Ehemanns bezeichnet, daß seine Gattin ihm untreu sei, und der andere die Handlung, wodurch diese sich der Untreue schuldig macht) nicht ihre bestimmten Bedeutungen. Somit ist klar, daß hier zwei bestimmte komplexe Ideen von gemischten Modi mit Namen dafür vorhanden waren, zwei bestimmte wesentlich verschiedene Arten von Handlungen, und ich frage nun, worin bestand die Wesenheit dieser beiden bestimmten Arten von Handlungen? Es leuchtet ein, daß sie in einer genauen Verbindung einfacher Ideen bestand, einer anderen für jede von beiden. Ich frage weiter, ob die komplexe Idee in Adams Bewußtsein, die er kinneah nannte, zutreffend (adäquat) war oder nicht? Offenbar war sie das, denn da sie aus einer Verbindung einfacher Ideen bestand, die er ohne Rücksicht auf irgend ein Urbild, ohne Hinblick auf irgend etwas als ein Muster, willkürlich zusammenfügte, abstrahierte, und mit dem Namen kinneah versah, um durch diesen einen Laut alle die in jener komplexen enthaltenen und vereinigten einfachen Ideen anderen gegenüber kurz auszudrücken, so folgt notwendig, daß sie eine zutreffende Idee sein mußte. Da jene Verbindung nach seiner eigenen Wahl gestaltet war, so enthielt sie alles, was sie nach seiner Absicht enthalten sollte, deshalb konnte sie nicht anders als vollkommen, konnte nicht anders als zutreffend sein, da sie sich auf kein anderes Urbild bezog, was sie vermeintlich darstellen sollte.
§ 45. Die Wörter kinneah und niouph kamen nach und nach allgemein in Gebrauch, wodurch die Sachlage sich etwas änderte. Adams Kinder hatten dieselbe Befähigung und damit dasselbe Vermögen wie er, nach ihrem Gefallen alle und jede komplexe Ideen von gemischten Modi in ihrem Geiste zu bilden, sie zu abstrahieren und beliebige Laute zu Zeichen dafür zu machen; aber Namen haben den Zweck, unsere innerlich gehegten Ideen anderen bekannt zu machen, und der läßt sich nur erreichen, wenn dasselbe Zeichen dieselbe Idee in zwei Personen vertritt, die ihre Gedanken einander mitteilen und sich unterreden wollen. Deshalb konnten diejenigen von Adams Kindern, die jene beiden Wörter kinneah und niouph im alltäglichen Gebrauch vorfanden, sie nicht für bedeutungslose Laute halten, sondern mußten notwendig annehmen, daß sie irgend etwas bezeichnen sollten, gewisse Ideen, und zwar, da sie allgemeine Namen waren, abstrakte Ideen, die die Wesenheiten der durch diese Namen unterschiedenen Arten seien. Wenn sie demnach diese Wörter als Namen von schon feststehenden und anerkannten Arten gebrauchen wollten, so mußten sie die mit diesen Namen in ihrem Geiste bezeichneten Ideen den Ideen, die sie im Bewußtsein anderer Menschen vertraten, als ihren Mustern und Vorbildern anpassen, damit aber waren ihre Ideen dieser komplexen Modi der Gefahr ausgesetzt inadäquat zu werden, weil es leicht geschehen konnte, daß sie (besonders die, Locke scheint hier nicht bloß an die beiden gebrauchten Beispiele, sondern überhaupt an (für gemischte Modi) neu gebildete Wörter zu denken. Seine Vorstellung von der Entstehung der Sprache durch willkürliche Erfindung von Namen für bereits fertige Ideen seitens einzelner Personen, die dann von anderen angenommen seien, ist freilich zweifellos unrichtig; Wörter und Begriffe, Sprache und Denken, sind zugleich mit- und durcheinander entwickelt, und zwar im ganzen genommen als unwillkürliche Produkte des geselligen Lebens der Menschen, wenn auch vermittelst zahlloser willkürlicher Akte der Einzelnen. Dieser Irrtum Lockes beeinträchtigt aber die Richtigkeit seiner Ausführungen darüber, daß Genera und Species Geschöpfe des menschlichen Denkens und der Sprache, nicht aber der Natur seien, durchaus nicht, sondern dient ihnen nur zu größerer Bestätigung. Was wir die Natur nennen, ist nichts anderes und nicht mehr als der uns unmittelbar gegebene Bewußtseinsinhalt, für den wir einen außerbewußten Ursprung selbstverständlich nicht ermitteln können, während er uns, wenn er da ist, innerhalb unseres Bewußtseins als das Ergebnis einer Affektion unserer Sinnesorgane durch außerhalb unseres Gehirns liegende Objekte erscheint. Die weitere Verarbeitung dieser scheinbaren Sinneseindrücke zu Wahrnehmungen, Erinnerungen, Vorstellungen, Begriffen und Gedanken geht dann selbstverständlich auch nur in unserem Bewußtsein vor sich, ohne daß wir dafür transcendente Korrelate in einer Welt von Dingen an sich auffinden und nachweisen könnten. welche aus Verbindungen vieler einfachen Ideen bestanden) den Ideen im Bewußtsein anderer Menschen, die sich desselben Namens bedienten, nicht genau entsprachen. Dafür ist freilich ein Abhilfsmittel gewöhnlich bei der Hand und besteht darin, den, der ein uns unverständliches Wort gebraucht, nach dessen Sinn zu fragen, indem es ebenso unmöglich ist, mit Sicherheit zu wissen, was die Wörter »Eifersucht« und »Ehebruch« (die, wie ich meine, קנאה und כאוף entsprechen«) im Sinne eines anderen Menschen bedeuten, mit dem ich darüber sprechen will, wie es beim Beginn der Sprache unmöglich war, ohne Erläuterung zu wissen, was kinneah und niouph im Sinne eines anderen Menschen bedeuteten, da sie für jedermann willkürliche Zeichen waren.
§ 46. Zahab als Beispiel von Substanzen. – Betrachten wir nunmehr in derselben Weise auch die Namen von Substanzen bei ihrer ersten Anwendung. Einer von Adams Kindern stößt beim Umherschweifen in den Bergen auf eine glänzende Substanz, die seinem Auge gefällt; er bringt sie mit nach Hause zu Adam, der bei ihrer Betrachtung findet, daß sie hart ist, eine glänzende gelbe Farbe und ein ungemein großes Gewicht hat. Das sind vielleicht anfangs alle Eigenschaften, die er an ihr wahrnimmt, und indem er diese komplexe Idee, bestehend aus einer Substanz von eigentümlich glänzender gelber Farbe und im Verhältnis zu ihrer Masse sehr großem Gewicht, abstrahiert, giebt er ihr den Namen Zahab, um alle Substanzen, die diese sinnlichen Eigenschaften an sich tragen, zu benennen und zu bezeichnen. Augenscheinlich handelt nun Adam in diesem Falle ganz anders wie in dem früheren, als er die Ideen gemischter Modi bildete, denen er die Namen kinneah und niouph gab; denn damals fügte er nur nach seiner eigenen Einbildung Ideen zusammen, die nicht von irgend etwas Existierendem genommen waren, und gab denselben Namen, um damit alle Dinge zu bezeichnen, die etwa diesen seinen abstrakten Ideen entsprechen möchten, ohne Rücksicht darauf, ob irgend ein solches bestehe oder nicht; damals war das Muster von ihm selber angefertigt. Dagegen schlägt er bei der Bildung seiner Ideen von dieser neuen Substanz den ganz entgegengesetzten Weg ein; hier hat er ein von der Natur geschaffenes Muster, und um dieses mit Hilfe seiner Idee davon sich wieder zu vergegenwärtigen, auch wenn es abwesend sein werde, nimmt er deshalb in seine komplexe nur solche einfache Ideen auf, die er an dem Dinge selbst wahrgenommen hat. Er sorgt dafür, daß seine Idee diesem Urbild entspreche, und der Name soll nach seiner Absicht eine dementsprechende Idee vertreten.
§ 47. Da dieses Stoffstück, dem Adam so den Namen Zahab gab, ganz verschieden von irgend einem war, was er früher gesehen hatte, so wird, denke ich, niemand leugnen, daß es von besonderer Art war und sein eigentümliches Wesen hatte, sowie, daß der Name Zahab das Merkmal der Art bildete, und allen Dingen zukam, die an derselben Wesenheit teilhaben möchten. Hiebei ist jedoch klar, daß die Wesenheit, der Adam den Namen Zahab beilegte, nichts war als ein harter, glänzender, gelber und sehr schwerer Körper. Allein der forschende Geist des Menschen, nicht zufrieden mit der Kenntnis dieser, sozusagen, oberflächlichen Eigenschaften, treibt Adam zu weiterer Untersuchung dieses Stoffes an. Er klopft und schlägt ihn deshalb mit Steinen, um zu sehen, was er enthalten möge; er findet, daß er den Schlägen nachgiebt, aber nicht leicht in Stücke zerfällt; er findet, daß er sich biegt, ohne zu brechen. Muß nicht jetzt die Dehnbarkeit seiner früheren Idee hinzugefügt und zu einem Teile der Wesenheit der Art gemacht werden, die der Name Zahab vertritt? Weitere Versuche offenbaren die Schmelzbarkeit und Feuerbeständigkeit. Müssen nicht auch diese aus demselben Grunde, der für die übrigen Eigenschaften maßgebend war, in die mit dem Namen Zahab bezeichnete komplexe Idee aufgenommen werden? Wenn nicht, welcher Grund läßt sich dann nachweisen, der mehr für die einen, als für die anderen spricht? Müssen sie aber aufgenommen werden, dann müssen alle anderen Eigenschaften dieses Stoffes, die durch weitere Versuche entdeckt werden mögen, aus demselben Grunde einen Teil der Ingredienzen der komplexen Idee bilden, die Zahab heißt, und somit zur Wesenheit der mit diesem Namen bezeichneten Art gehören; und weil diese Eigenschaften zahllos sind, so erhellt, daß die auf diese Weise nach einem solchen Vorbild gemachte Idee stets ungenau bleiben wird.
§ 48. Ihre Ideen sind unvollständig und deshalb schwankend. – Das ist jedoch nicht alles; es würde sich daraus auch ergeben, daß die Namen der Substanzen, insofern sie von verschiedenen Personen gebraucht werden, nicht nur (wie das wirklich der Fall ist) verschiedene Bedeutungen haben, sondern dies auch von ihnen angenommen werde, was für den Gebrauch der Sprache sehr hinderlich wäre. Denn, wenn man dafür hielte, daß jede in irgend einem Stoffe von irgend jemand entdeckte besondere Eigenschaft einen notwendigen Bestandteil der mit dem gewöhnlich jenem Stoffe gegebenen Namen bezeichneten komplexen Idee bilde, so wäre die Folge, daß man voraussetzen müßte, dasselbe Wort bezeichne verschiedene Dinge für verschiedene Menschen, weil sich nicht bezweifeln läßt, daß manche Menschen mancherlei Eigenschaften an Substanzen desselben Namens entdeckt haben, wovon andere nichts wissen.
§ 49. Deshalb wird, um ihren Arten Festigkeit zu geben, eine reale Wesenheit vorausgesetzt. – Um diesen Übelstand zu vermeiden, hat man eine zu jeder Art gehörige reale Wesenheit vorausgesetzt, aus der alle jene Eigenschaften entspringen, und meint, daß der Name der Art diese vertreten solle. Da man aber von dieser realen Wesenheit in den Substanzen keine Idee hat, und unsere Wörter nichts als unsere Ideen bezeichnen, so erreicht man durch diesen Versuch nichts weiter, als daß man den Namen oder Wortlaut an den Platz und die Stelle des mit jener realen Wesenheit versehenen Dinges setzt, ohne zu wissen, was die reale Wesenheit sei, und so verfahren die Menschen, wenn sie von Arten der Dinge in der Meinung reden, daß solche von der Natur gemacht, und durch reale Wesenheiten unterschieden seien.
§ 50. Diese Voraussetzung nützt jedoch nichts. – Denn man erwäge: wenn wir sagen, daß alles Gold feuerbeständig sei, so heißt das entweder, die Feuerbeständigkeit sei ein Teil der Definition – ein Teil des von dem Worte Gold vertretenen nominalen Wesens; dann enthält das bejahende Urteil »alles Gold ist feuerbeständig« nichts als die Bedeutung des Ausdrucks »Gold«. Oder aber es heißt, daß die Feuerbeständigkeit, die keinen Teil der Definition von Gold ausmache, eine Eigenschaft der Substanz selbst sei, und solchenfalls ist klar, daß das Wort Gold die Stelle einer Substanz vertritt, die die reale Wesenheit einer von der Natur geschaffenen Art von Dingen besitzt. Bei dieser Art von Substitution hat es eine so verworrene und ungewisse Bedeutung, daß der Satz »Gold ist feuerbeständig«, obgleich er in diesem Sinne die Behauptung von etwas Realem enthält, doch eine Wahrheit ist, die uns bei ihrer Anwendung im einzelnen stets im Stiche läßt und somit keinen wirklichen Nutzen oder Sicherheit gewährt. Denn, mag es noch so wahr sein, daß alles Gold – d. h. alles, was die reale Wesenheit des Goldes besitzt – feuerbeständig ist, was hilft uns das, wenn wir nicht wissen, was in diesem Sinne Gold ist oder nicht ist? Denn, wenn wir die reale Wesenheit des Goldes nicht kennen, so können wir unmöglich wissen, welches Stoffstück diese Wesenheit besitzt und somit auch nicht, ob es wirklich Gold sei oder nicht.
§ 51. Schluß. – Um zum Schlusse zu kommen: Dieselbe Freiheit, die Adam zuerst hatte, komplexe Ideen von gemischten Modi nach keinem anderen Muster als seinen eigenen Gedanken zu machen, haben seitdem beständig alle Menschen gehabt. Und derselben Notwendigkeit, seine Ideen von Substanzen außer ihm bestehenden Dingen als von der Natur geschaffenen Urbildern anzupassen, der Adam unterlag, wenn er sich nicht mutwillig selbst betrügen wollte, derselben sind seitdem beständig alle Menschen unterworfen. Auch hat dieselbe Freiheit, die Adam genoß, jeder Idee beliebig einen neuen Namen zu geben, noch jetzt jedermann (namentlich die Urheber neuer Sprachen, wenn wir uns solche denken dürfen), nur mit dem Unterschiede, daß an Orten, wo die gesellig lebenden Menschen schon unter sich eine Sprache festgestellt haben, die Bedeutung der Wörter nur sehr vorsichtig und sparsam geändert werden darf, weil, wenn die Menschen schon mit Namen für ihre Ideen versehen sind, und der gemeine Gebrauch bekannte Namen gewissen Ideen zugeeignet hat, eine gesuchte Mißanwendung derselben nur höchst lächerlich sein würde. Wer neue Begriffe hat, wird es vielleicht mitunter wagen, neue Ausdrücke für sie zu münzen, aber das wird als eine Kühnheit betrachtet, und es bleibt ungewiß, ob der gemeine Gebrauch sie jemals geläufig machen werde. Beim Gedankenaustausch mit anderen ist es jedoch notwendig, daß wir die Ideen, zu deren Vertretern wir die gemeingebräuchlichen Wörter irgend einer Sprache machen, deren bekannter eigentlicher Bedeutung (wie ich bereits ausführlicher erläutert habe) anpassen, oder aber die neue Bedeutung, die wir ihnen unterlegen, kund thun.