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Das schiefe Täntchen Auguste mit ihrer langen Hexennase und ihrem kleinen Rückenverdruß fing damals an, sich für mich stärker zu interessieren. Es wich, wie mir schien, jene Abneigung, die wir früher einer gegen den anderen gespürt hatten, wenn sie auch nicht für mich die gleiche Wärme wie für Carl, geschweige Vetter Georg, aufbringen konnte. Ich wurde durch sie ohne Aufdringlichkeit – denn sie fürchtete meinen Vater – auf das herrnhutische Wesen im Sinne des Grafen Zinzendorf, die aufopfernde Tätigkeit christlicher Missionare unter den Völkern des dunklen Erdteiles und auf die Poesien des Grafen Moritz Strachwitz hingewiesen. Ich hatte auch nichts dagegen, wenn sie mich aus kleinen bedruckten Blättchen biblische Leitsprüche und Orakel stechen ließ.
Auch deutete sie mir an, man müsse Gott danken, daß Carl gesund geworden sei; es sei aber auch in den Brüdergemeinden, dank Onkel Schubert, für ihn gebetet worden.
Meine Schwester Johanna – sie war diesmal aus irgendwelchen Gründen in Breslau geblieben – war immer noch besonders für Tante Elisabeth ein nicht zu vermeidendes Gesprächsthema. Wie sie lebe? Was sie in Breslau zu tun habe? Wahrscheinlich Theater, Tanz, Weltlichkeit wäre das, was sie ausfülle, einem jungen Mädchen verderbliche Dinge, die zu Putz, Eitelkeit, Lebensgenuß und Gott weiß was noch verführen müßten. Hier war ich nicht ohne Schalkhaftigkeit, übertrieb und schnitt in alledem auf, was Johanna angeblich Sündhaftes ausführte. Das staunende »Ach! Nein! Unmöglich!« der Tanten ergötzte mich.
»Siehst du, Auguste«, sagte die jüngere, »das ist der weltliche Geist vom Kurländischen Hof. Ich habe es dir immer gesagt, der Einfluß von Mathilde Jaschke auf Johanna ist unverantwortlich.«
Auch diese beiden Damen, die um Johannas Seele rangen, vermochten sie ebensowenig wie meine Mutter von ihrer Freundin Mathilde abzuziehen.
Fräulein Mathilde Jaschke war mir gegenüber diesmal wie immer die Güte selbst. Sie stellte mich einigen Damen vor, die inzwischen den Kurländischen Hof bezogen hatten. Fräulein von Randow hatte ihr zwar einen Teil ihres Barvermögens hinterlassen und das Wohnrecht im Kurländischen Hof, den sie zu einem Damenstift bestimmt hatte, so daß allerdings Fräulein Mathilde Jaschke lebenslang auch Oberin dieses Stiftes sein sollte. Dies bedeutete eine Regelung, die dem Drange der Pflegetochter nach unabhängiger Tätigkeit keineswegs entsprach. Unter vier Augen hatte auch ich die Ehre, von ihr mit Klagen darüber ins Vertrauen gezogen zu werden.
Eine kleine Summe aus ihrer Hand versüßte mir auch diesmal, wie meist, ein wenig die Rückreise.
Während dann mein Körper in der Hauptstadt war, befand meine Seele sich noch in Salzbrunn und bewegte sich um mein Elternhaus. Der Prozeß des Losreißens von meiner Heimat und meiner Jugend war eben schmerzlich und langwierig. Man wird die Zuflüsse, die schließlich das Gesamtbewußtsein eines Menschen bilden, nie erschöpfend nachweisen. Ich will nun wenigstens einiger gedenken, die man wohl äußerst trübe nennen kann. Zwar lag der Tempel Thaliens, darin ich mit meinem Vater als Kind den »Orpheus« von Offenbach gehört und gesehen und später dann die feierlich edlen Eindrücke des Meiningischen Theaters genossen hatte, am Zwingerplatz dominierend vor der Realschule; doch andre, ganz andre Institute zeigte ihre andere Umgebung. Ihr Widerschein und ihr Widerhall spielten in die Schulklassen, und auch in die niedrigsten, hinein.
In der engen Zwingerstraße durften die öffentlichen Dirnen ihr Quartier haben. Damals wohnten sie noch in kleinen Häuschen und trieben in Parterreräumen ihr Geschäft. Es verging kein Tag, besonders als ich noch von der Feldstraßen-Pension aus die Zwingerstraße mitunter viermal täglich passieren mußte, wo ich nicht eines von den frechen Weibern zu sehen bekam. Und ebensowenig verging auch jetzt noch ein Tag, wo nicht ekelhafte und wüste Geschichten aus diesem Gebiet im Schulzimmer kolportiert wurden: Prügeleien, Verstümmelungen und Mordgeschichten, die zum Teil auf Erfindungen einer schmutzigen Phantasie zurückgingen.
Seitlich an die Schule grenzte ein Hof, im Volksmund genannt: der Sichdichfür. Es war damals eine Unterkunft für allerlei dunkles Gesindel und Fuhrwerke. Der Gebäudekomplex, der den Hof und Gassendurchgang umgab, war uralt, dem Zerfalle nah und bestand aus dumpfen Höhlen und Wohnlöchern. Ich durchquerte oft diesen Sichdichfür, wo ich mit Stroh verbarrikadierte Fenster, zum Trocknen ausgehängte Wäschelumpen sah, aber mir ist nichts zugestoßen.
Übler war die Quergasse hinter der Realschule und dem Sichdichfür. Hier befand sich das berüchtigtste aller Lokale, der »Musentempel«. Leider muß gesagt werden, daß von diesem in den unteren Klassenzimmern mehr als vom Stadttheater die Rede war. An Weibern, welche – Apoll verzeihe! – als Musen geführt wurden, waren mehr als neun in Dienst gestellt. Dieser Dienst hatte Formen, die an Schamlosigkeit nichts zu wünschen ließen, wie ich selber nach Jahren feststellen konnte. So drängte sich die Subura Breslaus überall mit ihren ärgsten Kloaken dicht an die reine Stätte der Bildung heran.
Seit wir bei Pastor Gauda wohnten, hatte ich den großen Exerzierplatz zwischen dem Königlichen Schloß und Stadtgraben, Theater und Ständehaus täglich zu überqueren. Der Drill von damals, der hier in aller Öffentlichkeit sich auslebte, konnte eine Liebe zum Militärdienst schwer aufkommen lassen. Wie der Unteroffizier jener Zeit mit seinem Rekrutenmaterial verfuhr, davon ist heut nichts mehr übriggeblieben. Manchmal gab es eine Empörung des Publikums, das sich am Platzrand auf der Promenade bewegte. Manchmal war eine allgemeine Arretierung deshalb nicht fern. Bald sind dann die Exerzitien mit den grünen Neulingen in die geschlossenen Kasernenhöfe verlegt worden.
Mein Verhältnis zur Familie meiner Pensionsgeber erfuhr keine Veränderung, ebensowenig das zur Schule. Die Frauen im Gaudahause wollten mir wohl. Ich will noch eine Erfahrung berichten, aus der ein Lebensbesitz für mich geworden ist. Das Lächeln auf dem Gesichtchen des kleinen, drei Wochen alten, schlafenden pastörlichen Stammhalters erregte in mir eine unvergängliche, entzückte Betroffenheit. Wie konnte dieses Wesen, das noch ohne alle Erfahrung im Leben war, so glückselig lächeln? Es mußte in Himmeln gelebt haben, deren es sich, jetzt noch ihrer sicher, im Schlaf erinnerte.
Wie einen Edelstein lege ich diesen Besitz, ohne mehr darüber zu sagen, in den Behälter meiner Seele zurück.
Wir nahmen teil an dem Gottesdienst, den der Pastor in der Kirche des Inquisitoriats vor den Insassen hielt. Ich habe niemals einen Pastor seine Predigt so langsam, so tropfenweise, mühsam Wort für Wort gebärend, halten hören. So zu sprechen hielt ich, selbst bei meinem damaligen Geisteszustand, für keine Schwierigkeit. Die Sitze der sonderbaren Gemeinde waren amphitheatralisch aufgebaut, in einer Anordnung, nach der keiner der Hörer den andern zu sehen vermochte. Etwas Ähnliches wie bei der öffentlichen Weihnachtsbescherung im Kurhaus zu Salzbrunn, als die Feierlichkeit durch das Geschimpfe von Frau Enke entweiht wurde, geschah in einer der letzterlebten Andachten. Der Pastor unterbrach sich, er griff mit heftigen Worten einen von den Hörern heraus, der geschlafen oder sich sonst etwas Ungehöriges erlaubt hatte, und kanzelte ihn gehörig ab. Während er dann wieder Wort um Wort langsam und mühsam von sich gab, fragte ich mich, wie dieses überschäumende Temperament mit all seiner derben Kraft auf diese Methode gekommen sein konnte und welcher Defekt zugrunde lag.
Ich weiß überhaupt nicht, was der Pastor als Mensch gewesen ist. »G. H. hat angeblich wegen Krankheit drei Tage die Schule versäumen müssen.« So lautete ein Entschuldigungszettel, den er mir mitgab und den ich dem Ordinarius vorlegen mußte. Zur Ehre des Mannes darf ich sagen, daß er den Zettel besah, dann mich, dann nochmals den Zettel und ihn achselzuckend und schweigend weglegte.
Dies war eine Denunziation. Es folgte späterhin gegen Carl eine andere.
Eines Tages, mit zwei bis drei Mark in der Tasche, kam mir plötzlich auf dem Großen Ring der Wunsch, irgendein Buch zu besitzen, das nicht Schulbuch war. Ein Appetit oder Hunger nach Süßigkeit führt zur Konditorei, mich führte ein ähnlicher Hunger nach dem Buchladen. Gesegnet sei der junge Mann hinterm Ladentisch, der für mich die Wahl übernahm und die Gedichte Adelbert von Chamissos aus dem Regal herunterholte.
Sogleich vertiefte ich mich hinein und hatte auf einmal einen Freund, dessen Trost nie versagte. Es war die Not, war die geistige Not und Verlassenheit, durch die ich zu Dichtung und Dichtern geführt wurde. Kein anderer Dichter hätte um jene Zeit mir so viel bedeuten können. Das Balladeske, das Gegenständliche, das Goetheverwandte entsprach damals meinem Wesen. Der vielfach abenteuerliche Stoffkreis, der ins Mittelalterliche hinunterreicht, sich über Europa, ja über die ganze Erde verbreitet, vermöge der Weltreise, die Chamisso mit dem russischen Kriegsschiff »Rurik« ausgeführt hatte, beglückte und bereicherte mich. »Frauen-Liebe und ‑Leben«, durch Thumann versüßlicht, tat ebenfalls seine Wirkung auf mich, wie die Humore der spanischen Balladen, schließlich vor allem »Salas y Gomez«:
Salas y Gomez raget aus den Fluten
des stillen Meers, ein Felsen kahl und bloß,
verbrannt von scheitelrechter Sonne Gluten . . .
Hier bringt ein Gestrandeter einsam viele Lebensjahre zu, nährt sich von Vogeleiern und zeichnet sein Schicksal auf Schiefertafeln, die er vom Felsen bricht. Aber immer und allezeit gegenwärtig war mir das Gedicht »Schloß Boncourt«, das beginnt:
Ich träum' als Kind mich zurücke
und schüttle mein greises Haupt;
wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,
die lang ich vergessen geglaubt?
Hoch ragt aus schatt'gen Gehegen
ein schimmerndes Schloß hervor;
ich kenne die Türme, die Zinnen,
die steinerne Brücke, das Tor . . .
Chamisso ist der deutscheste Dichter, dabei französischer Emigrant, und dieses Gedicht betrifft das Stammschloß in Frankreich.
Zwischen meiner dem Spiel und der Einbildungskraft hingegebenen Kindheit, mit ihrer Vermischung der wirklichen und der Bücherwelt Defoes und Coopers, und diesen Dichtungen bestand ein folgerechter Zusammenhang. Die Enden des gewaltsam zerrissenen goldenen Fadens, der durch mein ganzes Leben gehen sollte, hatten sich wieder zusammengefunden. Ich wußte zunächst nicht, daß es so war. Ich nahm diese Schicksalsgabe hin wie etwas ganz Neues in meinem Leben, das ich vor jedermann zu verbergen für notwendig fand. Es führte mich unterirdisch weiter.
Die Vorstellungen, mit denen sich vom Elternhause her mein Bewußtsein erfüllte, gewannen einerseits an Dramatik, andrerseits verdüsterten sie sich. Zwischen Sorgau und Salzbrunn krachten jetzt täglich die Sprengschüsse. Feldbahnen mit kleinen Lokomotiven schleppten Sand und Geröll hin und her. Eine Armee von fremden Arbeitern, teils Italienern, machte abends und nachts die Gegend unsicher. Das Gestein aus einem tiefen Durchstich bei Sorgau wurde zu einem Damm verwendet, auf dem der Bahnzug das Mitteldorf überqueren sollte. In Salzbrunn wurde ein Bahnhof gebaut. Der Zug nach Breslau, mit dem ich jeweilig fuhr, ging nun an dem künftigen Bahnhof Sorgau vorbei, der mitten im Feld im Entstehen begriffen war. Aufschüttungen gewaltiger Art ließen eine Plattform für viele Gleise erkennen. Das aus seinen Fundamenten mehr und mehr wachsende Gebäude war ein roter Backsteinbau.
In überstiegenen Hoffnungen und Erwartungen wurde der gewaltige Aufschwung des Badeorts vorausgesehen, und auch die ehemaligen Bauernbrüder Demuth mit ihren verschuldeten Unternehmungen zählten darauf.
Gerade um diese Zeit trat in den Geschäften meines Vaters eine schwere Krise ein, darin sich der Kapitalsverlust durch Auszahlungen an die Halbgeschwister zum erstenmal im Sinne von Sein oder Nichtsein auswirkte. Es gab keine andere Möglichkeit, als meine Mutter zu veranlassen, ihre bei der Familienerbschaft so sehr bevorzugten Schwestern um ein größeres Darlehen anzugehen. Mit Entrüstung wurde von den frommen Damen das Ansinnen der Schwester, dem Schwager hilfreich beizustehen, abgelehnt.
War es nun, daß mein Vater keine weitere Wahl hatte als dieses Darlehen oder Untergang: es wurde mit Drängen nicht nachgelassen. Und alle konvulsivischen Zuckungen der Damen vom Dachrödenshof konnten sie schließlich nicht vor Preisgabe einer nicht unerheblichen Summe bewahren.
Die Zähigkeit von Tante Elisabeth in dem Bestreben, Sicherheiten zu schaffen, ging so weit, die ganze Familie für den Betrag bürgen zu lassen. Außer der Mutter zogen die Damen Carl und mich, den Knaben, als Bürgen heran. Ich sollte mich, erwachsen, falls das Darlehen noch nicht zurückerstattet sei, als Schuldner verpflichtet halten. Tante Elisabeth machte mir klar, daß ich ja schließlich einer der Nutznießer sei.
Wie seltsam, daß in einer der letzten Bänke der Sexta ein verachteter, zarter Junge saß, der wie ein Erwachsener für eine große Geldsumme gutsagen sollte.
Im heftigen Hin und Wider jener Tage und jener Verhandlungen habe ich manche neue Seite der Menschennatur kennengelernt. Bibelsprüche auswendig zu wissen, und zwar in einer fast erdrückenden Fülle, wurde auf der Realschule ebenso wie in der Dorfschule von uns verlangt. Somit kannte ich auch die Lehren der Bibel, unter anderem die: »Wer zween Röcke hat, der gebe dem, der keinen hat!« Ich wußte auch, was der Heiland zum reichen Jüngling sagt, kannte das Beispiel vom Kamel und dem Nadelöhr, dem reichen Mann und dem armen Lazarus. Und so war mir klar, daß die Frömmigkeit meiner lieben Tanten, so fromm sie auch sein mochten, vor dem Gottessohn nicht bestehen konnte.
Um jene Zeit herum müssen auch die Pensionsraten an Pastor Gauda unregelmäßig geflossen sein. Zu seiner Ehre sei es gesagt, er hat es uns niemals merken lassen. Aber er tauchte im folgenden Jahr, und zwar während der großen Ferien, plötzlich in der Krone auf, und ich erfuhr, daß er während dreier Wochen im Genuß aller guten Dinge des Hotels als privater Gast der Familie gehalten wurde. Ich gehe sicher nicht fehl, wenn ich annehme, daß mein Vater auf diese Weise eine restliche Schuld abtragen wollte.
Auf meinen Wunsch erhielt ich in Breslau Geigenunterricht. Das bewog meinen Bruder Carl, sich ein Cello zu wünschen, ein Instrument, das obenhin genommen seinen etwas sentimentalen Neigungen entgegenkam. Ich hatte den Eindruck, daß er mir sehr bald musikalisch überlegen war und mit seinem Instrument organischer und besser als ich mit dem meinen zusammenwuchs.
Ein alter Orchestergeiger, dessen Können mit dem des Doktors Oliviero nicht zu vergleichen war, kam zweimal die Woche zu mir ins Pastorhaus. Er versteckte die Geige auf der Straße unter den Rockflügeln. Späterhin zog es mich in ein Privatinstitut, das ein aktiver Konzertmeister leitete. Ich fühlte mich im Gelärm der Violinen wohl, durch das der Konzertmeister schritt, Etüden spielend und phantasierend. Und übrigens wurde ich hier von groß und klein als berechtigter Mitmensch geachtet, was mir eine besondere Wohltat war.
In dieser Umgebung spielte mir wiederum der Geigenmythos einen Streich, der mit dem ererbten Instrument zusammenhing, das eines Nachts aus dem Großen Saale des Gasthofs zur Krone gestohlen worden war. Ein messingbeschlagener Kasten hatte, wie schon erzählt, die Einbrecher angezogen. Ich hatte meinen kindlichen Kameraden, wie man weiß, allerlei flunkerhaftes Zeug vorphantasiert, aber auch in der Familie wurde das alte, verlorengegangene Instrument mehr und mehr als unersetzlich in seiner Art betrachtet. Mein Vater würde es jederzeit wiedererkennen, behauptete er, und zwar an einer Reparatur, die an der Schnecke ein eingesetztes Dreieck von hellerem Lack zeige.
Der nächtliche Einbruch bei Schneegestöber, das Instrument mit dem eingesetzten Keil, eine krankhaft-romantische Sucht, es wiederzufinden, blieben auch in Breslau Inventarstücke meiner Einbildungskraft. Nun wollte der Zufall, daß ich eine Geige mit genau derselben Reparatur in der Hand eines älteren Schülers bemerkte.
Zu Hause sprach ich dem Vater davon.
Als ich einmal wiederum schulkrank zu Bette lag, trat ein würdiger Herr bei mir ein, der mich über die Geige mit dem in der Schnecke eingefügten Teil ausfragte: Wo ich das Instrument gesehen habe? wem es gehöre? und so fort. Dieser Mann war ein Detektiv, den mein Vater wahrscheinlich durch Onkel Paul zur genaueren Untersuchung bestellt hatte. Natürlich kam nichts bei der Sache heraus. Der Konzertmeister, ohne seine Läufe und Triller zu unterbrechen, sagte zu mir, er könne schon verstehen, daß man einer gestohlenen guten Geige nachspioniere. Der Besitzer der Schnecke mit dem Keil sein ein hiesiger Patriziersohn. Vielfach sehe man gerade diese Reparatur, sie sei deshalb kaum ein Erkennungszeichen. Und übrigens habe die Familie des jungen Geigers die fragliche, in der Tat sehr schöne, und zwar von Stainer gebaute Tiroler Geige schon vom Großvater her im Besitz.
Der würdige Detektiv hatte das gleiche an meinen Vater berichtet, und so war dieser überaus kindliche Versuch, eine phantastische Wolke sich verdichten zu lassen, unter der Hand still abgetan.
Möge aber schon jetzt gesagt werden, daß diese Wolke sich später verdichtet hat: ist doch im Jahre 1898 eine Meistergeige des Stradivarius mein Hausgenosse geworden.