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Ich erlangte die volle Gunst der Alten, ihr ganzes Zutrauen; sie hatten ferner kein Hehl mehr vor mir mit dem, was sie eigentlich trieben. Ihr Handel mit dem Plunder, den Tropfen, Kratten und Körben war nur Nebensache und Vorwand, um in die Häuser zu kommen. Dort machten sie sich in weiter Runde umher mit allen Verhältnissen, allen Schwächen, allen Leidenschaften der Menschen bekannt, und beuteten diese aus. Sie kannten alle eifersüchtigen Weiber, alle heiratslustigen Mädchen, alle Weiber, die, um irgend ein Bedürfnis zu befriedigen, hinter dem Rücken der Männer Geld haben mußten, alle Mädchen Liebschaften, alle in fremde Gehege gehenden Männer, alle nach reichen Frauen lüsternen Knaben, alle geistlichen, alle abergläubischen Leute, alle Freundschaften und Feindschaften, alle Knechte und Mägde, die mit ihren Meisterleuten unzufrieden waren und andere Plätze suchten, alle Kühe und Pferde im Revier; diese Kenntnis war ihnen die unerschöpfliche Fundgrube reichen Erwerbs. Sie trugen Nachrichten und Bestellungen hin und her, halfen verflöcken und Sachen einschwärzen, rühmten und schimpften, kurierten, sagten wahr; nebenbei ließen sie alles mitlaufen, was sich ihnen schickte, oder merkten sich Dinge, um bei der Nacht sie abzuholen, doch dieses letztere nur mit der größten Behutsamkeit, gleichsam bloß beiläufig, um ihren Kredit damit nicht auf das Spiel zu setzen; denn das Stehlen trug ihnen weit weniger ab als das Reden.
Um dieses recht anschaulich zu machen, will ich einige ihrer Tagwerke, wie sie sie selbst erzählten, anführen. Wer des abends zuerst nach Hause kam, besorgte die häuslichen Geschäfte, molk die Ziege, machte Feuer an, bereitete den Kaffee, der ohne Cichorie getrunken wurde, machte einen Eiertätsch oder Eierbrot, wenn Sachen dazu da waren und wartete dann, bis das zweite nach Hause kam. Diese beiden warteten dem dritten nicht lange, sondern ließen sich wohl sein; denn gar oft kam eins gar nicht nach Hause; am Zuletztkommenden war aber immer der erste Bericht.
«La g'seh, Alte, warum chunst hüt so spät?» hieß es eines abends, als der Mann erst nach eingebrochener Nacht erschien. Der pressierte sich aber nicht mit Reden, nahm ein Kacheli und ein tüchtig Stück zu essen, und erst dann fing er alsgemach, von beständigem Kauen unterbrochen, zu erzählen an.
«Heute habe ich einen mühseligen Tag gehabt. Als ich durch den Wald ging, nachdenkend wo ich einkehren sollte, traf ich den R... an, dessen Lehnsleute dieses Frühjahr plötzlich fortgezogen, weil der Lehensmann nicht alles mit ihm g'meinen wollte; der fragte mich, ob ich ihm für einen halben Gulden etwas verrichten wolle? Ich tat nötlich, sprach von vielen Bestellungen; da gab er mir zehn Batzen, wenn ich nach R. gehen und seines Alt- Lehnmanns Frau sagen wolle, er komme nächsten Markt nach S., und sie wollten sich am Morgen um zehn in S. Stübli finden, da hätte man sich gar nicht zu scheuchen und könne aparte sein.
«Unterwegs gesellte sich eine Zeitlang der von Geiz und Dummheit halb verrückte Wagner G. mir bei, der seine Kinder vor Hunger fast verrebeln läßt, und erzählte mir ein Langes und Breites von einem Feinde, den er habe, der ihn plage auf alle Weise; töten wolle er ihn nun nicht selbst, aber wenn er machen könnte, daß er sonst abweg käme, so sollte ihn etwas Schönes nicht reuen. Ich ließ mich ein mit ihm und versprach endlich Rustig zu erhalten von den Kapuzinern in Solothurn, aber er müsse mir vier Franken mitgeben, weil ich nicht Geld bei mir habe. Er gab mir sie recht gerne, lieber als einem, der ihm sein krankes Kind gesund gemacht hätte.
«Ich brachte zuerst dem Weibe meine Botschaft, konnte alles gut verrichten, da es allein zu Hause kochte. Es wurde ganz rot, weil es nicht recht traute; als es aber sah, daß es Ernst war, versprach es zu kommen, hieß mich aber schnell fortgehen und steckte mir ein halbes Brot zu, das gut für die Geiß ist; denn wir essen es doch nicht, es ist alt und schwarz. Von da ging ich zu den Kapuzinern und trug ihnen mein Anliegen vor. Sie hatten große Freude daran und sagten: «Gellit ihr Chetzere, ihr said äußter froh über eus; warum göt ihr nit zu eue Pfarrherre? aber gellit, die cheu äußter nüt als Wyber näh: es gait aber nit lang meh, so said dr wieder alle katholisch». Darauf gaben sie mir zwei kleine Fläschchen, deren Inhalt sollte man auf zwei Reisigburdene verbrennen; da werde ein Gestank entstehen, als ob ihn der Teufel selbst hinterlassen hätte, und der Gehaßte werde seinen Tod in der Luft einnehmen, krank werden und sterben. Mit allem Respekt nahm ich die zwei Fläschchen, zahlte zwei Franken dafür und bat obendrein um ein eingenähtes Bündelchen; sie behielten sich noch eine schöne Ankenballe vor, sonst könne der Wagner sich selbst in Acht nehmen. Ich kenne die Schälke wohl; stinken wird ihre Sache gewiß wie Teufelsdreck; die zwei Franken werden sie vertun und uns auslachen; aber ich kann so gut lachen als sie, ich habe ob dem Handel auch zwei Franken gewonnen. Nun findest du in meinem Säcklein weißes Brot, ein Stück Käse und noch eine Flasche Bätziwasser, welches mir der Wagner als Lohn gegeben, da ich behauptete, der Dreck habe vier Franken gekostet, und hier, Alte, hast du den Resten Geld, der ist für morgen gut; aber jetzt erzähle auch.»
«Du alts Chalb, wirst du de nie witzig?» schnurrte ihn die Alte an, daß ihm ein großes Stück in den letzen Hals kam. «Was ha-n-i de g'fählt, daß du aber z'brüele hesch?» «Daß de-n-e Löhl bisch, de Kapuzinere ga zwei Franken z'gäh; hättisch em Wagner ja öppis vo dir us bringe chönne; er hätt viel g'wüßt, woher es chäm.» «Ja das isch mir nit z'Sinn cho,» sagte der Alte in den Haaren kratzend. «Hesch de nit g'wüßt, wie's dr Schache-Hans dm Büzi-Bur macht?» «Ne.» «Du weißt wie er ein Abergläubischer ist, immer glaubt, es sei ihm alles verhext, und für selligs Narrewerk jährlich vielleicht tausend Pfund braucht. Der hat zwei Doktoren an der Hand, die mit ihm umzuspringen wissen. Der eine hatte ihm im vergangenen Winter, als es am kältesten war und sein ganzes Haus verhext sein sollte, angegeben: er müsse um Mitternacht splitternackt auf seine Hausfirst herauf und dort einen Schuß in die Luft loslassen, dann höre das Hexenwerk auf. Er rühmt ja noch allenthalben, wie das ihm geholfen; aber verflüemeret kalt sei es gewesen, vergißt er selten hinzuzusetzen. Der andere gab ihm Zeug für sein Fülli; nach 14 Tagen kam er wieder und rühmte, daß dem Fülli ganz geholfen sei; aber nun habe es seine Frau auch akurat so; er solle ihm doch vom gleichen Zeug noch einmal geben.
«Aber beide Doktoren können ihm manchmal nicht helfen; dann müssen die Kapuziner ans Brett. Aber er geht nicht selbst zu ihnen, sondern zum Schachen-Hans, der gibt ihm, was er will, und lügt ihm, es komme von den Kapuzinern, er sei expreß seinetwegen bei ihnen gewesen. Das glaubt der Löhl und brachte letzthin dem Hans ein schön Stück Halblein für die Kapuziner. Aber Hans ist nicht ein Narr wie du; es hat ihm eine schöne Kutte gegeben; er hat sie vor 14 Tagen, wo er hat Götti sein müssen, angehabt, und sie ist ihm wohl angestanden. Wenn ich ein Löhl gewesen wäre wie du, ich hätte auch nicht vier schöne neue Fünfbätzler im Sack.»
Sie sei mit ihren Hofmannstropfen zu der alten Weiblin A. gekommen, erzählte die Alte, die hätte ihr ins Stübli gerufen und geklagt: ihr Mann gehe immer andern Weibern nach, sie sei ihm nicht mehr gut genug; sie habe das schon lange gemerkt, und allemal, wenn er nach Hause gekommen, ihn tüchtig ausgeschimpft; aber er habe sich nicht gebessert, im Gegenteil, er sei nur mehr fortgegangen und später heimgekommen. Doch das sei noch alles nichts gewesen; aber jetzt sei eine Frau in ihre Nähe gezogen, von der man wohl wisse, wie anlässig sie sei und daß sie etwas in ihrem Schnupf habe, womit sie es allen Männern antun könne; mit dieser Frau habe nun ihr Mann gestern auch geredet und gar freundlich, wie sie es wohl abgegugget, und da breche ihr nun fast das Herz über diese Mistmohre und ihren Mann. Ich tröstete sie nun gründlich, indem ich ihr ein Mittel versprach, welches alle Mannen, welchen man es eingebe, ihren Weibern auf immer treu mache. Man müsse nämlich Nachtmahlbrot nehmen, das eingesegnet worden sei in der Kirche, und wenn man machen könne, daß ein Mann von diesem Brot im Kaffee esse, so könne er mit keiner andern mehr was zu tun haben. Des Pfarrers Köchin von S. sei meine beste Freundin, und um ein gut Trinkgeld gebe sie mir gewiß einige Stängelchen; von diesen solle sie unter einem schicklichen Vorwand dem Manne einbrocken, und all ihrem Elend werde abgeholfen sein. Sie war ganz glücklich über mein Mittel, gab mir einen Schnaps und vier neue Fünfbätzler für mich und die Köchin, welche aber nichts davon erhalten wird; ich bin kein so dummer Hung wie du; das Brot, welches du gebracht hast, tut den Dienst auch.
«Als ich fortging, wartete mir hinter dem Hause die Sohnsfrau, klagte, wie man so wüst gegen sie sei. Obschon kaum dreiwöchige Kindbetterin, gebe man ihr nichts Apartiges; seit acht Tagen habe sie keinen Wein gesehen. Sie gab mir einen Kloben Reisten und ein seidenes Halstuch; dafür solle ich ihr eine Maß roten Wein bringen, den Überschuß für mich behalten.
Den ganzen Morgen schaffete ich nichts mehr; als ich aber gegen L. kam, war Stockbure Trini im Bohneplätz und winkte mir. Wir stunden in die Bohnen hinein und da fing es an zu weinen und sagte: sie glaube schwanger zu sein, es sei ihr so und so, ob ich es nicht auch glaube? Da ich es bestätigen mußte, so klagte sie, der Vater sei s'Müllers Sohn zu V., er hätte ihr alles Gute versprochen und bei allem Hohen beteuert, er lasse sie nicht stecken. Nun sei er aber schon zwei Monate nicht mehr gekommen; sie habe Nachricht, er gehe zu einer andern. Den Eltern dürfe sie es nicht sagen, die hätten ihr den Burschen immer gewehrt und vorausgesagt, er mache es ihr so. Ich solle doch zu ihm hingehen, bat sie, und ihn dort und dort hin bestellen, wenn er nicht zu ihr kommen wolle; aber reden müsse sie allweg mit ihm, es drücke ihr sonst das Herz ab. Obgleich Trini mir nichts geben konnte, sondern nur gute Belohnung versprach, so ging ich doch hin; sie erbarmte mich. Auf dem Wege kam ich bei der reichen Bäuerin auf dem Hoger vorbei, die so lästerlich trinkt. Die gab mir eine große Flasche, welche ich ihr solle füllen lassen und dann zu der Eiche stellen im Haselhag; denn wenn ich zurückkomme, werde ihr Mann wieder daheim sein, und wenn er mich antreffe oder etwas merke, so prügle er entweder sie oder mich, welche ihm zuerst in die Hände komme. Für meine Mühe gab sie mir sechs Kreuzer; einen Schluck aus der Flasche nahm ich ungeheißen.
«Den Müllers-Sohn fand ich im Mühlistübli alleine. Anfangs wollte er mit mir aufbegehren und mich fortjagen; allein ich erschrecke nicht vor jedem Müller. Ich sagte ihm, ich wolle es seinem Alten sagen; da wurde er zahm. Dann rühmte ich Trini und sprach von Erbschaften, die es machen würde, und wie es die töllsti Müllere würde, früh und spät sei und Schweine mästen könne, trotz einer Luzerner Säumutter. Er hörte mir immer andächtiger zu, und ich merkte wohl, daß ihm Trini noch lieb sei und, wenn er nicht schon eine andere Kochete über habe, er Trini nehmen würde. Ich wußte wohl, wohin er seither gegangen war. Dieses Mädchen fing ich an auszuführen und wußte noch von manchem zu erzählen, der zu ihr gehe, und wie sie an der letzten Musterung mit einem Offizier auf dem Läubli angetroffen worden sei. Das wirkte. Er versprach wieder zu Trini zu gehen, gleich diese Nacht, und gab mir dieses Säckli Mehl mit, und im andern Säckli habe ich eine Halbe Roten und hier noch eine Magenwurst, und wenn du nicht so müd wärest, so wüßte ich noch im Wald ein schönes Stück Holz; aber du kannst das die andere Nacht holen, sie werden es morgen nicht fortführen.»
Bei der Halbi Roten erzählte ich noch meine Geschichte. Dann schliefen wir alle drei herrlich im schlechten Bett und auf dem Laubsack unter den Hudeln.
Ein andermal erzählte die Alte, sie sei nicht weit gewesen, da sei ihr der Strubpeter begegnet uf sim Bigger, wie-n-e Schnyder, hätte angehalten und ihr gesagt: «Du weißt, Babeli, daß die Leute mich ins Geschrei bringen mit dere ob-em Kreuzweg, daß meine Frau schrecklich schalus ist und ich dessetwegen es großes Lyde ha. Gehe nun zu ihr und sage ihr, wie sie im Geschrei sei mit irgendeinem Nachbar, mit welchem du willst, und wie alle Leute davon sagen; da wird sie dann grüslich mache, denn die tut wüst, wenn sie abkömmt; und ich will es einrichten, daß ich dazu komme, will sie fragen, was sie habe, und wenn sie es mir sagt, so will ich antworten: Siehst du jetzt, was die Leute können; wenn ich jetzt auch alles glauben wollte, was glaubst du, wie führe ich mit dir aus? Aber nein, Fraueli, ich weiß, was die Leute können; aber glaube du es auch, und quäle mich nicht mehr so. So will ich reden; gehe jetzt zu ihr, du mußt ein gutes Trinkgeld haben.» Ich ging zu der Frau; sie schnauzte mich anfangs an. Sie und das ganze Haus sahen so strub aus, daß ich jetzt wohl weiß, warum man ihnen Strubpeters sagt. Aber ich fing an, ihre Meyen zu rühmen, ihre Kinder und ihre magere Katze, bis sie mir immer mehr zuhörte; dann fing ich an so nach und nach über die Welt zu seufzen, wie sie immer schlechter werde, und es allbets nit so g'gange, wie keinem Menschen mehr zu trauen sei, auch dem besten Freund nicht; die Leute ließen niemand mehr rüyhig. Wenn ich auf dieser Saite spiele, so sind von hundert Weibern nicht zwei, welche nicht darnach tanzen. Sie tanzte auch, und nach mancher andern Geschichte, die ich nicht erzählen will, sagte ich: «Wenn ich dir aber erst sagen wollte, was die Leute über dich sagen, da erst wüßtest du, wie schlecht sie sind; aber das sage ich dir nicht.» Natürlich wollte sie es wissen; sie mußte mir zuerst versprechen, nicht höhn zu werden und es niemandem zu sagen, dann richtete ich meinen Auftrag aus. Nun hättet ihr sehen sollen, wie das Weib zu heulen und zu wüten anfing; ihr Lebtag, seit sie verheuratet sei, habe sie mit keinem zu tun gehabt, als mit ihrem Manne, und jetzt gehe es ihr so! Als sie am besten daran war, kam ihr Mann, wie abgeredet, und das Ende vom Lied war lauter Eintracht und das Versprechen der Frau, nun keinem Menschen mehr zu glauben, was man über ihren Mann sage, und der Mann mußte das gleiche versprechen – er tat es nicht ungern.
Von da kam ich in ein Haus, wo eine schöne Tochter ist, die gerne einen reichen Mann hätte und an allen Märiten im höchsten Staat aufzieht, mit guldige Gufe, silbrige Hafte, fast wie eine Hand so groß, Ringen an den halbgewaschenen Fingern und Kruselhaar an der Stirne, das sie eine halbe Nacht drehen muß, damit es gchruslet werde, und zweien Naselümpe, einen für die Hand und einen für die Nase, und einer gelben seidenen Scheube, die rauschet und glitzeret, daß man sie eine halbe Stunde weit merkt, und seidene Halstüchli und siebe Mänteli übereinander ufg'hogeret bis an das Kinn und kurzum Narrenwerch z'ringsetum und obe und unte. Am letzten B. Märit stund alles still, wenn sie vorbeignepfte und -rauschte. Am Mittag war ich unter der Türe, und sah sie essen, da tat sie so zimperlich; sie büschelte das Maul, daß es war wie ein Spatzenschnabel, und redete so leisli, daß man nicht recht wußte, war es deutsch oder welsch; nachher beim Tanzen schüttelte sie den Kopf wie ein Kutschenroß im Winter, wenn es Schellen an hat, und tat ganz herrschelig. Ihr hättet hören sollen, wie die Buben sie ausgelacht und verspottet, und einer sagte: E settige Narr paßt gerade auf einen Bauernhof, wie ein Gugger auf ein Nest voll Eier zum Brüten. Soviel ich weiß, ist keiner mit ihr heimgegangen; einer oder zwei wollten mit ihr, aber keiner war ihr gut genug. Sie ließ den Alten allein heimfahren und wartete lange, lange auf reichere oder vornehmere, aber umsonst. Um Mitternacht mußte sie endlich bloß mit der Jungfer und einer langen Nase heim. Nun sagte ich ihr nicht, was ich gehört und gesehen, sondern gerade das Gegenteil: wie alle Leute auf sie gesehen und gesagt hätten, das sei die Schönste auf dem ganzen Märit und geb die tollste Bäuerin; und wie die Herre gesagt, sie sei viel zu schön für einen Bauern, und wie alles gefraget, wie sie heiße und wo sie wohne, ob seither noch niemand gekommen sei, nicht etwa der und der? Ds Bure Sohn im Katzelöchli habe besonders nach ihr gefraget und auf sie g'luegt. Sie hörte das so andächtig, und wenn ich schon dreimal das gleiche sagte, sie hörte es allemal lieber; aber ich habe mich nicht länger wollen säumen und pressierte fort. Da gab sie mir den Auftrag, doch zu dem im Katzenlöchli zu gehen und ihm zu sagen, so von ungefähr, wenn er mich etwa nach ihr frage, sie werde den nächsten Sonntag in dem und dem Bade sein, wo man tanze. Geld gab sie mir nicht, sie hat nie viel, weil sie zu viel braucht; aber ein Rüppstücki hat sie mir ins Säckli getan. Ich will es auch ausrichten; er geht sicher hin, um sie so recht für ne Narr z'ha.
«Auf dem Heimweg kehrte ich noch bei der geistlichen Frau ein, unten am Stein, wo in alli Versammlige lauft und in alle Kinderlehre seufzet und pläret; sie hatte auch wieder pläret, aber nicht wegen geistlichen Sachen. Ihr Hans sollte Eysin heuraten, dem ihr Mann Vogt ist, das 5000 Pfund verfallenes Gut hat, und noch mehr erben kann, wenn einist seine Mutter tot ist. Hans ging eine Zeitlang zu Eysin; jetzt geht er zu Bändelstüdis Tochter, ein braves Meitschi, halt o nit rych, aber doch auch nicht ganz blutt; und Eysi hat auch einen andern, der ihr besser gefällt, als Hans, der nicht e Lüftige ist und nicht gut tanzen kann. Das macht nun der Mutter grausamen Verdruß. Mit dem Geld hätte sie die Schulden zahlen können, welche sie noch auf dem Hof haben; dann hätten sie es können gut haben und desto besser den Versammlige nachlaufen. Sie schimpfte gar jämmerlich über Bändelstüdis Tochter und fragte mich, ob ich nicht auch viel Schlechtes über sie gehört? Als ich es verneinte, sagte sie mir, sie aber habe das und das gehört, gar gräßliche Dinge, welche sie bestimmt selbst ersinnet. Aber sie möge sagen was sie wolle, fuhr sie fort, der Sohn glaube ihr nicht; sie habe schon manchmal darüber vor Gott geseufzt und geklagt. Ich solle daher jetzt zu Hansen gehen, er verleg den Mist, und ihm alles sagen, und ihm sagen, es rede das, was man ihm gesagt habe, all Lüt, dChilcherlüt und dMäritlüt; und von da solle ich zu Eysin gehen und dieser sagen, wie ihr neuer Liebhaber einer sei, wie er spiele und saufe und Schulden habe, und die Leut auf ihr Geld vertröste und sich rühme, er chönn mit Eysin mache, was er wolle. Sie könne mir jetzt nichts geben, der Mann habe den Schlüssel zum Gelde; er sei der wüestisch Hund gegen sie, wo nur sein könne; er habe ihr gesagt, es sei geistlicher, Zinse zu geben, als den verloffene Lumpehunde alles az'häiche; aber sie wolle zu Gott beten, daß er mir ein so gutes Werk vergelten möge. Aber auf diesen Lohn hin ging ich nicht zu Hans und nicht zu Eysin. Wenn unserein auch nicht geistlich ist, so ist er doch auch kein Heid nicht und hat auch einen Glauben. Hätte nicht der erbetene Lohn darin bestehen können, daß ich auf diesem Gang die Beine gebrochen? und diese brauche ich zuviel. Die Menschen kann ich für Narren haben um ihr Geld, aber mit Dem da oben probiere ich es nicht gerne.»
Der Mann hatte anderes zu berichten. «Lange war ich nicht», sagte er, «bei den vornehmen Leuten da äne, wo der Himmel ist für alle Bettler. Das sind Leute, die sind nicht Vogel nicht Fisch, nicht Herre nicht Bure, nicht ganz dumm, aber nicht halb gescheut, nicht glücklich, nicht unglücklich, halb geistlich, halb weltlich, so hochmütig im Herzen und so demütig in der Stimme. Ich war lange nicht dort, das letztemal ward ich böse. Da war der alte Adam auch dort, der Speisläufer mit der roten Nase, der unter seinem geistlichen Mantel alles macht, was er kann, und weit und breit den reichen Weibern nachläuft, um mit ihnen zu seufzen und für sich zu fressen; dem erwiesen sie alle Ehre und sprachen mit ihm von dem Verderben der Welt und dem Ende derselben usw. Es machte mir Langeweile, ich fing an von Heiraten zu reden; da putzte mir der Sohn ab, man müsse nicht immer so an weltliche Dinge denken; und doch ist er der erste, der nach allen reichen Töchtern fragt im Oberland und im Aargau, und fragt, wie manches Kind sei und wieviel die Eltern vermögen, und ob man nicht wüßte, ob sie noch mehr Kinder bekämen oder nicht? Er sinnet tagelang, wie er zu einer Reichen kommen könne, und vergißt dabei alle Geistlichkeit. Das machte mich böse und ich packte bald auf. Die Frau kam mir noch nach und sagte, ich solle doch recht nit zürne und bald wieder kommen; aber ich habe es ihnen gereiset; sie haben mir zweimal müssen sagen lassen, warum ich nicht komme? Sie sterben fast vor Langeweile, vor lauter Müßiggang, und Bücher machen ihnen auch langi Zyt; da buchstabiere si halbi Tage in alte Zytige und denke all Augeblick, ob dMuetter ihnen nicht bald etwas zu essen bringe, oder ob nicht bald ein Bettler kommen wolle, mit dem sie reden können? Sie führen ein Lebtig, daß ich um all ihr Gut nicht mit ihnen tauschen möchte. Sie bilden sich ein, auf der ganzen Welt habe es niemand wie sie, und doch ist es ihnen unter den Menschen nie wohl; sie leben immer in tausend Ängsten, sich zu verfehlen, und wenn ein Bettler in den nächsten acht Tagen nicht wieder kömmt, so kratzen sie sich fast die Ohren ab, um zu ergründen, wie sie sich etwa gegen ihn verfehlt haben könnten.
«Heute nun ging ich wieder hin, kehrte unterwegs aber noch ein im Wirtshaus an der neuen Straße. Es hatte mir einer ein schön Trinkgeld versprochen, wenn ich machen könne, daß er dort Stallknecht werde. Der Wirt hat zwar einen guten und ist mit ihm zufrieden, aber es ist nichts leichteres, als einen Meister und einen Knecht voneinanderzubringen. Man braucht nur den Knecht recht zu rühmen und zu sagen: «Hans oder Benz, es isch ke settige wie du, du verdientist e größere Lohn, e bessere Platz; aber es düecht mi, dy Meister wüß nit, was er a der heig,», so wird er prüßisch und ufbigehrisch. Wenn man dann noch dem Meister sagt: «Es düecht mi, dy Chnecht syg nümme, was er g'si syg; aber so geit's, we eine z'lang am-e-n-Ort isch, es wird ne nume z'wohl, und si wei alles Meister sy; e wenig angers Brot esse, schadti dem o nüt», so ist die Sache richtig. Der Meister wird nichts sagen, als: «Es sy all e so, 's isch kene besser als dr anger; aber eine Floh hinter dem Ohr hat er doch, und wenn der Knecht prüßisch wird, so wird der Meister puckt; und es geht nicht lange, so kommt der Meister und fragt, ob ich ihm keinen andern wisse, der sei ihm entleidet, und dann auch der Knecht, ich solle ihm Platz suchen; der Meister müeß erfahre, was für einen er gehabt habe; dann erhalte ich von drei Seiten mein gut Trinkgeld. So machte ich dort Vorarbeit bei Wirt und Knecht; an beiden Orten hat es eingeschlagen und mein Löhnli wird mir nicht fehlen. Unserem Bach nach ging ich weiter hinauf bei Plauderfridis Haus vorbei, und kam endlich an, wo ich wollte. Dort hat man eben z'Morge g'gesse, eben als es Mittag läutete, und tat gar freundlich. Man gab mir nicht bloß Kaffee, sondern ein anderes braunes schmutziges Wasser, das aber süß war und mir gar wohl machte; sie sagten ihm Gaggeladig.
Nachher führte mich der Sohn in den Stock und klagte mir, er sei krank und habe grausame G'süchti. Es sei sein Pläsier gewesen, in der Ernte dem Garbenwagen nachzugehen und sich allemal, wenn er stille gehalten, in dessen Schatten zu setzen, das habe ihm gar wohl gefallen; allein, ob dem habe er sich in dem kühlen Schatten des Wagens wahrscheinlich erkältet und jetzt gar grausam Rückenweh. Ich versprach ihm Heilung, gab ihm eins der von den Kapuzinern erhaltenen Bündelchen; dieses solle er unter Ausrufung der drei höchsten Namen ihrem schönsten Braunen unter den Stiel binden, dort es drei Nächte lassen, und alle drei Nächte, ehe er ins Bett gehe, dreimal das Unser Vater beten, und nach jedem Vaterunser ein Glas warmen roten Wein trinken, dann werde es sicher schon bessern. Nachdem ich so seinen Leib getröstet, klagte er mir sein Seelenleiden. Er hätte fast gar geheiratet, eine einzige Tochter, und in den nächsten Sonntagen hätte er wollen verkünden lassen; da hätte er vernommen, sie hätte noch einen Bruder erhalten, und sei jetzt nicht mehr halb so reich; so wäre er fast unglücklich geworden, wenn er einige Sonntage früher sich hätte verkünden lassen; nun sei es glücklicherweise noch Zeit gewesen, sich von der Tochter, die nun nicht mehr b'sunderbar reich gewesen, wegzumachen. Sein guter Freund habe ihm letzthin die reichsten und schönsten Mädchen in der ganzen Gegend nach W. ins Wirtshaus entboten; sie seien alle gekommen, acht an Zahl. Es seien schöne Meitschi gewesen, aber reich genug seien sie ihm doch nicht; keins hätte verfallene Mittel, von keinem wisse man bestimmt, wieviel es bekomme; bei den einen wären mehrere Geschwister, bei den andern trinke der Vater, und der Vater einer andern sei Witwer, und man könne nicht wissen, was den noch ankomme. Er habe ihnen gar schön aufwarten lassen, und sie hätten sich gar lustig gemacht; er sei geng z'ringsetum hinter ihre Seßle durch gegangen, und habe einer jeden ein Kompliment gemacht, und ihre Sache gerühmt, und nach den Eltern gefraget; wo es dunkelt habe, seien sie fortgegangen; er habe drei Kronen zahlen können, und das habe ihn auch gereut, da er doch keine möge von denen.
Jetzt sei letzthin eine Frau gekommen und habe ihm eine angegeben, da weit inne, es solle eine gar hübsche und reiche sein. Es sei ihm aber erleidet, im ganze Land ume z'fahre; er sei schon im Oberland und im Aargau gewesen, im Seeland und am Berg äne, und das koste Geld, und in ein Wirtshaus hätte er sie nicht mögen kommen lassen; es gebe gleich viel Gered unter den Leuten und noch dazu eine Ürti, die er wieder bezahlen müßte; da hätte er sie heißen zu ihnen hinaufkommen, vielleicht komme sie gerade diesen Nachmittag. Es machte mich böse, daß hier ein Weib mir ins Handwerk pfuschen wollte, und ich redete dem Meitschi z'böst, wie ich nur konnte, auch noch während dem Essen. Und gerade als wir fertig waren, siehe, da kam das Mädchen, geputzt wie ein Pfau, und Backe, so rot- und glattgerieben wie ein Karfunkelstein, und hatte einen Zuckerstock im Säckli und zwei Pfund Kaffee zum Chram, die es gleich auspackte, als man es hieß hereinkommen. Man war verblüfft, und niemand redete viel mit ihm; auch führte man es nicht einmal in den Stock, wohin sonst jeder kommt, auf dem man etwas hält; man zeigte ihr nur die Kühe und die Chaise, und es merkte gleich, daß es nicht wert gekommen sei, und het fast pläret. Am Ende dauerte es mich doch; aber ich lasse mir mein Handwerk nicht verpfuschen. Ich glaube, dere sei das Nachlaufe für einist verleidet, und sie werde die ersten Tage nicht mehr auf G'schaui ga; aber ganz geheilet ist sie doch nicht, sie müßte kein Meitschi sein. Es steckt einem wie dem andern das Heiraten im Kopf und alle gehen auf einen Mann aus; die einen stellen es etwas feiner an als die andern und können's besser verbergen; aber das sind nicht allemal die reichsten und die vornehmsten; gerade die tun manchmal am nötlichsten, daß man sich fast für sie schämen möchte, und gehen einem jeden, wohin er sie bestellt, wenn sie ihn schon nicht begehren und einen andern im Aug haben. Aber es gibt alleweil vergebe z'esse und z'trinke, und vielleicht einen andern guten Schick. Ja, das ist mir es Volk!
Nachdem die G'schauere fort war, ganz kaputt, erhielt ich meine Aufträge. Dem Sohn sollte ich eine recht Reiche suchen, wo die Eltern keine Kinder mehr bekämen und von der ich glaube, sie bekomme auch nicht mehr als eins oder höchstens zwei; den Alten sollte ich mich nach einigen Kühen umsehen und einige Fläschchen Schmöckwasser bringen. Vollgegessen, ein Trinkgeld im Sack, und mit Ermahnungen, nicht mehr so lange zu warten, kam ich endlich fort. Auf dem Heimwege gab mir noch der dicke Wittlig im Guggersnest den Auftrag, seiner Magd einen Mann zu suchen; sie vermöge 200 Kronen, aber es pressiere.»
Nun liefen aber auch viele Tage ab, wo es nicht so wohl ausgab, wo man nichts verdiente als das Essen, einige Stücke Brot und seine Kundschaft sich erhielt, Neuigkeiten herumtrug und des Rühmens viel machte. Wußte man, daß die Leute, in deren Haus man war, das Nachbarhaus haßten, so wußte man, daß eine Tochter darin schwanger sei und die Söhne da und dort nicht mehr eingelassen werden. Den Leuten aber sagte man, wie allenthalben ihre Töchter gerühmt werden, und wie man auf diesem und jenem Hofe immer nach ihren Söhnen früge, und wo sie hingingen.
Zuweilen kamen Leute zu uns, die unserer Küche auch wohltaten, nämlich Leute, um sich wahrsagen zu lassen. Die Alte kannte alle Verhältnisse; so wußte sie gleich, was man eigentlich wissen wollte; daß die Frau vernehmen möchte, ob ihr Mann noch lange leben werde, oder ob sie bald zu einem andern kommen könne, wußte, auf wen sie ihr Auge schon geworfen, wußte die Liebesangelegenheiten der jungen Mädchen, die neugierig waren zu vernehmen, was sie zuerst kriegen würden, ein Kind oder einen Mann? Da ward ihr das Wahrsagen leicht; sie hatte dabei großen Ruhm und guten Verdienst; doch klagte sie, es nehme bedeutend ab.
Dann kamen, wenn sie sich einen lustigen Abend machen wollten, Leute, welche gewöhnlich nicht in Wirtshäusern übernachten, sondern bei den Bauern im Stall. Es waren Herumstreicher, welche die Polizei fürchten mußten; sie brachten allerhand gute Sachen mit, und dann ließ man es sich recht wohl sein. Auch sie erzählten ihre Streiche, schimpften aber vor allem auf die Polizei, vor welcher kein ehrlicher Mensch sicher sei. Die Landjäger, sagten sie, hätten den Teufel im Leibe; man sollte immer ein Vater Unser beten, wenn man einen von weitem sehe; es sei ihnen nur um den Lohn zu tun; wenn man ihnen etwas stecken wollte, so wäre man schon sicherer. Aber da wollte man wohl Narren sein! Es seien die meisten Landvögte gar gute Leute; wenn man recht nötlich tun könne, so ließen sie einen nicht nur wieder gehen, sondern sie schenkten einem noch das Nachtquartier und die Suppe, und der Landjäger erhalte wohl noch gar einen Schnauz, besonders wenn er den Herrn an seinem Schläfchen oder in seinem Spielchen gestört.
Alle Winter einmal oder zweimal, wenn das Laufen ohnehin nicht lustig war, lag das eine oder das andere im Bett und stellte sich krank. Das Gesunde ging dann hinüber ins Dorf, jammerte über ihr Elend, über ihr Leid, die Gemeinde plagen zu müssen, streute unter dem Jammern allerlei interessante Neuigkeiten aus, um die Herzen zu gewinnen, und schlug so auf alle Fälle den Hauszins heraus, manchmal sogar eine Extrasteuer. Im ersten Winter ging ich nie in die Schule, im zweiten wurde der Alte daran gemahnt; er jammerte über seine Armut, sein Unvermögen, mich zu kleiden, er habe mich dr Gottswille, weil ich seiner Frau weitläufig verwandt sei usw. Man glaubte es ihm und entließ ihn mit einer Mahnung, die nicht viel zu bedeuten hatte.