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»Hic Rhodus, hic salta!« hieß es nun.
Ich war jung, unerfahren und hatte noch keineswegs über das Wesen der Kunst, die ich ausüben wollte, genügend nachgedacht: ich hätte sonst mein unschätzbares Selbstbestimmungsrecht besser verwerten müssen. Denn statt nun mit Bewußtsein mein eigener Schüler zu sein, ungeduldige Hast, Sprunghaftigkeit, Wunderglauben und Ruhmesgier aus meinem Wesen zu tilgen, gab ich mich der Verblendung hin, ich könne das Große im ersten Anlauf hinstellen.
Ich weiß nicht, ob ein Wort, das mein Vater immer wieder als Warnung zu gebrauchen pflegte, von ihm richtig zitiert wurde: »Wer alles will, will nichts.«
Wäre ich dem, was es sagen will, damals getreulich nachgegangen, hätte ich mich in meinem jetzigen Falle mit dem l'art pour l'art begnügt. Ich würde mich, ohne anderes zu wollen, als nur zu lernen, am besten vor die Natur, das Modell gestellt haben. Alle Wucherungen der Phantasie, die ja überhaupt bei dieser Kunst, wie ich bald erkannte, nur mit Vorsicht zu verwenden ist, hätte ich gänzlich ausgeschaltet.
Statt also Phantasien beleben zu wollen und von innen nach außen zu bilden, hätte ich von außen nach innen gebildet als ein zwar lebendiger, aber fast unpersönlicher, fast willenloser Spiegel der Natur.
Weit entfernt davon, habe ich unreifes Wollen durch unreifes Hoffen zu manchmal übergroßen, nutzlosen Mühen aufgerufen.
Mein erster Versuch war der Kopf eines Königs Lear. Er zeigt, wie wenig ich mein literarisch-dramatisches Wesen überwunden hatte. Dagegen war ein Relief, das ich begann und förderte, die Darstellung einer Palästraszene, dem rein Bildnerischen nähergerückt. Daß ich aber im ganzen doch nur blind herumtappte, zeigte die überlebensgroße Figur einer heftig bewegten Mannesgestalt, in der ich mir einen germanischen Krieger als Hermann den Cherusker vorstellte, wie er von der Höhe eines Berges mit geschwungenem Speer gegen die Kohorten des Varus zu Tale stürmt.
Eine derartige Konzeption zeigte denn doch eine allzu zähe Lebenskraft meiner unreifen Jünglingsideen, nach den großen Belehrungen, die ich in Paestum, Pompeji und Neapel erfahren hatte und in einer Umgebung, deren Sprache eigentlich nicht zu überhören war.
Es war gleichsam eine unterirdische Tätigkeit, der ich in meinem Studio huldigte, zugleich aber war es ein schwerer und bitterer Kampf.
Nach außen hin merkte man nichts von ihm.
Aber dort gab es äußere Kämpfe, die durch Gegensätze zu fast meiner ganzen Umgebung bedingt waren.
Ich habe nach und nach in diesem römischen Winter eine große Menge Menschen kennengelernt. Unter ihnen hat mir ein junger deutscher Bakteriologe, Dietrich von Sehlen, am nächsten gestanden. Nach ihm kam der estnische Bildhauer Weizenberg, der größere Ateliers neben dem meinen seit Jahrzehnten mit estnisch-lettischen Marmorgöttern, Geuit, Amerik und anderen, gefüllt hatte. Aber er war bereits über fünfzig Jahre und blickte doch wohl nur mit Nachsicht auf meine Bemühungen.
Ich weiß nicht, wer mich in den deutschen Künstlerverein einführte. Der Mann, der dort alle Macht in seinen Händen vereinigte, war ein Kaufmann, mit Namen Wedekind. Ich habe Frank Wedekind, als ich später mit ihm in Berührung kam, nie gefragt, ob es ein Bruder oder ein Verwandter von ihm gewesen ist. Sie hatten untereinander Ähnlichkeiten.
Ohne diesen Kaufmann Wedekind, der schlank, groß und ohne viel Federlesens energisch war, hätte man mich in die Künstlergemeinschaft nicht aufgenommen. Den Grund verriet mir das ebenfalls neue Mitglied Nonnenbruch.
Er ging auf die Fremdenbuch-Kampeleien in Capri zurück, die mir den alten und berühmten Römer, Bildhauer Kopf, zum Feinde gemacht haben sollten.
Vielleicht weniger er selbst, sagte Nonnenbruch, als seine übereifrigen Anhänger hätten auf eine überraschende Weise gegen mich intrigiert.
Ich nehme nicht an, daß die Deutsche Botschaft sich um mich bekümmerte, immerhin kann es möglich sein, Professor Kopf verkehrte beim Botschafter, und der Zufall, der gewollt hatte, daß mein Studio in der Via degli Incurabili seinen von den Hämmern und Meißeln vieler Abbozzatoren belebten Werkstätten dicht gegenüber lag, hielt mich ihm in Erinnerung.
Es brauchte dann nicht mehr geschehen, als daß er Bemerkungen über gewisse Ideen fallenließ und des verrückten Planes gedachte, auf sozialistischer Grundlage in Amerika ein neues Gemeinwesen aufzubauen.
Mich zum mindesten in der deutschen Kolonie unmöglich zu machen, hätte das bei der herrschenden Strömung durchaus genügt.
Aber ich lasse das dahingestellt. Meine Gegner habe ich nie zu Gesicht bekommen.
Daß sie vorhanden waren, spürte ich. Ich merkte es an tausend kleinen Widerständen, Schweigen, ironischen Blicken, knappen Worten, die zu den harmlosen Dingen, die ich sagte, keinen Bezug hatten. Auch würdigte mich zunächst niemand unter den älteren Künstlern einer Ansprache oder machte Anstalten, etwas über meine künstlerischen Bestrebungen zu erfahren oder gar mit Rat und Tat hilfreich zu sein.
Mich umgab der Geist, vielleicht in etwas gemilderter Form, der in dem Albergo Pagano die Acht über Carl und mich verhängt hatte.
Man rückte nicht mehr physisch von mir ab, weil man das in der großen Stadt nicht brauchte – man vermied überhaupt die Annäherung.
Übrigens hatte man, ebenso wie in Capri, Freude an einer damals wirklich harmlosen Bespitzelung oder hielt sie für notwendig. Es beruhte ganz gewiß nicht auf Verfolgungswahn, wenn ich überall spürte, ich sei beobachtet. Nonnenbruch gab sich zu Helfershelferdiensten nicht mehr her, in seinen Augen erschien ich fortan nur als irregeleitet. Sooft wir uns trafen, verfehlte er nie, als der Ältere, in einem, wie er meinte, verständig beratenden Sinne auf mich einzuwirken, das heißt, meine Querköpfigkeit zu bekämpfen.
Andere mußten an seine Stelle treten, wenn es galt, mich auszuholen und auszuhorchen.
Das tat zum Beispiel ein gewisser Istler, ein Maler mit einem sächsischen Stipendium. Wir machten hie und da einen kurzen Mittagsspaziergang, etwa auf den Pincio, miteinander, dann besuchte er mich im Atelier. Dabei ist es mir wieder passiert, plastischen Visionen Worte zu geben, Gebilden einer ausschweifenden Phantasie, die ich hätte bekämpfen sollen. Aber sie kamen eben immer wieder wie Naturgewalt über mich auf eine beinahe schmerzhafte Weise.
Istler benahm sich ernst und zustimmend, aber wenige Tage später hatte ich den beizenden Spott einer Tafelrunde im Künstlerverein einzuheimsen, der mir zeigte, welchen Gebrauch Istler von meinem Vertrauen gemacht hatte. Ich erfuhr auch bald, daß und wie der Verrat geschehen war und welches wiehernde Gelächter der Staatsstipendiat durch die Karikatur meiner Person und meiner Phantasmagorie erzielt hatte.
Wie war es doch so leicht, mich zu verhöhnen,
als ich die Fülle meiner Brust euch zeigte,
euch, denen nicht wie mir der Gott sich neigte!
Ach, ihr vernahmet nichts von jenen Tönen,
die mir Apollens goldner Bogen geigte,
und blindgeboren dem Erhabenschönen,
gedachtet ihr das Schicksal zu versöhnen,
leugnend, was ein Hellsichtiger euch zeigte.
Euch gab es Trost, mit Starrheit festzustellen,
ich sei so klein, so blind, so ausgeschlossen
wie ihr von der Begnadung heiligen Quellen.
Und ob auch meine Lippen überflossen
von ihren seligreinsten Feuerwellen,
ihr saht in ihnen nur die Flut der Gossen.
Ein Ausgestoßener und Gemiedener war ich nicht. Ich hatte einige echte Freunde: unter ihnen allerdings einen, der ganz ohne Geld, meist in einem leichten Rausch und deshalb selbst allgemein ausgestoßen und gemieden war. Er gehörte zu jener Klasse von Malern, die, einmal in Rom, bis zum Tode wie paralysiert im Kreise herumgehen und nicht mehr herausfinden.
Der Umgang mit diesem armen Sonderling und Hungerleider wurde mir auf der Fehlseite angekreidet. Das erfuhr ich erst, nachdem ich einige Monate lang römische Luft geatmet hatte. Es würde mich nicht beeinflußt haben, hätte ich es auch früher gewußt. Für die Enterbten der Straße hatte sich mir nun einmal bereits auf der Küchentreppe des Gasthofs zur Krone Verständnis und Neigung eingeprägt. Und wo gibt es mehr wunderliche und seltsam geformte Charaktere als im sogenannten unteren Volk? Wo werden so viele Originale ausgeschieden?
Auf eine bewunderungswürdige Art und Weise hatte sich der Maler Klein als Maurergeselle, der für sich und seine alte Mutter zu sorgen hatte, das Schulgeld und einiges darüber abgespart, um Malerei studieren zu können. Er hatte das Studium aufgenommen und es eine Reihe von Jahren da und dort, auch in München und Düsseldorf, fortgesetzt. Sein Aufstieg in die Sphären der Kunst hatte ihm die Rückkehr zu Maurerkelle, Hammer und Mörtel unmöglich gemacht. Aber weder war er ein Maler geworden, der vom Verkauf seiner Bilder leben kann, noch durfte er sich sagen, etwas Großes, wenn auch im stillen, erreicht zu haben. Das Handwerk, das wenn auch keinen goldenen, so doch einen festen Boden gehabt hatte, war nicht mehr, und falls er nun nicht versinken wollte, mußte er Bildchen für kleine Beträge oder Kreideporträts nach Photographien herstellen.
Ein solches Los hatte Klein sich nicht erträumt, und mit einer so tiefen Enttäuschung weiterzuleben war nicht leicht. Vielleicht denkt man daran, seinem Leben ein Ende zu machen, aber schließlich schleppt man sich fort, hungert, friert, ist auf dem Versatzamt zu Haus, wovon ich ja auch zu reden wußte, hie und da springt eine kleine Geldquelle auf, man hat den Alkohol, hat Betäubungen, und wenn man in dem zweifelsohne beglückenden Rausch Erfüllungen aller Wünsche zu erleben glaubt, so raunt einem eine Stimme ins Ohr, es sei ein und dasselbe, ob etwas sei oder ob es nur scheine, daß etwas sei.
Der Maler Klein, der sich, Gott weiß wie, seine paar Soldi täglich verschaffte, mochte von einem Stromer äußerlich kaum verschieden sein, aber er hätte sich, wenn er das Trinken gelassen hätte, in einen kynischen Philosophen umwandeln können, wie sie vor anderthalbtausend Jahren auf Straßen und Plätzen Roms herumstromerten.
Der Maler Klein bettelte nicht und pumpte nicht. Man erfuhr nur, wenn man ihn mit sich nahm und seinen bescheidenen Imbiß bezahlte, daß er tagelang nichts gegessen hatte.
Also Klein war durchaus nicht demütig, seine Philosophie, nicht die Epiktets, gab ihm doch einen ähnlichen Stolz, eine ähnliche Überlegenheit. Er könne zwar nichts als Künstler, sagte er, aber die anderen, die im Fette herumschwämmen, könnten noch weniger; er sei wenigstens kein Betrüger, sei ehrlich, beuge sich, während die Scharlatane sich aufspielten.
Da meine Mittel zu einer ernsten Stützung dieses gescheiterten Künstleroriginals nicht ausreichten, nahm ich ihn öfters in einen Laden mit, wo man Milch in Gläsern verabreichte. Ich gab mich dabei der Hoffnung hin, ihn einer Lebensweise zuzuführen, die, indem sie ihn gesund machte, ihm vielleicht den Sinn für einen gesunden Beruf wiedergeben konnte.
Der Maler Nonnenbruch, der sich später als zweiter Nathanael Sichel entpuppte, sagte eines Tages zu mir: »Lieber Hauptmann, Sie müssen arbeiten, müssen sich auf die Hosen setzen, müssen fleißig sein.« Für diese Mahnung dankte ich ihm, fand mich aber veranlaßt, ihn zu fragen, wie er zu der Annahme, ich wäre faul, gekommen sei. – »Ja, Sie wollen nichts tun, Sie meinen, es wird Ihnen alles in den Schoß fallen.« – »Aber wo haben Sie Ihre Weisheit her?« fragte ich wiederum. »Wir sehen uns manchmal im Künstlerverein, in meinem Atelier sind Sie niemals gewesen; man stützt doch eine solche Behauptung auf Beobachtung.« – »Oh, mein Lieber«, gab er zurück, »glauben Sie nur nicht, Sie würden nicht beobachtet!« – Gewiß, das wußte ich. – »Man sieht Sie da, man sieht Sie dort«, fuhr er fort, »Sie werden mit seltsamen Leuten gesichtet, man hat Sie fast zu jeder Tageszeit irgendwo in einer Kneipe, in einem Café oder auf der Straße festgestellt, und da der Tag nur zwölf Stunden hat . . .« Er schloß: »Ich mein' es gut mit Ihnen!« – Daß es so war, bestritt ich nicht, aber ich zuckte die Achseln und konnte nur sagen: »Wenn Sie diese Meinung haben, so werde ich Sie davon nicht abbringen.«
Was war nun an diesem um die Weihnachtszeit gemachten Vorwurf zutreffend?
Ich lebte nach meiner Landwirtsgepflogenheit. Ich hatte sie, weil mir der Schlaf nach etwa neunzehn wachen Stunden genügte, wieder aufgenommen. Vor zwölf erreichte ich selten meine Schlafstätte; um fünf saß ich auf meinem Bett, hatte dicke Bücher auf mein Tischchen unter die Petroleumlampe gelegt, um meiner Bildung aufzuhelfen. Bis sieben Uhr schluckte ich Biographien großer Männer hinab, dann begab ich mich auf die dunklen Straßen, um der Messe nacheinander in verschiedenen Kirchen beizuwohnen. Es war der Hang, den ich von Lederose nach Breslau mitgenommen hatte: das morgendliche Erwachen einer Stadt bis Sonnenaufgang zu verfolgen. Es lag darin immer eine mystische Schwelgerei, aber hier gipfelte sie in dem Meßwunder; fast unersättlich drängte es mich in dieses hier allgemein als göttlich verehrte Mysterium.
Etwa um acht, also noch bei Gaslicht, nahm ich in einem kleinen Café, wo Arbeiter und Arbeiterfrauen frühstückten, das Umbra genannte Gemisch von Kakao und Kaffee ein, wovon ich mich mehr als von bloßem Kaffee gestärkt fühlte.
Mittlerweile hatte die Helligkeit den für meine Arbeit im Atelier erforderlichen Grad erreicht, so daß ich dahin aufbrechen konnte. Hier stand eine noch recht unförmige Kolossalfigur aus nassem Lehm, die ich in gründlicher Verkennung meines Könnens und meiner physischen Kräfte aufgebaut hatte. Ich bosselte mit oder ohne Modell, meist auf einer Steigeleiter stehend, daran herum. Etwas Leichtes ist das Ringen mit den viele Zentner schweren Stoffmassen eines amorphen Erdenkloßes nicht. Ich hätte den mit leichten Pinseln elegant hantierenden Nonnenbruch einmal mehrere Tage lang mögen meine Stelle vertreten lassen! Ich arbeitete mit Besessenheit – und mit Verbissenheit. Da ich mich in zäher Wut manchmal selbst im Dunkel von meinem den Barditus singenden germanischen Giganten nicht trennen konnte, nahm ich brennende Kerzen in die Hand und frönte bis zur Erschöpfung meinem Bildtriebe.
Danach war ich meistens in einem Café zu sehen, bis ich mit diesem oder jenem Deutschen in eine kleine Weinkneipe übersiedelte zu einem von Wein belebten Abendbrot.
Mitunter besuchte ich dann noch den Künstlerverein, der Räume im Palazzo Poli hatte.
»Sie wollen nichts tun! Sie meinen, es wird Ihnen alles in den Schoß fallen! . . .« Es ist nun, denk' ich, ersichtlich geworden, wieviel Wahres an dieser Behauptung des Malers Nonnenbruch gewesen. Ich setze hinzu, daß ich mich auch an einigen Porträts meiner Freunde versucht habe.
Die Zeit nach der Arbeit bis Mitternacht gehörte der Geselligkeit, und es ist dabei keineswegs trübselig zugegangen.
Ich hatte von Breslau und Jena die Liebe zum deutschen Kommersbuch mit ins klassische Rom gebracht; daß die deutschen Studenten, besonders verglichen mit den Italienern, meist nur grölten, nicht sangen, störte mich nicht. So hatte ich denn ein großes Vergnügen, als ich eines Tages in den Räumen des Künstlervereins einen Wandschrank und darin Stöße von Kommersbüchern aufstöberte. Da gerade ein besuchter Abend war und Mitglieder sowie prominente Gäste um die lange Tafel des Hauptsaales hinterm Chianti saßen, erhob ich, erfreut über meinen Fund, ein großes Geschrei, und es vergingen kaum Minuten, bis ich den Schatz an der Tafel verteilt hatte.
Nun fing ich selber das »Gaudeamus« zu intonieren an und hatte die Freude, daß selbst die gelangweilten Geheimräte und frostigen Militärs in Zivil einstimmten. Stundenlang scholl dann der Hochgesang durch die hohen, weit offenen Bogenfenster der Südwand des Palazzo Poli über das Geräusch der Fontana Trevi, die ihr entspringt, auf die Straße hinunter. Dem »Gaudeamus« folgte die »Alte Burschenherrlichkeit«. »Am Brunnen vor dem Tore« wurde von »Ännchen von Tharau« abgelöst, dann »Jetzt weicht, jetzt flieht!«: das »Enderle von Ketsch«. Wie »Ein Hering liebt eine Auster«, wurde vielstimmig von Tenören und Bässen in Erinnerung gebracht, was im »Walfisch zu Askalon« geschah, ebenfalls. Und so fort.
Ich habe unvergeßliche Nächte im großen Saal des Palazzo Poli zugebracht, wenn die Fontana durch die offenen Fenster rauschte. Es ist die antike Aqua Virgo, die hier an der südlichen Travertinwand des Palastes ihre Wassermassen ausschüttet. Der weiche Süd sättigt seine feuchte Wärme, über den gewaltigen Neptunbrunnen hereinstreichend, zum Überfluß noch mit Wasserstaub, er bewegt das Haar des Trinkers und die Vorhänge. Es scheint absurd, in solchen Nächten zu Bett zu gehn.
In ebendiesem Saal des Palazzo Poli wurden am Weihnachtsabend die deutschen Christbäume angezündet. Vorher stellte man ein sogenanntes Krippel als lebendes Bild: Jesus, Maria, Joseph und die Hirten im Stall zu Bethlehem.
Ich glaube, es war die sehr schöne, blonde Palma-Vecchio-Tochter des Bildhauers Kopf, welche die Maria darstellte. Ich habe als einer der Hirten mitgewirkt. Als sich das Bild aufgelöst hatte, sagte ein Franzose, Lektor an der römischen Universität, mit Beifallsbewegungen seiner Handflächen mir die drei Worte im Vorbeigehen: »Le premier acteur!«
Er schmeichelte, was er nicht wußte, einem wachsenden Ehrgeiz in mir.