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Siebzehntes Kapitel.
Am Krankenlager.

In seinem weißen Kostüm, den Totenkopf und den Knochenarm geschickt darin dirigierend, bestieg Walter das Brett, das von seinen beiden Gehilfen langsam hinausgeschoben wurde, bis es sich dicht vor dem Fenster des Rektors befand. Es war lange nach Mitternacht, die Straße ganz menschenleer, das Haus vor ihm lag in tiefer Dunkelheit bis auf einen schwachen Lichtstrahl, der verriet, daß der Gelehrte in seinem Studierzimmer noch auf war.

Walter klopfte mehrmals an das Fenster; die Sache machte ihm riesigen Spaß, obwohl das Brett unter seiner Last hin- und herschwankte. Endlich sah er den Umriß einer dunklen Gestalt in dem Thürrahmen erscheinen; dann öffnete sich das Fenster und er hatte das Vergnügen, daß Magnificus erschrocken zurückprallte; aber im nächsten Moment faßte er sich und schlug nach dem Totenkopf, der kaum in Armeslänge von ihm entfernt war. Dieser fiel zur Erde, die Gewandung sank zurück und Walters Züge wurden sichtbar.

»Ach, Märtens, Sie stecken hinter dem Spuk!« rief

Professor. »Jetzt will ich doch auch Ihre Helfershelfer kennen lernen.« Er trat vom Fenster zurück, man hörte ihn heftig die Klingel ziehen, und Walter beeilte sich, den Rückweg zu nehmen.

»Schnell, schnell, zieht das Brett ein!« rief er den beiden Freunden zu. Diese verfuhren vor Schreck und Bestürzung ungeschickt, das Brett geriet in heftige Schwankungen; ließen sie los oder verlor Walter das Gleichgewicht, kurz, das Ende, auf dem er saß, senkte sich, er stürzte mit lautem Schrei auf das Pflaster nieder, man hörte das Aufschlagen seines Körpers, dann ein Ächzen, danach wurde es still.

»Walter, um Gottes willen, hast du etwas gebrochen?« riefen die beiden entsetzt, erhielten aber keine Antwort.

Drüben sah man an mehreren Fenstern Licht – der Fall war auch dort wohl gehört worden.

»Wir müssen fort,« flüsterte Ernst, »helfen können wir ihm doch nicht; »fassen sie uns, so werden wir sicher relegiert.«

»Aber wir können Walter doch nicht so im Stich lassen!« sagte Hermann kleinlaut.

»Weißt du denn, ob er noch lebt?« fragte der andere zurück; »jedenfalls ist er ohne Besinnung, hat vielleicht Arm und Bein gebrochen. Ich fliehe, es ist keine Zeit zu verlieren, fort!«

Sie eilten davon, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, und durch das Mauerpförtchen gelangten sie bald vor die Stadt ins Freie und auf einem Umwege wieder in ihre Wohnung. Am nächsten Morgen ließen sie sich mit dem unbefangensten Gesichte die seltsamen Geschichten erzählen, welche in der Stadt umliefen. Der Schneider hütete sich etwas zu verraten; er behauptete, sein Hausschlüssel müsse ihm von einem der Studenten, die ja so häufig in seine Werkstatt kämen, heimlich entwendet sein er habe ihn vergebens gesucht; auch von Geräusch oder Lärm in seiner Werkstatt wollte er bei seinem festen Schlafe gar nichts gehört haben.

Von Walter war über den Vorfall nichts Näheres zu erfahren. Man fand ihn vor dem Hause des Professors in einer Blutlache, als die Insassen des Hauses herbeieilten; er hatte ein tiefes Loch im Kopfe und noch außerdem einen Armbruch erlitten, der Arzt hielt zwar die äußeren Verletzungen für ungefährlich und den Bruch für einen gutartigen, der ohne schlimme Folgen heilen würde, aber er fürchtete eine Gehirnerschütterung, und diese Besorgnis bestätigte sich. Ohne Bewußtsein lag der Unglückliche und das Gesicht des Doktors wurde immer ernster. Auf den Wunsch des Rektors sollte über den ganzen Vorfall vorläufig Schweigen bewahrt werden, und da außer seinen eigenen Hausgenossen nur wenige Personen eingeweiht waren, die an der Geheimhaltung ein wichtiges Interesse hatten, so vermieden diese es, davon zu sprechen, und man munkelte daher in der Stadt nur allerlei.

Georg hatte keine Ahnung davon gehabt, daß Walter bei dem Spuk beteiligt gewesen, und ebenso wenig hörte er etwas über den Unglücksfall, der ihm zugestoßen war; was von dem nächtlichen Abenteuer zu ihm gelangte, war so entstellt und übertrieben, daß er die ganze Erzählung in das Reich der Fabel wies. Wie erschrak er daher, als einige Tage später Walters kleiner Bedienter bei ihm eintrat, so bleich und verstört, daß er ihn kaum erkannte.

»Was ist geschehen?« rief er ihm entgegen; aber der arme Junge war so erschöpft, daß er statt der Antwort in Thränen ausbrach und es lange dauerte, bis er Fassung gewonnen hatte.

»Er hat noch kein Wort gesprochen, seit sie ihn Neulich nachts nach Hause brachten, über und über voll Blut,« erzählte er. »Der Doktor kommt oftmals; ich lege ihm fortwährend Eisbeutel auf, und unsere Wirtin ist auch gut; aber ich fürchte mich so sehr in der Nacht, wenn der junge Herr ganz wie ein Toter daliegt. Die Augen fallen mir auch zu; ich kann's nicht mehr aushalten. Da dachte ich, Sie würden uns beistehen.«

»Daran hast du recht gethan,« sagte Georg, indem er aufstand und nach der Mütze griff. »Aber sind denn seine Freunde nicht bei deinem Herrn?«

»Niemand läßt sich sehen,« klagte Anton. »Die jungen Herren fürchten gewiß, daß es eine Untersuchung geben könne.«

»Komm,« sagte Georg, »ich bleibe bei euch, so lange ihr mich nötig habt.«

Er erschrak beim Anblick des Freundes. Die Kopfwunde desselben hatte einen umfangreichen Verband erfordert, der Arm lag in einer Schiene; die Augen geschlossen, das Gesicht fahl, so war das Bild blühender Gesundheit in eine Jammergestalt umgewandelt. Er nahm schweigend den Platz am Krankenlager ein, der seit Antons Fortgang leer gewesen war, sorgte für kühlende Kompressen und feuchtete die trockenen Lippen an, was dem Bewußtlosen wohl zu thun schien, denn er öffnete die Augen und lallte etwas Unverständliches, um dann in seine Lethargie zurückzusinken. Georg vermochte kaum seinen Thränen zu gebieten; aber hier galt es Ruhe und Besonnenheit. Anton war von Anstrengung und Mangel an Schlaf ganz überwältigt; deshalb gebot er ihm, sich niederzulegen, und als der treue Mensch zauderte, fügte er hinzu: »Ich wache bei deinem Herrn; es soll ihm an nichts fehlen. Bleibe im Nebenzimmer; sollte ich deiner bedürfen, rufe ich.«

Anton wankte hinaus und warf sich auf das Sofa, wo er sogleich, beruhigt durch Georgs Gegenwart, in tiefen Schlaf versank. Dieser deckte den armen Burschen mitleidig zu und verhalf ihm zu einem bequemeren Lager; dann wandte er seine ganze Sorgfalt dem Kranken zu, dessen Pflege bisher mit mehr gutem Willen als mit Verständnis besorgt zu sein schien. Das Zimmer befand sich in schrecklichster Unordnung, das Lager nicht minder; Anton hatte es an Besonnenheit gefehlt; die Wirtin, eine gutmütige, aber unerfahrene Frau, hatte mit ihrer eigenen Häuslichkeit und ihren vielen Kindern zu thun und hatte nicht viel Zeit für die Krankenpflege.

Als der Arzt nach einigen Stunden kam, bemerkte er mit Freuden die Veränderung, die unterdes vorgegangen war; das Bett hatte statt der blutbefleckten frische Leinentücher erhalten, es war für Lüftung gesorgt, die Fenster waren zweckmäßig verdunkelt, und Georg erneute am Krankenbette mit Sorgfalt die Eisumschläge.

»Gott sei Dank, daß endlich ein verständiger Mensch sich des armen Jungen annimmt,« sagte der Doktor; »es war wirklich zum Verzweifeln. Bei seinen dummen Streichen hat es ihm nicht an Beistand gefehlt; nun halten sich seine Helfershelfer aber fern, um nicht in Ungelegenheiten zu kommen. Ja, ja, Freunde in der Not!«

»Ist die Gefahr groß?« fragte Georg leise.

Der Arzt zuckte die Achseln. »Das Gehirn hat offenbar sehr gelitten; erst hoffte ich, es sollte nach einigen Tagen besser werden, jetzt besorge ich schlimme Zustände. Wir müssen uns auf heftige Delirien gefaßt machen, wenn die Betäubung nachläßt, und was das Ende sein wird, kann niemand wissen.«

»Ist sein Vater schon benachrichtigt?« fragte Georg.

»Nein; bis jetzt hoffe ich ihm den Schreck ersparen zu können,« antwortete der Doktor. »Aber es giebt im besten Falle ein langwieriges, lebensgefährliches Krankenlager; ob Tod, ob Wahnsinn, ob Genesung erfolgen wird, läßt sich nicht vorhersehen.«

»Dann werde ich wohl schreiben müssen,« sagte Georg.

»Es ist das beste,« stimmte der Arzt zu. »Sie bleiben also hier. Das ist brav von Ihnen. Der kleine Bursche, der Anton, hat wirklich nach Kräften seine Schuldigkeit gethan; aber es war zu viel für den armen Kerl.«

»Ich weiche nicht von meinem besten und einzigen Freund, bis alles entschieden ist,« sagte Georg ruhig.

»So, Ihr bester Freund?« wiederholte der Arzt, ihm scharf ins Auge blickend. »Sie sehen nicht aus, als ob Sie die Tollheiten mitgemacht hätten; aber warum hielten Sie ihn nicht davon zurück? Jugend hat keine Tugend; etwas hält man euch jungen Leuten ja zu gut, aber dieser hier hat's doch gar zu bunt getrieben. Wenn er besser wird, giebt's noch einen schlimmen Handel mit der alma mater; er hat sich ja vor Magnificus selbst nicht gescheut.«

»Wir waren in letzter Zeit nicht immer einig,« sagte Georg.

Der Doktor that einen leisen Pfiff. »Aber jetzt lassen Sie ihn nicht im Stich, das ist rechtschaffen gehandelt,« sagte er, Georg auf die Schulter klopfend, »und nun wollen wir zusammen versuchen, was wir für den armen Kerl thun können.«

Es waren schwere Tage und Nächte, die Georg am Krankenbette seines Freundes verlebte, und die Pflege war eine so anstrengende, daß selbst seine starke Natur dem Erliegen nahe war. Anton stand ihm treu zur Seite; er gewann Mut und Besonnenheit durch Georgs Nähe und zeigte sich brauchbar und stets willig. Der Kranke lag im heftigsten Fieber, von wilden Phantasien gequält, die sich zu heftiger Raserei steigerten, so daß er oft kaum zu bändigen war. Es war ein harter Kampf zwischen Tod und Leben, und bange Stunden zogen an den Pflegern vorüber, in denen alle Hoffnung verloren schien; ja, es gab noch schrecklichere Befürchtungen, die Georg beunruhigten, so daß er dachte, der Tod würde der drohenden Geistesnacht gegenüber nicht das Schlimmste sein.

Bei der Langsamkeit der Beförderungsmittel verging fast eine Woche, ehe der Oberbürgermeister bei seinem Sohne anlangte, obwohl er sofort nach Empfang der traurigen Nachricht abreiste. Die Schulzen hatte ungestüm verlangt, ihn zu begleiten und sich kaum durch das Versprechen beruhigen lassen, daß sie sofort gerufen werden sollte, wenn man sie brauchen würde; Lottchen bedürfe ihrer doch auch, und sie solle bei dieser bleiben. – Es war eine furchtbare Reise für den alternden Vater, der alle seine Hoffnungen auf diesen Sohn gesetzt hatte, und unter seiner äußeren Ruhe verbarg sich ein an Verzweiflung grenzender Schmerz. Wie qualvoll langsam kam er vorwärts, und doch hatte er die schnellste der damaligen Reisegelegenheiten, die Extrapost, gewählt und reiste Tag und Nacht.

Endlich trat er in das verdunkelte Zimmer, schwankend, gebrochen,, kaum wagend eine Frage zu thun; die Wirtin, die ihn an der Hausthür empfing, hatte auf sein gestammeltes: »Lebt er noch?« nur ein trauriges Kopfnicken und die Antwort gehabt: »Ja, aber wir sind auf alles gefaßt.« Da stand er und blickte auf die abgezehrte Gestalt mit den fieberglühenden Wangen und den tief eingesunkenen, unheimlich funkelnden Augen, aus denen das wilde Feuer des Wahnsinns blickte. Mit einem Mal trat mit furchtbarer Klarheit vor seine Seele, was zu befürchten stand; auf Tod hatte er sich mühsam vorbereitet, dieser andere Gedanke war ihm nie gekommen: sein Sohn, sein Stolz, sein Abgott, für den er gelebt, auf den er alle seine Hoffnungen gebaut, sollte als Wahnsinniger durchs Leben gehen! Mit einem Schrei sank er ohnmächtig an dem Lager nieder, überwältigt von der entsetzlichen Vorstellung. In Georgs Armen, unter seiner liebevollen Pflege kam er wieder zu sich, und die Gemeinsamkeit des Schmerzes löste den Krampf des Jammers, der die Sinne des unglücklichen Mannes gefangen hielt, so daß er in Thränen Linderung und Erleichterung fand.

»Nur jetzt nicht die Schulzen hierher,« sagte er zu Georg, als er erst wieder imstande war, klar zu denken, »ich könnte ihr Wehklagen nicht hören.« So mußte dieser der treuen Seele schreiben, daß sie sich auf keinen Fall aufmachen solle, da es nicht an Pflege mangele; es sollten täglich Nachrichten an Lottchen abgehen.

Aus den schweren Tagen wurden Wochen, und noch immer weilte der Oberbürgermeister bei seinem Sohne; so gebieterisch ihn auch sein Amt verlangte, sein Vatergefühl siegte über jede andere Pflicht. Wie hätte er jetzt sich um die beständigen Durchmärsche der französischen Truppen kümmern, wie für ihre Unterbringung und Verpflegung sorgen, wie die Klagen der Bürger über Überbürdung, die Forderungen der Fremden, den Schmerz der Patrioten anhören können! Er hatte alles, alles vergessen in der Sorge um seinen Sohn. Angstvoll hing sein Auge an der Miene des Arztes, verzweifelnd spähte er nach einem Zeichen der Besserung bei dem Leidenden, doch immer vergebens. Sein Haar war schneeweiß geworden, die hohe Gestalt zusammengesunken, die sonst so stolzen Züge sprachen jetzt von der Seelenangst, die ihn fast verzehrte; so wich er nicht von dem Bette und war nur mit Mühe zu bewegen, sich den notwendigsten Schlaf zu gönnen.

Georg pflegte unermüdlich den Freund und tröstete den unglücklichen Vater, so viel er vermochte; er hatte das Krankenzimmer in der ganzen Zeit kaum verlassen, und der Arzt zürnte ihm und prophezeite, er würde selbst bald zusammenbrechen.

Endlich trat leise, fast unmerklich eine Besserung im Befinden des Kranken ein; Georgs Auge sah die günstigen Symptome, noch ehe der Arzt sie wahrnahm, und dieser schüttelte zuerst den Kopf zu seinen neuerwachten Hoffnungen. Aber bald stimmte er ihm bei, und nun schwand die Gewalt der Krankheit ganz allmählich. Wie rührend war es, als der Doktor dem Vater die Aussicht auf zwar langsame, aber völlige Genesung eröffnen konnte! Ein kräftiger, stolzer Mann war es gewesen, der den Hiobsbrief mit der traurigen Meldung erbrach, ein ergrauter, gebeugter Greis hörte er mit hervorbrechenden Thränen die Kunde, daß sein Sohn leben, genesen werde. Wie er in heißen Gebeten mit Gott gerungen, um Schonung oder wenigstens um Kraft sein Schicksal zu tragen gebeten hatte, das hatte kein Menschenauge gesehen; jetzt aber kam es laut über seine zitternden Lippen, wie an dem Tauftage seines Sohnes, nur noch jubelnder, noch tiefer empfunden: »Herr, ich bin viel zu geringe aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir gethan!«

Noch in derselben Stunde ging ein reitender Eilbote nach Hohenstein ab und verwandelte auch dort die angsterfüllten Herzen in frohe und dankbare. Die Genesung ging sehr langsam von statten, und der Zustand des Kranken erforderte noch immer die größte Vorsicht; es konnten noch Wochen vergehen, ehe an einen Transport zu denken war, und der Oberbürgermeister, bei dem jetzt wieder die Pflichten seines Amtes in den Vordergrund traten, beschloß, die Heimreise anzutreten. Georg, der mit größter Hingebung nur für den Freund gelebt und seine Studien ganz liegen gelassen hatte, leistete dem Oberbürgermeister auch jetzt, ohne dessen Aufforderung abzuwarten, das Versprechen, nicht von Walter zu weichen, bis er ihn in die Heimat begleiten könne.

»Aber was wird aus dem Studium?« wandte der Oberbürgermeister ein. »Die Krankenpflege fordert deine ganze Zeit.«

»Was schadet das!« erwiderte Georg. »Verliere ich jetzt ein Semester, so bleibe ich um so viel länger auf der Universität.«

»Wie soll ich dir je danken, Georg!« sagte der Oberbürgermeister gerührt.

»Dessen bedarf es nicht,« erwiderte dieser einfach; »ist Walter nicht von jeher wie mein Bruder gewesen?«

»Du mußt aber dann auch an deine Gesundheit denken,« sagte der Oberbürgermeister; »nur unter dieser Bedingung kann ich dein Opfer annehmen.«

Georg versprach es und that nun auch danach. Walters mattes Lächeln und einige leise geflüsterte Abschiedsworte, die von seiner Körperschwäche, doch auch von der Klarheit seines Geistes zeugten, begleiteten den Vater als trostvolle Verheißungen auf dem Heimwege.

Die beiden Freunde blieben nun allein; Georg war völlig zu Walter übergesiedelt, und Anton sorgte mit größter Treue für seine beiden Herren. Als der Genesende begreifen und nachdenken konnte, erwachte allmählich das Bewußtsein alles Vorgefallenen in ihm; eines Tages ergriff er Georgs Hand und bedeckte sie mit Küssen und Thränen. Dieser entzog sie ihm erschrocken.

»Was hast du nur, Walter? Du bist doch nicht von neuem krank?« fragte er mit erzwungenem Scherz.

»Nein, aber tief gedemütigt in der Erinnerung an mein Betragen gegen dich und deine Freundschaft, die du mir unwandelbar bewahrtest,« sagte Walter noch mit weinenden Augen.

»Das waren die Prüfungen, die die Festigkeit und Dauer unseres Bundes nur bewährten,« sagte Georg lächelnd; »jetzt wissen wir erst, wie fest und unlösbar wir für alle Zeiten verbunden sind. Wie unerträglich war mir die Vorstellung, wir könnten getrennt werden! Aber was man so tief empfindet, das soll man unausgesprochen lassen. Wir sind und bleiben Freunde für unser ganzes Leben, bereit, einander jedes Opfer zu bringen.«


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