Gerhart Hauptmann
Das Abenteuer meiner Jugend
Gerhart Hauptmann

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Nachwort

Gegen Mitte des Sommers sind wir, Mary und ich, wieder in Erkner eingezogen. Es ist nur wenig nachzuholen, bevor ich die Notizen über mein erstes Vierteljahrhundert abschließen kann.

Im Spätherbst des Jahres 1888 bot uns Tante Mathilde Jaschke, die mit meiner Schwester in Hamburg wohnte, weil die Damen auf Reisen gingen, ihre Wohnung an. Wir siedelten dankbar dorthin über, was jedoch einen abermals dunklen, überaus freudlosen Winter zur Folge hatte.

Beinahe hätte ich schon damals dem Leben meinen letzten Tribut im Tode gezahlt.

Ich hatte meinen Roman wieder aufgenommen, der, glaube ich, »Lorenz Lubota« heißen sollte. Es kam darin eine Jesus betreffende Episode vor, über der ich allmählich den ganzen Roman vergaß.

Ich schrieb in einer beinahe pathologischen Arbeitswut, erhob mich täglich um vier Uhr nachts, kochte mir Tee und saß gegen acht oder neun erst mit Mary beim Frühkaffee.

Dieses Verfahren, verbunden mit dem damals besonders argen Hamburger Nebel, zog mir einen Lungenkatarrh mit furchtbar quälendem Husten zu, bei dem mich Dietrich von Sehlen mit aller Sorgfalt betreute. Er war damals glücklicherweise in Hamburg in der Klinik von Unna Assistent.

Da hing nun an Stelle des Lichts und des Himmels von Luzern ein in Kreolinwasser getauchtes Zelttuch über meinem Bett, unter dem je wieder aufzutauchen eine verwegene Hoffnung schien. »So wechselt Paradieseshelle mit tiefer schauervoller Nacht!« Wiederum bin ich jedoch durch die Rückkehr nach Erkner gerettet worden.

Und hier hatte mit dem Frühling das halbe Jahr meines literarischen Durchbruchs begonnen. Es war eine Episode des äußersten Ernstes und der äußersten Heiterkeit. Ich hatte mit Entschlossenheit und Behagen mein Weißsteiner Bauerndrama »Der Säemann« in Angriff genommen, das in den sommerlich hellen Stunden vor Tage beinahe wie von selbst entstand.

Dem Geschick sei Dank, daß meine Arbeit auch durch die am 8. Juli 1889 erfolgte Geburt meines dritten Sohnes nicht gestört wurde. Wieder kam die Weise Frau, die Norne, aus der Tiefe des Kiefernwalds, und wieder bin ich selbst durch die Not zum hauptsächlichsten Geburtshelfer ernannt worden.

Ein gelegentlicher Verkehr mit Arno Holz und Johannes Schlaf wurde aufgenommen, aber es tauchten nun viele andere Gestalten auf, darunter Bruno Wille und Wilhelm Bölsche, die in regem Verkehr mit Damen aus allen Kreisen standen und sie gelegentlich von Berlin aus zu uns aufs Land mit herausbrachten. Auch die Gebrüder Hart waren da. Es wurden gemeinsam Sommernächte durchwacht, es wurde gelebt, geliebt und getrunken, Pläne wurden geschmiedet und diskutiert, und eines Tages konnte ich am Waldrand dieser gleichstrebenden Jugend mein Drama vorlesen, durch Arno Holz »Vor Sonnenaufgang« genannt. Es wurde damit in der Tat eine eigenartige, kräftige deutsche Literaturepoche eingeleitet.

 

Mich aber warf es schließlich in die breite und weite Öffentlichkeit, wo ich nun auf einer ganz anderen Ebene, wenn es mir beschieden wäre, die Erinnerungen an weiteres Kämpfen und weiteres Ringen im zweiten Vierteljahrhundert fortsetzen müßte.

 


 


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