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Einmal, im Emdet war es, hatte ich mich spät und müde zu Bette gelegt. Lange war unbeständig Wetter gewesen; viel Emd war abgemäht, und als die Sonne wieder warm schien zwei Tage hintereinander, halten wir alle Hände voll zu tun gehabt, und am letzten Tage heimgeführt, so lange es heiter war; alle Wagen stunden unabgeladen unter der Einfahrt und vor derselben. Als alle ins Bett gingen, hatte ich noch meine Pferde zu besorgen; nachdem sie über Nacht erhalten hatten, legte ich mich endlich auch nieder.
Wie lange ich geschlafen, weiß ich nicht, als es wie Feuer in meine Augen drang, das Haus erbebte, und ein Getöse, als ob man einige tausend Körbe mit Glasscherben über das Dach ausleere, mir alle Nerven erschütterte. Ich fuhr auf; aus schwarzer Nacht war blutroter Tag geworden; ich fuhr nach meinen Kleidern, fand mit Mühe die Hosen, kam aber zweimal verkehrt hinein; die Schuhe aber wußte ich nirgends, sprang hinunter und sah das ganze Scheuerwerk unseres Hauses bereits in hellen Flammen. In den Ställen brüllte das Vieh; dorthin stürzte ich, meine Sachen ganz vergessend, nur an meine lieben Rosse, an meine lieben Kühe denkend. Ich sprengte in der Angst, da ich das Schloß nicht fand, die Türe mit einem Tritt, und schnitt die Halftern durch, lockte, trieb in wilder Angst die Tiere zur Türe, und brachte glücklich alle heraus, bis an ein Pferd, das wir erst gekauft, und eine Kuh, deren Kalb noch im Stalle stand und kein Bein machen wollte. Das treue Tier wollte sein Junges nicht verlassen, und fand in seiner Mutterliebe den Tod. Ich beinahe damit. Über meinem Zerren vergaß ich, daß ich in einem hölzernen Hause sei, bis plötzlich das Feuer in den Stall brach, auf allen Seiten es krachte, die Wagen auf der Einfahrt ins Tenn stürzten; da trieb mich Feuer und Rauch hinaus, und durch wallende Glut und unter stürzenden Balken weg sprang ich ins Freie. Nun im Hause vornen Geschrei, und ein wirres Austragen dessen, was man in der Angst ergriff. Der Meister rief um Hülfe, um sein Bureau zum Fenster hinauszuheben, und meine Kraft trug die schwere Bürde federleicht hinaus in die dunkle Hofstatt. Aber auch das Vorderhaus mußte verlassen werden; nun erst dachte man an die Rettung der nahe herumliegenden Nebengebäude, besonders des Spychers und des Stockes.
Die Flammen wirbelten in wildem Feuer weit hinauf in das dunkle Himmelsgewölbe; in weitem Kreise fiel nieder der Feuerregen, und bedeckte die Dächer der Gebäude; aber auch der Regen schlug prasselnd nieder und hinderte ein schnelles Feuerfassen. Aber die wachsende Hitze trocknete mehr, als der Regen netzte; hie und da fing eine Ecke an zu rauchen; niederfallende Schindeln und Holzsplitter glimmten auf den Dächern.
Wir versuchten zu löschen, so gut wir konnten; aber betäubt vom Schrecken faßten wir alles verkehrt an, fanden nichts, was wir bedurften. Niemand kam uns zu Hülfe, und doch donnerte es nicht mehr; das Gewitter schien in einem einzigen Schlag sich entladen zu haben. Eine unendliche Zeit, ja, Stunden schienen zu verschleichen, bis Schritte durch die Nacht hallten, bis eine Rundelle sich zeigte, bis das schauerliche Rasseln einer Spritze vernehmbar ward, und doch war innerhalb zwanzig Minuten die erste auf der Stelle. Niemand weiß, als wer es selbst erfahren, wie in solchen Augenblicken Minuten zu Stunden werden. Endlich mehrten sich die helfenden Hände. Die Stimmen kundiger Führer ertönten; der wilden Naturgewalt setzte die umsichtige Kraft der Menschen sich entgegen; da schien zorniger die Glut zu zischen, und gewaltiger wälzten sich die Feuergarben zum Himmel, als sie des Feindes nasses Nahen fühlten. Aber der Mensch bebt nicht; auf den Dächern ringsum setzte er sich fest und schirmte sich mit nassen Tüchern; kühne Rohrführer drangen ein zwischen den Brand und die zu schirmenden Gebäude; die Spritzenmeister reihten die verworrene Menge; durch ihre Hände flog der Eimer; es hoben und streckten rasch die Spritzen ihre Arme, und in hohem Bogen stürzten Wasserwogen auf die Dächer nieder, aber an die Wände prätschten gradlinicht die nächsten Röhren ihre blinkenden Wasserstrahlen, wie von des Bogens straffer Sehne zum nahen Ziele der Pfeil fliegt. Und wie Ordnung geschaffen und ein geregelter Widerstand eingerichtet war, da erwachte das Bewußtsein überlegener Kraft, und mit demselben trat Ruhe unter die Kämpfenden und beinahe stille ward es unter ihnen; nur hie und da erscholl der Ruf der Leitenden, nur hie und da wurde eine übermütige, unnütze Schneiderseele laut, die lieber regieren als arbeiten wollte; aber kräftige Fäuste schoben sie bald wieder dahin, wohin sie gehörte. Wohl rasselten von allen Seiten Spritzen heran, und die Menge der Helfenden strömte herbei; aber sie traten ein in die Ordnung, und ihr Geist kam alsbald auch über sie. Nur schüchtern sah man herumschleichen oder an Bäumen stehen ein vornehmes Bauernsöhnchen, das nicht arbeiten wollte, oder ein Schreiberlein, das seine Höschen schonen mußte. Zurückgedrängt in sich selbst, wurde das losgebundene Element immer wütender, wirbelte sich aus den Heu- und Garbenstöcken immer gewaltiger herauf, und jede einstürzende Wand oder Diele erzeugte neuen Ausfall, neue Feuerströme auf Menschen und Häuser. Aber die Menschen wankten nicht, Tücher deckten die kühnsten; es stürzten die Garben und Heustöcke herunter, ein Flammenmeer bedeckte alles; aber die Menschen wankten nicht, gegen des Elementes Wut setzten sie des Menschen Ruhe, und des Elementes Wut verzehrte um so schneller seine Nahrung, und schwächer schlugen seine Flammen auf, und kürzer wurden seine feurigen Zungen, und matter leckten sie an den schwarzen Hölzern hinauf. Da nun drangen die Menschen, die vorher dem ungestümen Feinde nur das Weiterdringen gewehrt hatten, auf den ermattenden ein zu seiner Vertilgung. Die Wasserzüge wurden länger, die Spritzen rückten vor, die Röhren wurden gewendet; zischend griffen die Wasserströme das Feuer über seiner Beute an, und muntere Bursche drangen nach, bewaffnet mit ihren tüchtigen Haken, und rissen dem Feuer aus den Zähnen seinen Fraß, und schleppten ihn aus dessen Bereich. Ohnmächtiger wurde es immer mehr, aber darum auch listiger; es barg sich unter die Trümmer, versteckte sich in die Tiefen des Heues und hoffte auf die Schwäche des Siegers, der sich in der Siegerfreude berauscht und die Wachsamkeit vergißt, ehe die Niederlage vollendet ist. Doch umsonst; es war diesmal nicht im Solothurner Gebiet.
Nach alter, schöner Sitte, als die Macht des Feuers gebrochen war, stattete der Pfarrer der nun überflüssigen Menge den gebührenden Dank ab; nur merkte man ihm sichtbarlich die Verlegenheit an, wie lange er diese Abdankung machen sollte; denn er hatte noch keine gehalten. Er schien sich für eine halbe Stunde entschieden zu haben; aber ein erneuerter Regenguß kürzte den dritten Teil bedeutend ab. Er hatte nämlich glücklich diese drei gefunden: 1. Vom Feuer überhaupt, und vom Blitz insbesondere; 2. vom Schaden und Nutzen des Feuers und Blitzes; 3. vom Dank gegen Gott, daß er Menschenleben behütet, und vom Dank gegen die Menschen, daß sie ihren Brüdern geholfen. Nach ihm bat der Statthalter um Dableiben der nächsten Spritzen und Mannschaft, wies auf Brotwagen hin, welche vernünftige Nachbaren herbeigeführt, den Hunger der Arbeitenden zu stillen. Während die Menge sich verlief, ordneten sich die Zurückgebliebenen zu neuer Arbeit, und wo das Feuer auch nur mit einem Auge guckte, prasselten ihm Wasserstrahlen entgegen. Da wurde es helle über der Brandstätte. Den Wechsel der Feuershelle mit der Tageshelle hatte man nicht bemerkt, bis auf einmal die Sonne über die Hügel sich hob, und ihr goldnes Auge durch dunkle Wolken niedersah auf die schwarze Brandstätte. Da erst kam man wieder zum Bewußtsein. Die ganze Nacht hatte ich gearbeitet, wo es am härtesten zuging, war im Feuer und Wasser gewesen, und hatte weder an mich noch andere gedacht. Nun sah ich auch den Meister wieder, wie er schluchzend bei dem einen und dem andern stand und seinen Verlust beschrieb, wie er bei jedem Teile seines Hauses in neue Tränen ausbrach, an eine andere Einbuße sich erinnernd; sah die Frau heulend auf der Spycherlaube sich wälzen, keines vernünftigen Wortes mächtig; sah die Töchter über die Fetzen ihrer Kittel jammern und nach ihren Göllerketteli schreien; und ich stand barfuß in Hemd und Hosen an der Brandstätte, all meine andere Habe war verbrannt; aber ich weinte nicht über mein sauer Verdientes, ich weinte erst, als man neben dem Kalbe meinen schönen Chleb fand, der den Tod der Treue gestorben.
Nun suchte ich auch das gerettete Vieh wieder zusammen, machte in einem Schopfe Platz, so gut ich konnte, molk in Eimer die Kühe aus, und brachte sie der Meistersfrau. Sie fing neu an zu heulen, heulte mich an: was sie doch mit der Milch machen solle? Indessen behielt sie sie, trank davon, gab ihren Töchtern; ob ich auch gehabt, darnach fragte niemand. Ich hatte nicht daran gedacht, und erst als ich andere trinken sah, dünkte es mich, ich hätte die Kühe gerettet, gemolken und auch Milch trinken mögen. Ich arbeitete wieder beim Schuttabräumen und Löschen, barfuß in Hemd und Hosen, und aß ein Stück Brot, das mir ein Bekannter reichte. Es kamen nach und nach Wägeli mit Betten und Hausrat für den Abgebrannten; ich half abladen, die Rosse halten; es kam Eßware aller Art; es kamen Kleider für die Töchter, Einladungen; Kinder nahm man in den leeren Wagen weg; aber niemand sah den geschwärzten Knecht ohne Schuhe und ohne Kittel.
«Ja Meiß, es isch mr viel z'übel gange, u no der Chleb verbrunne, hescht dä de nit chö'nne-n-use bringe?» war alles, was mir der Meister sagte. Als ich auf dem heißen Schutt endlich nicht mehr gehen konnte mit meinen verbrannten und wunden Füßen, da brachte mir ein armer Knecht aus der Nachbarschaft ein Paar alte Holzschuhe. Mit diesen setzte ich mein Tagwerk fort, half dem Bauer seine Geschenke an Scherm bringen. Da kam der Wirt und der Müller, dann mein Onkel Sami, aber nicht aus Gutherzigkeit, sondern aus Hochmut; für den armen Knecht, der zwar nur seines Bruders Sohn, während der Bauer ihm nichts verwandt, sondern nur, wie er, Gerichtssäß war, hatte er nichts. Ich dachte damals nicht daran, was mir geschah, gar nicht an die Ungerechtigkeit der Welt; gedachte nicht, daß ich dem Bauer viel mehr gerettet, als ich verloren, ich daher billig Ersatz von ihm zu erwarten hätte; daß er sehr viel gerettet und ich gar nichts, daß es mir am übelsten gegangen, daß meine Mitchristen mich zuerst zu bedenken hätten für meine Notdurft, ehe sie dem Bauern für seinen Überfluß sorgen hülfen. Gedachte nicht daran, wie in solchen Fällen für treue Dienstboten gesorget sei, nämlich so, daß sie allemal, wenn sie für den Meister gesorget und nicht für sich, reuig werden mußten. Damals waren noch keine Mobiliarassekuranzen; sonst hätte ich sicher auch nicht daran gedacht, wie unklug es von den Meisterleuten sei, ihrer Dienstboten Armseligkeiten nicht auch in ihre Versicherungen aufzunehmen und die Kleinigkeit für sie bezahlen, damit die Diensten, die ersten in solchen Fällen, die günstigsten Augenblicke zum allgemeinen Besten verwenden und nicht ein jedes zuerst nach seinen Hüdlene laufen möchte. An dieses alles dachte ich nicht; aber ich ward so von ganzem Herzen unglücklich, wie seit langem nicht. Mein Körper war ermüdet, voll Schlaf, nicht gehörig genährt; in die schlechte Nahrung waren einige Gläschen Branntwein gegossen. Vernachlässigt von allen, bei allen meinen Anstrengungen unbemerkt, bei meinem Verluste unbeklagt, bei meiner Treue unbelobt, kam ein Gefühl der Verlassenheit, des Alleinseins über mich, das mir das Herz zusammenschnürte.