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Wie man lieben und arbeiten kann

Es kam nun für mich eine gar strenge Zeit; denn unser Haus sollte noch vor Winter wieder aufgerichtet werden. Da waren die Arbeiten auf dem Lande zu besorgen; auf dem Bauplatz war immer zu tun, und eine Menge Steine sollten geführt werden. Freilich waren die Leute mehr als gut; Holz brachten sie genug und unentgeltlich zur Stelle; wer einen Tag entübrigen konnte, half Mist oder Steine führen und z'Acker fahren usw. Allein, am Ende blieb uns doch viel übrig allein zu schaffen. Das mühseligste von allem war, daß uns alles Schiff und Gschirr verbrannt war; von allem, was wir brauchen wollten, hatten wir nichts, und mußten erst hier aus und dort aus springen, um es zu entlehnen. Wollte ich Steine führen, so fehlten mir Ketten, Schleiftröge, Knittel; wollte ich Mist führen, so hatte ich weder Mistbretter, noch Haken. Mein Bauer war nicht dumm; er hütete sich wohl, das Erforderliche gleich anzuschaffen; er rechnete: beim Bauen gehe dem Werkzeug am meisten ab, gehe viel davon verloren; beim Bauen unter diesen Umständen leihe ihm jeder Nachbar gerne das Nötige; dem Werkzeug des Nachbars gehe es also ab, dieses gehe verloren, bleibe vielleicht bei ihm vergessen; was er dann endlich anschaffen müsse, das habe er nach vollendetem Bau noch neu und gut. Mir war die Sache freilich am lästigsten; sobald ich listig wurde (und durch die Liebe wird man es), am Ende aber auch am liebsten. Ich mußte fast alle Tage um etwas aus, oder etwas zurückbringen; da nun kam kein Nachbar so oft an die Reihe als Annelis Meister, und wenn es sich tun ließ, brachte ich alle Abende das Geliehene zurück, während das der andern Nachbarsleute ruhig tage- und wochenlang herumliegen konnte.

Annelis Meister rühmte mich dann, wie ich ein Exakte sei, und hieß mich wiederkommen, sooft ich etwas nötig hätte; er sehe, ich trüge ihm Sorge zu seiner Sache; er hieß mich auch oft in die Stube kommen, und ich mußte erzählen, was ich treibe, und er rühmte mich wieder, wie ich für so-n-e Junge e Tolle sei. Aber deswegen kam ich nicht, sondern wegen Anneli, das ich fast allemal, bald in der Stube, bald in der Küche oder beim Brunnen sah. Wir sprachen nie lange miteinander; aber unsere Augen verstunden sich und sagten sich alles: und wenn ich seinen Kittel streifen konnte oder zufällig, wenn es mir etwas abnahm, seine Hand berühren, so drang durch mich ein gar wonnigliches Gefühl, und ich ging überselig heim. Kein Mensch merkte von weitem, daß Anneli und ich näher miteinander bekannt seien; wir hüteten unser Geheimnis mit der größten Sorgfalt, und waren um so glücklicher dabei. Erst jetzt merkte ich, wie klug Anneli gewesen war, mir nicht mehr als eine Nacht in der Woche zu erlauben, welche ich manchmal gar nicht oder nur zu einer Stunde benutzen konnte, wenn ich ein treuer Knecht sein wollte. Alle Tage waren meine Rosse im Kommet früh und spät; des Morgens um vier mußte ich fort und kam abends um acht oder neun heim. Sollten nun die Tiere nicht abfallen zum Erbarmen, so mußte ich ihrer warten, mußte ihnen Zeit lassen zum Fressen, mußte abpassen und da sein, damit sie es mit aller Muße tun konnten. Ich mußte ganze Nächte meist wachend zubringen, in andern nachschlafen, wenn ich tauglich zur Arbeit oder ein wachsamer Fuhrmann bleiben wollte. So erzwang ich es, daß meine Tiere munter blieben, alle Menschen über ihr Aussehen sich verwunderten, und mir nie ein Unglück widerfuhr, zum Beispiel im Schlafe nebenaus zu fahren usw. Es gibt aber auch nichts Schändlicheres als Fuhrleute, welche stundenlang in Wirtshäusern liegen und ihre armen Rosse den Fliegen preisgeben oder der Kälte; nichts Schändlicheres als Karrer, welche ihre Rosse, wenn sie heimkommen, in Stall stellen, tränken, Futter aufschütten, dann einem Meitschi nachlaufen, dort bleiben, bis sie bald anspannen sollten, dann die noch von gestern hungrigen Rosse wieder nur halb abfüttern in aller Eile, nun auf dem Wagen schlafen, die Rosse herumblampen, Blätter von allen Bäumen reißen lassen, endlich auffahren, mit der Peitsche auf die armen Tiere einfahren, und in schnellem Trott das Versäumte nachholen wollen. Solche Karrer gibt es viele, man sieht es den Rossen an; solche Schlingel sind ärger als ein Tier, und sie verdienten, daß der liebe Gott sie auch in ein Tier verwandeln und einige Jahre einem Tierschinder, etwa einem Vita, in die Hände und unter die Peitsche geben würde.

Anneli freute sich, daß sein Meister mich so rühmte; denn es lebte nur in mir. Ich hatte mich neu kleiden lassen, und Anneli machte mir Vorwürfe, daß ich so schlechtes Zeug genommen; das gebe nicht warm und halte nicht dar, sagte es; wenn ich nicht Lohn gehabt zum Einziehen, so hätte ich es ihm sagen sollen; sein Meister sei ihm noch den letzten Lohn ganz schuldig. Da wurde ich fast böse, daß Anneli meinte, ich zöge so vorweg ein und verhudle mein Geld. Ich erzählte ihm, was ich bei meinem Meister zu gut zu haben glaube; aber er habe, wie er sage, mir jetzt nicht mehr geben können, weil er so viel anschaffen müsse, und Geld ihm mit verbrannt sei.

Das gefiel Anneli gar nicht, daß ich mit meinem Meister nicht einen bestimmten Lohn ausgemacht; so sei man immer betrogen, meinte es; es habe es erfahren. Zwei Jahre hätte es gedient unter lauter schönen Versprechungen, und von Zeit zu Zeit ein Nastuch oder ein Mänteli auf Abschlag erhalten, oder ein paar Batzen zum Schuhflicken. Als der Platz aus mehreren Gründen ihm nicht mehr anständig gewesen, es ihn aufgesagt und seinen Lohn gewollt, da hätte man ihm alle Versprechungen abgeläugnet, alles Gegebene hoch angeschlagen, noch viel dazu gelogen, seine Arbeit klein gemacht, und unter lauter Streit und Zank hätte es ein Almosen bekommen und nicht einen Lohn. Anneli meinte, mein Bauer sei der Rechte, es auch so zu machen; er habe in der Gemeinde nicht das beste Lob; ich solle daher mit ihm rechnen sobald als möglich, und einen festen Lohn bestimmen; so bös wie ich es habe, schienen ihm dreißig Kronen nicht zuviel; bei weniger Arbeit könnte ich an andern Orten vierzig bekommen.

Daß mein Bauer so schlecht sein könnte, das glaubte ich nicht; er wußte ja, was er mir gesagt, und was ich ihm verdienet; auch fand ich es nicht recht, wenn ich in diesem Augenblick, wo er schon Schaden genug hatte, ihm noch mit dem Lohn aufschlagen, ihn drücken würde. Aber gerne hätte ich gewußt, wie viel ich bei ihm zu gut, und wie viel ich in Zukunft bestimmt zu erwarten hätte. Als ich ihm einmal Geld forderte, um Winterstrümpfe zu kaufen, und er mich abschnauzte: er habe sein Geld nicht bloß für mich, so sagte ich ihm, in diesem Fall sei es besser, wir hätten unser Geld besonders; somit wollten wir miteinander rechnen, damit ich wisse, was mein Geld sei; denn von seinem Geld brauche ich nichts. Verblüfft sah er mich an, konnte nicht begreifen, was in mich gefahren und wer da aus mir rede; aber wie gesagt, er war ein schlauer Fuchs; daher faßte er sich bald und sagte mit aller Freundlichkeit: «Meiß, es isch nit so bös gmeent; het der neuer dr Gring große gmacht? I will scho mit dr rechne, sobald i dr Zyt ha, und dKalender gfunge, wo-n-i ufgschribe ha, was i der gä ha. Aber du muescht nit grad ufbigehre, we-n-i allbeneenisch uwirsche bi; we du soviel z'sinne hättisch, du wärisch's o. Du hesch nüt Chummer z'ha; für sövli bi-n-i notti geng guet gnue, u du weesch wohl, was i dr mengisch gseet ha, u we d' Geld manglisch, su chumm ume ungschoche; we-n-i ha, su muesch o ha.» Was sollte ich machen? Ich wußte darauf nichts zu antworten, und ließ mich begütigen.

Anneli war nicht mit dem Meister zufrieden, nicht mit mir: «Meiß, du bisch viel zu-n-e-n-ufrichtige; du wirsch gseh, wie's dr gaht», warnte es, und es hatte recht; aber das war nicht recht, daß es meine Schuld büßen mußte.

Doch ich will niemand Langeweile machen, indem ich unsern Liebeshandel weiter beschreibe, will auch alte Wunden mir nicht aufreißen dadurch, daß ich zu lange bei jener glücklichen Zeit verweile. Nur das will ich sagen, daß unsere Liebe züchtig blieb und immer inniger wurde. Wir sprachen freilich nicht von Liebe oder Freundschaft, nicht von Teufelnehmen, erschießen, ins Wasser springen, nicht von Königin des Herzens und Licht der Seele; aber wir fühlten, daß eins dem andern alles war, und jede Falte des Herzens öffneten wir uns, und jeder Gedanke war Gemeingut, und jedes fand sein Glück darin, daß es nicht mehr allein stund auf Erden. Wir liefen auch nicht miteinander im Lande herum, bestellten uns nicht auf alle Tanzplätze und Märkte. Ich bat zwar Anneli mehrere Male, mit mir zum Wein zu kommen; es hätte mich gar zu prächtig gedünkt, mit ihm vor der Welt zu erscheinen und an seiner Seite zu stehen oder zu sitzen. Aber Anneli wollte nicht; es sagte, das trage gar nichts ab; wir seien beide arm, müßten unser Geld sauer verdienen; da solle man es nicht so leichtsinnig ausgeben und an einem Sonntag vertun, für was man eine ganze Woche geschwitzt, ohne daß man am Montag etwas anderes davon hätte, als einen sturmen Kopf und Unlust zur Arbeit. Ferner würden dadurch die Leute aufmerksam auf uns beide, hätten zu räsonnieren, ließen uns nicht mehr ruhig, sondern würden eins gegen das andere aufreisen und uns auf alle Weise Verdruß machen. Ich gab nach, wiewohl ungern, und ein Jahr verstrich im stillen Glück; da wurde es anders, und durch meine Schuld.


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