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»Es ist der richtige Ausdruck,« erwiderte die Prinzessin fast ernst, »wenn Sie, wie eben, bemerken, ich hätte die Absicht, mich aus meinen sicheren Positionen zurückzuziehen und Ihnen das Feld hier zu überlassen. – Wahrhaftig, es ist so. Ich kämpfte, wenn Sie wollen, aus Laune und um gar nichts.«
»Ah!« machte der Regent, indem er sich aufrichtete. »Sollte ich Sie verstehen, Prinzessin? Sie kämpften bisher aus Laune, um gar nichts, Sie wollten sich wirklich zurückziehen und mir ohne alle Ursache gewonnenes Spiel geben?« Er sagte dies lächelnd, doch war sein Lächeln ein schmerzliches zu nennen und, als er gleich darauf leise hinzusetzte: »Ah! in der That, ich verstehe; ich gewinne, um zu verlieren!« da fuhr er, beinahe heftig, mit der Hand über die Augen, wodurch ihm ein blitzähnlicher Blick der Prinzessin entging, den sie hinter der Quaste auf ihn schleuderte. – Nach diesem Blick, der bedeutungsvoll war, spielte ein zufriedenes Lächeln um ihre Lippen.
»Er hat bereits von der Sache gehört,« dachte sie bei sich, »wir wollen weiter manövrieren, aber unsere Angriffsweise ändern.«
»Sie will mich überraschen,« sprach der Regent zu sich selber. »Vielleicht weiß sie, daß ich etwas erfahren, und es liegt in ihrem Charakter, mir nicht den Triumph zu gönnen, überhaupt ohne ihren Willen etwas erfahren zu haben.«
»Prinzessin,« sagte er hierauf, und obgleich er bei diesem Worte lächelte, hob er doch bedeutungsvoll die Hand in die Höhe; »Prinzessin, gewöhnlich zieht man sich nach einer verlorenen Schlacht zurück; sollten Sie eine Niederlage erlitten haben?«
Er betrachtete sie in diesem Augenblick mit einem so festen, ruhigen Blick, daß sie nicht im stande war, denselben auszuhalten, sondern das Gesicht den gemalten Fensterscheiben zuwandte, wobei sie wie trotzig die Lippen aufwarf.
»Doch Scherz beiseite,« nahm er wieder das Wort, »ich bin eigentlich hierher gekommen, um mit Ihnen über eine Sache zu reden, die – «
»Eine Sache, die mich angeht?« fragte die Prinzessin im Tone der Überraschung, »und die so interessant ist, daß ich deshalb das Glück habe, Euere Hoheit bei mir zu sehen? O, auf eine solche Sache bin ich sehr begierig. Etwas Ähnliches ist lange nicht zwischen uns vorgekommen.«
»Es ist allerdings eine Sache, die Sie interessiert, mich aber auch.«
»Die Sie interessiert, als meinen Freund?« fragte schelmisch lachend die Prinzessin. »Dafür darf ich Sie doch halten? Als meinen Verwandten? Oder als Chef des Hauses?«
»Als Verwandten, als Ihren Freund, und vor allem als Chef des Hauses,« gab der Regent zur Antwort. Dabei erinnerte er sich, wie er am gestrigen Abend gelitten, als ihm Herr von Fernow das Porträt gebracht, und diese Erinnerung warf einen so finsteren Schatten über seine Züge, daß die Prinzessin, die dies bemerkte und die Ursache wohl kannte, sich veranlaßt sah, etwas wie Schrecken beim Anblick dieser plötzlichen Veränderung zu affektieren.
»Der Ausdruck Ihres Gesichts,« sagte sie, indem sie wie bestürzt ihre Quaste in den Schoß fallen ließ, »könnte mich in der That auf Vermutungen bringen, als handle es sich um was absonderlich Ernstes; doch bin ich daran gewöhnt,« setzte sie mit einer graziösen Kopfbewegung hinzu, »daß der Chef des Hauses auch aus geringfügigen Ursachen sehr ernst sein kann, und ich tröste mich nur durch das Dasein der beiden anderen eben genannten Personen, meines Verwandten und Freundes, die dem gestrengen Herrn mildernd zur Seite stehen werden.«
»Allerdings,« antwortete der Regent, »haben die beiden eben Genannten schon manch' Freundliches für Sie gesprochen, beste Nichte, und den Regenten besänftigt, der – doch wozu in die weitere Vergangenheit zurückgreifen, da die nächste Zukunft in der That ernst und fast drohend vor uns liegt?«
»Euere Hoheit könnten mir in der That Angst machen,« fiel die Prinzessin mit einem erzwungenen Lächeln ein; »doch will ich mein Haupt in Demut neigen und mit zusammengelegten Händen mein Schicksal erwarten.«
Sie führte dies pantomimisch aus und saß in diesem Augenblick da wie ein armes Opfer, welches einen schweren Streich erwartet; doch merkte der Regent wohl, wie sie unter den Augenwimpern zu ihm emporblinzelte und wie etwas wie ein Ausdruck der Zufriedenheit um ihre zusammengepreßten Lippen spielte.
»Wahrhaftig, Prinzessin,« fuhr der Regent kopfschüttelnd fort; »es wäre das erste Mal, daß Sie Ihr Schicksal ruhig erwarten, und wenn ich denken könnte, Ihre Reue wäre aufrichtig, so würde ich nicht strenge, sondern nur betrübt mit Ihnen reden.«
»Spricht der Regent oder mein Freund?« fragte die Prinzessin in einem so komischdemütigen Ton der Stimme, daß Seine Hoheit sich zusammennehmen mußte, um ernst zu bleiben. Er dachte aber an den gestrigen Abend, an das Spiel hinter seinem Rücken, an die Photographie, und das alles machte es ihm möglich, nicht nur eine ernste Miene beizubehalten, sondern sogar finster auszuschauen, trotzdem, daß die Prinzessin ihre schönen lebhaften Augen wie flehend zu ihm erhob, sie aber bei diesem Anblick mit einem tiefen Seufzer niederschlug. Es entstand eine kleine Pause, während welcher die Prinzessin wieder anfing, wie verlegen mit ihrer Quaste zu spielen und dieselbe als Fächer vor dem Gesichte hin und herzubewegen, während der Regent, dergleichen verschmähend, sich aufrichtete und fest auf die junge Dame blickte. »Sie werden sich erinnern,« sagte er alsdann, »daß man vor ein paar Jahren eine Verbindung zwischen Ihnen und dem Herzog Alfred von D• projektierte.«
Ihre Durchlaucht stieß einen leichten Schrei der Überraschung aus, der so natürlich klang, daß der Regent vollkommen dadurch getäuscht wurde.
»Eine Verbindung,« fuhr er fort, »die Ihnen, meine teure Nichte, nicht konvenierte und die auf Ihren besonderen Wunsch abgebrochen wurde.«
Die Prinzessin hatte in diesem Augenblicke schweres Spiel. Sollte sie sich das Ansehen einer gekränkten Verletzten geben, oder sollte sie durchblicken lassen, sie ahne, was jetzt kommen werde? Nach einer peinlich langen Kunstpause entschied sie sich für das Letztere und hielt es nun der Situation für gemäß, ein klein wenig zusammenzufahren, ja den leichten Ausdruck: »O, mein Gott!« hören zu lassen.
»Eine Verbindung, die Sie ausschlugen,« wiederholte sehr ernst der Regent. »Ich bitte hierauf bei meiner weiteren Rede genau zu achten. Hätte man es Eurer Durchlaucht damals verweigert, eine Verbindung mit dem bezeichneten, uns sehr befreundeten Hause von D• einzugehen, hätte man vielleicht eine Neigung zerrissen, und wären wir es gewesen, die jene Verbindung für nicht passend und inkonvenabel erklärt hätten, so fände ich es jetzt begreiflich, daß Sie, Prinzessin, selbst hinter meinem Rücken Schritte thun würden, um ein Band wieder herzustellen, an das Ihr Herz mit Liebe denkt.«
»– – Euer Hoheit!« stammelte die Prinzessin, und als sie nun aufblickte und in das ernste, schmerzerfüllte Auge ihres Verwandten schaute, fiel es ihr nicht schwer, ihre Rolle der Bestürzung fortzuspielen, denn sie sah in den sonst so ruhigen, jetzt heftig bewegten Zügen des Regenten, wie sehr ihm die Sache, von der er sprach, zu Herzen ging.
»Wenn Sie mir etwas entgegnen können, Prinzessin,« sprach er mit tiefklingendem Tone der Stimme, »was meine eben ausgesprochene Behauptung zu widerlegen im stande ist, so wäre ich Ihnen dankbar dafür. – – Aber Sie können das nicht,« setzte er bewegt hinzu, »wahrhaftig, Elise, Sie können das nicht. Sie haben kein Wort der Entschuldigung für – Ihr Benehmen. Sie können dem Regenten, dem Chef des Hauses, keine triftigen Gründe angeben, als höchstens – verzeihen Sie mir das Wort – eine wirkliche Neigung zu jenem Herrn, den Sie ja kaum kennen.«
Die Prinzessin hatte ihre Hände gefaltet, und als sie nun leise den Kopf schüttelte, senkte sie ihn tief auf die Brust herab.
Der Regent hatte die letzten Worte mit steigender Erregtheit, fast heftig gesprochen, ja er war sogar aufgestanden und hatte das Kabinett einmal durchschritten, doch sah er das Kopfschütteln der Prinzessin und dies ließ ihn tief aufatmen.
»Wenn es keine Neigung ist,« fuhr er milder fort, »so ist es denn Ihr unglückseliger Hang zur Intrige, der Sie veranlaßt, Prinzessin Elise, sich mit diesen Rigoll und Wenden einzulassen, – der Ihnen erlaubt, Unterhandlungen einzuleiten, so daß – der Herzog Alfred von D• jetzt, freilich sehr inkognito hier in der Stadt weilt.« Die Prinzessin ließ ihre Quaste los und drückte beide Hände vor das Gesicht. Der leidenschaftliche Ton, in dem der Regent sprach, hatte sie erschreckt, obgleich sie darauf vorbereitet war, und doch ihr Herz freudig berührt.