F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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»Ich werde mir's merken und Ihnen vielleicht morgen einen Besuch machen. Sollte ich das Zimmer verfehlen und ein Stockwerk tiefer anfangen, wo – Sie verstehen mich – so darf Sie das nicht wundern. Ich habe vielleicht meine Gründe dabei. – Es wäre mir interessant, die Porträts jener beiden Herren zu sehen, die sich vor einigen Tagen, wie Sie mir erzählten, bei Ihnen photographieren ließen.«

»Was das anbelangt,« sagte fast erschrocken der Photograph, »so bin ich in der That trostlos, Ihnen nicht dienen zu können. Sie werden mir beipflichten, daß ich alles aufbieten muß, um den Wünschen meiner Kundschaft entgegen zu kommen. Nun hab' ich aber den beiden Herren nicht nur versprechen müssen, keine weiteren Kopien von den Bildern zu machen, sondern auch die Glasplatten nach dem ersten guten Abzug augenblicklich abzuschleifen. Ich bin in der That unglücklich, Ihnen den kleinen Dienst nicht leisten zu können. Aber da ich mein Wort gab, muß ich's halten.«

Daß der andere ärgerlich mit dem Fuße auftrat und eine sehr unmutige Gebärde machte, konnte der junge Mann nicht sehen, da es völlig dunkel geworden war; auch zuckte Herr von Fernow ein paarmal verdrießlich mit den Achseln, worauf er jedoch gelassen sagte: »Allerdings, sein Wort muß man halten. Auch ändert das nichts in unserer Angelegenheit. Sie haben mir Ihr Vertrauen geschenkt, ich werde es nicht mißbrauchen. Hier nehmen Sie meine Karte, damit Sie auf alle Fälle wissen, mit wem Sie es zu thun gehabt.«

Der Photograph streckte seine Rechte danach aus, und als er mit der Karte zugleich den Finger des Unbekannten berührte, griff er mit beiden Händen danach und drückte sie herzlich und innig, indem er sagte: »Wie danke ich Ihnen für die Freundlichkeit, die Sie mir erzeigt. Ich weiß nicht, wie es kam, aber es war ein unerklärliches Gefühl, welches mich antrieb, mit Ihnen zu sprechen, als Sie auf die Terrasse kamen. Sie hatten für mich so viel Zutrauenerweckendes, und es war gerade, als spräche es in mir: Das ist ein Mann, der dir zu raten und zu helfen vermag. Wahrhaftig,« fuhr er mit Wärme fort, »wenn unser Gespräch sich nicht auf so überraschende Art von selbst dahin gewandt hätte, ich wäre im stande gewesen, mich Ihnen geradezu zu entdecken.«

»Ich danke Ihnen für die gute Meinung,« versetzte der Major, »und glaube Ihnen versichern zu können, daß Sie an keinen Unrechten gekommen sind. Aber gehen wir, es ist Nacht geworden.«

Und so war es in der That. Die Nachtigall war längst verstummt, der Mond war zwischen den schwarzen Föhren verschwunden, der Himmel strahlte nicht mehr im Widerglanz der untergehenden Sonne, sondern hatte ein tiefes glänzendes Blau angenommen, auf dem mit jeder Sekunde mehr und mehr plötzlich aufleuchtende Sterne hervorsprangen. Die Nacht sank nieder und in ihrem Gefolge tiefes, feierliches Schweigen, nur von den Schritten der beiden Dahinwandelnden unterbrochen.

Zwölftes Kapitel.

Ein freundschaftliches Souper.

Am Hauptgitter, welches den Park von der Straße trennte, wendete sich der Photograph mit nochmaligem Danke links der Stadt zu, während der andere auf das Schloßgebäude zuschritt und durch eine kleine, ihm bekannte offene Thüre in das Innere trat. Es mochte acht Uhr sein, Korridors und Treppen waren hell beleuchtet, die Posten schritten gleichförmig auf und ab, und Herr von Fernow begegnete, während er durch das Gebäude schritt, keinem Bekannten. Nur hie und da glitt ein Bedienter eilfertig vorüber, die Zubereitungen zum Thee oder Souper für irgend eine Hofdame tragend.

Aus dem Hauptportal trat der Major auf die große mit Orangenbäumen besetzte Terrasse, von wo aus man die ganze Stadt übersehen konnte, und von wo man auch, rückwärts blickend, die Zimmer der Prinzessin Elise sah und über denselben die Fenster, welche zur Wohnung des Fräuleins von Ripperda gehörten. Letztere waren matt, die ersteren hell beleuchtet. Herr von Fernow wandte sich mit einem langen, innigen Blick den letzteren zu und dachte seufzend: »Wer da einen Vorwand hätte, um mich nur auf einen Augenblick eintreten lassen zu dürfen, nur einen Augenblick, nur um sie zu sehen, wie sie vielleicht in irgend einem Fauteuil ruht, den Kopf verstohlen auf die Hand stützt und an dies und das denkt. – O, an dies und das! wer ist wohl so glücklich, das Dies und Das zu sein?« – Es war Furcht vor zu großem Glück, daß er also dachte und in dem andern Augenblick, als er wohl fühlte, daß sein Herz heftiger schlug, wagte er sich zu gestehen, daß er wohl selbst das Dies und Das wäre, und daß ein Mädchen wie Helene, nachdem sie ihm einmal gestanden, sie liebe ihn ein wenig, warm und innig an ihn denke. – Ja, er war glücklich; denn wie mußte der geliebt sein, dem dies stolze energische Mädchen, wenn auch noch so flüchtig, die Hand gedrückt. Und das hatte sie gethan. Ja, an jenem Abend und gestern abermals, als er sie in den Wagen gehoben. Auf das hin kam Fernow die eigene Hand wie geweiht vor, und er betrachtete sie lange und aufmerksam und küßte die Stelle, wo ihre Finger geruht. Zu gleicher Zeit hob er die also geküßte Hand empor und winkte damit einmal, zweimal, dreimal zu den erleuchteten Fenstern. Ob sie das fühlte? Wir glauben fast; denn wir glauben an die Kraft jener allgewaltigen Liebe, die in einem geheimnisvollen Rapport steht mit ihrem Gegenstande, die es fühlt, ohne zu sehen, wenn das Auge des Geliebten auf ihr ruht oder wenn er in der gleichen Sekunde, wie sie, mit glühenden, hingebenden Gedanken sich in den Anblick der glänzenden Mondscheibe versenkt, oder in das Flimmern irgend eines Sternes, den beide bei einer andern Gelegenheit gefunden, als sie nebeneinander standen, sich leise mit der Hand berührend, so leicht und leise, daß die Finger selbst es nicht merkten, und nur das Herz in lauten Schlägen davon sprach.

Dergleichen für manchen wenig verständliche Gedanken beschäftigten den jungen Offizier, als er hinter einer Reihe der mächtigen Orangenbäume, häufig rückwärts blickend, der breiten Rampe zuschritt, die auf die Straße hinabführte. Mit einem Male blieb er stehen, denn er vernahm vorsichtige Schritte und leises Sprechen. Er wußte nicht, warum er stehen blieb, er hatte durchaus nicht die Absicht zu lauschen, ihm kam nur der Gedanke, es sei besser, von den Heraufsteigenden hier unter ihrem Fenster nicht gesehen zu werden. Sie tauchten indessen am Rande der Terrasse auf: ein großer Mann in Livree, ein kleiner in gewöhnlicher Kleidung.

»Vielleicht ist die Sache von gar keinem Belang,« sagte der in Livree mit gedämpfter Stimme, doch klang jedes Wort durch die Stille der Nacht vernehmlich an das Ohr des Offiziers; »aber ich bin dankbar für Eure Aufmerksamkeit. Die Livree, die der Bediente anhatte, war also keine Hoflivree?«

»Nein,« sprach der andere, »es war Grün mit Gold.«

»Hm, hm! Grün mit Gold,« wiederholte der erstere. »Und die beiden thaten geheimnisvoll?«

»Sehr, sonst wäre es uns am Ende gar nicht aufgefallen. Wenn man keine Absicht dabei hat, so befiehlt man nicht so bestimmt, daß von einer Photographie nur ein Abzug gemacht und die Glasplatte alsdann vernichtet werden soll.«

»Was ist das?« dachte der Major und schenkte jetzt dem Gespräch der beiden seine gespannte Aufmerksamkeit.

»Den einen der Herren,« fuhr der kleine Mann fort, »habe ich öfters gesehen. Es ist ein Herr bei Hofe; der andere muß ein Fremder sein. Ich kenne ihn nicht.«

»Aber warum bringt ihr die Geschichte erst heute?«

»Weil ich erst gestern Zeit fand, die beiden Bilder mit der Maschine nochmals zu kopieren. Er hatte ja selbst die Glasplatten abgeschliffen; aber wenn Ihr glaubt,« setzte er in gleichgültigem Tone hinzu, als der andere schwieg, »die Sache habe keine Bedeutung, so lassen wir's bleiben.«

»Ich glaube kaum, daß sie viel nützen wird, denn ich habe eine Ahnung, was es sein kann. Wißt Ihr, lieber Freund, wir draußen im Vorzimmer sehen mehr, als man weiß, und ich glaube Euch sagen zu können, daß der Kammerdiener Ihrer Durchlaucht der Prinzessin die ersten Abzüge der beiden Porträts, die Ihr da habt, heute morgen in Händen hatte.«

»Nur die allein?« fragte lauernd der andere.

»Nein, es war auch noch ein drittes dabei, das eines schönen jungen Mädchens.«

»So ist es dasselbe!« rief der kleine Mann fast unmutig. »Nun, ich habe meine Schuldigkeit gethan.«

»Das habt Ihr auch, lieber Freund,« entgegnete der Lakai im Tone eines Beschützers, »und der Herr Kammerdiener wird Euch dankbar dafür sein. Es ist für uns notwendig, alles zu erfahren, was auf den Hof Bezügliches draußen in der Stadt vorgeht. Ich will jetzt hinauf und es melden, bleibt unterdessen hier, bis ich zurückkomme.«


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