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Anneli und ich faßten frischen Trost; wir sahen das Ende unserer Trennung näher, als wir anfangs gefürchtet, und bekamen dadurch frischen Mut, sie zu ertragen. Wir legten unser Geld zusammen; ich besaß acht, es zwölf Kronen, zusammen also zwanzig Kronen. Es konnte sein Jahr noch gut ausmachen, vielleicht noch länger dienen; denn wir hatten nicht gewartet, die Hochzeit anzugeben bis Anneli seine Füße nicht mehr sehen konnte, und sein Jahrlohn machte auch achtzehn Kronen. Ich hoffte durch Mareilis Verwendung auch etwas zu verdienen und bequeme Zeit zu finden, mich nach einem guten Platze umzusehen. Freilich brauchte die Kindbette wieder Geld. Wir rechneten, Anneli brauche, um sich ein Vierteljahr lang zu verdingen mit dem Kinde, wohl zwölf Kronen; einige Anschaffungen, Windeln und dergleichen, berechneten wir auf drei Kronen, das Kindbettimahl auf sechzig Batzen wenigstens. Was ich Anneli über die Kindbetti kramen wollte an Brot, Wein, Fleisch, Lebkuchen, rechnete ich nicht, sondern gedachte es aus meinem Verdienste anzuschaffen, so daß wir bei zwanzig Kronen übrig zu behalten hofften zum ersten Jahreslohn für das Kind. Im Laufe desselben Jahres glaubten Anneli und ich von unsern Löhnen, wenn wir beide gesund blieben, so viel entübrigen zu können, um die Gemeinde zu befriedigen. Dann wollten wir glücklich sein, wenn wir schon nichts hätten als uns, und zwischen uns unser Kind. Und in Gedanken an die Zukunft waren wir bereits glücklich. Die geschlagenen Wunden schmerzten weniger; vor uns schwebte eine neue glückliche Zeit; sie fesselte nicht unsere Gedanken nur, sondern beherrschte auch unsere Empfindung.
Ich suchte den mir angewiesenen Platz und fand dort eine vorbereitete Aufnahme, fand viel Arbeit, aber einen schönen Lohn von zweiunddreißig Kronen, fand gute, billige Meisterleute, die mir mit Zutrauen entgegen kamen. Darum arbeitete ich auch mit Lust, schaffte für zwei, und mein neuer Meister, ein Greis, hatte seine kindliche Freude daran, wie in kurzer Zeit Pferde und Kühe spiegelhell und glatt wurden, einige wie Hündchen mir nachliefen, und die Ställe sauberer waren als manche Bauernstube.
Die ganze Woche wartete ich treulich meines Dienstes, bei aller Längizyti; aber des Sonntags hätte mich niemand halten können, weder Wetter noch Meister, die zwei Stunden zu Anneli zu machen. Es wurde alle Tage runder, und man sah ihm deutlich an, daß das Gehen ihm Beschwerde mache; allein es überwand sich, tat nicht nur seinen Dienst wie sonst, sondern des Abends spät, des Morgens früh und des Sonntags arbeitete es für die Zukunft.
Ich machte ihm oft Vorwürfe darüber und wünschte, daß es den Dienst verlassen, wenigstens nicht so viel nebenbei machen möchte. Allein es rühmte seine Meistersfrau gar sehr, die ihm borge, wie sie könne, und machte mir Vorwürfe, daß ich es nur wünschen könne, weil dadurch die Zeit unserer Vereinigung verzögert würde. Es hatte eine recht kindliche Freude daran, als es mir eines Sonntags drei kleine Kinderkäppli zeigen konnte, die es aus einer alten Scheuben gemacht, und wie sie so gut geförmt seien, und sicher dem Kleinen gut stehen müßten. Wie aber eine häßliche, neidische Näherin, welche es um ein Muster gebeten, es hätte anführen wollen, erzählte es mir auch, wie diese ihm ein alt schlecht Muster gegeben, welches aber glücklicherweise die Meistersfrau gesehen und ihm ein besseres verschafft. Kann wohl etwas trauriger sein als solcher Neid, besonders wenn man mit demselben einer werdenden Mutter ihre arme Freude verderbt?
Ein anderesmal führte es mich geheimnisvoll in sein Kämmerlein, schloß sein Schäftchen auf, zeigte mir ein Byglein weißes Zeug und sagte: «Meiß, weisch was das isch?» Aber Meiß wußte es nicht. Es waren acht Windeln, deren Anneli gar sehr sich freute; sie waren aus einem alten Lylachen und einigen alten Hemden gemacht, welche die Meistersfrau ihr geschenkt. Ein altes Tschöpli zeigte es mir noch, das sollte zwei Nachtärmeli geben; dann habe es alles, was nötig sei, mehr als manche Bäuerin, die nur vier Windeln besitze. Ein großer Teil der drei Kronen war also erspart. Wir betrachteten mit einer ganz eigen sich regenden Freude unsern kleinen Schatz, und gewiß manche Mutter, die ganze Schubladen voll Sachen hat von Seide, und lauter ganze Sachen, nicht aus alten Lylachen und Scheuben gemachte, hatte nicht so innige Freude dabei als wir. Ach ihr reichen Leute, ihr seid wohl reicher an Geld, aber deswegen nicht reicher an Freuden! Reich zu sein an Freuden hängt nicht von Reichtum, nicht von Armut ab, sondern von einem genügsamen, zufriedenen Herzen erstlich, und zweitens freuen Sachen, die man mit saurer Mühe sich errungen, die man gleichsam aus den Steinen herausgeschlagen, auf alle Fälle mehr als die, zu welchen man mit Geld auf die leichteste Weise gekommen ist.
Und ein andermal kam Anneli mir weit entgegen, hatte sehnlichst mich erwartet, mochte nicht erwarten, bis es mich im Kämmerlein hatte, und da lagen auf dem Tische schon ausgebreitet wieder Windeln, wieder Käppeli, wieder Tschöpeli, aber viel schöner als Anneli sie bereitet hatte. Anneli gab mir ein Stück nach dem andern in die Hand, und rühmte Stück für Stück, und auf seinem Gesichte glänzte die innigste Freude, und in seinem ganzen Wesen sprach sich das Bewußtsein aus, reich zu sein, viel zu besitzen, das reinste Gefühl der Befriedigung. Jetzt wachte doch der Gwunder in mir auf, zu wissen, woher das alles gekommen sei. Anneli gegen seine gewohnte Weise, neckte mich erst lange; ich sollte raten; gab mir falsche Geber an, bis es endlich mit den Andeutungen näher und näher rückte, daß ich Mareili raten müßte. Mareili war selbst dagewesen und hatte die Sachen gebracht. Sie hätte gedacht, sagte sie, wir würden dafür Geld ausgeben, was wir so nötig hätten; dergleichen Dinge besäße sie aber im Überfluß, und sie verschlügen ihr nur Platz, darum sie recht froh wäre, ihrer auf so gute Weise los zu werden. Mareili hatte aber auch Anneli examiniert, und war, wie es schien, recht zufrieden mit ihr fortgegangen, indem sie alle Hilfe für die Zukunft versprochen. Mareili hatte nicht gewartet um zu geben, bis man bettelte, sondern mit Nachdenken und Umsicht gegeben, hatte den Weg nicht gescheut; ist das nicht eine so seltene Sache, daß viele glauben werden, ich lüge? Anneli war wider seine Gewohnheit recht mutwillig, schraubte mich mit Mareili, ließ sich merken, daß es gar allerlei von mir vernommen, stellte sich dann wieder, als ob es auf Mareili schalus sei. Als ich dann eine Halbe Wein herauszog, die ich gekramt, schmollte Anneli wieder, daß ich so unnütz Geld ausgebe, dankte mir aber bald für meine Liebe, ward nach und nach mutwilliger, und wir verbrachten in fröhlicher Traulichkeit den schönsten Nachmittag, dessen Andenken mir noch immer Wasser zieht in den Augen, und Heimweh nach Anneli im Herzen.
Annelis Stunde nahte. Wir hatten Platz für sie gesucht bei einer braven Witfrau, die etwas näher bei mir wohnte, doch immer noch über anderthalb Stunden. Anneli verließ den Dienst, richtete sich in dem kleinen Häuschen ein, machte seine Kleider zurecht, bereitete einen Korb, füllte ihn mit einem Spreuersäcklein – das kleine Deckbett lieh ihr die Witwe – und erwartete so getrost, was der Herr über sie verhängen werde.