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Dreizehntes Kapitel.
Gottliebs Patengeschenk.

Es war Sonntag Abend, die Familie Fisch saß in der Wohnstube beisammen, sehr still und schweigsam. Die Mutter und Minchen ließen oft die fleißigen Hände, die am Spinnrade thätig waren, im Schoße ruhen, der Vater hatte die große Familienbibel vor sich liegen und blätterte darin, Gottlieb saß mit Wilhelm, der mit dem Bruder längst vom Militär wieder entlassen worden war, auf der Ofenbank, und Fritz, der heute Urlaub von seinem Meister erhalten hatte, machte sich in Gemeinschaft von Dorchen und Georg mit dem Schurzfell zu thun, das dieser morgen zum ersten Male anlegen sollte. Sonst hatten der Meister und der Altgesell wohl des Abends ihre kurze Pfeife geraucht, aber die bösen Kriegszeiten hatten diesem Genüsse längst ein Ende gemacht. Gottlieb verwahrte seine schöne Pfeife mit dem Weichselrohr und dem fein gemalten Pfeifenkopfe, der reich mit Silber beschlagen war und aus der er sonst mit großem Stolze rauchte, sorgfältig an dem Nagel über seinem Bette, und sein erster Blick in der Frühe und sein letzter des Abends galt ihr wie einem alten Freunde. Es hatte ja auch seine besondere Bewandtnis damit. Als ganz junger Bursche – er war noch nicht einmal Gesell – hatte er mit eigener großer Lebensgefahr ein Kind aus den Wellen des stark angeschwollenen Stromes gerettet. Der Vater des Kindes, ein reicher Gutsbesitzer, hatte ihm zuerst eine Summe Geldes angeboten, die von ihm ohne Bedenken ausgeschlagen wurde; darauf hatte er ihm die Pfeife geschenkt, die er mit Freuden nahm und durch sein ganzes Leben, als seinen liebsten Besitz, in Ehren hielt.

Jetzt hörte der Meister auf zu blättern; er hatte die Stelle gefunden, die ihm heute nicht aus dem Sinne kam; es war die Jugend Davids, der die Herden seines Vaters hütete, ob er gleich die Salbung des Propheten empfangen hatte. Die Seinen verstanden seinen Blick; sie legten die Sachen hin, mit denen sie sich beschäftigten, und schickten sich an, aufmerksam, wie es alle Abend geschah, der Andacht zuzuhören, welche der Hausvater vorlas. Nur der Altgesell machte eine Ausnahme; er war den ganzen Abend über schweigsam gewesen, jetzt aber sagte er zum Meister: »Es ist ja noch so früh, wir könnten noch ein wenig plaudern.«

»Das hättet Ihr eher thun sollen, Gottlieb,« meinte dieser; »morgen ist Georgs erster Tag in der Werkstatt, da wird er müde werden und mag sich noch Vorrat schlafen.«

Den eigentlichen Grund, weshalb er die Andacht herbeiwünschte, wollte und konnte der Meister nicht sagen; ihm war das Herz so schwer wegen der gescheiterten Hoffnung, daß er sich nach dem Alleinsein mit seinem treuen Weibe sehnte; sie war ja die einzige, die seinen Kummer sehen sollte.

Aber Gottlieb war heute von unerhörter Widerspenstigkeit. »Schiebt doch die Bibel noch ein wenig beiseite, Herr Meister,« begann er wieder, »ich möchte noch etwas sagen.«

Er kehrte sich gar nicht an die Falte, die sich auf Meister Fischs Stirn zeigte, sondern fuhr ruhig fort, indem er der Thür zuschritt. »Wartet noch ein bißchen, Meister, ich bin gleich wieder da.«

Das war gegen alle Sitte, die so streng in dem Handwerkerhause beobachtet wurde, und Frau Fisch sah bang dem Sturm entgegen, den Gottlieb auf so unbegreifliche Weise heraufbeschwor. Er war schon zur Stube hinaus, doch der Meister sah ihm kopfschüttelnd nach und bezwang mühsam den aufsteigenden Zorn.

Nach kurzer Zeit kehrte der Altgesell zurück, in der Hand einen starken hölzernen Kasten tragend, vor dem ein großes Vorlegeschloß hing. Er blieb an dem Tische stehen, stützte sich mit der Hand darauf und blickte sich im Kreise um, indem er sich halb verlegen, halb feierlich räusperte. Alle sahen ihn erwartungsvoll an, es mußte etwas ganz Besonderes vorliegen, und nun begann Gottlieb langsam und stockend, als wenn er etwas lange Überlegtes, fast auswendig Gelerntes hersagte:

»Ehrsamer Meister und viel tugendsame Frau Meisterin! Ich bin in eurem Hause jung gewesen und alt geworden, und ihr habt mich immer behandelt, nicht wie es recht war, sondern wie ein Glied eurer Familie. Als unser Jüngster geboren wurde, da hat mich der Meister zu Gevatter geladen, obwohl ich nur ein Gesell war. Dafür habe ich euch, Herr Meister und Frau Meisterin, immer in Ehren gehalten, und die Kinder, die unter meinen Augen groß geworden sind, waren mir alle von Herzen lieb. Aber mein Patenkind ist mir gewesen wie mein eigener Sohn, hätte Gott mir je Weib und Kind bestimmt gehabt. Ich bin allein, ohne Verwandte und Angehörige. Gearbeitet habe ich mein Lebelang, habe meinen Lohn stets richtig und treulich erhalten, selbst in Zeiten, wo Ihr, Herr Meister, mir das letzte Geldstück im Hause auszahltet. Oft wurde es mir nicht leicht, ihn zu nehmen, oft mußte ich mir Gewalt anthun, daß ich das Schloß nicht öffnete und herausholte, was Euch aus Verlegenheit und Nöten retten konnte. Aber ich widerstand und sparte weiter und hoffte auf die Zukunft. Für mich habe ich nicht gesammelt. Hier ist der Schlüssel, Georg. Öffne den Kasten, was drin ist, gehört dir, dir das Studium zu ermöglichen.«

Er reichte Georg den Schlüssel hin und schob ihm den Kasten zu. Der ganze Familienkreis hatte an seinen Lippen gehangen, eine tiefe Bewegung hatte sich ihrer aller bemächtigt, aber noch wagte keins, dieser Luft zu machen, auch Georg rührte sich nicht, das Dargebotene in Empfang zu nehmen.

Endlich brach der Vater das Schweigen. »Nein, Gottlieb, das darf nicht geschehen,« sagte er mit bebender Stimme. »Nie werden wir vergessen, was Ihr in Treue für uns thun wolltet; aber die Ersparnisse eines ganzen arbeitsvollen Lebens dürft Ihr nicht fortgeben. Wir haben ja bereits entschieden, und ich danke Gott, daß Georg unter solchem Manne das Handwerk erlernen wird.«

Er schritt auf den Gesellen zu und wollte ihm tief gerührt die Hand reichen, aber Gottlieb that, als sähe er es nicht. »Wollt Ihr mir die Freude so vieler Jahre verderben, Meister,« sagte er betrübt, »so brauche ich Euren Händedruck nicht.«

»Thörichter Mensch,« sagte der Meister bewegt, »ich werde nie aufhören, Eures Edelmutes zu gedenken. Aber ich muß für Euch sorgen, wenn Ihr selbst es vergeßt. Denkt an Euer Alter, dafür bedürft Ihr eines Sparpfennigs.«

»Das habe ich allerdings nicht geglaubt,« erwiderte Gottlieb bitter, »daß Ihr mich im Alter aus dem Hause weisen würdet. Ich dachte, ich würde bei Euch arbeiten, soviel und solange ich könnte, und wenn es nicht mehr ginge, nun, so würde mir der Platz am Tisch und auf der Ofenbank nicht fehlen, und wenn ich einmal die Augen schließe, so würden Eure oder Eurer Kinder Hände sie mir zudrücken.«

»So wird es auch geschehen, Gottlieb,« sagte der Meister, der sich der Thränen nicht erwehren konnte, die Mutter und Dorchen schluchzten laut hinter der vorgehaltenen Schürze, Minchen und die Brüder aber weinten leise; »wir haben das nie anders gedacht; Ihr gehört im Leben und im Tode zu uns; nur Eure Ersparnisse wollen wir Euch nicht rauben.«

»Was soll ich denn damit anfangen?« fragte Gottlieb kummervoll. »Soll ich sie mir in den Sarg legen lassen? Wozu brauche ich denn das Geld? Wie arm wäre ich in meinem Leben gewesen, hätte ich nur des Gewinnes wegen gearbeitet, und wie glücklich war ich., wenn der Kasten schwerer wurde und ich wußte, es war für Georg. Aber alles ist nun vorbei. Ich will den Kasten forttragen, denn Ihr braucht meine Hilfe nicht. Bin Euch nur ein Fremder!«

Er wollte hinaus, von Kummer und Zorn überwältigt; aber es ging nicht; sie hingen alle an ihm; die Meisterin, Dorchen, Minchen und Georg hatten seine Hand gefaßt, Wilhelm und Fritz hielten ihn am Rock fest, der Meister stand vor ihm und sagte kein Wort, sondern breitete nur die Arme aus. Gottlieb wußte nicht, wie es geschah, aber im nächsten Augenblick lag er an der Brust des Meisters; sie sprachen kein Wort, aber ihre Seelen waren eins.

Die Erregung der ganzen Familie war zu stürmisch, es dauerte lange, ehe sie sich beruhigte; für gewöhnlich ging alles sehr gesetzt und ernst zu, niemand hatte Zeit und Lust zum Äußern seiner Gefühle, aber unter der ruhigen Oberfläche schlummerte die treuste Liebe füreinander, und jetzt, wo der Damm gebrochen, mußten sie auch durch Liebkosung zeigen, wie teuer sie einander waren.

Endlich saßen sie wieder alle um den Tisch; Georg hatte den Kasten vor sich und den Schlüssel in der Hand, und es war alles geordnet, ohne daß noch ein weiteres Wort gewechselt wurde. Doch konnte es Gottlieb sich nicht versagen, das Schurzfell, das für Georg bestimmt gewesen war, mit einer gewissen Verachtung in die Ecke zu schleudern, und Dorchen und Minchen lachten laut auf dabei, obwohl ihre Augen noch feucht von Thränen waren.

»Nun wollen wir zählen!« rief Gottlieb; »ich hab's nie gethan. Durch den Spalt oben habe ich immer hineingesteckt, aber aufgeschlossen habe ich nur ein einzig Mal in meinem Leben. Als damals die infamen Franzosen alles durchstöberten, war ich in schöner Angst. Erst wollte ich den Kasten vergraben, aber ich dachte, dann siehst du immer hin, wo er steckt, und sie merken's doch. So ließ ich ihn ruhig in meiner Kammer stehen, steckte aber alte Lumpen hinein, damit nichts klappern sollte, und sie gaben sich auch nicht weiter mit ihm ab, als sie hinaufkamen, sondern stießen ihn verächtlich mit dem Fuße beiseite, und ich dankte Gott, daß ich so klug gewesen und ihn mit Zeug vollgestopft hatte. Nachher konnt' ich's erst nicht wieder herauskriegen; wie viel Mühe ich mir auch gab, ich mußte aufschließen und die Lumpen herausholen, aber sonst ist es nie geschehen. Ich wollte sogar den Schlüssel fortwerfen, damit ich nicht hinzu könne, wenn mich mal eine schwache Stunde anwandeln sollte; aber es that mir doch leid, den Kasten entzwei zu schlagen, und da keiner von unseren Jungen Schlosser geworden ist, so hätte es unnütz Geld gekostet, das Schloß wieder aufzubekommen. Na, Meister, nun schließt auf; ich bin selbst neugierig, wie viel drin sein mag.«

Mit zitternder Hand öffnete der Meister während feierlicher Stille rings um. Da lagen die Ersparnisse in großen und kleinen Silberstücken, wie sie Gottlieb am Wochenschluß erübrigt, nachdem er das Notwendigste für sich zurückbehalten hatte; auch Kupfermünzen fehlten nicht, sogar ein Goldstück hatte sich als seltener Gast hineinverirrt. Er selbst saß in freudiger Erregung, mit leuchtenden Augen und lachendem Munde dabei und sah zu, wie der Meister die Münzen ordnete und zusammenzählte; er wußte vor Erstaunen kaum Worte zu finden, als es über tausend Thaler waren. Die Summe schien ihm ungeheuer, und keine Ahnung kam dem ehrlichen Menschen, daß sie noch viel größer gewesen sein würde, wenn er sein Geld auf Zinsen gegeben hätte, anstatt es ruhig im Kasten liegen zu lassen.

»Nicht wahr, es ist genug?« fragte er voll Bangen. »Mehr als das,« antwortete der Meister, »denn Georg wird nicht nur sparsam sein, sondern sich auch selbst fortzuhelfen suchen.«

»Das versteht sich als Ehrensache für mich,« sagte Georg, doch Gottlieb mußte beruhigt werden, weil er darin schon wieder eine Ablehnung fand. Erst als man ihm auseinandersetzte, daß Georg unrecht handeln würde, wenn er mehr als das Notwendigste verbrauchte, und daß Gottlieb neuen Segen mit dem Übrigbleibenden stiften könne, beruhigte er sich.

Es war spät, als sich die frohe Familie trennte; das Elternpaar war hoch beglückt, Georgs ausgelassene Freude bewies erst jetzt, wie tief ihn die Vernichtung seiner Hoffnungen getroffen haben würde, die Geschwister teilten seine Freude, aber der Glücklichste von allen war der Altgeselle, der schweigend sein Lager aufsuchte und bald in festem Schlafe lag, auf den harten Zügen ein so tiefer Friede, als gehöre er gar nicht mehr der Erde an.

Am nächsten Morgen konnte Georg kaum die Zeit erwarten, um Walter und Lottchen die glückliche Wendung mitzuteilen; doch stimmte er der Mutter völlig bei, daß es besser wäre, noch zu zögern, bis der Bürgermeister auf dem Rathause wäre, da man nicht wissen könne, wie dieser nach allem Vorgefallenen die Nachricht aufnehmen möchte. Bis dahin mußten noch mehrere Stunden verfließen, denn bei Meister Fisch fing der Tag früh an, und Georg beobachtete sehnsüchtig den Zeiger der großen Schwarzwälder Uhr, der sich für seine Ungeduld so langsam fortbewegte. Die Mutter saß schon wieder am Spinnrad, denn alles Leinen, das der Haushalt beanspruchte, wurde von ihr und ihren Töchtern gesponnen; diese säuberten das Zimmer und räumten das Frühstücksgeschirr fort, als es plötzlich an die Thür klopfte und gleich darauf der Oberbürgermeister darin erschien.

»I du mein Gott,« rief die Meisterin aus, indem sie wie eine Feder vom Stuhle in die Höhe schnellte, »wie kommen wir denn zu der hohen Ehre!«

Sie strich und zupfte verlegen an Schürze und Haube; denn so sehr sie auch dem vornehmen Manne wegen der von ihm bewiesenen Härte zürnte, so empfand sie doch große Scheu vor ihm; Minchen hatte sich glücklich geschätzt, daß sie sich hinter seinem Rücken unbemerkt aus dem Zimmer schleichen konnte, und Dorchen drückte sich in die entfernteste Ecke und bedauerte, nicht dem Beispiel der Schwester folgen zu können.

»Guten Morgen, Frau Nachbarin,« grüßte der Bürgermeister mit ungewöhnlicher Leutseligkeit und streckte ihr die Hand entgegen, in welche die Meisterin erst die ihre legte, nachdem sie dieselbe sorgsam an der Schürze abgewischt hatte; »ich bin ein früher Besucher, aber ich störe doch nicht? Bei so fleißigen Leuten beginnt der Tag ja früh. Wo ist denn der Herr Nachbar? Habe mit ihm zu reden.«

»Rufe den Vater, Dorchen,« befahl die Mutter dem Mädchen, das nur zu froh war fortzukommen, und setzte hinzu: »Er wird dem Herrn Bürgermeister gleich aufwarten; aber wollen Hochdieselben nicht in die gute Stube treten? Es ist gar zu ärmlich hier.«

»Lassen Sie mich nur hier, Frau Nachbarin,« erwiderte der Bürgermeister; »mit Ihrer Permission nehme ich mir einen Stuhl.«

»Bitte, bitte, aber erst abwischen,« sagte Frau Fisch mit einem Knicks und fuhr mit der Schürze auf dem Möbel herum, das kein Stäubchen zeigte. Da trat ihr Mann schon ein, erstaunt über den Besuch, den er ehrerbietig, aber doch gemessen begrüßte, im Gefühl der Kränkung, die er noch nicht verwunden hatte.

»Gebt mir die Hand, Meister,« sagte der Bürgermeister lächelnd; »ich sehe wohl, Ihr seid noch böse auf mich, und ich habe Euch leider Ursache dazu gegeben. Aber ich kam so früh, um mein Benehmen zu excusieren und mir Euren Pardon zu holen. Nein, Frau Nachbarin, gehen Sie nicht fort; was ich zu sagen habe, können Sie auch hören, es geht auch Sie an. Aber zuerst muß ich Frieden mit dem Meister schließen.« Er reichte diesem die Hand hin, die der Tischler ergriff und kräftig schüttelte.

»Danke, Herr Oberbürgermeister,« sagte er warm; »ich war neulich ganz irre in Ihnen geworden; Sie haben mir bitter weh gethan; doch nun ist alles vergessen.«

»Sehr obligiert,« sagte der Bürgermeister; »ich konnte nicht eher mit mir zufrieden sein, als bis ich Euch mein Unrecht gestanden hatte. Aber ich war tief verstimmt; mein Sohn hatte mir einen zu schlimmen Strich durch alle meine Erwartungen gemacht, und ich konnte es gar nicht verwinden, daß Ihr solche Freude an Eurem erleben solltet. Kurz, es war Zorn und Neid, schändlicher Neid von mir.«

»Nicht doch, Herr Oberbürgermeister,« wehrte der Tischler ab, »ein jeder hat seine schwachen Stunden, und es war ein Mißgeschick, daß ich gerade zur unrechten Zeit zu Ihnen kam.«

»Ganz recht, es war ein böse Schwäche, die nun überwunden ist,« erwiderte der Bürgermeister. »Ich wünsche Euch jetzt von Herzen Glück zu Eurem Sohne, Meister, und ich denke, die Bahn für das Studium ist ihm geebnet. Ich habe –«

»Bitte, bitte, Herr Oberbürgermeister, bemühen Sie sich nicht, es ist alles in Ordnung,« fiel der Meister ein.

Der Bürgermeister sah ihn betroffen an. »Jetzt wollt Ihr mich Euren verletzten Stolz fühlen lassen,« begann er; »aber ich mute Euch auch nicht zu, von mir etwas anzunehmen; meine Unfreundlichkeit neulich gegen Euch würde Euch das verwehren. Das empfand ich selbst in der nächsten Stunde; allein ich habe sogleich Schritte zur Erlangung eines Stipendiums gethan, habe mein Gesuch durch einen besonderen Eilboten an den Minister geschickt und von ihm auf demselben Wege die Genehmigung erhalten. Hier nehmt; Georg wird auf drei Jahre ein Stipendium bewilligt, das zwar für seine Ausgaben nicht ausreicht, ihm aber doch eine große Hilfe sein wird. Mit der Zeit werden wir wohl noch andere Wege finden. Da nehmt und leset selbst.«

Der Meister starrte wortlos auf das Blatt.

»Nein, das ist zu viel Glück,« fiel Frau Fisch ein; »nun hat ja Georg übergenug!«

Der Meister beeilte sich nun, dem erstaunten Besucher die Vorgänge des letzten Abends zu erzählen, und dieser war tief gerührt.

»Es fügt sich ja vortrefflich,« sagte er; »Ihr braucht den Altgesellen nicht durch eine Ablehnung zu kränken, und doch wird nicht sein ganzer Sparpfennig aufgezehrt, denn ich bin sicher, daß Georg haushälterisch und verständig verfahren wird.«

»Darf ich Gottlieb mit hereinrufen?« fragte der Meister, und der Bürgermeister fand das selbstverständlich.

So wurden nun Gottlieb und Georg herbeigeholt und ihnen alles mitgeteilt. Der Bürgermeister entzog sich den Dankesworten der Familie, indem er aufstand und sagte: »Ich gehe mit leichterem Herzen, als ich kam. Es hat wie ein Alp auf mir gelegen, daß ich neulich nur auf meine Verstimmung hörte und danach handelte. Nun ist wieder gute Freundschaft zwischen uns, wie sich's zwischen Nachbarsleuten gehört. Wie stolz würde meine Frau auf Georg gewesen sein! Nun rüste dich, mein Junge, für das schöne Studentenleben.«

Er verabschiedete sich und kehrte in sein Haus zurück mit fröhlicherer Miene, als er seit langer Zeit gehabt.

»Nun braucht Georg mich doch nicht,« sagte Gottlieb traurig.

»Seid ruhig, ich komme schon zu Euch als zu meinem Schatzmeister,« tröstete Georg. »Ich will gewiß sparsam sein und will mir auch selbst forthelfen, wie ich kann – wie viele arme Studenten thun das nicht durch Stundengeben –; es soll mir Ehrensache sein, so wenig wie möglich zu brauchen, langt's aber nicht, so klopfe ich ganz ruhig bei meinem Pflegevater Gottlieb an. Heute zum Beispiel bitte ich ihn gleich um eine Rolle Thaler, damit ich mir mein Handwerkszeug, die Bücher, anschaffen kann.«

Gottlieb nickte und lächelte vergnügt, Georg verstand ihn zu trösten, und sie verschwanden beide in seine Kammer, denn er mochte den Augenblick durchaus nicht hinausschieben, in dem Georg die erste Zahlung aus seinem Koffer erhielt.


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